Urteil des LSG Bayern vom 23.09.2003
LSG Bayern: arbeitsunfähigkeit, ende der erwerbstätigkeit, berufliche tätigkeit, erwerbsunfähigkeit, betriebskrankenkasse, mechaniker, krankengeld, begriff, merkblatt, arbeitsfähigkeit
Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 23.09.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 14 RJ 669/99 A
Bayerisches Landessozialgericht L 5 RJ 128/01
Bundessozialgericht B 13 RJ 1/04 R
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 22. Januar 2001 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente ab Antragsstellung am 23.10.1998.
Der 1943 in Serbien geborene und dort wohnhafte Kläger bezieht in seiner Heimat seit Februar 1989 Invalidenrente.
In Deutschland hat er vom 26.05.1971 bis 11.08.1988 Pflichtbeiträge entrichtet und anschließend bis November 1988
Krankengeld bezogen. Nach seiner Rückkehr nach Serbien hat er keine Versicherungszeiten mehr zurückgelegt. Laut
Angaben des letzten deutschen Arbeitgebers, der D. Verkehrsgesellschaft AG, war der Kläger als Kfz-Schlosser in
der Kraftfahrzeughauptwerkstatt mit der Durchführung von Reparaturarbeiten an den Fahrgestellen und Bremsanlagen
der Busse beschäftigt. Die Facharbeit sei als solche entlohnt worden. Ab 28.04.1989 sei der Kläger dauerhaft
arbeitsunfähig gewesen, das Arbeitsverhältnis habe bis zum endgültigen Ausscheiden am 31.08.1993 geruht. Auf den
ersten Rentenantrag vom 21.09.1988 war der Kläger von der Beklagten vom 02.04. bis 04.04.1990 stationär
untersucht worden. Dr.L. hatte eine folgenlos abgelaufene cerebrale Ischämie, Wirbelsäulen- und Gelenkbeschwerden
und einen medikamentös gut eingestellten Bluthochdruck festgestellt. Als Kfz-Mechaniker (leichtere bis mittelschwere
Arbeiten) sei der Kläger noch vollschichtig leistungsfähig. Dementsprechend hatte die Beklagte den Rentenantrag am
18.05.1990 abgelehnt. Mit einem Merkblatt hatte sie ihn gleichzeitig auf die Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung des
Versicherungsschutzes hingewiesen.
Am 23.10.1998 beantragte der Kläger erneut Erwerbsunfähigkeitsrente. Wegen ausgeprägter Verschlechterung
gegenüber 1989 durch das Hinzutreten einer cerebro-vaskulären Insuffizienz und eines Herzmuskelinfarktes ging die
Beklagte von einer Minderung des Leistungsvermögens ab 15.09.1998 auf unterhalbschichtig aus. Eine
Rentengewährung lehnte sie mit Bescheid vom 11.01.1999 mangels der besonderen versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen ab. Im Widerspruchsbescheid vom 18.03.1999 heißt es, der Einwand des Klägers, bereits seit 1989
erwerbsunfähig zu sein, überzeuge angesichts der bestandskräftigen Rentenablehnung von 1990 nicht. Im
anschließenden Klageverfahren hat der Allgemeinmediziner Dr.Z. am 30.05.2000 nach ambulanter Untersuchung ein
Gutachten zu der Frage erstellt, inwieweit das Leistungsvermögen vor dem 01.12.1991 eingeschränkt gewesen ist.
Laut seinen Ausführungen sind dem Kläger vor 1991 leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Bücken und
Zwangshaltungen vollschichtig zumutbar gewesen. Als Kfz-Mechaniker sei er nicht mehr, als Hausmeister und
Werkzeugausgeber hingegen schon noch einsatzfähig gewesen. Daraufhin hat das Sozialgericht die Klage am
22.01.2001 mit der Begründung abgewiesen, vor 1991 sei der Kläger weder erwerbsunfähig noch berufsunfähig
gewesen. Er sei auf Tätigkeiten als Hausmeister bzw. als Werkzeugausgeber verweisbar gewesen. Gegen den am
07.02.2001 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 07.03.2001 Berufung eingelegt und seine Ansicht
wiederholt, bereits seit Februar 1989 erwerbsunfähig zu sein. Aus den beigezogenen Unterlagen der
Betriebskrankenkasse und deren Mitteilung geht hervor, dass der Kläger in der Zeit vom 01.07.1988 bis 10.03.1989
arbeitsunfähig war, dass die Zahlung von Krankengeld über den 30.11.1988 hinaus wegen mangelnder Mitwirkung des
in seiner Heimat erkrankten Klägers abgelehnt worden ist und am 10.03.1989 eine Abmeldung als arbeitsunfähig durch
die jugoslawische Verbindungsstelle erfolgt ist. Dementsprechend hat die Betriebskrankenkasse die Mitgliedschaft
zum 10.03.1989 beendet. In dem nach ambulanter Untersuchung erstellten MDK-Gutachten vom 28.04.1989 heißt es,
der Kläger sei weiterhin arbeitsunfähig. Im Auftrag des Senats hat Dr.R. ein Gutachten nach Aktenlage erstellt.
Danach habe der Kläger bis September 1998 leichtere Tätigkeiten vollschichtig verrichten können. Unzumutbar-
gefährlichen Maschinen, gebückte Arbeitsweise, Zwangshaltung, das Heben und Tragen schwerer Lasten und
Tätigkeiten unter Streßwirkung wie Zeitdruck, Akkord, Wechselschicht, taktgebundene Arbeiten an Fließband und
hohe Konzentrationsanforderungen. Die Umstellungsfähigkeit z.B. für Material- und Werkzeugausgabe sei erhalten
gewesen. Ab Februar 1989 sei er nicht mehr in der Lage gewesen, als Kfz-Schlosser zu arbeiten. Die Beklagte hat
den Ausführungen Dr.R. zugestimmt und den Kläger als Facharbeiter auf Tätigkeiten als Kundendienstannehmer,
Qualitätskontrolleur, Hausmeister und im elektromechanischen Montagebereich verwiesen. Nach Übersendung
einschlägiger berufskundlicher Unterlagen des Landesarbeitsamtes Bayern hat die Beklagte den Kläger auch auf
Tätigkeiten als Kassierer an Selbstbedienungstankstellen und auf Tätigkeiten als Schloss- und Schlüsselmacher
verwiesen. Hierzu hat es eine berufskundliche Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Sachsen vom 13.09.2002
übersandt.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 22.01.2001 aufzuheben und
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 11.01.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
18.03.1999 zu verurteilen, ihm ab 01.10.1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 22.01.2001 als
unbegründet zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Landshut, der
Personalakten der D. Verkehrsgesellschaft AG, der Unterlagen der Betriebskrankenkasse Energie, Verkehr und
Service sowie der Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Der
Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 22.01.2001 ist ebensowenig zu beanstanden wie der Bescheid der
Beklagten vom 11.01.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.1999. Der Kläger hat keinen
Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Zwar ist er unstreitig seit September 1998 erwerbsunfähig. Er erfüllt
jedoch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rentengewährung nicht.
Versicherte haben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie
1. erwerbsunfähig sind 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähig keit drei Jahre Pflichtbeiträge für
eine versicherte Be- schäftigung oder Tätigkeit geleistet haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die
allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 44 Abs.1 Satz.1 SGB VI in der gem. § 300 Abs.2 SGB VI maßgebenden
Fassung bis 31.12.2001). Dass der Kläger bereits seit der Krankenhausaufnahme am 15.09.1998 nicht mehr in der
Lage ist, einer geregelten Erwerbstätigkeit nachzugehen, ist bereits im Verwaltungsverfahren festgestellt und durch
die im Klage- und Berufungsverfahren eingeholten Gutachten Dr.Z. bzw. Dr.R. überzeugend bestätigt worden.
Unstreitig ist auch, dass der Kläger, der zwischen 1971 und 1988 Pflichtbeiträge entrichtet hat, die allgemeine
Wartezeit von fünf Jahren erfüllt. Zu Recht ist jedoch die Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen verneint worden. Im maßgeblichen Fünf-Jahres-Zeitraum von September 1993 bis September 1998
sind keinerlei Beiträge entrichtet worden. Gem. § 44 Abs.4 i.V.m. § 43 Abs.3 Ziff.1 SGB VI a.F. verlängert sich zwar
der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit um Anrechnungszeiten, die nicht mit
Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind. Zeiten des Bezugs jugoslawischer
Invalidenrente stellen keinen Aufschubtatbestand in diesem Sinn dar, weil das deutsch-jugoslawische Abkommen
vom 12.10.1968 (Bundesgesetzblatt II 1969, Seite 1438) insoweit keine Gleichstellungsregelung mit deutschen
Rentenbezugszeiten enthält. Zu den Anrechnungszeiten zählen Zeiten, in denen Versicherte wegen Krankheit
arbeitsunfähig gewesen sind (§ 58 Abs.1 Ziff.1 SGB VI). Dabei liegen Anrechnungszeiten nur vor, wenn dadurch eine
versicherte Beschäftigung unterbrochen ist (§ 58 Abs.2 Satz 1 SGB VI). Die bei der D. Verkehrsgesellschaft AG
bestehende und versicherte Beschäftigung ist am 01.07.1988 durch Krankheit unterbrochen worden. Der Kläger war
jedoch ab 01.07.1988 nicht durchgehend bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit am 15.09.1998 arbeitsunfähig krank.
Zur Definition der Arbeitsunfähigkeit als Aufschubtatbestand und Anrechnungszeit im Sinn der gesetzlichen
Rentenversicherung wird generell auf die im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgte
Begriffsbestimmung zurückgegriffen (Niesel in Kassler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 43 SGB VI, RdNr.
67, § 58 SGB VI RdNr.11 mit weiteren Nachweisen). Arbeitsunfähigkeit bedeutet danach die Unfähigkeit, die zuletzt
verrichtete oder eine ähnliche Beschäftigung oder Tätigkeit fortzusetzen (vgl. Beschluss des Großen Senats des
Bundessozialgerichts vom 16. Dezember 1981 in BSGE Band 53, 22; SozR 3 - 2600 § 252 Nr.2, Seite 9). Dass der
Versicherte möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausüben könnte,
ist unerheblich. Gibt er nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die zuletzt innegehabte Arbeitsstelle auf, ändert sich
allerdings der rechtliche Maßstab insofern, als für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr die konkreten
Verhältnisse des aufgegebenen Arbeitsplatzes maßgeblich sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt
ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist (BSG vom 14.02.2001 in SozR 3 - 2500 § 44 Nr.9). Handelt es sich bei der
zuletzt ausgeübten Tätigkeit um einen anerkannten Ausbildungsberuf, so scheidet eine Verweisung auf eine
außerhalb dieses Berufs liegende Beschäftigung aus.
Dass der Kläger seinen zuletzt ausgeübten Beruf als Kfz-Mechaniker ab 01.07.1988 nicht mehr ausüben konnte, hat
die zuständige BKK festgestellt. Dementsprechend erhielt er auch bis 30.11.1988 Krankengeld. Dies wird auch durch
den Versicherungsverlauf mit Pflichtbeiträgen aus Sozialleistungen ab 12.08.1988 dokumentiert. Dass das
Krankengeld ab 01.12.1988 nicht weiterbezahlt wurde, hängt nicht mit fehlender Arbeitsunfähigkeit, sondern mit der
angeblich fehlenden Mitwirkung des Klägers bzw. mit dem Ende der Mitgliedschaft bei der BKK zusammen. Der MDK
hatte nämlich bei der ambulanten Untersuchung am 28.04.1989 eine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit festgestellt.
Dass der Sachverständige Dr.R. in seinem im Übrigen überzeugenden Gutachten auf einen Zeitpunkt der
Berufsunfähigkeit ab Februar 1989 abstellt, resultiert daraus, dass das JU 207 vom 10.02.1989 datiert und der
Sachverständige offensichtlich die BKK-Unterlagen nicht ausgewertet hat. Für den Senat ergeben sich jedoch trotz
der Abmeldung durch den jugoslawischen Krankenversicherungsträger keinerlei Zweifel, dass der Kläger durchgehend
ab August 1988 nicht mehr als Kfz-Mechaniker arbeiten konnte. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Klägers bis
September 1998 dauerhaft arbeitsunfähig war.
Zwar hat das Bundessozialgericht bereits entschieden, dass eine Arbeitsunfähigkeit auch bei Dauerleiden bestehen
und als Streckungstatbestand des § 43 Abs.3 Nr.1 SGB VI fungieren kann (B 13 RJ 31/99 R). Jedoch orientiert sich
der Begriff der Arbeitsunfähigkeit spätestens nach Ablauf des Drei-Jahres-Zeitraums nicht mehr an der Tätigkeit des
ursprünglichen Berufs, sondern an der Vermittelbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Der Begriff der
Arbeitsunfähigkeit bestimmt sich in Anlehnung an die Definition im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung
immer nur nach dem aktuellen Versicherungsverhältnis (BSG vom 19.09.2002, B 1 KR 11/02 R). Im Gegensatz zum
früheren, unter der Geltung der RVO entwickelten Konzept der "Einheit des Versicherungsfalls" kann seit Inkrafttreten
des SGB V am 01.01.1989 ein früheres Versicherungsverhältnis nur unter engen Voraussetzungen und nur für eng
begrenzte Zeiträume Versicherungsansprüche begründen. Dem hat der Begriff der Arbeitsunfähigkeit wegen seiner
engen Verknüpfung mit Leistungsansprüchen Rechnung zu tragen. Dies bedeutet, dass sich die nach Erschöpfung
des Krankengeldanspruchs für einen neuen Leistungsanspruch erforderliche Arbeitsunfähigkeit nicht mehr an der
früheren Tätigkeit im Drei-Jahres-Zeitraum orientiert, weil § 48 Abs.2 SGB V hierfür eine zwischenzeitliche
Arbeitsfähigkeit und Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt voraussetzt. Diese Arbeitsfähigkeit ist dann Maßstab für
die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit eines Erwerbslosen (BSG vom 14.12.2001 in SozR 3 - 2500 § 44 Nr.9 mit
weiteren Nachweisen). Im gleichen Sinn hat der Erste Senat des Bundessozialgerichts erst jüngst entschieden, dass
die Aufrechterhaltung des krankenversicherungsrechtlichen Berufsschutzes über das Ende der Erwerbstätigkeit
hinaus einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Beim erwerbslosen Versicherten, der schon während des
Beschäftigungsverhältnisses die Arbeit verloren hat, liege diese darin, dass die Beschäftigtenversicherung nach § 192
Abs.1 Nr.2 SGB V über das Ende des Beschäftigungsverhältnisses hinaus als fortbestehend gelte. Greife ein
derartiger Rechtfertigungsgrund nicht, sei eine Berufung auf eine frühere Tätigkeit wegen des Wegfalls eines darauf
bezogenen Versicherungsschutzes ausgeschlossen.
Der an die Tätigkeit als Kfz-Mechaniker anknüpfende Krankenversicherungsschutz des Klägers endete laut
Unterlagen der zuständigen Betriebskrankenkasse am 10.03.1989 mit der Abmeldung der jugoslawischen
Verbindungsstelle als arbeitsunfähig. Selbst wenn die Entscheidung der Betriebskrankenkasse wegen der tatsächlich
fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit falsch gewesen sein sollte, wäre die Beschäftigtenversicherung spätestens nach
Ablauf von 78 Wochen wegen Erschöpfung des Krankengeldanspruchs beendet gewesen. Die Mitgliedschaft wird
zwar durch das Krankengeld, nicht hingegen länger als einen Monat durch ein Arbeitsverhältnis ohne Beschäftigung
perpetuiert (§ 192 Abs.1 Ziff.2 und 1 SGB V). Spätestens nach Ablauf eines Drei-Jahres-Zeitraums ab Beginn der
Arbeitsunfähigkeit am 01.07.1988 konnte im Hinblick auf § 48 Abs.2 SGB V keine Anknüpfung mehr an das durch die
frühere Beschäftigung vermittelte Krankenversicherungsverhältnis erfolgen. Die Arbeitsunfähigkeit mußte sich am
allgemeinen Arbeitsmarkt orientieren. Hier war der Kläger aber vollschichtig leistungsfähig.
Mit dieser Beurteilung stützt sich der Senat auf das von Dr.R. dargestellte Leistungsbild. Die ab 1988 bestehenden
Gesundheitsstörungen bewirkten zwar qualitative Leistungseinschränkungen, schlossen jedoch nicht jegliche
Erwerbstätigkeit aus. Bei dem Schlaganfall vom 1988 handelte es sich um eine flüchtige Hirndurchblutungsstörung,
deren Symptomatik innerhalb von zwei Tagen abgeklungen war. Neurologische Residuen waren bei der stationären
Begutachtung in Regensburg im April 1990 nicht mehr nachweisbar. Erst bei der Klinikaufnahme im September 1998
wurde ein neuer Schlaganfall festgestellt, der jetzt zu einer bleibenden motorischen Halbseitenschwäche links mit
Muskelverschmächtigung führte. Die Befunde von April 1990 stellten eine leichtere Berufsausübung ohne
Streßwirkung und ohne Wirbelsäulenbelastungen nicht in Frage. Berücksichtigung fand dabei auch, dass beim Kläger
bereits seit 1977 ein Bluthochdruck nachgewiesen ist. Dadurch war die Kreislaufbelastbarkeit mittelgradig reduziert.
Zusätzlich bestanden anfallsweise auftretende flüchtige Schlafepisoden, die unfallgefährdende Tätigkeiten
ausschlossen. Schließlich waren im Hinblick auf die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule wirbelbelastende
Arbeiten mit Lastenbewegungen, Zwangshaltung und gebückte Arbeitsweise unzumutbar. Zusammenfassend konnte
der Kläger jedoch im positiven noch leichte und ruhige Arbeiten zu ebener Erde vollschichtig verrichten. Nach dem
01.08.1991 war der Kläger also nicht arbeitsunfähig.
Zwar ist für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, eine Belegung mit
Anwartschaftserhaltungszeiten nicht erforderlich (§ 240 Abs.2 Satz 2 SGB VI). Nach § 197 Abs.2 SGB VI i.V.m. §
198 SGB VI durften freiwillige Beiträge im Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit zwar noch für Zeiten ab
01.01.1998, nicht aber für die davor liegenden unbelegten Zeiten ab September 1993 gezahlt werden. Für diesen
Zeitraum ist die Zahlung freiwilliger Beiträge auch nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs
zulässig. Bei Abschluss des Rentenverfahrens anlässlich des am 21.09.1988 gestellten Rentenantrags war ein
Hinweis auf die Notwendigkeit zur Aufrechterhaltung der Anwartschaft auf Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente
geboten (zu einem ähnlichen Sachverhalt BSG vom 05.04.2000 Az.: B 5 RJ 50/99 R mit weiteren Nachweisen). Die
Erteilung eines Ablehnungsbescheides bietet einen konkreten Anlass, auf die Berechtigung zur freiwilligen
Beitragsleistung hinzuweisen, um den sonst drohenden Verlust der Anwartschaft abzuwenden. Im Hinblick auf die
weitreichenden Folgen für den Erhalt der Anwartschaft auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit muss die
individuelle Beratung, auf die der Versicherte gem. § 14 SGB I einen Rechtsanspruch hat, insoweit klar und eindeutig
erfolgen und auch für einen juristisch nicht vorgebildeten Versicherten verständlich sein (BSGE a.a.O. mit weiteren
Nachweisen). Dem hat die Beklagte ausreichend Rechnung getragen. Maßgeblich erscheint, dass sich die Beklagte
zur Erfüllung ihrer Beratungspflicht auf die Übermittlung des Merkblattes 6 beschränken konnte. Durch das dem
Bescheid vom 18.05.1990 beigefügte Merkblatt 6 ist der Kläger darüber ausreichend informiert worden, dass er für
unbelegte Zeiten zur Aufrechterhaltung der Rentenanwartschaft freiwillige Beiträge zahlen muss. Wegen der
gesonderten Hinweise "bei Ablehnungsbescheiden" und "bei Auslandsaufenthalt" mußte der Kläger zumindest einen
Beratungsbedarf erkennen. Die Anforderungen an ein Merkblatt dürfen nicht überspannt werden, da sich die
vollständige Darstellung aller möglichen Fallgestaltungen nicht durchführen läßt und ein zu großer Umfang des
Merkblatts eher zur Desinformation der Versicherten führen würde. Ein Merkblatt ist dann ausreichend, wenn es
bewirkt, dass der Versicherte seinen Beratungsbedarf erkennen kann und muss (Bayer.Landessozialgericht vom
27.07.2000, Az.: L 6 RJ 584/00). Der Fünf-Jahres-Zeitraum des § 44 Abs.1 Ziff.2 SGB VI a.F. verlagert sich auch
nicht in die Zeit vor 1989, weil der Kläger nicht bereits ab 1989 berufsunfähig war. Unstreitig genießt der Kläger
Berufsschutz als Facharbeiter. Zutreffend hat die Beklagte jedoch darauf hingewiesen, dass Berufsunfähigkeit nicht
bereits dann vorliegt, wenn die bisherige Berufstätigkeit, also die des Kfz-Schlossers, nicht mehr ausgeübt werden
kann. Vielmehr ist dies erst dann der Fall, wenn eine andere berufliche Tätigkeit, die sozial zumutbar und sowohl
gesundheitlich als auch fachlich geeignet ist, nicht benannt werden kann (§ 43 Abs.2 SGB VI a.F.). Vorrangig ist zu
versuchen, dem bisherigen Beruf verwandte bzw. nahestehende Tätigkeiten aufzufinden (BSG SozR 3 - 2200 § 1246
Nr.34). Gleichzeitig müssen die für die Verweisungstätigkeit notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten innerhalb einer
bis zu drei Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung erworben werden können (BSG SozR 2200 § 1246 Nr.23).
Diesen Voraussetzungen genügt der von der Beklagten benannte Verweisungsberuf des Schloss- und
Schlüsselmachers. Entsprechend der Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Sachsen vom 13.09.2002 stellt der
Beruf des Schloss- und Schlüsselmachers keinen anerkannten Ausbildungsberuf dar. Er ist vielmehr den Ebenen von
Anlern- bzw. Facharbeitertätigkeiten im Mehrstufenschema des Bundessozialgerichts zuzurechnen. Personen mit
einem Berufsabschluss und/oder Berufserfahrung durch mehrjährige Tätigkeit in einem metallverarbeitenden Beruf wie
z.B. Schlosser ist die Berufsausübung nach einer Einweisungs- bzw. Einarbeitungszeit von bis zu drei Monaten
möglich. Nachdem das Landesarbeitsamt die dreimonatige Einarbeitungszeit auch für den vergleichbaren Fall eines
Diesellokomotivenschlossers bejaht hat, wäre diese Tätigkeit für den Kläger als Kraftfahrzeugschlosser im selben
Zeitraum erlernbar gewesen. Die beim Kläger vorliegenden Leistungseinschränkungen waren mit den Anforderungen
dieser Tätigkeit vereinbar, denn es handelt sich um eine leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeit, die vorwiegend
in sitzender Körperhaltung ohne Zwangshaltungen ausgeübt wird. Unzumutbar waren wie bereits oben dargestellt
lediglich Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, an gefährlichen Maschinen, gebückte Arbeitsweise, Zwangshaltung,
das Heben und Tragen schwerer Lasten und Tätigkeiten unter Streßwirkung. Nachdem die Umstellungsfähigkeit nicht
eingeschränkt war und insbesondere auch keine Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Feinmotorik der Finger
gegeben waren, erscheint die bestandskräftige Entscheidung der Beklagten vom 18.05.1990 zutreffend.
Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Höchstrichterlich ist bislang nicht entschieden, ob der 1984 in das Rentenversicherungsrecht eingeführte
Streckungstatbestand der Arbeitsunfähigkeit mit dem ab 01.01.1989 geänderten Begriff der Arbeitsunfähigkeit im
Krankenversicherungsrecht identisch ist. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage wird die Revision
zugelassen (§ 160 II Ziff.1 SGG).