Urteil des LSG Bayern vom 13.04.2005

LSG Bayern: anschluss, erwerbsunfähigkeit, erlass, berufsunfähigkeit, gutachter, anfang, ergänzung, form, umwandlung, klinikum

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 13.04.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 11 RJ 1068/99
Bayerisches Landessozialgericht L 20 R 641/04
Bundessozialgericht B 5 RJ 138/05 B
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 14.09.2004 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) für die Zeit vom 01.10.1991
bis 30.09.1995.
Der 1937 geborene Kläger hat zuletzt von 1985 bis 1991 in seinem erlernten Beruf als Former versicherungspflichtig
gearbeitet. Mit Wirkung ab 01.12.1989 bewilligte die Beklagte Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU).
Den ersten Rentenantrag des Klägers vom 13.01.1983 hatte die Beklagte nach Beinahme eines allgemeinärztlichen
Gutachtens mit Bescheid vom 02.03.1983 abgelehnt. Das dagegen angestrengte Klageverfahren war erfolglos; der
Kläger nahm im Termin vom 25.05.1984 die Klage zurück, nachdem die vom Sozialgericht Nürnberg (SG) gehörten
ärztlichen Sachverständigen (ein Allgemeinmediziner und ein Nervenarzt) zu dem Ergebnis gelangt waren, der Kläger
könne noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig verrichten (S 3/Ar 449/83).
Auf den Antrag vom 03.11.1989 bewilligte die Beklagte im Anschluss an ein neurologisch-psychiatrisches und ein
internistisches Gutachten mit Bescheid vom 12.03.1991 Rente wegen BU ab 01.11.1990. Im anschließenden
Klageverfahren (S 4 Ar 522/91) hörte das SG den Internisten Dr.R. und den Nervenarzt Dr.S. sowie auf Antrag des
Klägers den Internisten und Arbeitsmediziner Prof. Dr.L ... Mit Urteil vom 30.11.1993 verpflichtete das SG die
Beklagte, dem Kläger auf der Grundlage eines mit der Rentenantragstellung am 03.11.1989 eingetretenen
Leistungsfalles der BU ab 01.12.1989 die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.
Die dagegen eingelegte Berufung nahm der Kläger im Termin vom 04.06.1997 zurück. Greichzeitig beantragte er zur
Niederschrift des BayLSG, gemäß § 44 SGB X den Bescheid vom 12.03.1991 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 21.08.1991 für die Zeit ab 01.10.1991 daraufhin zu überprüfen, ob ihm anstelle der
Rente wegen BU Anspruch auf Rentenleistungen wegen EU zusteht. Der Kläger war nämlich der Meinung, er sei
schon vor Erlass dieser Bescheide erwerbsunfähig gewesen. Zur Begründung seines Antrags legte er zahlreiche
ärztliche Behandlungsunterlagen vor.
Die Beklagte gewährte im Anschluss an das Gutachten des Internisten Dr.B. vom 28.08.1997 mit Bescheid vom
11.09.1997 Rente wegen EU ab 01.10.1995. Der gegen diesen Bescheid am 13.10.1997 erhobene Widerspruch, mit
dem ein früherer Leistungsfall der EU begehrt wurde (Januar 1983 oder September 1985) war erfolglos. Mit Bescheid
vom 28.05.1998 bewilligte die Beklagte Altersrente mit Wirkung ab 01.08.1997.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 13.12.1999 hat der Kläger am 22.12.1999 Klage erhoben, mit der er weiterhin
die Annahme eines Leistungsfalles der EU vor September 1995 begehrte.
Das SG hat u.a. aus der Berufungsunfallstreitsache des BayLSG (Az: L 17 U 20/97) das Gutachten des Orthopäden
Dr.B. vom 29.06.1997 und das internistische Gutachten des Dr.K. vom 25.01.2001 zum Verfahren beigenommen,
außerdem die Leistungsakte des Arbeitsamtes Nürnberg und die Schwerbehindertenakte des AVF Nürnberg. Der Arzt
für öffentliches Gesundheitswesen Dr.G. hat das Gutachten vom 13.04.2004 erstattet. Er ist zu der Auffassung
gelangt, der Kläger sei im Zeitraum vom 01.10.1991 bis 30.09.1995 trotz der vorliegenden Gesundheitsstörungen in
der Lage gewesen, noch eine vollschichtige Tätigkeit zu verrichten.
Dieser Leistungsbeurteilung hat sich das SG angeschlossen und die Klage mit Urteil vom 14.09.2004 abgewiesen.
Der Kläger sei im streitigen Zeitraum nicht eu gewesen. Im Zeitraum vor dem 30.06.1991, bis zu welchem er
vollschichtig als Former tätig gewesen sei, sei ein Versicherungsfall der EU offensichtlich ausgeschlossen. Letztlich
stützte sich das SG auf die Ausführungen des hierzu gehörten ärztlichen Sachverständigen Dr.G ... Dieser habe unter
erneuter gutachterlicher Auswertung der aktenkundigen medizinischen Befunderhebungen im Wesentlichen das dem
Urteil vom 30.11.1993 zugrunde gelegte Leistungsprofil bestätigt. Danach habe der Kläger aufgrund der
kardiopulmonalen Gesundheitsstörungen nur körperlich leichte Tätigkeiten verrichten können und keinen besonderen
nervlichen Belastungen, Wechsel- oder Nachtschichttätigkeiten ausgesetzt werden dürfen. Dabei sei von einem
Restleistungsvermögen des Klägers ohne zeitliche Limitierung auszugehen. Auch sei bei diesen
Leistungseinschränkungen für den Kläger der Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt nicht verschlossen gewesen. Er
hätte z.B. die Tätigkeit als Nebenpförtner ausüben können.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 25.10.2004 Berufung eingelegt, die er im Wesentlichen damit begründet, er sei
im Jahre 1985 mit einer Eingliederungshilfe der Beklagten wieder in eine Gießerei eingegliedert worden. Er habe
wegen der Sehstörungen eine Platte nicht umfallen sehen, die auf seinen Fuß gefallen sei. Nach vier Wochen sei er
ohne Gehhilfen wieder arbeitsfähig gewesen, er habe heute noch große Probleme beim Gehen. Er habe Thrombosen,
multiple Lungenembolien gehabt und sei zweimal vier Wochen lang im Klinikum gewesen, weil der Arzt eine
Marcumar-Tablette vergessen habe mit heimzugeben. Im Klageverfahren 1992 habe die Gutachterärztin der
Beklagten, Frau Dr.S. , zur Frage, ab wann der Kläger auf Kosten seiner Gesundheit gearbeitet habe, sieben Seiten
geschrieben, die der Kläger aber nicht habe sehen dürfen. Der damalige Rechtsanwalt habe dann 35 Anlagen
geschrieben und alles widerlegt. Das rechtliche Gehör sei blockiert gewesen, aber nicht erst seit dieser "Handakte"
der Beklagten, sondern schon vom 29.12.1982 an. Eine Fehldiagnose des Dr.H. G. im Jahre 1982 sei der Anfang vom
Ende gewesen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 14.09.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.09.1997
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter
Aufhebung ihres Bescheides vom 12.03.1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.1991 ihm eine
Rente wegen EU vom 01.10.1991 bis 30.09.1995 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrags verweist die Beklagte auf die nach ihrer Ansicht zutreffenden Ausführungen in der
erstgerichtlichen Entscheidung.
Beigezogen zum Verfahren waren die Klageakten des SG Nürnberg S 3 Ar 449/83, S 4 Ar 522/91, S 11 RJ 1090/98, S
11 RJ 1068/99, sowie die Berufungsakten des BayLSG L 20 Ar 22/94, L 14 Ar 23/94, L 17 U 22/96, L 17 U 19/97, L 17
U 20/97 sowie die Beschwerdeakte L 14 Ar 23/94. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf diese beigezogenen
Unterlagen sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch im Übrigen
zulässig (§ 144 SGG).
Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich aber als nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom
14.09.2004 zu Recht entschieden, dass der Kläger im streitigen zeitraum vom 01.10.1991 bis 30.09.1995 nicht
erwerbsunfähig in Sinne des Gesetzes war. Es hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die
Voraussetzungen des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X, nach dem ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar
geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass
dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der
sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, beim Kläger
nicht vorliegen.
Der Zeitraum, für den anstelle der festgestellten Berufsunfähigkeit Erwerbsunfähigkeit in Betracht kommt, ist
beschränkt auf die Zeit vom 01.10.1991 bis 30.09.1995. Bis zum 30.09.1991 stand der Kläger als Former noch in
einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Selbst wenn ihm die Tätigkeit als Former aus
gesundheitlichen Gründen bis zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zumutbar gewesen sein sollte, so hat er dennoch bis
dahin ein mehr als nur geringfügiges Einkommen erzielt, was der Zahlung einer Rente wegen EU entgegengestanden
hätte. Nach der Vorschrift des § 44 Abs 4 SGB X kommt wegen des am 04.06.1997 gestellten Antrags eine
Umwandlung der Rente wegen BU in eine EU-Rente frühestens ab dem 01.01.1993 in Betracht. Da der Kläger ab dem
01.10.1995 bereits eine Rente wegen EU bezog, ergibt sich eine zeitliche Einschränkung des Überprüfungszeitraumes
vom 01.10.1991 bis 30.09.1995, wobei eine Zahlung von Rente wegen EU anstelle von BU nur für die Zeit vom
01.01.1993 bis 30.09.1995 in Betracht käme.
Auch der Senat ist nach nochmaliger Überprüfung aller aktenkundigen Unterlagen zu dem Ergebnis gelangt, dass
beim Kläger vor dem 01.10.1995, also dem Zeitpunkt, ab dem die Beklagte Leistungen wegen EU gewährt, der
Leistungsfall der EU nicht begründbar ist. Dies ergibt sich insbesondere aus den zeitnah erstellten Gutachten, die im
Anschluss an den Rentenantrag des Klägers vom 03.11.1989 erstellt worden sind: - 04.02.1991 das neurologisch-
psychiatrische Gutachten von Dr.N. , - 20.02.1991 das internistische Gutachten von Dr.G. , - 13.05.1992 das
internistische Gutachten von Dr.R. , - 25.05.1992 das nervenärztliche Gutachten des Dr.S. und - 13.08.1993 das
internistisch-arbeitsmedizinische Gutachten des Prof. Dr.L. (und ein radiologisches Zusatzgutachten). Sämtliche
Gutachter, auch der auf Antrag des Klägers gehörte Internist und Arbeitsmediziner Prof. Dr.L. sind damals zu der
Beurteilung gelangt, dass der Kläger bei Beachtung bestimmter Funktionseinschränkungen vollschichtig einsetzbar für
leichte Tätigkeiten war. Dies hat schließlich auch der vom SG gehörte Sachverständige Dr.G. im Gutachten vom
13.04.2004 bestätigt. Dr.G. hat sich mit sämtlichen ärztlichen Unterlagen, die innerhalb und außerhalb der Akten
äußerst zahlreich vorhanden sind, auseinandergesetzt und überzeugend dargestellt, dass sich ein untervollschichtiges
Leistungsvermögen wenigstens für leichte Tätigkeiten im streitigen Zeitraum nicht begründen lässt.
Bei dieser Sachlage ist auch der Senat zu der Entscheidung gelangt, dass die früher ablehnenden Bescheide der
Beklagten vom 12.03.1991 und 21.08.1991 zu Recht ergangen sind. Da sich im Berufungsverfahren keine neuen
Erkenntnisse ergeben haben, weist der Senat die Berufung des Klägers aus den Gründen der angefochtenen
Entscheidung zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs 2 SGG.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass der Kläger auch in der Berufungsinstanz
unterlegen war.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht gegeben.