Urteil des LSG Bayern vom 15.12.2008

LSG Bayern: darlehen, ausstellung, meisterprüfung, arbeitsentgelt, rechtsform, pflege, versicherungspflicht, geschäftsführer, eingliederung, einzelfirma

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 15.12.2008 (rechtskräftig)
Sozialgericht München S 18 KR 478/05
Bayerisches Landessozialgericht L 5 KR 64/08
Bundessozialgericht B 12 KR 6/09 B
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.10.2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I. Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung der Beklagten, er sei seit 01.08.1989 versicherungspflichtig
Beschäftigter der Beigeladenen zu 3). Die Beigeladene zu 3) ist ein als Rechtsform Einzelfirma geführtes
Unternehmen, das Stahl- und Glasfassaden, Wintergärten, Markisen, Beschattungen, Geländer etc. herstellt sowie
Edelstahl und Bleche ver- bzw. bearbeitet. Ihr Inhaber ist der Vater des 1971 geborenen Klägers, der ebenso wie
seine 1972 geborene Ehefrau K. im Betrieb beschäftigt war. 1995 wurde die Beigeladene zu 3) von "K. B. Schmiede
und Landmaschinen" in "Metallbau B." umfirmiert. Unter ihrer Adresse firmiert mittlerweile die seit 29.04.2008
handelsregisterlich eingetragene M.-B. GmbH mit dem Geschäftsgegenstand "Tätigkeiten im handwerklichen Bereich
der Metallverarbeitung". Alleinige Gesellschafter und jeweils Einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer sind der
Kläger sowie dessen 1981 geborener Bruder F ... Am 10.06.2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten, seinen
sozialrechtlichen Status als nicht versicherungspflichtig zu beurteilen. Er sei als mitarbeitender Sohn seit 01.08.1989
in der Beigeladenen zu 3) tätig, aber nicht an Zeit, Ort und Art seiner Tätigkeit betreffende Weisungen gebunden. Er
habe der Beigeladenen zu 3) mehrere Darlehen gewährt. Ergänzend legte er eine Vereinbarung zwischen der
Beigeladenen zu 3) und ihm vom Dezember 1996 vor, wonach er ab Januar 1997 wegen bestandener Meisterprüfung
in der Lehrlingsausbildung, der Personaleinstellung und -ausstellung tätig sei sowie Aufträge selbständig bearbeiten
solle. Die Beklagte holte eine Auskunft der Beigeladenen zu 1) ein (25.08.2004) mit dem Inhalt, der Kläger sei seit
dessen Beschäftigung ab 01.08.1989 (ebenso wie dessen Ehefrau seit Beschäftigung ab 07.11.2001) als abhängig
beschäftigt anzusehen seien, weil fremde Arbeitskräfte eingestellt werden müssten, falls der Kläger seine Aufgaben
nicht mehr wahrnehmen sollte. Dieser erhielt laufende Bezüge, aus denen Sozialversicherungsbeiträge abgeführt und
Lohnsteuer entrichtet würden, was wiederum als Betriebsausgabe verbucht würde. Eine Betriebsprüfung im Jahre
2003 habe Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen für den Kläger ergeben(Bescheid vom 07.03.2003),
welche die Beigeladene zu 3) widerspruchslos entrichtet habe. Mit Bescheid vom 05.11.2004/Widerspruchsbescheid
vom 11.04.2005 stellte die Beklagte fest, der Kläger sei seit 01.08.1989 sozialversicherungspflichtig bei der
Beigeladenen zu 3) beschäftigt. Er erhalte ein arbeitnehmertypisches Entgelt, welches als Arbeitsentgelt steuerlich
und beitragsrechtlich behandelt werde. Zudem würde eine Ersatzkraft eingestellt werden müssen, falls der Kläger
nicht für die Beigeladene zu 3) tätig sei. Eine eventuell reduzierte Weisungsgebundenheit resultiere aus den
besonderen familienrechtlichen Beziehungen, hindere aber die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses ebenso
wenig wie die Tatsache, dass der Kläger der Beigeladenen zu 3) Darlehen gewährt habe. Im anschließenden
Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (SG) hat der Kläger Feststellung beantragt, dass er seit dem 1.
August 1989 in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 3) nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege. Er sei nicht
in persönlicher Abhängigkeit tätig und einem Weisungsrecht des Betriebsinhabers nicht unterworfen, sondern
bestimme seine Arbeiten im Wesentlichen selbst. Er habe mehrere Darlehen an die Beigeladene zu 3) geleistet und
könne deshalb nicht als Arbeitnehmer angesehen werden. Mit Urteil vom 25.10.2007 hat das Sozialgericht die Klage
abgewiesen und zur Begründung der versicherungspflichtigen Beschäftigung des Klägers im Wesentlichen ausgeführt,
dieser sei bei Erbringung seiner Arbeitsleistung in die Betriebsorganisation der Beigeladenen zu 3) eingegliedert und
erhalte regelmäßig ein monatliches Entgelt von 2.996,00 Euro, welches als angemessene Gegenleistung für seine
erbrachte Arbeit anzusehen sei. Dieses Entgelt werde stets versteuert und verbeitragt, die entsprechenden Ausgaben
als Betriebsausgabe geführt. Hinter diese Gesichtspunkte träten andere, die für eine selbständige Tätigkeit sprächen
zurück wie die Gewährung von Darlehen. Die besondere Sachkenntnis des Klägers begründe eine leitende und
hochqualifizierte Mitarbeit, bei welcher das Direktionsrecht typischerweise in den Hintergrund trete und die
Weisungsgebundenheit verfeinert sei zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess. Für einen
beherrschenden Einfluss des Klägers auf die Beigeladene zu 3) fehle es an Anhaltspunkten. Dagegen hat der Kläger
Berufung eingelegt und gerügt, das erstinstanzliche Urteil lasse die tatsächlichen Umstände seiner Tätigkeit außer
Betracht. Diese sei durch Weisungsfreiheit und durch seine persönliche Einflussnahme auf den Betrieb und dessen
Betracht. Diese sei durch Weisungsfreiheit und durch seine persönliche Einflussnahme auf den Betrieb und dessen
Entwicklung geprägt. Allein der Kläger verfüge über die Kenntnisse, welche für die Neuausrichtung des Betriebes zum
Metall- und Stahlbau notwendig gewesen seien. Es fehle an einer Eingliederung in den Betrieb wie eine fremde
Arbeitskraft, weil der Kläger infolge seines Alleinwissens der Weisungsgewalt eines Arbeitgebers entwachsen sei.
Zudem trage er ein unternehmertypisches Risiko, weil er sich am Vermögen der Beigeladenen zu 3) beteiligt habe in
Gewährung mehrerer Darlehen. Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.10.2007 und den
Bescheid der Beklagten vom 05.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2004 aufzuheben
sowie festzustellen, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 3) seit dem 01.08.1989 nicht der
Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt. Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt. Die Beteiligten wurden zur
beabsichtigten Zurückweisung der Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gehört. Ergänzend wird auf
die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber nicht begründet. Der Kläger war
in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 3) als versicherungspflichtig Beschäftigter anzusehen. Streitgegenstand ist
der Bescheid vom 05.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2005, mit welchem die Beklagte
auf Antrag des Klägers vom 10.06.2004 dessen Status als beitragspflichtig Beschäftigter der Beigeladenen zu 3) seit
01.08.1989 festgestellt hat. Diese Entscheidung ist zu Recht ergangen, wie das Sozialgericht im angefochtenen Urteil
vom 25.10.2007 zutreffend festgestellt hat. Nicht Streitgegenstand ist, welche sozialrechtliche Stellung dem Kläger
als Gesellschafter und Geschäftsführer der M. B. GmbH ab deren Gründung am 29.04.2008 zukommt. Gegen
Arbeitsentgelt beschäftigte Personen sind kranken-, pflege-, renten- und arbeitslosenversicherungs- und -
beitragspflichtig gem. §§ 5 Abs.1 Nr.1 SGB V, 20 Abs.1 Satz 3 Nr.1 SGB XI, 2 Satz 1 Nr.1 SGB VI, 25 Abs.1 Satz 1
SGB III. Das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses richtet sich nach § 7 Abs.1 Satz 1 SGB IV. Beschäftigung
ist danach eine nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, welches gekennzeichnet ist durch
Weisungen hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung sowie durch eine Eingliederung in die
Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das
eigene Unternehmensrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte und durch eine Unternehmenschance
bestimmt. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, bestimmt sich nach dem wirklichen Willen der
Beteiligten, wie er sich aus dem Wortlaut des zwischen ihnen geschlossenen Vertrages und dessen praktischer
Durchführung ergibt, welche den Geschäftsinhalt und damit den Vertragstyp bestimmen. Maßgebend ist dabei stets
das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben
letztere den Ausschlag (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG Urteil vom 12.02.2004 - B 12 KR 26/02 R m.w.N.;
Bayerisches Landessozialgericht Urteil vom 12.02.2008 - L 5 KR 374/07). Im vorliegenden Fall haben der Kläger und
die Beigeladene zu 3) schriftlich lediglich die Vereinbarung vom Dezember 1996 geschlossen. Für die Tätigkeit ab
01.08.1989 oder für die Folgezeit gibt es darüber hinaus keinen Arbeits- oder Tätigkeitsvertrag. In Würdigung des
Vorbringens der Beteiligten und der beigezogenen Akten ergibt sich somit bei Anwendung der genannten Grundsätze
zur Überzeugung des Senats aus der Handhabung der Tätigkeit des Klägers, dass dieser seit 01.08.1989 abhängig
Beschäftigter der Beigeladenen zu 3) war. Die entsprechende Feststellung der Beklagten durfte diese als
Einzugsstelle gem. § 28 h Abs.2 SGB IV treffen. Denn weder § 7 a SGB IV noch § 28 p Abs.1 Satz 5 SGB IV noch
eine anderweitige Rechtsnorm eröffnen dem Kläger ein vernünftiges Verfahren, die Versicherungspflicht zu klären. In
Abwägung der Gesamtumstände ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Kläger mit 18 Jahren in den Schmiede-
und Landmaschinenbetrieb des Vaters eingetreten ist. Der Senat sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger
damals von seinem Vater dazu bestimmt worden wäre, die Leitung des alteingesessenen Metallhandwerks- und
Schmiedeunternehmens der Familie B. zu übernehmen sowie dort selbständig tätig zu sein. Vielmehr entspricht die
Anstellung des Klägers im Metallhandwerk, die Zahlung von monatlich gleichbleibendem Lohn, die Abführung von
Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer sowie die entsprechende Verbuchung und Führung dieser Zahlungen als
Betriebsausgabe dafür, dass damals der Kläger mit Schlosserarbeiten beschäftigt wurde, wie sie für einen
Arbeitnehmer in diesem Alter im Metallhandwerk typisch sind. An dieser Zuordnung zum Typus des abhängigen
Arbeitnehmers hat sich - jedenfalls bis zum Wechsel zur M. B. GmbH am 29.04.2008 - nichts Wesentliches geändert.
Zwar stellt die Ablegung der Meisterprüfung durch den Kläger im Dezember 1996 eine gewisse Zäsur dar, zumal ab
Januar 1997 vereinbart wurde, dass er die Lehrlingsausbildung übernehmen, Aufträge selbständig abwickeln sowie
Personal einstellen und ausstellen sollte. Mit dieser Erweiterung des Tätigkeitsbereiches und der Befugnisse war
allerdings eine inhaltliche Änderung seines Status nicht verbunden. Denn in Betrieben mit mehreren Arbeitnehmern
wird die Lehrlingsausbildung typischerweise nicht allein vom Firmeninhaber übernommen, sondern häufig von dessen
dazu qualifizierten Arbeitnehmern. Die selbständige Abwicklung von Aufträgen übernehmen typischerweise leitende
Angestellte. Die Ein- und Ausstellung von Personal ist zwar typischerweise der Arbeitgeberfunktion zuzuordnen, diese
kann aber ebenso von leitenden Angestellten, welche unzweifelhaft als Arbeitnehmer anzusehen sind, ausgeübt
werden. Für den Senat ist insoweit entscheidend, dass trotz der schriftlich fixierten Ausweitung der
Verantwortungsposition des Klägers diesem kein Zugang zur Firmeninhaberschaft gewährt wurde und der Betrieb
vielmehr nach wie vor als Einzelfirma des Vaters geführt wurde und, der Kläger weiterhin arbeitnehmertypische
monatliche Entgelte für seine Arbeit erhielt. Vom Fortbestehen einer arbeitnehmertypischen Tätigkeit war auch die
Beigeladene zu 3) ausgegangen, weil diese eine Beitragsnachforderung in Bezug auf den Kläger mit
Betriebsprüfungsbescheid vom 07.03.2003 akzeptiert hat. Der Senat verkennt nicht, dass einige Anhaltspunkte gegen
eine abhängige Beschäftigung sprechen. Dazu zählt die Tatsache der Gewährung von mehreren Darlehen an die
Beigeladene zu 3) in erheblichem Umfange, wie sich aus der Aufstellung vom 28.10.2008 ergibt. Die Gewährung von
Darlehen an den Arbeitgeber ist nicht arbeitnehmertypisch. Allerdings enthalten die dokumentierten Darlehensverträge
lediglich die Darlehenshöhe, nicht aber den Darlehenszweck oder weitere Bestimmungen, welche eine nähere
Betriebsbezogenheit begründen könnten. Die Hingabe von Darlehen kann somit die sich aus anderen eindeutigen
Kriterien ergebende Arbeitnehmereigenschaft nicht widerlegen. Es kommt hinzu, dass die Beigeladene zu 3) unter
dem 30.04.2008 eine Art Darlehen dadurch bestätigt hat, dem Kläger für 2006 bis 2008 noch Löhne zu schulden. Die
Beigeladene zu 3) und der Kläger waren somit noch im April 2008 davon ausgegangen, dass ihmLöhne zu zahlen
sind, er also als Lohnarbeiter anzusehen ist. Es bleibt auch nicht unbeachtet, dass der Kläger als Sohn des
Betriebsinhabers, der im Laufe der Zeit das Unternahmen in eine andere Rechtsform übergeleitet hat, sicherlich immer
weniger einer Weisungsgebundenheit hinsichtlich Art, Ort und Zeit seiner Tätigkeit unterlegen war. Die nur geringe
Weisungsgebundenheit aber resultierte wesentlich aus der Familienverbundenheit zwischen Vater und Sohn und ist in
Familienunternehmen typisch, zumal in alteingesessenen Handwerksbetrieben wie vorliegend. Es ist aber nicht
erkennbar, dass im Falle des Klägers die Weisungsgebundenheit so weit entfallen gewesen wäre, dass von einer
selbständigen Tätigkeit gesprochen werden könnte. Entscheidend bleibt schließlich, dass keine Anhaltspunkte
vorhanden sind, an denen eine wesentliche Änderung des Status des Klägers vom typischen Lohn-Arbeitnehmer im
Jahre 1989 zum Arbeitgeber oder Firmeninhaber konkret und datumsmäßig festgemacht werden könnten. Vielmehr
spricht die Neugründung der Firma M. B. GmbH dafür, dass erst ab diesem Zeitpunkt die Struktur der Tätigkeit des
Klägers und seine Einbindung in den väterlichen Metallbetrieb entscheidend geändert wurde. Die Berufung bleibt damit
in vollem Umfange ohne Erfolg. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe zur Zulassung der Revision
sind nicht ersichtlich - § 160 SGG.