Urteil des LSG Bayern vom 08.02.2006
LSG Bayern: aufschiebende wirkung, eheähnliche gemeinschaft, vollstreckung, rechtsschutz, behörde, aussetzung, erlass, hauptsache, aussetzen
Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 08.02.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 13 AS 426/05 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 10 AS 17/06 ER
I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 199 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz wird abgelehnt. II.
Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner die außergerichtlichen Kosten dieses Verfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Das Sozialgericht Nürnberg (SG) hat im Verfahren S 13 AS 426/05 ER mit Beschluss vom 09.11.2005, der
Antragstellerin (ASt) zugestellt am 23.11.2005, die ASt im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem
Antragsgegner (Ag) ab 14.10.2005 bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II) für einen Alleinstehenden zu gewähren. Hiergegen hat die ASt mit Schriftsatz vom
01.12.2005 Beschwerde eingelegt; das Verfahren ist unter Az: L 10 B 758/05 AS ER beim Bayer. Landessozialgericht
(LSG) anhängig. Dem ebenfalls am 01.12.2005 gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 175 SGG
hat das SG mit Beschluss vom 02.01.2006 nicht stattgegeben.
Mit Schriftsatz vom 17.01.2006 stellte die ASt im Rahmen des anhängigen Beschwerdeverfahrens beim LSG den
Antrag, festzustellen, dass die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung ausgesetzt wird und die Beschwerde
aufschiebende Wirkung hat (§ 199 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Sie begründete dies mit dem
ungewissen Ausgang des Hauptsacheverfahrens; ob tatsächlich keine eheähnliche Gemeinschaft vorläge, wie das
SG angenommen habe, werde sich erst in der mündlichen Verhandlung zeigen, in welcher alle vorliegenden
Tatsachen und Beweise voll umfänglich gewürdigt werden müssten. Die Erfolgsaussichten der Beschwerde seien
nicht überschaubar.
II.
Der Aussetzungsantrag ist zulässig.
Gemäß § 199 Abs 2 Satz 1 SGG kann, wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, der Vorsitzende des
Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen.
Die Statthaftigkeit des Antrags setzt voraus, dass das eingelegte Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat und
ein vollstreckbarer Titel im Sinne des § 199 Abs 1 SGG vorliegt. Ein vollstreckbarer Titel liegt nach § 199 Abs 1 Nr 2
SGG vor. Denn die Beschwerde der ASt hat keine aufschiebende Wirkung; keiner der im Gesetz abschließend
aufgezählten Fälle (vgl. § 175 SGG) ist gegeben.
Der Aussetzungsantrag ist jedoch nicht begründet.
Die ASt hat nicht hinreichend dargelegt, noch ist es ersichtlich, dass ihr die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden
Nachteil bringen würde und kein überwiegendes Interesses des Klägers an der Gewährung der Leistung besteht.
Ob es sich bei der beantragten Aussetzung der Vollstreckung um eine gebundene Entscheidung oder
Ermessensentscheidung handelt, kann dahin gestellt bleiben (vgl. hierzu BSG SozR 3-1500 § 199 Nr 1 einerseits und
BSG Beschluss vom 05.09.2001 Az: B 3 KR 47/01 R andererseits).
Im Ergebnis gewährt der Vorsitzende des für die Entscheidung zuständigen Gerichts nur in offenkundigen
Fallgestaltungen einstweiligen Rechtsschutz nach § 199 Abs 2 SGG, was bei Würdigung der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts zum Rechtsschutz im Eilverfahren nach dem SGB II (NVwZ 2005, 9276) wegen der
besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen in den seltensten Fällen dazu führen kann, dass die einem
Antragsteller in der erstinstanzlichen Entscheidung zugesprochene Leistung im Wege des § 199 Abs 2 SGG vorläufig
nicht gewährt wird. Nachteile der Behörde von so gravierendem Ausmaß werden - auch angesichts der
Aufrechnungsvorschriften im SGB II, vgl. vor allem § 43 SGB II - kaum vorliegen, wenn existenzsichernde Leistungen
inmitten stehen.
Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls, die von der ASt glaubhaft vorzutragen
sind (BSG aaO). Die ASt hat selbst vorgetragen, dass die Beweislage offen sei und im Hauptsacheverfahren geklärt
werden müsse. Damit hat die ASt nicht glaubhaft gemacht, warum ihr durch die Vollstreckung ein das Interesse des
Klägers an der Vollstreckung (vgl. hierzu die Vorgaben des BVerfG bezüglich der Leistungen nach dem SGB II)
überwiegender, nicht zu ersetzender Nachteil drohen könnte, der eine Entscheidung nach § 199 Abs 2 SGG
rechtfertigen würde.
Nach alledem konnte der Antrag auf Vollstreckungsschutz nach § 199 Abs 2 SGG keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG (BayLSG NZS 1997, 96).
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.