Urteil des LSG Bayern vom 19.04.2001
LSG Bayern: operation, sachleistung, behandlung, ausschuss, kurzsichtigkeit, anerkennung, versorgung, form, akte, krankenkasse
Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 19.04.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 7 KR 285/99
Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 112/00
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 17. August 2000 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, Kosten für eine Augenoperation der Klägerin zu erstatten.
Die am 1948 geborene Klägerin ist bei der Beklagten versichert. Sie legte der Beklagten am 11.02.1999 ein
augenfachärztliches Attest der Augenärztlichen Gemeinschaftspraxis Dr.O., Dr. S. vor, wonach bei ihr am rechten
Auge eine Kurzsichtigkeit von minus 7,5 Dioptrien und am linken Auge eine Kurzsichtigkeit von minus 7,75 Dioptrien
besteht. Die Patientin vertrage Kontaktlinsen immer schlechter aufgrund zu trockener Augen und auch die Brille
bereite ihr Probleme durch optische Verzerrungen. Sie sehe damit deutlich schlechter als mit Kontaktlinsen (laut ihren
Angaben). Die Ärzte empfahlen der Klägerin einen refraktivchirurgischen Eingriff (Laser-in-situ Keratomileusis LASIK)
an beiden Augen.
Die Klägerin bat um Mitteilung, ob die Beklagte die Kosten übernehmen könne. Nach Einholung einer Stellungnahme
des Medizinischen Dienstes (MDK) lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 22.03.1999 ab. Nach Vorlage
einer weiteren fachärztlichen Bescheinigung, und zwar vom Facharzt für psychotherapeutische Medizin Dr.R., wonach
die Klägerin wegen angstneurotischer Entwicklung und reaktiver Depression aus ärztlicher Sicht dringend eine
operative Korrektur der Sehschärfe brauche, um ihre Wahrnehmung zu verbessern und weitere depressive
Erkrankungen zu vermeiden, wurde der MDK erneut eingeschaltet. Dabei konnte ein eindeutiger Zusammenhang
zwischen Sehbehinderung und angstneurotischer Entwicklung nicht festgestellt werden. Die Beklagte wiederholte ihre
Kostenablehnung mit Schreiben vom 04.05.1999. Wegen eines Hinweises der Klägerin auf ihre absolute
Kontaktlinsenintoleranz äußerte sich der MDK ein drittes Mal und verwies auf die negative Empfehlung des
Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Anerkennung der neuen Behandlungsmethode. Am
29.07. 1999 erfolgte eine weitere Kostenablehnung, hiergegen erhob die Klägerin dann Widerspruch. Der Widerspruch
wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.1999 abgewiesen.
Mit der zum Sozialgericht Nürnberg erhobenen Klage machte der Bevollmächtigte der Klägerin geltend, die
Augenerkrankung der Klägerin habe nur durch die streitgegenständliche Methode geheilt werden können. Die am
10.05.1999 am rechten und am 26.05.1999 am linken Auge durchgeführten Eingriffe seien zwar ein durch die
Richtlinien noch nicht anerkanntes Verfahren, das LASIK-Verfahren sei jedoch in den USA wissenschaftlich
anerkannt. Die Behandlung sei erfolgreich gewesen. Die Kosten seien deshalb zu erstatten.
Auf Anfrage des Gerichts teilte der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen mit Schreiben vom 20.12.1999
mit, der Ausschuss habe im Februar 1993 eine schriftliche und mündliche Sachverständigenanhörung zu Verfahren
der refraktiven Augenchirurgie durchgeführt. Dabei sei insbesondere auf die Verletzung der gesunden, klaren Hornhaut
durch die Operation hingewiesen worden, die irreparable Schäden zur Folge haben könne. Es müssten
Langzeitbeobachtungen mindestens über zehn Jahre angestellt werden. Seit der Entscheidung am 11.05.1993 seien
dem Ausschuss keine Unterlagen zugänglich gemacht worden, die erkennen lassen würden, dass die
Behandlungsmethode nunmehr die gesetzlich für die vertragsärztliche Versorgung vorgegebenen Kriterien des
therapeutischen Nutzens, der medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit erfüllen würde. Weder von Kassen-
noch von Ärzteseite liege ein neuer Beratungsantrag vor.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 17. August 2000 mit der Begründung ab, nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts dürften Methoden, deren Anerkennung der Bundesausschuss abgelehnt habe, nicht zu
Lasten der gesetzlichen Krankenkassen durchgeführt werden.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 01.09. 2000. Die Entscheidung müsse im Ergebnis als
formalistisch empfunden werden. Der Ausschuss stütze sich auf eine längst zurückliegende
Sachverständigenanhörung. Die Klägerin sei durch die Behandlung geheilt worden. Es stelle sich die Frage der
Verfassungsmäßigkeit. Außerdem sei nicht ausgeschlossen, dass noch während des Verfahrens eine positive
Entscheidung des Bundesausschusses ergehen könnte.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 17.08.00 sowie der Bescheide vom
22.03.1999, 04.05.1999 und 29.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.1999 zu verurteilen,
die Kosten der Operation nach der LASIK-Methode in Höhe von DM 9.111,- zu erstatten.
Der Vertreter der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 16.09.1997), dürfe die Krankenkasse in Fällen, bei denen es um
neue Behandlungsmethoden geht, die durch die Richtlinien ausgeschlossen sind, auch keine Kostenerstattung
vornehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten
erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, deren Wert des Beschwerdegegenstandes DM
1.000,- übertrifft (§ 144 SGG), ist zulässig, sie erweist sich aber als unbegründet.
Die Beklagte und das Sozialgericht haben zutreffend festgestellt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung
der Kosten hat, die ihr durch die Operation ihrer Augen in Höhe von insgesamt 9.111,- DM entstanden sind.
Als einzig mögliche Anspruchsgrundlage kommt § 13 Abs.3 SGB V in Betracht. Danach sind als Ausnahme vom
Sachleistungsprinzip (§ 13 Abs.1 SGB V) Kosten dann zu erstatten, wenn die Beklagte eine Sachleistung zu Unrecht
abgelehnt hat. Die Beklagte hat die Kostenerstattung bzw. die Sachleistung zutreffend abgelehnt. Die Klägerin hat auf
die bei ihr durchgeführten Operationen keinen Sachleistungsanspruch, weil es sich um eine Methode handelt, die nicht
zur vertragsärztlichen Versorgung gehört. Sie ist nach wie vor durch den Bundesausschuss der Ärzte und
Krankenkassen in den BUB-Richtlinien als nicht anerkannte Methode ausgeschlossen. Eine Sachleistung oder
Kostenerstattung ist auch dann ausgeschlossen, wenn die Methode im Einzelfall wirksam war. Das Sozialgericht hat
dies im Urteil unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts überzeugend dargestellt. Der
Senat schließt sich diesen Ausführungen an und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der
Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs.2 SGG). Der Senat hat im Übrigen bereits mehrfach eine Kostenerstattung
vergleichbarer Operationen abgelehnt.
Auch unter Berücksichtigung der vom Klägerbevollmächtigten zur Begründung der Berufung vorgetragenen Argumente
ergibt sich für den Senat keine andere Entscheidung. Die Sachverständigenanhörung fand zwar bereits 1993 statt,
neue Anträge wurden jedoch nicht gestellt. Es besteht trotzdem kein Anlass zur Einholung eines
Sachverständigengutachtens zur streitgegenständlichen Methode. Es ist nämlich nicht Aufgabe der Gerichte, durch
die Auswahl von Sachverständigen oder die juristische Bewertung naturwissenschaftlicher Lehrmeinungen für die eine
oder andere Position Partei zu ergreifen oder durch Gutachtensaufträge den Fortschritt der medizinischen
Erkenntnisse voranzutreiben (BSG, Urteil vom 06.10.1999, SozR 3-2500 § 28 Nr.4).
Der Senat sieht keinen Ansatz, die "Frage der Verfassungsmäßigkeit" zu stellen. Es ist nicht einmal schlüssig
vorgetragen, welcher Artikel des Grundgesetzes zum Nachteil der Klägerin verletzt sein soll.
Schließlich kann sich auch eine zukünftige positive Entscheidung des Bundessausschusses nicht zum Vorteil der
Klägerin auswirken. Für die Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer neuen Therapie kommt es nämlich auf den
Zeitpunkt der Behandlung an (BSG, Beschluss vom 08.02.2000, SozR 3-2500 § 135 Nr.12).
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Unterliegen der Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen (§ 160 Abs.2 Nr.1, 2 SGG), die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu
neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, von der der Senat nicht abweicht, ist eindeutig.