Urteil des LSG Bayern vom 28.05.2002

LSG Bayern: zumutbare tätigkeit, berufsunfähigkeit, innere medizin, diabetes mellitus, coxa vara, physikalische therapie, erwerbsunfähigkeit, kellner, lokal, verdacht

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 28.05.2002 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 31 RJ 272/97
Bayerisches Landessozialgericht L 6 RJ 307/99
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13. April 1999 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, hilfsweise auf eine Rente
wegen Erwerbsminderung.
Der Kläger, der am 1944 geboren und spanischer Staatsangehöriger ist, hat nach seinen Angaben keine
Berufsausbildung zurückgelegt und hält sich seit 1970 in der Bundesrepublik Deutschland auf, wo er bis zum Eintritt
der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit am 29.4.1995 zunächst als Lagerarbeiter und Hilfsarbeiter und zuletzt in der
Gastronomie versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist. Seit Februar 1999 hat er ein eigenes spanisches Lokal
mit zwei Angestellten betrieben.
Mit Bescheid vom 23.7.1996 und Widerspruchsbescheid vom 21.1.1997 lehnte die Beklagte den am 21.5.1996
gestellten Antrag des Klägers auf Zahlung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit ab. Der Versicherte
habe keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, da er nach den im
Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen nicht berufsunfähig im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift
sei; er habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, da er erst
recht nicht erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB VI sei. Er könne nämlich trotz der festgestellten
Gesundheitsstörungen - koronare Herzkrankheit, Zustand nach abgelaufenem intramuralem Herzinfarkt und
Bypassoperation, Hypercholesterinämie, degeneratives Wirbelsäulensyndrom, Coxalgien beidseits - unter Beachtung
qualitativer Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig arbeiten.
Mit der am 14.2.1997 zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger seinen Rentenanspruch
weiter. Er begehre ab Antragstellung Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Das SG zog die Verwaltungsakten der Beklagten bei und erholte Befundberichte sowie medizinische Unterlagen von
den behandelnden Ärzten des Klägers (Internist, Kardiologie Priv.-Doz. Dr. S. , Befundbericht vom 28.4.1997;
Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. M. , Befundbericht vom 10.8.1997).
Sodann holte das SG medizinische Sachverständigengutachten ein von dem Internisten und Kardiologen Dr. L.
(Gutachten vom 28.10.1997), von dem Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie, Sportmedizin, Physikalische Therapie
Dr. M. (Gutachten vom 13.10.1998) und von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Dipl.-Psych. Dr. M. (Gutachten
vom 23.12.1998).
Während die Dres. M. und M. den Kläger für vollschichtig leistungsfähig erachteten, kam Dr. L. zum Ergebnis, der
Kläger könne unter Einlegung von stündlichen Pausen noch sieben bis acht Stunden täglich arbeiten.
Mit Urteil vom 13.4.1999 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente, da er nicht
wenigstens berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI sei. Er könne nämlich nach dem Ergebnis der
durchgeführten medizinischen Ermittlungen ohne rechtserhebliche qualitative Einschränkungen noch vollschichtig
arbeiten. Dem Gutachten Dr. L. könne nicht gefolgt werden, da es u.a. die zeitliche Leistungseinschränkung nicht
schlüssig begründe. Daß dem Kläger seine zuletzt in Deutschland ausgeübte Berufstätigkeit als angelernter Kellner
nicht mehr zugemutet werden könne, sei ohne rechtliche Auswirkung, da er auf Berufstätigkeiten des allgemeinen
Arbeitsmarktes verweisbar sei. Erst recht sei der Kläger nicht erwerbsunfähig im Sinne der noch strengeren Vorschrift
des § 44 Abs. 2 SGB VI.
Am 28.6.1999 (Montag) ging die Berufung des Klägers gegen dieses ihm am 27.5.1999 zugestellte Urteil beim Bayer.
Landessozialgericht ein. Er begehre Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit ab dem gesetzlich
frühestmöglichen Zeitpunkt. Zur Begründung trug er vor, infolge seiner Herzerkrankung könne er nur noch unter
vollschichtig arbeiten. Das SG hätte sich nicht über die von Dr. L. vorgenommenen Leistungsbeurteilung
hinwegsetzen dürfen.
Der Senat zog die Klageakten des SG München und die Verwaltungsakten der Beklagten bei und führte Ermittlungen
zu Gesundheitszustand sowie beruflichem Leistungsvermögen und zum Berufsbild des Klägers durch.
Der Internist Dr.E. stellte in seinem Gutachten vom 18.1.2000 beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest: 1.
Koronare Zwei-Gefäß-Erkrankung mit Zustand nach Bypass-Operation 1992, derzeit kein Nachweis einer
Belastungsischämie als Ursache angegebener thorakaler Schmerzen. 2. Arterielle Hypertonie, medikamentös gut
eingestellt, mit hypertensiver Herzerkrankung. 3. Verdacht auf Diabetes mellitus. 4. Hypercholesterinämie. 5.
Verdacht auf rezidivierende Thrombophlebitiden. 6. Verdacht auf Gastropathie oder Refluxerkrankung. 7.
Nebenbefundlich: Leberzyste.
Zum beruflichen Leistungsvermögen führte Dr.E. aus, der Kläger könne unter den üblichen Bedingungen eines
Arbeitsverhältnisses (insbesondere ohne unübliche Pausen) leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen noch
vollschichtig verrichten, wobei überwiegendes Sitzen bei gleichzeitiger Möglichkeit zum Wechsel der Ausgangslage
erforderlich sei; nicht mehr zugemutet werden könnten Tätigkeiten mit ständigem Gehen oder Stehen, Tätigkeiten in
Nässe, Kälte oder Hitze, Tätigkeiten unter erheblicher Streßbelastung, Akkordarbeit, Heben oder Tragen von
schweren Lasten, häufiges Bücken, Arbeiten in Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten sowie Arbeiten auf Leitern oder
Gerüsten. Beschränkungen des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Die Umstellung auf eine neue
Berufstätigkeit, die nicht von einfachster Art sei, sondern eine Einarbeitung bzw. eine betriebliche Anlernung erfordere
und durchschnittliche Anforderungen an die geistige und seelische Belastbarkeit stelle, sei noch möglich. Als Kellner
sei der Kläger nicht mehr einsetzbar, da diese Berufstätigkeit überwiegendes Gehen und Stehen erfordere und
zeitweise mit erheblicher Streßbelastung verbunden sei. Der sozialmedizinischen Beurteilung Dr. L. könne nicht
gefolgt werden. Es ergäben sich aus seinem Gutachten keine nachvollziehbaren Gründe, warum der Kläger stündliche
Pausen einhalten müsse. Dies wäre lediglich nachvollziehbar bei einer bestehenden Herzinsuffizienz mit rasch
eintretender Erschöpfung; dann wäre jedoch auch keine vollschichtige Berufstätigkeit mehr zumutbar.
Nun legte der Kläger zwei Arztbriefe des Deutschen Herzzentrums München (vom 12.3.2001 und vom 10.4.2001) vor,
die sich mit den Folgen eines am 27.2.2001 erlittenen Herzinfarkts befaßten.
Wegen dieses Herzinfarkts war auch vom 19.3. bis 13.4.2001 in der Klinik H. eine Anschlußheilbehandlung
durchgeführt worden. Der Entlassungsbericht vom 23.4.2001 wurde vom Senat beigezogen.
In seiner Stellungnahme vom 14.9.2001 äußerte Dr. E. , aufgrund der inzwischen eingetretenen Entwicklung ergebe
sich in der Leistungsbeurteilung gegenüber dem Gutachten vom 18.1.2000 keine Änderung. Nach wie vor seien leichte
Arbeiten mit den im dem Gutachten beschriebenen qualitativen Einschränkungen vollschichtig möglich.
Nachdem der Kläger einen Arztbrief des Arztes für Innere Medizin/Kardiologie Priv.-Doz. Dr. S. vom 15.10.2001
übersandt hatte, in dem sich dieser kritisch zum Gutachten Dr. E. äußerte und eine kardiologische Fachbegutachtung
empfahl, erholte der Senat von der Internistin, Kardiologin, Sozialmedizin, Betriebsmedizin, Sportmedizin Dr. L. ein
weiteres medizinisches Sachverständigengutachten (vom 12.4.2002).
Dr. L. stellte folgende Diagnosen: 1. Generalisierte arteriosklerotische Wandveränderungen (Risikofaktoren:
Nikotinkonsum bis 1992, Fett- und später auch Zuckerstoffwechselstörung, Bluthochdruck, familiäre Disposition),
bisher ohne hämodynamisch relevante Stenosierungen im Becken- und Beinbereich sowie im Bereich der
extrakraniellen hirnversorgenden Gefäße (Schwindelneigung durch zeitweise hypotone Blutdruckwerte bedingt). 2.
Koronare Herzkrankheit. 3. Essentieller arterieller Bluthochdruck Stadium I (- II). 4. Verdacht auf zweimaligen Ablauf
einer ausgeprägten Thrombophlebitis am linken Bein 1995. 5. Deutliche Vena-saphena-magna-Varikosis rechts, bisher
komplikationslos. 6. Hüftgelenksbeschwerden bei mäßiger Coxarthrose beidseits mit Rotationseinschränkung der
Hüftgelenke, Coxa vara beidseits. 7. Chronisch rezidivierendes Halswirbelsäulen-, Brustwirbelsäulen und
Lendenwirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen.
Dr. L. beurteilte das berufliche Leistungsvermögen des Klägers dahingehend, daß der Kläger unter den üblichen
Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses körperlich leichte und psychisch nicht belastende Arbeiten vollschichtig
verrichten könne, wobei lang anhaltendes Gehen oder Stehen zu vermeiden und Sitzen durch einen gelegentlichen
Positionswechsel zu unterbrechen sei; nicht mehr zumutbar seien schwereres Heben oder Tragen, länger anhaltende
Fehlhaltungen der Wirbelsäule, häufiges Bücken, häufige Überkopfarbeit, Tätigkeiten im Knien oder Hocken, Kälte-,
Nässe-, Hitze- oder Lärmexposition, Tätigkeiten mit besonderer Absturzgefahr (z.B. Arbeiten auf Leitern oder
Gerüsten), besondere psychische Belastungen (z.B. erheblicher Streß, erhöhter Zeitdruck bei Akkordarbeit, Nacht-
oder Wechselschicht). Die Umstellungsfähigkeit des Klägers auf eine neue Berufstätigkeit sei zu bejahen und eine
Einschränkung des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte sowie die Notwendigkeit unüblicher Pausen bestehe nicht; Dr. L.
könne hier nicht gefolgt werden. Als Kellner sei der Kläger nicht mehr geeignet. In der Zeit vom 27.2.2001 bis
30.4.2001 (Herzinfarkt mit anschließender Genesungszeit) habe der Kläger keine Arbeiten verrichten können.
Die Ermittlungen des Senats zur Berufstätigkeit des Klägers in der Gastronomie ergaben folgendes:
Vom 1.9.1988 bis 2.9.1993 war der Kläger in der Gaststätte "C. ", dem Lokal des Vereins C. e.V. beschäftigt. Hierzu
gibt der damalige Präsident des Vereins, M. S. , unter dem 9.3.2000 an, die Gaststätte habe etwa 70 Plätze gehabt.
Sie existiere jetzt immer noch, der Verein habe aber nichts mehr mit ihr zu tun. Der Kläger sei gleichzeitig
Geschäftsführer und Kellner gewesen. Er habe die Speisen und Getränke eingekauft sowie das Personal - meist zwei
Leute in der Küche und zwei im Service, bei Bedarf zusätzlich eine bis zwei Aushilfen - koordiniert.
Der Senat gab den Beteiligten hierauf einen Artikel zur Kenntnis, der in der Süddeutschen Zeitung vom 2.4.2001 über
die Gaststätte C. erschienen war. Darin heißt es über die Zeit, in der das C. noch Vereinslokal gewesen war, es habe
spanischen Wein und ein paar einfache Gerichte gegeben.
Vom 3.9.1993 bis 8.8.1996 war der Kläger sodann Geschäftsführer und Kellner des Lokals U. , das auch dem Verein
gehörte. Über das Speisenangebot sind keine Unterlagen mehr vorhanden.
Durch den Senat zur Stellungnahme über das Berufsbild des Klägers gebeten, äußerte der Bevollmächtigte mit
Schreiben vom 3.5.2001, der Kläger habe keinen Beruf erlernt, er sei früher als Lager- und Maschinenarbeiter
beschäftigt gewesen. Er fühle sich aber erwerbsunfähig.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 13.4.1999 sowie des Bescheides vom
23.7.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.1.1997 zu verurteilen, ihm ab 1.5.1996 Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, weiter hilfsweise für die Zeit ab 1.1.2001 eine Rente wegen
Erwerbsminderung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im übrigen auf den
Inhalt der beigezogenen Akten und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden
Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG München vom 13.4.1999 ist nicht zu beanstanden, weil
der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und auch keinen
Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist wegen der Antragstellung
vor dem 31.03.2001 an den Vorschriften des SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) zu messen, da
geltend gemacht ist, daß dieser Anspruch bereits seit einem Zeitpunkt vor dem 01.01.2001 besteht, vgl. § 300 Abs. 2
SGB VI. Für den Anspruch des Klägers sind aber auch die Vorschriften des SGB VI in der ab 1.1.2001 geltenden
Fassung (n.F.) maßgebend, soweit sinngemäß auch (hilfsweise) vorgetragen ist, daß jedenfalls ein Anspruch auf
Rente wegen Erwerbsminderung seit einem Zeitpunkt nach dem 31.12. 2000 gegeben sei, vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI a.F., da er ab dem
Zeitpunkt des Rentenantrags vom 21.5.1996 bis jetzt nicht im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift
berufsunfähig ist. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. sind nämlich nur solche Versicherte berufsunfähig, deren
Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit
ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (Satz 1). Der Kreis der
Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt hierbei alle Tätigkeiten, die
ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer
Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit
zugemutet werden können (Satz 2). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann;
dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4). Die hier genannten Tatbestandsmerkmale
der Berufsunfähigkeit liegen beim Kläger nicht vor.
Das nach Satz 1 dieser Vorschrift zunächst festzustellende berufliche Leistungsvermögen des Klägers ist bereits
eingeschränkt. Er kann aber unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses (insbesondere ohne
unübliche Pausen) körperlich leichte und psychisch nicht belastende Arbeiten noch vollschichtig verrichten, wobei
lang anhaltendes Gehen oder Stehen zu vermeiden und Sitzen durch einen gelegentlichen Positionswechsel zu
unterbrechen ist; nicht mehr zumutbar sind schwereres Heben oder Tragen, länger anhaltende Fehlhaltungen der
Wirbelsäule, häufiges Bücken, häufige Überkopfarbeit, Tätigkeiten im Knien oder Hocken, Kälte-, Nässe-, Hitze- oder
Lärmexposition, Tätigkeiten mit besonderer Absturzgefahr (z.B. Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten), besondere
psychische Belastungen (z.B. erheblicher Streß, erhöhter Zeitdruck bei Akkordarbeit, Nacht- oder Wechselschicht).
Beschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte liegen nicht vor, da der Kläger die durchschnittlich
erforderlichen Fußwege zurücklegen kann (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Der Kläger kann sich noch
auf eine neue Berufstätigkeit umstellen.
Dieses berufliche Leistungsvermögen des Klägers ergibt sich vor allem aus den im Berufungsverfahren eingeholten
schlüssigen und überzeugenden Gutachten des Internisten Dr.E. und der Internistin, Kardiologin, Sozialmedizin,
Betriebsmedizin, Sportmedizin Dr. L ... Der Senat schließt sich der durch diese Sachverständigen vorgenommenen
Leistungsbeurteilung des Klägers an. Keinen Beweiswert hat das Gutachten, das vom SG von dem Internisten und
Kardiologen Dr. L. eingeholt wurde. Seine Leistungsbeurteilung, insbesondere hinsichtlich des Erfordernisses,
stündlich Pausen einzulegen, ist von den Dres. E. und L. nachvollziehbar und überzeugend widerlegt worden. Nach
dem beruflichen Leistungsvermögen ist weiterer Ausgangspunkt für die Feststellung der Berufsunfähigkeit der
Hauptberuf des Versicherten. Bei dessen Bestimmung ist grundsätzlich von der zuletzt ausgeübten
versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit auszugehen (vgl. KassKomm-Niesel § 43 SGB VI Rdnr. 21 ff.
mit weiteren Nachweisen). Maßgeblicher Hauptberuf ist vorliegend derjenige, den der Kläger als
Geschäftsführer/Kellner in den Lokalen des Vereins C. e.V. ausgeübt hat. Für diesen ist der Kläger nicht mehr
geeignet, weil damit überwiegendes Stehen und Gehen sowie eine hohe Streßbelastung verbunden sind.
Obwohl der Kläger seinen maßgeblichen Beruf nicht mehr ausüben kann, ist er aber dennoch nicht berufsunfähig. Für
die Annahme von Berufsunfähigkeit reicht es nämlich nicht aus, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf nicht mehr
ausüben können; vielmehr sind - wie sich aus § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. ergibt - Versicherte nur dann
berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder
sozial nicht mehr zumutbar ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u.a. SozR 2200 1246 Nr.138).
Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Wertigkeit des bisherigen Berufs.
Um diese zu beurteilen, hat das BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind
ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet
worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw.
des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbi1dungsberuf mit einer
Ausbildungszeit von mehr als 2 Jahren), des ange1ernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer
Regelausbildungszeit von bis zu 2 Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG SozR 2200 § 1246
Nrn. 138 und 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht
auschließ1ich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbi1dung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr
allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für
den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten
Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen
Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn. 27 und 33). Grundsätzlich darf der
Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG
SozR 2200 § 1246 Nr. 143 m.w.N.; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 5).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Kläger der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters, und zwar
höchstens des unteren Bereichs (Ausbildungs- oder Anlernzeit von 3 Monaten bis zu einem Jahr, vgl. BSG-Urteil vom
29.03.1994 - 13 RJ 35/93 = SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45), zuzuordnen. Ein höheres Niveau läßt sich, was nach dem im
sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers geht, nicht
ermitteln. Der Kläger hat vom 1.9.1988 bis 2.9.1993 das Lokal C. ohne vorhergehende einschlägige Ausbildung
praktisch "aus dem Stand" geführt. Hieraus ist zu schließen, daß es sich tatsächlich um die sehr einfache
Gastronomie gehandelt hat, die in der Süddeutschen Zeitung beschrieben wird. Damit ist die vom Senat
vorgenommene Beurteilung, es handle sich hierbei um einen Beruf, für den eine Ausbildungszeit bis zu einem Jahr
erforderlich ist, für den Kläger sehr günstig. An der Berufstätigkeit kann sich anschließend in der Zeit ab 3.9.1993, in
der der Kläger in dem Lokal U. beschäftigt gewesen ist, nicht viel geändert haben, nachdem es sich wieder um ein
Lokal des Vereins gehandelt hat. Genauere Feststellungen dazu sind schon deshalb nicht mehr möglich, weil
Unterlagen über das Speisenangebot nicht mehr vorhanden sind. Im übrigen wird im Schreiben des
Prozeßbevollmächtigten vom 3.5.2001 letztlich eingeräumt, daß keine höherqualifizierte Berufstätigkeit vorgelegen
hat.
Als angelerntem Arbeiter des unteren Bereichs ist dem Kläger die Verweisung auf praktisch alle - auch ungelernten -
Berufstätigkeiten sozial zumutbar, denen er körperlich, geistig und seelisch gewachsen ist. Der Benennung eines
konkreten Verweisungsberufs bedarf es grundsätzlich nicht. Auch liegt beim Kläger weder eine Summierung
ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die
ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit auch bei einem Versicherten erforderlich
machen würde, der der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters des unteren Bereichs zuzuordnen ist.
Dennoch sei darauf hingewiesen, daß der Kläger ohne weiteres noch als einfacher Tagespförtner einsetzbar wäre.
Körperlich werden durch diese Berufstätigkeit - dies ist allgemeinkundig - nicht die geringsten Anforderungen gestellt;
überwiegendes Sitze mit gelegentlichem Positionswechsel ist möglich. Streß in erheblichem Umfang ist nicht zu
erwarten. Ob dem Kläger ein entsprechender Arbeitsplatz auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich
vermittelt werden könnte, ist rechtlich unerheblich, da bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt
als offen anzusehen ist und das Risiko der Arbeitsvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und
nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen ist; dementsprechend bestimmt § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI,
daß nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, und daß hierbei die jeweilige
Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (vgl. zum Vorstehenden zusammenfassend den Beschluss des Großen
Senats des BSG vom 19.12.1996 - GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).
Der Kläger, der keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit hat, hat erst recht keinen Anspruch auf Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 Abs. 1 SGB VI a.F., weil er die noch strengeren Voraussetzungen des Begriffs
der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift nicht erfüllt. Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2
SGB VI a.F. sind solche Versicherte nicht erwerbsunfähig, die - wie der Kläger - (irgend)eine Berufstätigkeit noch
vollschichtig ausüben können; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Daß der Kläger in der Zeit vom 27.2.2001 bis 30.4.2001 (Herzinfarkt mit anschließender Genesungszeit) keine
Arbeiten mehr hat verrichten können, ist im übrigen ohne rechtliche Bedeutung, da dieser Zeitraum weniger als sechs
Monate umfaßt, somit in dieser Zeit nur Arbeitsunfähigkeit im Sinn der gesetzlichen Krankenversicherung vorgelegen
hat.
Nach den §§ 43, 240 SGB VI n.F. hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, da
hiernach - wie bisher - ein Rentenanspruch jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn ein Versicherter - wie der Kläger
- einen zumutbaren anderen Beruf als den bisherigen vollschichtig ausüben kann.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG München vom 13.4.1999 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.