Urteil des LSG Bayern vom 20.11.2001
LSG Bayern: geistige behinderung, versorgung, ernährung, körperpflege, pflegebedürftigkeit, behinderter, alter, nahrungsaufnahme, wohnung, verwaltungsverfahren
Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 20.11.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 10 P 96/98
Bayerisches Landessozialgericht L 7 P 44/99
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 15.11.1999 wird zurückgewiesen. II.
Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klagepartei auf Leistungen nach der Pflegestufe III aus dem Recht
der gesetzlichen Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.04.1998 bis 31.12.2000.
Im Oktober 1995 stellte der Vater des am 1993 geborenen Klägers Antrag auf Pflegegeld nach der Stufe III der
gesetzlichen Pflegeversicherung. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens stufte die Beklagte den Kläger
mit Bescheid vom 29.02.1996 in Pflegestufe II ein, gewährte entsprechendes Pflegegeld und wies im übrigen seinen
Antrag zurück. Dr. S. hatte in seinem nach einem Hausbesuch am 01.02.1996 am 14.02.1996 erstellten Gutachten
u.a. ausgeführt, der Kläger leide an zentralmotorischen Koordinierungsstörungen und einem psychomotorischen
Entwicklungsrückstand; es bestünden schwere Einschränkungen des Stütz- und Bewegungsapparates, der Greifreflex
sei vorhanden, gezieltes Greifen sei jedoch nicht möglich; der Kläger sei geh- und stehunfähig, freies Sitzen sei nicht
möglich, er krabble nicht, er sei nicht imstande, sich von der Bauchlage auf die Rückenlage zu drehen; des weiteren
bestünden mäßige Einschränkungen der inneren Organe in Gestalt von Inkontinenz und rezidivierenden
Mittelohrentzündungen; es bestünden mäßige Einschränkungen der Sinnesorgane infolge einer Hörminderung links;
das Sehvermögen sei nicht eruierbar; es bestünden schwere Einschränkungen des Zentralnervensystems und der
Psyche; es sei ein freundliches Kind, es reagiere auf Geräusche, zeige aber keine adäquaten Aktionen, die Sprache
sei auf die Worte Mama und Papa reduziert, ansonsten gebe es nur Laute, der Kläger esse langsam, zeige aber keine
Schluckstörungen. Hilfebedarf bestehe bei allen maßgeblichen Verrichtungen im Sinne der gesetzlichen
Pflegeversicherung; der Umfang des Hilfebedarfs erreiche das für die Pflegestufe II geforderte Ausmaß, genüge aber
nicht für die Pflegestufe III, dabei trete der nicht altersgemäße Hilfebedarf des Klägers im wesentlichen bei Hilfen bei
der Nahrungsaufnahme auf.
Auf den Widerspruch vom 18.03.1996 erließ die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 27.03.1997. In der Sache
beruhte dieser Bescheid auf einer ärztlichen Stellungnahme des Dr. L. vom 26.11.1996, worin der Umfang des
Hilfebedarfs nach wie vor als nicht ausreichend für die Pflegestufe III eingeschätzt wurde.
Am 06.04.1998 ließ die Beklagte durch die Sachverständige Dr. W. eine Nachbegutachtung durchführen. In seinem
Gutachten vom 21.04.1998 kam diese Ärztin zu dem Ergebnis, im Bereich der Grundpflege belaufe sich der
Hilfebedarf unter Abzug altersbedingter Hilfe auf täglich 212 Minuten; dabei entfielen im Rahmen der Körperpflege auf
das Waschen 33 Minuten, auf das Duschen und Baden durchschnittlich 20 Minuten, auf Zahnpflege 10 Minuten und
auf Darm- und Blasenentleerung 46 Minuten: bei der Ernährung erfordere der Hilfebedarf bei der mundgerechten
Zubereitung der Nahrung 15 Minuten und bei der Nahrungsaufnahme 120 Minuten; bei der Mobilität erfordere das
Aufstehen und Zubettgehen täglich 8 Minuten, das An- und Auskleiden 25 Minuten, das Gehen 45 Minuten und das
Verlassen bzw. Wiederaufsuchen der Wohnung 15 Minuten. Damit seien die Voraussetzungen der Pflegestufe II
erfüllt, nicht aber die der Pflegestufe III der gesetzlichen Pflegeversicherung. Außerdem empfahl die Sachverständige,
nach Ablauf von drei Jahren eine Nachuntersuchung vorzunehmen. Mit Schreiben vom 30.04.1998 teilte die Beklagte
der Klagepartei das Ergebnis dieser Begutachtung mit und stellte fest, dass sich dadurch für den Leistungsbezug
keine Änderung ergebe.
Auf den Widerspruch vom 18.05.1998 holte die Beklagte eine Stellungnahme des Dr. S. vom 30.07.1998 ein, der darin
die bisherige Einschätzung bestätigte, und erließ sodann den Widerspruchsbescheid vom 22.09.1998.
Am 21.09.1998 reichte der Kläger dagegen zum Sozialgericht Augsburg Klage ein. Zur Begründung wies die
Klagepartei im wesentlichen darauf hin, dass die bisherigen Gutachten die beim Kläger bestehenden
pflegeerschwerenden Faktoren nicht ausreichend berücksichtigen würden. Nach Beiziehung ärztlicher
Bescheinigungen beauftragte das Sozialgericht die Nervenärztin Dr. A. mit der Erstellung eines Gutachtens. In ihrem
nach Hausbesuch am 16.06.1999 verfassten Gutachten vom 18.06.1999 legte diese Sachverständige dar, beim
Hausbesuch sei der Kläger für sein Alter deutlich kleinwüchsig und untergewichtig erschienen; er könne frei sitzen,
aber nicht stehen oder gehen. Er gebe kaum Laute von sich, insbesondere keine verbalen Laute. Die Muskulatur wirke
sämtlich hypoton, es liege keine Spastik vor. Er fixiere, zeige Greifreflexe, nehme auch bedingt Kontakt auf. Er könne
Freude zeigen und lasse sich bereitwillig von seiner Schwester liebkosen. Die meiste Zeit halte der Kläger seinen
Schnuller in der Hand, benutze ihn aber nicht; es bestehe ein strabismus convergens rechts; das Hörvermögen
scheine normal ausgeprägt; insgesamt bestehe eine schwerwiegende körperliche und geistige Behinderung. Aus
diesen Gründen bedürfe der Kläger ohne Zweifel in höherem Maße der Pflege und Beaufsichtigung, denn ein Kind im
Alter des Klägers könne normalerweise problemlos laufen, könne adäquat verbalen Kontakt aufnehmen, könne
angeleitet handeln und sei auch bereits zu komplexeren Handlungs- und Denkabläufen in der Lage. Ein
fünfeinhalbjähriges Kind bedürfe in den Bereichen Körperpflege, Ernährung und Mobilität vornehmlich Anleitung und
Beaufsichtigung; in der Regel werde hierfür ein altersbedingter Aufwand von täglich zwischen 150 und 165 Minuten
angenommen. Beim Kläger lägen die Verhältnisse infolge seiner Behinderungen vollkommen anders, was dazu führe,
dass sich im Bereich der Körperpflege ein täglicher Hilfebedarf von 77 Minuten ermitteln lasse; im Bereich der
Ernährung betrage der Hilfebedarf 135 Minuten, im Bereich der Mobilität ergebe sich ein täglicher Hilfebedarf von 87
Minuten, wobei zusätzlich ein Hilfebedarf für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung von im
Tagesdurchschnitt 15 Minuten zugestanden werden könne, obwohl die in diesem Zusammenhang vorgesehenen
Arztbesuche noch nicht stattgefunden hätten. Daraus folge gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind ein
Hilfebedarf von 189 Minuten im Tagesdurchschnitt. Die Klagepartei nahm dazu Stellung, indem sie erklärte, die
Folgerungen der Sachverständigen seien nicht mit den ärztlichen Befunden des Klägers vereinbar.
Mit Urteil vom 15.11.1999 wies das Sozialgericht, gestützt auf die Ergebnisse der letzten Begutachtung, die Klage ab.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klagepartei.
Der Senat hat den Arzt Dr. Z. damit beauftragt, den Kläger erneut zu begutachten. Bevor dieser Arzt sein Gutachten
vorgelegt hat, hat die Beklagte das aufgrund eines Hausbesuchs am 25.01.2001 durch den Medizinischen Dienst der
Krankenversicherung erstellte Gutachten vom 12.02.2001, in welchem empfohlen wird, ab Januar 2001 Leistungen
nach der Pflegestufe III zu gewähren, vorgelegt; im Vergleich zum Vorgutachten vom April 1998 bestehe beim Kläger
bei gleichbleibendem Hilfebedarf nach Abzug des Hilfebedarfs für ein gesundes gleichaltriges Kind nunmehr ein
Mehrbedarf, der im zeitlichen Rahmen der Pflegestufe III liege. Mit Bescheid vom 05.03.2001 bewilligte die Beklagte
daraufhin ab 01.01.2001 Leistungen nach der Pflegestufe III der gesetzlichen Pflegeversicherung. Mit Schriftsatz vom
09.07.2001 erklärten die Prozessbevollmächtigten des Klägers, dass mit der Bereitschaft der Beklagten, ab Januar
2001 Pflegegeld nach der Pflegestufe III zu bezahlen, insoweit das Klageziel erreicht sei und dass nunmehr nur noch
der Zeitraum seit April 1998 bis Ende 2000 streitig sei.
Mit ausführlich begründetem Gutachten vom 03.07.2001 hat sodann der Arzt Dr. Z. ausgeführt, an
pflegebegründenden Diagnosen bestünden zentralmotorische Koordinationsstörungen, ein psychomotorischer
Entwicklungsrückstand mit Steh- und Gehunfähigkeit, eine Harn- und Stuhlinkontinenz sowie eine Hypersalivation
bislang unklarer Ursache bei mutmaßlicher Zuschreibung zu einer Grunderkrankung in Gestalt eines Syndroms des
fragilen-X-Chromosoms sive Marker-X-Syndroms sive Martin-Bell-Syndrom123; hinzukomme eine Schwerhörigkeit
links bei abgelaufenen Mittelohrentzündungen und ein Zustand nach Operation eines Hodenhochstandes beidseits mit
Annaht in der Technik nach Shoemaker wegen Maldeszensus testis beidseits. Dies führe zu einem Hilfebedarf im
Bereich der Grundpflege von insgesamt 310 Minuten, wobei an Mehraufwand für ein altersgleiches gesundes Kind
etwa 70 Minuten täglich abzuziehen seien; außerdem müsse an Hilfebedarf für hauswirtschaftliche Versorgung ein
Betrag von 60 Minuten täglich hinzu gerechnet werden, sodass insgesamt an berücksichtigungsfähigem Hilfebedarf
täglich 300 Minuten angesetzt werden könnten. Was den nächtlichen Hilfebedarf angehe, so sei nachts ein- bis
zweimal anfallender Windelwechsel erforderlich. Da sich der abzuziehende Hilfebedarf für ein altersgleiches gesundes
Kind im Zuge der Zeit zunehmend verringere und bei Erreichen eines Alters von acht Jahren 70 Minuten betrage,
könne von diesem Zeitpunkt an die Pflegestufe III befürwortet werden.
Der Kläger hat vor diesem Hintergrund zuletzt beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils und der zugrundeliegenden Bescheide der Beklagten zu
verurteilen, dem Kläger auch für die Zeit vom 01.04.1999 bis 31.12.2000 Leistungen nach der Pflegestufe III anstelle
der Pflegestufe II zu gewähren.
Demgegenüber beantragt die Beklagte,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte beruft sich dabei auf die Ergebnisse der vorliegenden Gutachten.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und die
darin genannten Beweisunterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Ersturteil und die zugrundeliegenden Bescheide der
Beklagten sind nicht zu beanstanden. Nach den Bestimmungen der gesetzlichen Pflegeversicherung im SGB XI
stehen dem Kläger Leistungen nach der Pflegestufe III in der Zeit vom 01.04.1998 bis 31.12.2000 nicht zu.
Gegenstand der Entscheidung ist dabei nicht mehr nur der Ausgangsbescheid in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 22.09.1998, sondern auch der während des Berufungsverfahrens erlassene Bescheid
vom 05.03.2001. Denn mit diesem Bescheid, der in der Sache ein Anerkenntnis darstellt, welches seitens der
Klagepartei durch den Schriftsatz vom 09.07.2001 akzeptiert worden ist, hat die Beklagte den Ausgangsbescheid in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.1998 dahin abgeändert (§ 96 SGG), dass Leistungen nach der
Pflegestufe III der gesetzlichen Pflegeversicherung nur noch für die Zeit vom 01.04.1998 bis 31.12.2000 verweigert
würden. Für die Zeit vom 01.04.1998 bis 31.12.2000 liegen die Voraussetzungen für die Pflegestufe III aber nicht vor.
In welche Pflegestufe ein Behinderter einzugruppieren ist, bemißt sich nach den §§ 14, 15 SGB XI. Welche
Pflegetätigkeiten dabei allein zu berücksichtigen sind, bemißt sich im Bereich der sogenannten Grundpflege nach den
Bestimmungen des § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 SGB XI, der dieser Eingruppierung zugrunde zu legende Hilfebedarf im
Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung ist in § 14 Abs. 4 Nr. 4 abschließend festgelegt. Der in den genannten
Bestimmungen enthaltene Verrichtungskatalog ist im Sinne der Voraussetzungen der gesetzlichen Pflegeversicherung
vollständig, eine erweiternde Auslegung oder eine analoge Anwendung ist bei der derzeit gültigen Fassung dieses
Gesetzes nicht zulässig. Eine allgemeine Abdeckung der Pflegebedürftigkeit wie in der gesetzlichen
Unfallversicherung (vgl. § 44 SGB VII) oder wie im Recht der sozialen Versorgung des Bundesversorgungsgesetzes
(BVG) - deren Zielsetzung der Ausgleich eines durch einen bestimmten Vorgang verursachten gesundheitlichen
Schadens ist - wird von der gesetzlichen Pflegeversicherung erkennbar nicht angestrebt. Der zeitliche Umfang, der im
Rahmen des beschriebenen Verrichtungskatalogs zur Erfüllung der Voraussetzungen der einzelnen Pflegestufen
erreicht werden muß, ist in § 15 Abs. 3 SGB XI geregelt. Danach - a.a.O. Nr. 3 - ist für die Pflegestufe III ein für die
Versorgung notwendiger Zeitaufwand von täglich durchschnittlich fünf Stunden erforderlich; davon müssen
mindestens vier Stunden auf die Grundpflege - d.i. die Pflege im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 SGB XI - entfallen.
Neben diesen Anforderungen müssen noch weitere, in § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB XI festgelegte Voraussetzungen erfüllt
sein. Insoweit gilt für die Pflegestufe III - vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI - die Formulierung: "Pflegebedürftige
der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der
Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der
hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen."
Im Falle des Klägers sind die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI in dem zuletzt noch streitigen
Zeitraum nicht erfüllt gewesen; der Kläger bedurfte bei der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität und der
hauswirtschaftlichen Versorgung noch nicht der Hilfe in einem Ausmaß von wenigstens fünf Stunden täglich. Dies
ergibt sich zweifelsfrei aus den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Medizinischen Dienstes der
Krankenkassen sowie aus den im Verfahren I. und II. Instanz erstellten Sachverständigengutachten. Dabei ist vor
allem hervorzuheben, dass sämtliche Gutachten den konkreten Hilfebedarf im wesentlichen in gleicher Weise
beschrieben haben und dass sie infolgedessen auch in zeitlicher Hinsicht zu gleichartigen Bewertungen gekommen
sind. Dass der Hilfebedarf des Klägers etwa ab Januar 2001 den für die Pflegestufe III erforderlichen Umfang erreicht
hat, beruht nicht auf einer Veränderung seines konkreten Hilfebedarfs, sondern auf einem mit zunehmendem Alter
naturgemäß geringer gewordenen Abzug für den fiktiven Hilfebedarf für ein gesundes gleichaltriges Kind gemäß § 15
Abs. 3 SGB XI. Für den hier streitigen Zeitraum bedeutet dies jedoch zugleich, dass vor dem Erreichen etwa des
achten Lebensjahres des Klägers nach der Einschätzung sämtlicher Gutachter kein nach den Regeln des SGB XI
berücksichtigungsfähiger Hilfebedarf vorhanden war, der das für die Pflegestufe III der gesetzlichen
Pflegeversicherung erforderliche Ausmaß erreicht hätte.
Die Begrenzung des für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit und für die Zuordnung zu den Pflegestufen
maßgebenden Hilfebedarfs auf die im Katalog des § 14 Abs. 4 SGB XI im einzelnen aufgeführten Verrichtungen bzw.
auf die in § 15 Abs. 1 Satz 1, namentlich Ziffer 3, niedergelegten weiteren Voraussetzungen ist nicht
verfassungswidrig. Sie verstößt nicht gegen die Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 und 20 des Grundgesetzes (GG), in denen
festgelegt ist, daß die Bundesrepublik Deutschland ein Sozialstaat ist. Denn damit ist nur das Existenzminimum
garantiert (vgl. BVerfGE 82, 60, 80; 364, 368), welchem Erfordernis nach herrschender Meinung grundsätzlich das
Bundessozialhilfegesetz (BSHG) Rechnung trägt. Der Umstand, daß das SGB XI Leistungen nicht generell bei
Pflegebedürftigkeit vorsieht, sondern nur bei bestimmten, durch die Notwendigkeit konkreter Verrichtungen
umschriebenen Fällen eines solchen Zustandes, könnte nur dann gegen das GG verstoßen, wenn die Eingrenzung der
Pflegebedürftigkeit durch die in §§ 14, 15 SGB XI aufgestellten Tatbestandsvoraussetzungen willkürlich erschiene
(vgl. Art. 3 Abs. 1 GG). Dafür gibt es jedoch keinen ausreichenden Anhalt. Die Tatsache, daß den Regelungen des
SGB XI die Situation eines körperlich behinderten Erwachsenen bei der Befriedigung seiner gewöhnlichen
Grundbedürfnisse des täglichen Lebens als Leitbild gedient hat, und daß dabei folglich die Bedürfnisse geistig oder
seelisch Behinderter ebenso wie die Bedürfnisse behinderter Kinder offenbar bewußt mehr oder weniger außer Acht
gelassen worden sind (vgl. auch BSG 19.2.1998, Aktenzeichen B 3 P 11/97 R), macht die Abgrenzung in den §§ 14,
15 SGB XI nicht zu einem verfassungswidrigen Willkürakt.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 193, 202 SGG in Verbindung mit §§ 91 ff. ZPO. Zugrundezulegen
wäre dabei an sich zwar der ursprünglich anhängig gemachte Streitgegenstand, also der geltend gemachte Anspruch
auf Pflegestufe III für die Zukunft ohne zeitliche Begrenzung gewesen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die
Beklagte von sich aus und aufgrund eigener routinemäßiger Nachprüfung auf der Basis der Empfehlung der Frau Dr.
W. eine Erhöhung des Pflegegeldes ohne nennenswerte Verzögerung zu dem Zeitpunkt anerkannt hat, zu welchem
diese eingetreten war. Ein Grund für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 SGG besteht nicht.