Urteil des LSG Bayern vom 28.02.2007

LSG Bayern: satzung, unterzeichnung, versorgung, ausschuss, wahrscheinlichkeit, rechtsirrtum, vertragsarzt, bestätigung, bekanntgabe, leistungsabrechnung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 28.02.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 45 KA 10/04
Bayerisches Landessozialgericht L 12 KA 3/06
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. Oktober 2005 wird
zurückgewiesen. II. Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. III. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Disziplinarbescheids, mit dem dem Kläger eine Geldbuße in Höhe von EUR
5.000 zuzüglich Verfahrenskosten auferlegt wurde.
Der Kläger ist als Allgemeinarzt in Bad F. vertragsärztlich zugelassen. Daneben nimmt er an der sog. kurärztlichen
Versorgung teil (Bescheid vom 22. März 1990). Mit Antrag vom 15. Januar 2003, eingegangen beim
Disziplinarausschuss am 16. Januar 2003, stellte die KVB-Bezirksstelle Niederbayern Disziplinarantrag gegen den
Kläger. Dieser wurde vom stellvertretenden Bezirksstellenvorsitzenden unterzeichnet. Dem Antrag lagen zwei
Tatkomplexe (beide) betreffend die Quartale 1/98 bis 3/2000 zugrunde.
Zum einen wird dem Kläger vorgeworfen, entgegen der bundesmantelvertraglichen Regelung kurative
Behandlungsleistungen bei zuvor kurärztlich betreuten Patienten nicht auf dem Kurarztschein, sondern auf einem
kurativen Behandlungsausweis abgerechnet zu haben und dadurch im Rahmen der Anwendung der Regelungen der
Praxis- und Zusatzbudgets ein zusätzliches fallzahlbezogenes Budgetvolumen geschaffen zu haben, was zur
Erhöhung der Quote des im Rahmen der Budgetierung anzuerkennenden Gesamtpunktzahlvolumens für die
Behandlung kurativer Patienten (Nichtkurpatienten) geführt habe.
Daneben wird dem Kläger vorgeworfen, im streitgegenständlichen Zeitraum in einer Vielzahl von Fällen die GOP 3
EBM-Ä bei Kurpatienten abgerechnet zu haben, ohne weder die Voraussetzungen des sog. Kurarztvertrages noch die
Leistungslegende des EBM-Ä zu erfüllen.
Im Rahmen der zuvor begonnenen Plausibilitätsprüfung der kurärztlichen Behandlung fand am 17.01.2001 in den
Räumen der Kassenärztlichen Vereinigung, Bezirksstelle Niederbayern, ein Plausibilitätsgespräch statt. In diesem
wurde der Kläger erstmals zu den Vorwürfen angehört.
Zur GOP 3 EBM-Ä entgegnete der Kläger zunächst, dass die Kurpatienten in Scharen zu seinen Arzthelferinnen
kämen und diese mit einer Menge von Fragen über den Ablauf einer Kur mit Chipkarte belasteten. Die Helferinnen
würden Auskünfte zu Richtgrößen und zu weiteren Möglichkeiten der "kurmäßigen Verschreiberei" geben. Diese
Gespräche zwischen Kurpatienten und Arzthelferinnen seien mit der GOP 3 EBM-Ä abgerechnet worden.
Zum zweiten Vorwurf wandte der Kläger ein, dass er dem maßgeblichen Kurarztvertrag zwar das Recht entnehmen
könne, kurative Leistungen bei sog. interkurrenten Erkrankungen auf der Rückseite des Kurarztscheines abzurechnen,
jedoch daraus keine Pflicht für eine solche Verfahrensweise erkennen könne, die es ihm verbiete, anstelle einer
Abrechnung auf dem Kurarztschein einen kurativen Behandlungsschein mit Abrechnung entsprechender kurativer
Positionen zu eröffnen. Von einer solchen Auslegung habe er erstmals im November 2000 gehört, als ihm bei
Einleitung des Plausibilitätsprüfungsverfahrens erstmals ein Kurarztvertrag übersandt worden sei.
In der Sitzung des Disziplinarausschusses wurde der unzutreffende Ansatz der GOP 3 EBM-Ä eingeräumt. Im
Übrigen wurde der Tatvorwurf bestritten. Die fraglichen Leistungen seien alle erbracht worden. Sie hätten lediglich auf
einem anderen Abrechnungsformular dokumentiert werden müssen. Es handle sich um einen unvermeidbaren
Rechtsirrtum. Ein schuldhaftes Handeln liege nicht vor.
Mit dem am 3. Dezember 2003 ausgefertigten Bescheid (Sitzung 3. Dezember 2003) sprach der Ausschuss nach § 18
der Satzung der KVB gegen den Kläger eine Geldbuße in Höhe von EUR 5.000 aus und setzte eine Verfahrensgebühr
in Höhe von EUR 767 fest. Zur Begründung wurde zunächst ausgeführt, dass der Antrag nicht verjährt sei. Gemäß §
18 Abs.3 der Satzung der KVB könnten Maßnahmen nicht mehr beantragt werden, wenn seit dem Bekanntwerden der
Verfehlung bei der KVB zwei Jahre oder seit der Verfehlung fünf Jahre vergangen seien. Der Antrag umfasse die
Quartale 1/98 bis 3/00. Kenntnis habe die KVB-Bezirksstelle erst im Laufe des Plausibilitätsgespräches am 17.
Januar 2001 erlangt. Der Antrag sei jedoch am 16.01.2003 eingegangen. Auch die Fünfjahresfrist sei nicht
verstrichen. Die Frist beginne nicht mit der Verwirklichung, sondern erst mit der Beendigung der Tat. Der
Honorarbescheid für das Quartal 1/98 sei am 21. Juli 1998 zur Post gegeben worden. Er gelte am 24. Juli 1998 als
bekannt gegeben. Damit sei die Fünfjahresfrist am 16. Januar 2003 noch nicht verstrichen gewesen. Selbst dann,
wenn nicht auf die Bekanntgabe des Honorarbescheides abgestellt werde, müsse auf die Unterzeichnung der
Abrechnungssammelerklärung abgestellt werden. Da die Abgabe der Abrechnung 1/98 in den ersten zwei Aprilwochen
1998 erfolgt sei, sei die Fünfjahresfrist nicht verstrichen.
Zur Überzeugung des Ausschusses habe der Kläger in den Quartalen bei einer Vielzahl der Kurpatienten kurative
Leistungen auf einem kurativen Behandlungsausweis abgerechnet. Beispielhaft für das Quartal 2/00 sei festzuhalten,
dass bei nahezu allen 364 Kurpatienten zugleich ambulant-kurative Leistungen auf einem kurativen
Behandlungsausweis abgerechnet worden seien. Eine derartige Vorgehensweise sei nicht statthaft, da die
Abrechnung von Leistungen an Kurpatienten umfassend im Kurarztvertrag geregelt sei. Die Abrechnung auch von
kurativen Leistungen müsse danach, soweit die Leistungen nicht ausgeschlossen seien, auf der Rückseite des
Kurarztscheines erfolgen und dürfe nicht auf einem kurativen Behandlungsausweis vorgenommen werden.
Im Übrigen habe der Kläger die GOP 3 EBM-Ä abgerechnet, obwohl die Abrechnungsvoraussetzungen nicht
vorgelegen hätten. Sie sei für Auskünfte der Arzthelferinnen zum organisatorischen Ablauf einer Kur nicht
ansatzfähig. Der Kläger habe auch schuldhaft gehandelt. Der Vertragsarzt müsse sich anhand der geltenden Verträge,
Abrechnungsvorschriften und Gebührenordnungen die notwendige Kenntnis darüber verschaffen, ob und wie die
erbrachten Leistungen abrechenbar seien. Tue er dies nicht, handele er zumindest fahrlässig.
Hinsichtlich der Sanktionsbemessung spreche zugunsten des Arztes, dass er sich hinsichtlich der Falschabrechnung
der GOP 3 EBM-Ä einsichtig gezeigt habe. Auch habe der Ausschuss zu seinen Gunsten gewertet, dass der Arzt
aufgrund des Plausibilitätsgesprächs die zutage getretenen Mängel zwischenzeitlich beseitigt habe. Ferner sei er
bisher disziplinarisch nicht in Erscheinung getreten.
Zu seinen Lasten wiege allerdings, dass er gegen einen zentralen Grundsatz des Vertragsarztrechtes, nämlich gegen
die Pflicht zur peinlich genauen Leistungsabrechnung verstoßen habe, der bei erheblicher Verletzung sogar zur
Entziehung der Zulassung führen könne. Unter Abwägung aller Gesichtspunkte halte der Ausschuss eine Geldbuße
für geboten und ausreichend. Unter Berücksichtigung des jetzigen Abrechnungsverhaltens könne diese in einem
mittleren Bereich bleiben. Daher erschiene eine Geldbuße in Höhe von EUR 5.000 erforderlich, aber auch
angemessen.
Die Beteiligten haben sich hinsichtlich des Plausibilitätsprüfungsverfahrens durch außergerichtlichen
Vergleichsvertrag ausgeglichen. In der Vertragsurkunde, die kein Datum trägt, wird hinsichtlich der Quartale 1/99 bis
3/00 vereinbart, dass der Arzt die Forderung auf die nachträglich sachlich-rechnerische Richtigstellung für die
vorstehend genannten Quartale in Höhe von EUR 55.000 anerkenne und dieser sich zur Rückzahlung dieses Betrages
verpflichte.
Gegen den Disziplinarbescheid vom 3. Dezember 2003 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München erhoben.
Ausgeführt wird, im Plausibilitätsgespräch am 17. Januar 2001 hätten die Vertreter der Beklagten erklärt, dass die
Nichtabrechenbarkeit von kurativen Leistungen bei Kurpatienten auf einem eigenen kurativen Behandlungsausweis
rechtlich umstritten sei. Ungeachtet dessen habe sich der Kläger sofort zu einer Änderung der Verhaltensweise
unabhängig von seiner Auffassung und bis zu einer etwaigen gegenteiligen Klärung bereit erklärt. Der Antrag sei nicht
vom Bezirksstellenvorsitzenden unterzeichnet worden. Der Antrag habe auch die Ausschlussfrist des § 18 Abs.3
überschritten. Sämtliche Umstände seien der Beklagten KVB spätestens im November des Jahres 2000 bekannt
gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei er über den Sachverhalt in allen Einzelheiten von den Vertretern der Beklagten
fernmündlich informiert worden. Ihm sei schon vor dem Plausibilitätsgespräch mitgeteilt worden, dass die Einleitung
eines Disziplinarverfahren in Betracht komme.
Der Bescheid sei darüber hinaus ermessensfehlerhaft. Im vorliegenden Fall sei nicht ein Hauch krimineller Energie zu
erkennen. Hinsichtlich des Kurarztscheins liege ein unvermeidbarer Rechtsirrtum, beim Komplex GOP 3 EBM-Ä ein
leicht vermeidbarer Rechtsirrtum vor. Das jetzige Abrechnungsverhalten sei erst nach der Feststellung der
Notwendigkeit einer Geldbuße in Ermessenserwägungen eingeflossen. Die Wiedergutmachungsbereitschaft des
Klägers sei falsch gewichtet worden, denn er habe bereits Ende 2000 also vor dem Plausibilitätsgespräch seine
Abrechnungspraxis geändert. Einzelpräventive Maßnahmen zur Beeinflussung des Verhaltens des Arztes seien daher
nicht erforderlich gewesen.
Die Beklagte hat eine Bestätigung vom 19. Juli 2004 vorgelegt, in der der Vorstandsreferent S. S. bestätigt, dass der
Vorsitzende der KVB-Bezirksstelle Niederbayern, Dr. H. am 15. Januar 2003 in Ausübung seines Amtes des
stellvertretenden Vorsitzenden der KV-Bayern in der Landesgeschäftsstelle in M. tätig gewesen sei. Nach § 22 Abs.3
der Satzung der KVB werde der Bezirksstellenvorsitzende bei Verhinderung durch den stellvertretenden Vorsitzenden
vertreten. Im Übrigen ist ausgeführt, dass nach § 22 Abs.3 Satz 2 Satzung-KVB sich der Vorsitzende und sein
Stellvertreter über die Verteilung ihrer Aufgaben in der Bezirksstelle verständigten. Die Antragstellung auf Einleitung
eines Disziplinarverfahrens sei einvernehmlich auf den stellvertretenden Vorsitzenden übertragen worden.
Im Übrigen treffe der Vorwurf des Bestehens von Unsicherheiten bei der Auslegung des Kurarztvertrages nicht zu. Die
Vorschriften des Kurarztvertrages seien hierzu eindeutig. Auch nach § 17 Abs.1 des Kurarztvertrages sei eine
Abrechenbarkeit der GOP 3 EBM-Ä ausgeschlossen.
Mit Urteil vom 18. Oktober 2005 hat das Sozialgericht München die Klage abgewiesen. Der Kläger habe sich einer
vertragsärztlichen Pflichtverletzung in Gestalt der Falschabrechnung der GOP 3 EBM-Ä schuldig gemacht.
Offenbleiben könne, ob ein weiterer Verstoß in der Doppelabrechnung der Versichertenkarte und des Kurarztscheines
zu sehen sei. Der Disziplinarausschuss habe unter Darlegung der einschlägigen Bestimmungen einen objektiven
Pflichtenverstoß bejaht. Dieser Auffassung schließe sich die Kammer tendenziell zwar an, lasse diese Frage im
Ergebnis offen, da bereits der erste Pflichtenverstoß objektiv die Verhängung der Disziplinarmaßnahme rechtfertige.
Die festgesetzte Disziplinarmaßnahme sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Auch seien Ausschlussfristen
nicht erfüllt. Daneben sei durch die Bestätigung vom 19. Juli 2004 der Eintritt eines Verhinderungsfalles
nachgewiesen, so dass die Antragstellung durch den stellvertretenden Vorsitzenden als satzungskonform angesehen
werden müsse.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers zum Bayer. Landessozialgericht. Der Kläger hält an seiner bisherigen
Rechtsauffassung fest. Ergänzend wird ausgeführt, dass § 22 Abs.3 Satz 2 der Satzung der KVB nicht das in der
Disziplinarordnung aufgestellte formelle Erfordernis der Unterzeichnung durch den Bezirksstellenvorsitzenden
verdrängen könne. Im Übrigen trage die Beklagte selbst eine formlose Aufgabenverteilung vor, was wiederum gegen §
22 Abs.3 Satz 2 der Satzung der KVB verstoße.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. Oktober 2006 sowie den Bescheid der
Beklagten vom 3. Dezember 2003 aufzuheben,
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Disziplinarausschusses, der
beigezogenen Streitakte des Sozialgerichts München sowie der Verfahrensakte des Bayer. Landessozialgerichts
Bezug genommen.
II.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung erweist sich als nicht begründet.
Der Disziplinarbescheid vom 3. Dezember 2003 ist rechtmäßig. Daher hat das Sozialgericht München die Klage im
Ergebnis und in den Gründen zu Recht abgewiesen.
Der Bescheid kann sich auf die Rechtsgrundlage des § 81 Abs.5 SGB V i.V.m. § 18 der Satzung der KVB in der zum
damaligen Zeitpunkt geltenden Fassung stützen. Danach kann die KVB durch einen bei jeder Bezirksstelle gebildeten
autonomen Disziplinar-ausschuss gegenüber Mitgliedern, die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht
ordnungsgemäß erfüllen, je nach Schwere der Verfehlung eine Verwarnung, einen Verweis, eine Geldbuße bis zu EUR
10.000 aussprechen oder das Ruhen der Zulassung bis zu zwei Jahren anordnen.
Der auf dieser Grundlage ergangene Disziplinarbescheid ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Eine
Ausschlussfrist im Sinne des § 18 Abs.3 der Satzung der KVB ist nicht verstrichen. Danach können
Disziplinarmaßnahmen nicht mehr beantragt werden, wenn seit dem Bekanntwerden der Verfehlung zwei Jahre oder
seit der Verfehlung fünf Jahre vergangen sind. Die Verfehlung ist bekannt geworden, wenn genügend
Sachverhaltsumstände ermittelt sind, so dass die KVB die Tathandlung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als mit
einer Disziplinarmaßnahme sanktionierungsfähige Verfehlung beurteilen kann (BSG, Urteil vom 15. Mai 1991 - 6 RKa
37/89 - Breithaupt 92, 93). Auch die Umstände, die für die Bejahung des Verschuldens maßgebend sind , müssen von
der hinreichenden Wahrscheinlichkeit erfasst sein. Der Sinn und Zweck der Vorschrift besteht darin, den Betroffenen
davor zu schützen, dass die Behörde nach Abschluss der normalen Ermittlungsarbeit eine hieraus resultierende
nachteilige Entscheidung ungebührlich verzögert (BSG a.a.O). Das bedeutet jedoch nicht, dass bereits bei Vorliegen
eines Anfangsverdachts oder bei einem infolge Nachsichtung der Abrechnungsunterlagen konkretisierten Tatverdacht
von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit auszugehen ist. Insbesondere ist die Behörde berechtigt, Ermittlungen
durch Anhörung des Betroffenen zu den im Rahmen der Vorermittlung gewonnenen Erkenntnisse durchzuführen, auch
mit dem Ziel den Verschuldensvorwurf zu entkräften oder zu bestätigen.
Es liegen dem Senat keine Erkenntnisse darüber vor, dass die Beklagte bereits vor dem genannten Zeitpunkt
Erkenntnisse hinsichtlich des Tatvorwurfes einschließlich des Verschuldens besaß, die so verdichtet waren, dass mit
hinreichender Wahrscheinlichkeit die Beurteilung einer Sanktionierung getroffen werden konnte. Insbesondere
hinsichtlich des Aspektes der vollständigen Erbringung der Leistungslegende der GOP 3 EBM-Ä hatte sich der
Tatverdacht erst im Rahmen der Plausibilitätsprüfungsgespräch am 17.01.2001 hinreichend verdichtet, weil der Kläger
hierbei erstmals erklärte, welche Leistung er unter der Position abgerechnet hatte. Aus den Abrechnungsunterlagen
/Häufigkeitsstatistiken hatte sich - unbeschadet des bundesmantelvertraglichen Ausschlusses der Ziffer im Rahmen
kurärztlicher Behandlung - insoweit nur ein Anfangsverdacht ergeben können, der sich auch in Richtung
unwirtschaftlicher, gleichwohl leistungslegendengerechter Abrechnung hätte verdichten können.
Auch die fünfjährige Ausschlussfrist erscheint nicht verstrichen. Wie der Disziplinarausschuss zutreffend ausführt, ist
insoweit auf die Beendigung der Tat abzustellen. Dieser Beendigungszeitpunkt ist identisch mit der Erlangung des
Vermögensvorteils durch Bekanntgabe des Honorarbescheids (Quartal 1/98 im Juli 1998). Der Ausschuss hat ferner
zutreffend darauf hingewiesen, dass selbst bei einem Abstellen auf den Vollendungszeitpunkt der Tat bezüglich des
1. Quartals 1998 in Gestalt der Unterzeichnung der Abrechnungssammelerklärung die Fünfjahresfrist nicht verstrichen
ist. Aus diesem Grunde braucht nicht mehr zu erörtert zu werden, ob aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der
Pflichtverletzung von einer Tat auszugehen ist, deren Begehung erst im November 2000 - mit Bekanntgabe des
letzten Honorarbescheides, dem ein entsprechendes pflichtwidriges Verhalten zugrunde liegt - ihre Beendigung findet.
Nach Auffassung des Senats liegt auch ein Verstoß gegen § 18 Abs.4 Satzung KVB nicht vor. Der Senat sieht es
aufgrund der Darlegungen der Beklagten und der vorgelegten Bestätigung vom 19. Juli 2004 als erwiesen an, dass am
15. Januar 2003, dem Tage der Unterzeichnung des Disziplinarantrags, der Vorsitzende der Bezirksstelle Dr. H.
wegen Wahrnehmung von Dienstgeschäften in der Landesgeschäftsstelle an der Unterzeichnung verhindert war und
nach der satzungsmäßigen Vertretungsregelung in § 22 Abs.3 Satz 1 Satzung-KVB der stellvertretende Vorsitzende
zur Unterzeichnung berufen gewesen ist.Entgegen der klägerischen Ansicht ist eine Dokumentation des
Verhinderungsfalles im Zuge der Antragstellung wünschenswert, aber nicht zwingend. Eine berechtigte Vertretung wird
nicht durch Versäumung der anfänglichen Dokumentation zu einer unberechtigten Vertretung. Vielmehr obliegt das
Vorliegen eines Verhinderungsfalles der gerichtlichen Beweiswürdigung.
Der Senat muss aufgrund seiner Überzeugung vom Bestehen eines Verhinderungsfalles nicht mehr auf das Verhältnis
des § 18 Abs.4 Satzung-KVB zu § 22 Abs.3 Satz 2 Satzung-KVB eingehen. Er verschweigt jedoch seine Ansicht
nicht, dass er § 18 Abs.4 als Spezialvorschrift ansieht, die eine Aufteilung der Aufgaben zwischen Vorsitzenden und
stellvertretenden Vorsitzenden der Bezirksstelle in Ansehung der Unterzeichnung von Disziplinaranträgen nicht
erlaubt.
Der Disziplinarbescheid ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.
Zum einen hat der Kläger gegen vertragsärztliche Pflichten verstoßen.
Denn er hat einerseits die GOP 3 EBM-Ä abgerechnet, obwohl die Abrechnungsvoraussetzungen hierfür eindeutig
nicht erfüllt waren. Die Verwaltungsgebühr beinhaltet die Ausstellung von Wiederholungsrezepten und/oder
Überweisungsscheinen ohne unmittelbaren Patientenkontakt oder die Übermittlung von Befunden oder ärztlichen
Anordnungen an den Patienten im Auftrag des Arztes durch das Praxispersonal. Auskünfte der Arzthelferinnen zu den
Einzelheiten des organisatorischen Kurablaufs und dem möglichen Umfang von Verordnungen erfüllen den
Leistungsinhalt eindeutig nicht.
Daneben hat er andererseits gegen die Pflicht zur peinlich genauen Leistungsabrechnung dadurch verstoßen, dass er
kurative Leistungen bei interkurrenter Erkrankung eines Kurpatienten auf Chipkarte bzw. auf einem eigenen kurativen
Behandlungsausweis abgerechnet hat.
Zum Umfang der vertragsärztlichen Versorgung gehören gemäß § 2 Abs.2 Nr.3, Abs.4 BMV-Ä (gleichlautend § 2
Abs.2 Nr. 3, Abs.4 EKV-Ä) auch die ambulanten Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten nach Maßgabe des dazu
abgeschlossenen Vertrages (Kurarztvertrag), einschließlich der Behandlung interkurrenter Erkrankungen. Der
Kurarztvertrag vom 26. April 1999 (i.f. KurAV-RK), den die Partner der Bundesmantelverträge des
Primärkassenbereichs gemäß §§ 72, 82 SGB V i.V.m. § 2 Abs.4 BMV-Ä geschlossen haben und an den der Kläger
sowohl aufgrund seiner Teilnahme an der kurärztlichen Versorgung als auch aufgrund seiner vertragsärztlichen
Zulassung gebunden ist, regelt die kurärztliche Versorgung des Patienten durch den teilnahmeberechtigten Arzt
insgesamt und abschließend. Die Verträge regeln nicht nur das Leistungserbringungsrecht im Rahmen der Teilnahme
am Kurarztvertrag in dem Sinne, dass sich daneben Behandlungs- und Abrechnungsrechte aus dem
vertragsärztlichen Teilnahmestatus ergeben (vgl. Präambel des Vertrages vom 26. April 1999).
§ 13 Abs.6 KurAV-RK schließt in die kurärztliche Versorgung auch die kurative Behandlung sog. interkurrenter
Erkrankungen ein. § 16 Abs.1 Satz 1 stellt diesen Grundsatz noch einmal klar. Aufgrund seiner offenen Formulierung
erfasst er sowohl Kurärzte, die daneben vertragsärztlich tätig sind als auch solche, die eine vertragsärztliche
Zulassung nicht besitzen. Interkurrente Erkrankungen liegen nach Satz 2 vor, wenn außerhalb des Kurplanes ärztliche
Leistungen erforderlich werden, um eine akut aufgetretene Erkrankung zu behandeln oder wenn eine Behandlung
wegen einer akuten Komplikation des Kurleidens erforderlich ist oder wenn termingebundene Maßnahmen einer
kurativen Dauerbehandlung durchgeführt werden müssen. Nur soweit andere kurative Behandlungen für nicht
interkurrente Erkrankungen neben der kurärztlichen Behandlung erfolgen würden, wäre der Kurarztvertrag nicht
anwendbar.
Die Abrechnung und Vergütung der kurärztlichen Leistungen sowie der kurativen Leistungen bei interkurrenten
Erkrankungen wird durch §§ 16 Abs.2, 15 Abs.1 und 3 und 17 KurAV-RK abschließend geregelt. Für die kurärztliche
Versorgung erhält der Kurarzt eine Kurpauschale nach § 14 Abs.1, Abs.2. KurAV-RK. Für die durch den Pauschbetrag
nicht erfassten Leistungen kann er Leistungen nach dem gültigen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche
Leistungen auf der Rückseite des Kurarztscheines gesondert abrechnen, soweit sie nicht nach § 17 KurAV-RK
ausgeschlossen sind. Die GOP 1 und 3 und weitere Gebührenordnungspositionen des BMÄ sind neben der
Kurpauschale im Grundsatz nicht abrechnungsfähig (Ausschluss). Bei interkurrenten Erkrankungen ist als Ausnahme
hiervon die GOP 1 BMÄ mit einer Punktzahl von 220 ein Mal neben der Kurpauschale berechnungsfähig.
Daraus folgt, dass der Kurarzt für kurative Leistungen im Zusammenhang mit interkurrenten Erkrankungen die
normalen BMÄ-Positionen, nicht jedoch die GOP 3 der Gebührenordnung vergütet erhält, wobei er die Abrechnung auf
dem Kurarztschein vorzunehmen hat. Er ist bei Behandlung interkurrenter Erkrankungen von Kurpatienten aufgrund
diese abschließenden Regelung nicht zur Eröffnung eines kurativen Behandlungsfalles mit der Folge der Erhöhung
seines Budgetvolumens nach A.I. Allgemeine Bestimmungen Teil B EBM-Ä berechtigt, weil er daneben noch ein
Teilnahmerecht aus seiner vertragsärztlichen Zulassung besitzt.
Die für den Ersatzkassenbereich maßgebliche (alte) Fassung des Kurarztvertrags vom 15.03.1997 in Kraft ab
1.07.1995 bis 31.12.2000 enthält inhaltlich im wesentlichen gleiche Regelungen.
Hinsichtlich der GOP 3 BMÄ ist der Kläger bereits aufgrund der Normen des Kurarztvertrages nicht zur Abrechnung
berechtigt gewesen. Ungeachtet dessen erfüllen die geschilderten Gespräche zwischen Arzthelferin und Kurpatient in
keiner Weise den Wortlaut der Leistungslegende der GOP 3 BMÄ/EGO.
Der Kläger hat hinsichtlich der Abrechnung der GOP 3 EBM-Ä auch schuldhaft gehandelt. Verschulden meint in
diesem Zusammenhang die Begehungsschuld einschließlich des Vorhandenseins der Unrechtseinsichtsfähigkeit. Das
Vorliegen eines unvermeidbaren Rechtsirrtums schließt das Verschulden aus.
Hinsichtlich der Abrechnung der GOP 3 EBM-Ä der Kläger zumindest grob fahrlässig gehandelt, wenn nicht
vorsätzlich gehandelt. Bereits angesichts des eindeutigen Wortlautes des Leistungslegende in den
Gebührenordnungen dieser jedem Vertragsarzt wohl bekannten Ziffer fällt es schwer, vom Vorsatzvorwurf abzurücken.
Anderes gilt für den Tatkomplex der abrechnungstechnischen Teilung des Kurpatienten bei Behandlung interkurrenter
Erkrankungen. Hier ist zu konzedieren, dass die vom Senat vorgenommene Auslegung des Kurarztvertrages sich nur
aufgrund einer nicht einfachen Auslegung des Gesamtzusammenhangs der Normen der Kurarztverträge treffen lässt
und bei laienhafter Betrachtung zu dem Schluss verleiten könnte, dass die normativen Regeln nur die Behandlung im
Rahmen der Teilnahme am Kurarztvertrag erfassen, während der Vertragsarzt daneben aufgrund seines
vertragsärztlichen Teilnahmerechtes zur kurativen Behandlung berechtigt ist. Wohl aus diesem Grund haben die
Partner der Bundesmantelverträge den nicht eindeutigen Wortlaut entsprechend präzisiert (vgl. § 17 Abs.1 des
Vertrages über die kurärztliche Verhandlung-RK in der Fassung ab 1. April 2005). Ob sich der Kläger aufgrund seiner
vertragsärztlichen Tätigkeit zu entsprechenden Rückfragen bei der Beklagten hätte veranlasst sehen müssen, mit der
Folge der Vermeidbarkeit eines Rechtsirrtums braucht hier nicht entschieden zu werden.
Denn selbst dann, wenn man insoweit von einem den Schuldvorwurf entfallen lassenden Handeln im unvermeidbaren
Rechtsirrtum ausgeht, trägt die schuldhafte Pflichtverletzung der Falschabrechnung der GOP 3 die
Ermessensentscheidung zur Sanktionszumessung. Der Wegfall der Schuldhaftigkeit eines der Tatvorwürfe lässt die
Ermessensentscheidung nicht als fehlerhaft erscheinen, da der verbleibende Vorwurf die Auswahl der Sanktion
Geldbuße sowie die Höhebemessung als verhältnismäßig zu tragen vermag.
Denn der Ermessensspielraum der KV erweist sich als eingeschränkt. Dies ergibt sich aus der engen Verknüpfung
des Pflichtenverstoß mit der Rechtsfolge von Disziplinarentscheidungen im Allgemeinen (vgl. GMS OGB SozR 1500
§ 54 Nr.54). Disziplinarentscheidungen können aufgrund einer gewissen Präjudizwirkung für eine
Zulassungsentziehung bei Wiederholung erheblich in die Berufswahlfreiheit eingreifen. Die Entscheidung im
Zulassungsentziehungsverfahren ist gebunden und gerichtlich voll überprüfbar. Daraus ergibt sich, dass der
Ermessensspielraum des Disziplinarausschusses häufig auf Null reduziert sein wird. Dort wo, wie hier, ein
eingeschränkter Spielraum noch besteht, dürfen und müssen die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit die Richtigkeit des
Ergebnisses der Ermessensentscheidung selbst nachprüfen und aufgrund eigener Wertung und Beurteilung
entscheiden, ob nach Wegfall von Einzelvorwürfen sich die ausgesprochene Maßnahme nach Art und Höhe noch im
Rahmen der Verhältnismäßigkeit bewegt (BSG Urt. v. 3. September 1987, 6 RKa 30/86). Im Ergebnis reduziert sich
die Prüfung auf eine Verhältnismäßigkeitskontrolle.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger in Ansehung der GOP 3 EBM-Ä in einer Vielzahl
von Fällen über mehrere Quartale einen eklatanten Verstoß gegen die Pflicht zur peinlich genauen
Leistungsabrechnung begangen hat, der hinsichtlich der Begehungsweise und der Tatumstände eine grobe
Unempfindlichkeit gegenüber dem Wortlaut der Leistungslegende erkennen lässt. Zu seinen Gunsten mag man, wie
dies der Ausschuss auch getan hat, anführen, dass der Kläger sich nach Entdeckung um eine Wiedergutmachung
des Schadens bemüht hat. Bei Abwägung aller Umstände rechtfertigt der Tatkomplex der Falschabrechnung der GOP
3 EBM-Ä für sich betrachtet bereits die getroffene Maßnahme einer Geldbuße in Höhe von EUR 5.000. Nach Ansicht
des Senates hätte dieser Tatkomplex für sich allein bereits eine Geldbuße im oberen Bereich nicht als
unverhältnismäßig erscheinen lassen.
Aus diesen Gründen war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 197a i.V.m. § 154 Abs.1 VwGO.
Gründe dafür, die Revision zuzulassen, sind nicht erkennbar.