Urteil des LSG Bayern vom 13.12.2005

LSG Bayern: serbien und montenegro, angina pectoris, verdacht, erwerbsunfähigkeit, berufsunfähigkeit, belastung, arbeitsmarkt, depression, neuritis, rentenanspruch

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 13.12.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 7 RJ 1501/02 A
Bayerisches Landessozialgericht L 6 R 374/04
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 26. März 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, hilfsweise ab 01.01.2001
auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Der Kläger ist 1948 geboren und hat die Staatsangehörigkeit von Serbien und Montenegro. Pflichtbeitragszeiten in der
gesetzlichen Rentenversicherung hat er in seinem Herkunftsland vom August 1966 bis März 1967, vom September
1968 bis Juni 1971 und vom Oktober 1974 bis Dezember 1999. In der Bundesrepublik Deutschland war er bei der
Zahnradfabrik F. AG von Mai 1971 bis August 1974 versicherungspflichtig beschäftigt.
Zu seinem beruflichen Werdegang gibt der Kläger an, in seiner Heimat den Beruf eines Mechanikers für
Textilmaschinen erlernt zu haben und bei der Zahnradfabrik F. AG als Maschinenschlosser tätig gewesen zu sein.
Nach Arbeitgeberangabe war der Kläger dort als Radialbohrer (Bohren von Löchern und Gewinden in Schaltungsteile)
eingesetzt. Für diese Tätigkeit sei eine Anlernzeit von acht Wochen ausreichend. Der Kläger sei an sich in
Fachlohngruppe V des maßgeblichen Tarifvertrags einzustufen, allein wegen der Lärmbelastung sei er - höher - in die
Lohngruppe VI eingruppiert worden. Der Lohngruppe V sind zugeordnet "Arbeiten, die eine Anlernzeit bis zu zwei
Monaten erfordern".
Über den heimischen Versicherungsträger in B. beantragte der Kläger am 12.10.1999 Rente. Dem Rentenantrag
beigefügt war das Gutachten der dortigen Invalidenkommission vom 21.02.2000, die den Kläger nur noch zu einer
täglichen Arbeitszeit von weniger als zwei Stunden für in der Lage hält. Seit 17.06.2000 bezieht der Kläger aufgrund
dessen vom dortigen Versicherungsträger Invalidenrente.
Die Beklagte ließ den Kläger durch den Internisten Dr.G. und den Nervenarzt Dr.M. ambulant untersuchen und
begutachten. Beide bestätigen dem Kläger noch ein täglich mehr als sechsstündiges Leistungsvermögen ohne
Akkord, ohne Nachtschicht und ohne Absturzgefahr.
Mit Bescheid vom 14.12.2001 und Widerspruchsbescheid vom 22.08.2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab.
Hiergegen erhob der Kläger am 29.11.2002 zum Sozialgericht Landshut Klage.
Das Sozialgericht veranlasste eine Begutachtung des Klägers durch den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr.Z.
(Gutachten vom 24.03.2004) sowie durch den Arzt für Neurologie Dr.P. und die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie
Dr.S. (Gutachten vom 24.03.2004). Die Sachverständigen stellten folgende Gesundheitsstörungen fest: -
Bluthochdruck mit beginnenden Rückwirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem.
- Wirbelsäulensyndrom bei Abnützungserscheinungen ohne neurologische Ausfallserscheinungen. - Psychogener
Schwindel. Der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen,
Stehen und Sitzen, ohne Bccken, Zwangshaltungen, schweres Heben und Tragen vollschichtig zu verrichten. Zu
vermeiden seien Arbeiten, die Schwindelfreiheit erfordern, Tätigkeiten auf Leitern und an laufenden Maschinen.
Beschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Der Kläger könne sich auch noch auf eine
neue Berufstätigkeit umstellen.
Mit Urteil vom 26.03.2004 wies das Sozialgericht die Klage ab. Nach den eingeholten Gutachten liege bei dem Kläger
keine Erwerbsminderung vor. Als ungelerntem Arbeiter sei dem Kläger die Verweisung auf praktisch alle
Berufstätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar.
Am 05.07.2004 legte der Kläger Berufung gegen dieses Urteil ein. Zur Begründung machte er unter anderem
Berufsschutz als Radialbohrer geltend.
Der Senat veranlasste die Begutachtung des Klägers durch den Arzt für Orthopädie Dr.F. (Gutachten vom
17.12.2004), die Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Sozialmedizin Dr.M. (Gutachten vom 11.01.2005) sowie
durch den Internisten Dr.E. (Gutachten vom 14.01.2005).
Die Sachverständigen des Senats stellten bei dem Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest:
Dr.F.: - Leichte Uncovertebralarthrose. - Initiale Osteochondrose L4 bis Übergangswirbel bei Assimilationsstörung,
Baastrup-Syndrom, Spondylose der Lebenwirbelsäule bei leichter Torsionsskoliose. - Initialarthrose der rechten Hüfte.
- Leichte Gonarthrose rechts. - Beginnende Arthrose des rechten Sprunggelenks. - Nebendiagnosen: Lockere Spreiz-
Hohlfüße mit Zehenverformungen, geringe Übergewichtigkeit.
Dr.M.: - Dysthymie im Sinne einer chronisch depressiven Entwicklung bei psychosozialen Belastungen. - Hals- und
lebenwirbelsäulenabhängige Beschwerden ohne neurologische Funktionsausfälle. - Schwindel bei Zustand nach
Neuritis vervi vestibularis mit psychogener Überlagerung.
Dr.E.: - Arterieller Hypertonus mit hypertensiver Herzerkrankung. - Hyperlipidämie. - Nebenbefundlich: Verdacht auf
Prostatahypertrophie, Verdacht auf rezidivierende Prostatitis, beginnende Perforansinsuffizienz rechter Unterschenkel.
Zusammenfassend führte Dr.E. zum beruflichen Leistungsvermögen aus, der Kläger sei in der Lage, unter den
üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses leichte und zeitweilig mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu
verrichten. Zu vermeiden seien Arbeiten mit Heben und Tragen von schweren Lasten, Tätigkeiten mit häufigem
Bücken, auf Treppen, Leitern und Gerüsten, in anhaltend stehender, kniender oder hockender Stellung, Tätigkeiten,
die besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit stellen, Tätigkeiten in Tag- und Wechselschicht sowie mit
Absturzgefahr. Der Kläger könne Fußwege von mehr als 500 m an einem Stück in angemessener Geschwindigkeit
zurücklegen, um die Entfernungen zwischen Wohnung, öffentlichem Verkehrsmittel und Arbeitsplatz vor Arbeitsbeginn
und nach Arbeitsende zu überwinden. Der Kläger könne sich noch auf Tätigkeiten im Anlernbereich von bis zu drei
Monaten umstellen.
Im Rahmen der orthopädischen Untersuchung hätten sich keine schwerwiegenden Gesundheitsstörungen gefunden.
Es seien leichte degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und der großen Gelenke festgestellt worden. Eine
wesentliche Funktionseinschränkung finde sich weder an der Wirbelsäule noch an den Extremitäten und Gelenken, so
dass sich hieraus lediglich einzelne qualitative Leistungseinschränkungen ergeben würden.
Auf nervenärztlichem Fachgebiet habe Dr.M. nur eine leichte depressive Grundstimmung festgestellt, nicht dagegen
eine gravierende Depression mit Antriebshemmung oder depressiven Denkstörungen. Im Zuge der neurologischen
Untersuchung sei kein pathologischer Befund erhoben worden, insbesondere im Hirnnervenbereich hätten sich
regelrechte Verhältnisse gefunden. Der Kläger sei gedanklich auf die von ihm angegebene Schwindelsymptomatik
fokussiert. Er habe über einen zum Teil lageabhängigen Schwindel berichtet, im Rahmen der Untersuchung hätten
jedoch bei entsprechenden Lagerungsproben zur Provokation des Schwindels keine entsprechenden Sensationen
ausgelöst werden können.
Auf internistischem Fachgebiet sei der Kläger im Wesentlichen durch das Hochdruckleiden und die damit verbundene
Organschädigung des Herzens im Sinne einer hypertensiven Herzerkrankung beeinträchtigt. Die vom Kläger
angegebene Atemnot bei Belastung lasse sich aber weder durch Erkrankungen des Herzens, noch durch
Erkrankungen der Lunge objektivieren. Eine coronare Herzerkrankung habe auch im Rahmen der aktuellen
Begutachtung nicht nachgewiesen werden können.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom
26.03.2004 sowie des Bescheides der Beklagten vom 14.012.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
22.08.2002 zu verurteilen, ihm aufgrund seines Antrags vom 12.10.1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise
wegen Berufsunfähigkeit, wiederum hilfsweise wegen Erwerbsminderung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den
Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts Landshut, der Akte des Bayer.
Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 26.03.2004 ist nicht zu
beanstanden. Denn der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (2) oder
Erwerbsunfähigkeit (1) und auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung (3).
Ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist wegen der Antragstellung vor dem
31.03.2001 an den Vorschriften des Sechsten Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung
(a.F.) zu messen, weil geltend gemacht ist, dass ein Anspruch bereits seit einem Zeitpunkt vor dem 01.01.2001
besteht (vgl. § 300 Abs.2 SGB VI). Für einen Anspruch des Klägers greifen aber auch die Vorschriften des SGB VI in
der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (n.F.) ein, soweit hilfsweise Rente wegen Erwerbsminderung ab 2001
beansprucht wird (vgl. § 300 Abs.1 SGB VI).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 SGB VI a.F., weil er im Sinne
von Abs.2 Satz 1 der Vorschrift durch regelmäßige Erwerbsfähigkeit noch mehr als nur geringfügige Einkünfte erzielen
kann. Keinen solchen Rentenanspruch hat danach, wer - wie der Kläger - auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
vollschichtig tätig sein kann, (§ 44 Abs.2 Nr.2 Halbsatz 1 SGB VI a.F.).
Zwar ist das berufliche Leistungsvermögen nach den überzeugenden Gutachten von Dr.F. , Dr.M. sowie Dr.E. seit der
Antragstellung im Oktober 1999 bereits qualitativ eingeschränkt. Denn zu vermeiden sind Arbeiten mit Heben und
Tragen von schweren Lasten, häufigem Bücken, auf Treppen, Leitern und Gerüsten, in anhaltend stehender, kniender
oder hockender Stellung sowie Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit stellen, in
Nacht- und Wechselschicht sowie mit Absturzgefahr. Der Kläger ist jedoch weiterhin in der Lage, leichte und zeitweilig
mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Auch Beschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte
liegen nicht vor, weil der Kläger die durchschnittlich erforderlichen Fußwege zurücklegen kann (vgl. BSG SozR 3-
2200, § 1247 Nr.10).
Bei der orthopädischen Untersuchung gab der Kläger Schmerzen im rechten Sprunggelenk, im rechten Kniegelenk, in
der rechten Hüfte, im Bereich der Wirbelsäule sowie in der linken Schulter und im rechten Handgelenk an. Es
bestehen jedoch im Wesentlichen nur leichte degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und eine initiale Arthrose
der rechten Hüfte und des rechten Kniegelenks sowie des rechten Sprunggelenks. Ein geringer Bandscheibenschaden
im Bereich der Lendenwirbelsäule hat weder zu einem Bewegungsverlust noch zu Nervenwurzelreizerscheinungen
geführt. Damit besteht allenfalls beim Heben und Tragen schwerer Lasten sowie bei anhaltendem Bücken eine leichte
Einschränkung. Der Kläger hatte Frakturen des linken Schlüsselbeins (ca. 1994) und einen Armbruch am rechten
Handgelenk (2004) erlitten. An den oberen Extremitäten sind jedoch wesentliche Gesundheitsstörungen, die sich auf
die berufliche Belastbarkeit auswirken könnten, nicht mehr feststellbar. Gegen eine wesentliche Schonbedürftigkeit
der oberen Extremitäten spricht der bei der Untersuchung festgestellte deutliche Beschwielungszustand beider
Handflächen als Zeichen dafür, dass gröbere manuelle Tätigkeiten verrichtet werden. 1972 hatte der Kläger eine
Fraktur des rechten Unterschenkels erlitten. Diese wurde operativ versorgt, die Metalle wurden entfernt. An den
unteren Extremitäten bestehen bisher keine ausgeprägten degenerativen Veränderungen, die nur leichten
Veränderungen im Bereich der rechten Hüfte, des rechten Kniegelenks und des rechten Sprunggelenks schränken das
Geh- und Stehvermögen nicht wesentlich ein. Wegen dieser Gesundheitsstörungen sind lediglich Arbeiten auf
Treppen, Leitern und Gerüsten sowie anhaltendes Knien oder Hocken ungünstig. Wegen der Schilffurchenbildung von
Dornfortsätzen ist dem Kläger nicht mehr zuzumuten, anhaltend stehend arbeiten zu müssen. Die Fähigkeit zum
Sitzen ist jedoch nicht reduziert. Eine wesentliche quantitative Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens
findet sich damit weder an der Wirbelsäule noch an den oberen oder unteren Extremitäten.
Bei der Untersuchung durch Dr.M. gab der Kläger Schwindelbeschwerden an, eine Gangunsicherheit bei längerem
Gehen, eine Gereiztheit und gelegentliche Aggressivität, Ein- und Durchschlafstörungen, eine depressive
Stimmungslage, Grübeln, Besorgtheit sowie Zukunfts- und Existenzängste. Die neurologische Untersuchung wegen
der vom Kläger angegebenen Schwindelsymptomatik ergab einen regelrechten Befund. Insbesondere fanden sich im
Hirnnervenbereich bei der Prüfung der Oculomotorik kein Nystagmus und keine Gesichtsfeldausfälle. Auch
Reflexstatus, Sensibilität, Motorik und Vegetativum stellten sich regelrecht dar. Die Prüfung der Koordination ergab
keine Gleichgewichtsstörungen, Stand- oder Gangunsicherheiten konnten nicht festgestellt werden. Dr.M. führte dazu
aus, dass es sich bei den vom Kläger angegebenen Schwindelbeschwerden mit Schwanken bei raschem
Lagewechsel und schnellen Kopfbewegungen um Restsymptome einer im Jahre 2000 aufgetretenen Neuritis nervi
vestibularis handeln dürfte. Psychopathologisch besteht eine depressive Grundstimmung, eine gravierende
Depression mit Antriebshemmung oder depressiven Denkstörungen liegt jedoch nicht vor. Dr.M. weist jedoch darauf
hin, dass aus psychiatrischer Sicht die zur Verfügung stehenden Behandlungsmaßnahmen durch die Einnahme einer
antidepressiven Medikation optimiert werden könnten. Aus nervenärztlicher Sicht ist damit die berufliche
Leistungsfähigkeit des Klägers nur qualitativ insofern eingeschränkt, als er keine schweren Arbeiten, keine Tätigkeiten
mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, mit Nacht- und Wechselschicht sowie Tätigkeiten, die
mit Absturzgefahr verbunden sind, verrichten kann. Eine quantitative Einschränkung des beruflichen
Leistungsvermögens ergibt sich jedoch nicht.
Bei der internistischen Untersuchung gab der Kläger insbesondere eine relativ schnell auftretende Atemnot an. Bei
Belastung und wenn er sich aufrege, komme es zu einem Druck über der Brust, wobei der Schmerz gelegentlich bis
zur linken Schulter ausstrahle. Die Atemnot und der Schwindel seien für ihn momentan am gravierendsten. Auf
internistischem Gebiet ist der Kläger im Wesentlichen durch ein Hochdruckleiden und eine damit verbundene
Organschädigung des Herzens im Sinne einer hypertensiven Herzerkrankung beeinträchtigt. Der Blutdruck ist aber
unter der medikamentösen Therapie gut eingestellt. Zeichen einer cardialen Insuffizienz bestehen nicht. Bei der
körperlichen Untersuchung waren weder Anzeichen für eine Linksherzinsuffizienz noch einer Rechtsherzinsuffizienz
nachzuweisen. Bei der Untersuchung durch Dr.E. konnten objektive Befunde für das Vorliegen einer coronaren
Herzerkrankung nicht erbracht werden. Bei der Ergometrie, die bis 125 Watt durchgeführt wurde, sind keine ST-
Streckensenkungen im Sinne einer Ischämie nachzuweisen. Der Abbruch bei 125 Watt erfolgte wegen Beinschmerzen
und nicht wegen einer Angina pectoris-Symptomatik. Dr.E. konnte zwar aufgrund der Untersuchung eine coronare
Herzerkrankung nicht mit Sicherheit ausschließen, jedenfalls besteht aber keine coronare Herzkrankheit, die zu einer
quantitativen Leistungseinschränkung führt. Entscheidend für diese sozialmedizinische Bewertung ist die Ergometrie
bis 125 Watt ohne cardiale Beschwerden und eine EKG-Veränderung sowie die unauffällige echokardiographisch
nachgewiesene Herzfunktion. Die vom Kläger angegebene Atemnot lässt sich auch nicht durch Erkrankung der Lunge
objektivieren. Bei der Untersuchung war der Auskultationsbefund über der Lunge normal. Unter Belastung trat kein
Abfall der peripheren Sauerstoffsättigung auf. Die Lungenfunktion ergab völlig normale Werte. Eine chronisch
obstruktive Lungenerkrankung kann deshalb ausgeschlossen werden. An Gefäßrisikofaktoren liegt trotz
medikamentöser Therapie eine deutliche Hyperlipidämie vor. Dr.E. weist darauf hin, dass hier eine Therapieanpassung
erforderlich scheine. Auch bestehen therapeutische Möglichkeiten, die vom Kläger angegebene Funktionsstörung
beim Wasserlassen, die mit einer vergrößerten Prostata zu vereinbaren ist, wieder zu verbessern. Der von Dr.E.
erhobene Verdacht auf eine Prostatahypertrophie, der Verdacht auf rezidivierende Prostatitis sowie der Verdacht auf
eine beginnende Perforansinsuffizienz im Bereich der rechten Wade führen aus sozialmedizinischer Sicht zu keinen
dauerhaften Leistungseinschränkungen.
Im Ergebnis ist der Kläger zwar durch diverse Gesundheitsstörungen beeinträchtigt, die mehrere medizinische
Fachgebiete betreffen. Diese Erkrankungen sind jedoch, auch zusammengenommen, nicht geeignet, eine ganztägige
Erwerbstätigkeit unzumutbar erscheinen lassen.
Die gerichtlichen Begutachtungen haben somit die Einschätzung der Beklagten und des Sozialgerichts bestätigt. Die
anderslautende Bewertung der Invalidenkommission ändert daran nichts. Hier lagen möglicherweise andere Maßstäbe
sozialmedizinischer Beurteilung zugrunde. Nach hiesigen Maßstäben kann die nur knapp begründete
Leistungsbeurteilung jedenfalls keine Geltung beanspruchen.
Erwerbsunfähigkeit besteht auch nicht aufgrund verschlossenen Arbeitsmarktes. Denn es liegt bei dem Kläger weder
eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung
vor, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit verlangen würde. Ob dem Kläger ein
Arbeitsplatz in Deutschland tatsächlich vermittelt werden könnte, ist rechtlich unerheblich, weil bei vollschichtig
einsatzfähig Versicherten der Arbeitsmarkt als offen anzusehen ist und das Risiko der Arbeitsvermittlung von der
gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen ist. Gemäß § 44
Abs.2 Satz 2 Nr.2 Halbsatz 2 SGB VI ist nämlich die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente.
2. Mit seinem Leistungsvermögen hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente gemäß § 43 SGB
VI a.F.
2.1 Seinen Beruf als Radialbohrer kann der Kläger aufgrund der bei ihm festgestellten Gesundheitsstörungen zwar
nicht mehr ausüben, da er insbesondere wegen der Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule nicht anhaltend stehend
arbeiten kann. Dennoch ist er nicht berufsunfähig. Denn Berufsunfähigkeit liegt nur dann vor, wenn die Verweisung auf
andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder sozial nicht mehr zumutbar ist (BSG SozR 2200 § 1246
Nr.138).
2.2 Die Zumutbarkeit von Verweisungstätigkeiten beurteilt sich nach dem Hauptberuf des Versicherten und seiner
sozialen Wertigkeit. Hauptberuf ist grundsätzlich die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung
(Kasseler Kommentar: Niesel, § 43 SGB VI Rdnrn.21 ff. m.w.N.), hier also die als Radialbohrer.
Um die soziale Wertigkeit zu beurteilen, hat das Bundessozialgericht (BSG) die Berufe nach der Bedeutung der
Ausbildung für die Qualität eines Berufes in Gruppen eingeteilt. Es hat dabei ein Stufenschema aufgestellt, das von
ungelernten Kräften über Angelernte (mit zwei Untergruppen) bis zu Facharbeitern und schließlich
Vorarbeitern/Meistern reicht. Unter Anwendung der Grundsätze des Bundessozialgerichts ist der Kläger wohl der
Gruppe mit dem Leitberuf des Ungelernten, allenfalls aber des angelernten Arbeiters des unteren Bereichs
(Ausbildungs- oder Anlernzeit von drei Monaten bis zu einem Jahr) zuzuordnen.
Denn für seine Tätigkeit war eine Anlernzeit von acht Wochen vorgesehen. Der Kläger war im Rahmen des für ihn
zuständigen Tarifvertrags, dessen Lohngruppeneinteilung den Beteiligten vom Senat übermittelt worden ist, zwar in
eine höhere Lohngruppe eingruppiert, dies jedoch nur wegen der bei der Arbeit anfallenden Belästigung durch Lärm.
Eine höhere Bezahlung beruhte damit auf qualitätsfremden Merkmalen (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr.13). Solche sind
bei der Bestimmung des Hauptberufs nicht zu berücksichtigen.
2.3 Auch die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach dem vom Bundessozialgericht
entwickelten Stufenschema. Dabei ist jeweils eine Verweisung auf die nächstniedrigere Stufe möglich. Als Angelernter
im unteren Bereich kann der Kläger auf praktisch alle, also auch ungelernten Berufstätigkeiten verwiesen werden. Der
Benennung eines konkreten Verweisungsberufs bedarf es grundsätzlich nicht.
Der Kläger hat somit keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung gemäß den §§ 43, 240 SGB VI
n.F., da diese ab 01.01.2001 geltenden Vorschriften die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch verschärft haben,
was die zumutbare Arbeitszeit anbelangt: Rente kommt nur noch in Frage, wenn ein Versicherter auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt bzw. in einer zumutbaren Beschäftigung nur mehr weniger als sechs Stunden täglich (früher: acht
Stunden) arbeiten kann. Daran fehlt es, wie ausgeführt.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 26.03.2004 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.