Urteil des LSG Bayern vom 19.03.2003
LSG Bayern: beschwerderecht, ratenzahlung, leistungsfähigkeit, gesetzesmaterialien, ergänzung, erlass, rüge, rente, miete, persönlichkeitsstörung
Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 19.03.2003 (rechtskräftig)
Sozialgericht Bayreuth S 4 SB 9/01
Bayerisches Landessozialgericht L 18 B 205/02 SB PKH
Auf die Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 13.12.2001 aufgehoben
und der Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der Bescherdeführer (Bf) begehrt die Festsetzung von Monatsraten bei der dem Beschwerdegegner (Bg) bewilligten
Prozesskostenhilfe (PKH).
Das Sozialgericht (SG) Bayreuth bewilligte dem Bg mit Beschluss vom 13.12.2001 PKH. Es bejahte die
Erfolgsaussicht der Klage auf Zuerkennung von Merkzeichen nach dem Schwerbehindertengesetz. Zu den
Vermögensverhältnissen des Bg machte das SG keine Ausführungen. Gegen diesen Beschluss hat der
Bezirksrevisor beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) Beschwerde mit der Begründung eingelegt, der Bg habe nach
seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen möglicherweise Raten oder sonstige Zahlungen zu leisten. Der
Bg habe bei dem Antrag auf Bewilligung von PKH den Vordruck über die Erklärung der persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ausgefüllt. Sollte der Bg auch im Beschwerdeverfahren den (ausgefüllten)
Erklärungsvordruck nebst Belege nicht vorlegen, geht die Staatskasse davon aus, dass der Bg zu Ratenzahlungen
von mindesten 30,00 DM bzw 15,34 EUR verpflichtet sei.
Das SG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 12.06.2002 nicht abgeholfen und ausgeführt, vom Kläger seien auf
Grund seiner Persönlichkeitsstruktur sachdienliche Unterlagen nicht zu erhalten. Aus einer vom Bg vorgelegten
Fotokopie ergebe sich, dass er eine Rente von 749,00 EUR beziehe. Ausgaben würden nicht belegt, seien aber
vorhanden (Miete, Strom, Wasser). Weitere Ermittlungen - auch über den Anwalt - versprächen keinen Erfolg. Das SG
hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem LSG vorgelegt.
Der Bg hat - trotz einer entsprechenden Aufforderung des Senats vom 15.07.2002 mit Fristsetzung zum 15.08.2002 -
den Erklärungsvordruck zur PKH nicht ausgefüllt. Der Bg hat eine arbeitsmedizinische Stellungnahme des
Nervenarztes Dr.B. vom 22.10.1990 beim Senat eingereicht, wonach er an einer schweren Persönlichkeitsstörung
leidet.
Im ebenfalls anhängigen Berufungsverfahren L 18 SB 14/02 hat der Senat die Bewilligung von PKH mit Beschluss
vom 06.11.2002 abgelehnt, weil der Ag den Erklärungsvordruck zur PKH nicht ausgefüllt hat.
II.
Die Beschwerde des Bezirksrevisors ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt.
Gegen die Bewilligung der PKH findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch
aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind (§ 127 Abs 3 Satz 1 Zivilprozessordnung - ZPO).
Hat das erstinstanzliche Gericht ratenfreie PKH bewilligt, ohne die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der
Partei genügend aufgeklärt zu haben, so reicht es für die Zulässigkeit der Beschwerde der Staatskasse aus, dass die
Partei (nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen) möglicherweise Raten zu zahlen hat (vgl OLG
Frankfurt, Beschluss vom 09.10.1991 in FamRZ 1992, S 838).
Die Beschwerde ist auch begründet. Die vom SG bewilligte PKH ist aufzuheben.
Zu zahlende Monatsraten können gem § 120 Abs 1 Satz 1 ZPO nicht festgesetzt werden, da der Bg keine
hinreichenden Angaben zu seiner finanziellen Leistungsfähigkeit macht. Das SG hätte deshalb wegen des nicht
ausgefüllten Vordrucks und mangels entsprechender anderweitiger Angaben des Bg PKH als solche nicht bewilligen
dürfen (vgl BSG SozR 1750 § 117 Nr 3). Diese fehlerhafte Bewilligung kann entgegen der Auffassung des Bf nicht
dadurch korrigiert werden, dass eine Ratenzahlung vom Beschwerdegericht festgesetzt wird. Die Festsetzung der
Ratenzahlung kann vom Beschwerdegericht im Beschwerdeverfahren nicht nachgeholt werden, da der Bg seine
wirtschaftlichen Verhältnisse weiterhin nicht offenlegt. Die Festsetzung eines Ratenzahlungsbetrages wäre unter
diesen Voraussetzungen spekulativ. Der Senat hat deshalb dem Bg PKH auch für das anhängige Berufungsverfahren
verweigert. Die vom SG zu Unrecht gewährte PKH ist auf Beschwerde des Bezirksrevisors hin aufzuheben. Dem
steht nicht entgegen, dass der Staatskasse gem § 127 Abs 3 Satz 2 ZPO nur ein beschränktes Beschwerderecht
dahingehend eingeräumt ist, dass die Beschwerde nur darauf gestützt werden kann, dass die Partei nach ihren
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten hat. Wenn ein Antragsteller im PKH-Verfahren
keine hinreichenden Angaben macht, um seine Leistungsfähigkeit zu beurteilen, kann dies nicht dazu führen, der
Staatskasse in einem solchen Fall das Beschwerderecht zu versagen (ebenso OLG Köln, Beschluss vom 11.07.1991
in FamRZ 1992, S 701). Die unzureichenden Angaben haben auch die Unbegründetheit des PKH-Antrags zur Folge.
Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus den Gesetzesmaterialien zu § 127 Abs 3 ZPO. So hat der
Bundestag in seiner Stellungnahme zur Ergänzung des § 127 ZPO (BT-Drucks 10/3054, S 51) ausgeführt, das
Beschwerdebegehren (der Staatskasse) könne nicht nur auf den Erlass einer Zahlungsanordnung nach § 120 ZPO
gerichtet sein, sondern könne sich "bei entsprechender Sachlage ... auch auf die Rüge beschränken, die
Entscheidungsgrundlage sei mangels hinreichender Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers
unzureichend gewesen".
Die Bewilligung der PKH war daher auf die Beschwerde der Staatskasse aufzuheben.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs 4 ZPO).
Diese Entscheidung ist endgültig (§ 177 SGG).