Urteil des LSG Bayern vom 22.09.2004
LSG Bayern: hallux valgus, chondropathia patellae, rente, arbeitsmarkt, abnutzung, bad, ausbildung, rezidiv, behinderung, diagnose
Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 22.09.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 10 RJ 607/01
Bayerisches Landessozialgericht L 20 RJ 508/02
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 07.08.2002 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1946 geborene Klägerin hat nach ihren Angaben keinen Beruf erlernt; sie war versicherungspflichtig beschäftigt
als Näherin, Montiererin, Spulerin, Bedienung, und zuletzt von 1999 an als Gebäudereinigerin. Seit April 2000 bestand
Arbeitsunfähigkeit mit anschließender Arbeitslosigkeit.
Am 14.08.2000 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Berufs (BU)- bzw. Erwerbsunfähigkeit (EU).
Die Beklagte ließ sie untersuchen durch den Chirurgen Dr.v.G. , der im Gutachten vom 31.10.2000 die Auffassung
vertrat, die Klägerin könne leichte, gelegentlich auch mittelschwere Tätigkeiten, möglichst im Wechselrhythmus in
Vollschicht leisten. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 09.11.2000 ab. Dagegen erhob die
Klägerin Widerspruch. Vom 31.01. bis 07.03.2001 unterzog sie sich einem Heilverfahren in Bad B ... Die Entlassung
aus der Maßnahme erfolgte als arbeitsfähig und vollschichtig einsatzfähig für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 29.06.2001 zurück. Die auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
verweisbare Klägerin könne weiterhin einer Erwerbstätigkeit in Vollschicht nachgehen.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 10.07.2001 Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Das SG
hat Befundberichte des Allgemeinarztes Dr.M. , der Gynäkologen Dr.T. , Dr.S. u. Dr.A. sowie des Urologen Dr.K. zum
Verfahren beigenommen. Auf Veranlassung des SG haben die Nervenärztin Dr.O. das Gutachten vom 25.01.2002 und
der Orthopäde Dr.S. das Gutachten vom 11.04.2002, jeweils nach ambulanter Untersuchung der Klägerin erstattet.
Während von nervenärztlicher Seite die Klägerin für fähig erachtet wurde, leichte und gelegentlich auch mittelschwere
Arbeiten, insgesamt in Vollschicht zu leisten, hat der Orthopäde die Klägerin für fähig gehalten, zumindest leichte
Arbeiten in voller Schicht zu verrichten. Mit Urteil vom 07.08.2002 hat das SG die Klage - gerichtet auf Gewährung
von Rente wegen EU - abgewiesen. Bei Übernahme der Leistungsbewertung durch die ärztlichen Sachverständigen
hat das SG die Klägerin für fähig gehalten, leichte körperliche und geistig einfache Arbeiten möglichst im
Wechselrhythmus vollschichtig zu verrichten. Die Klägerin sei als ungelernte Arbeiterin auf den allgemeinen
Arbeitsmarkt verweisbar, ohne dass es der Benennung einer Verweisungstätigkeit bedürfe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die am 29.09.2002 beim SG Nürnberg eingegangene Berufung der Klägerin. Diese hält
sich weiterhin für nicht erwerbsfähig und verlangt die Gewährung der entsprechenden Versichertenrente. Der Senat hat
Befundberichte der Allgemeinärzte Dr.G. und Dr.O. zum Verfahren beigenommen; letzterer hat auch weitere ärztliche
Berichte (Krankenhaus H. vom 07.02.2003, Urologe Dr.F. vom 27.12.2002 und Klinikum N. vom 12.09.2000)
vorgelegt. Auf Veranlassung des Senats hat der Arzt für Chirurgie und Gynäkologie Dr.G. das Gutachten vom
05.07.2004 erstattet. Er hat als Diagnosen genannt: Beginnende Abnutzung rechtes Schultereckgelenk ohne
Funktionseinschränkung der Schultergelenke, Druckschmerz am äußeren Ellbogengelenk beidseits ohne
Funktionseinschränkung, deutliche Abnutzung des Daumensattelgelenks beidseits, Chondropathia patellae rechtes
Kniegelenk ohne Funktionseinschränkung, deutliche Rezidiv-Varikose, Hallux valgus beidseits,
Längsachsenverschiebung der Brust- und Lendenwirbelsäule, gering- bis mäßiggradige Abnutzung der Wirbelsäule
ohne wesentliche funktionale Einschränkung. Als fachfremde Diagnosen hat er aufgeführt: Autoimmunthyreoiditis bei
normal großer Schilddrüse, ohne klinische Symptomatik, fraglicher psychovegetativer Erschöpfungszustand, kleine
axiale Hiatushernie, leichtgradige Gastritis. Die Klägerin könne weiterhin leichte körperliche Arbeiten in geschlossenen
temperierten Räumen in Vollschicht verrichten. Als Reinigungskraft bzw. Gebäudereinigerin könne sie nicht mehr
eingesetzt werden. Die Klägerin erklärte sich mit dem Ergebnis der Begutachtung nicht einverstanden und meinte, ihr
Zustand habe sich weiter deutlich verschlechtert.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des SG Nürnberg vom 07.08.2002 aufzuheben und die Beklagte unter
Abänderung des Bescheides vom 09.11.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2001 zu
verurteilen, Rente wegen EU aufgrund des Antrags vom 14.08.2000 zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die
Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakte des SG Nürnberg vorgelegen. Wegen
weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig.
Das Rechtsmittel erweist sich als nicht begründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin Rente
wegen Erwerbsminderung derzeit nicht zusteht. Das gilt sowohl für die Rente wegen BU oder EU i.S. der §§ 43, 44
Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung, wie auch für die Rente wegen
voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach der seit 2001 geltenden Neuregelung. Das SG hat die festgestellten
Gesundheitsstörungen der Klägerin auf orthopädisch-chirurgischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet
berücksichtigt und leistungsmäßig bewertet. In fehlerfreier Auswertung der Sachverständigengutachten ist es zu dem
Ergebnis gelangt, dass die Klägerin zumindest körperlich leichte und geistig einfache Arbeiten des allgemeinen
Arbeitsmarktes in Vollschicht verrichten kann. Dieses vom SG gefundene Ergebnis ist durch die Beweisaufnahme im
Berufungsverfahren in vollem Umfang bestätigt worden. Dem ärztlichen Sachverständigen Dr.G. , Chirurg,
Gynäkologe und Sozialmediziner, haben die Befunde der die Klägerin behandelnden Ärzte vorgelegen. Er ist nach
eigener ambulanter Untersuchung der Klägerin im Gutachten vom 05.07.2004 zu dem Ergebnis gelangt, dass die
Klägerin zumindest noch leichte körperliche Arbeiten in geschlossenen und temperierten Räumen in Vollschicht
leisten kann. Er hat dabei die Beschwerden der Klägerin des chirurgischen, gynäkologischen und auch des
internistischen Fachgebiets ausführlich beschrieben und bewertet; er ist auch auf die Folgen der im Jahre 2000
durchgeführten gynäkologischen Operation eingegangen und hat die Diagnose einer reinen Stressharninkontinenz der
Blase ohne Restharnbildung bestätigt. Leistungsmindernde Konsequenzen hat er daraus nicht abgeleitet. Hinsichtlich
der psychischen Belastbarkeit hat er ausgeführt, dass die Klägerin keine ausgesprochen stressbetonten Arbeiten wie
Nachtschicht, Wechselschicht und Akkordarbeiten leisten soll.
Für den Senat ist die Leistungsbeurteilung durch die erfahrenen Sachverständigen Dr.S. , Dr.O. und Dr.G.
überzeugend; ihre Gutachten sind schlüssig und begründet und stimmen im Ergebnis mit dem seit Rentenantrag
erstatteten Gutachten und auch mit dem Entlassungsbericht nach dem Heilverfahren in Bad B. überein. Die Klägerin
ist nach ihrer Ausbildung und ihrem Berufsweg auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, und zwar ohne dass es
der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit bedarf. Eine Summierung ungewöhnlicher
Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Behinderung liegen bei ihr nicht vor. Mit dem bestehenden
vollschichtigen Leistungsvermögen und bei Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ist die Klägerin nicht
erwerbsgemindert i.S. der rentenrechtlichen Leistungsvorschriften. Ihre Berufung gegen das Urteil des SG Nürnberg
vom 07.08.2002 war zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten. Gründe für die Zulassung der Revision
gemäß § 160 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz liegen nicht vor.