Urteil des LSG Bayern vom 15.12.1998

LSG Bayern: ordentliche kündigung, abfindung, kündigungsfrist, beendigung, kündigungsschutz, aufhebungsvertrag, arbeiter, tarifvertrag, auflösung, leistungsklage

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 15.12.1998 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 12 Al 88/97
Bayerisches Landessozialgericht L 8 AL 238/97
Bundessozialgericht B 11 AL 29/99 R
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 24. Juni 1997 wird mit der
Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte verurteilt wird, der Klägerin für die Zeit vom 24. Juni 1996 bis 15. Februar
1997 Unterhaltsgeld zu zahlen. II. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des
Berufungsverfahrens zu erstatten. III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist das Ruhen des Anspruchs auf Unterhaltsgeld (Uhg) wegen teilweiser Anrechnung einer
Abfindungszahlung nach einvernehmlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses streitig.
Die am ...1967 geborene Klägerin meldete sich am 06.03.1996 zum 01.04.1996 arbeitslos und beantragte
Arbeitslosengeld (Alg). Sie war vom 01.12.1992 bis 31.03.1996 bei der deutschen ... in Regensburg beschäftigt
gewesen. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag vom 15.02.1996 "aus betriebs-
/rationalisierungsbedingten Gründen" zum 31.03.1996 beendet. Gemäß § 2 des Aufhebungsvertrages zahlte der
Arbeitgeber eine Abfindung in Höhe von 61.500,- DM. Diese Abfindung beruhte auf § 17 des Tarifvertrages Nr.466
vom 09./12. Dezember 1994 zwischen der deutschen Telekom und der deutschen Postgewerkschaft. Die ersten vier
Absätze von § 17 lauten wie folgt:
"(1) Angestellte/Arbeiter in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis, das mindestens zwei Jahre ununterbrochen besteht,
können unabhängig von § 1 bei der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses eine Abfindung nach Maßgabe der
nachfolgenden Bestimmungen erhalten, wenn sie zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 56.
Lebensjahr noch nicht vollendet haben und der Arbeitgeber an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein
dienstliches/betriebliches Interesse hat.
(2) Voraussetzung für die Abfindungszahlung ist die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch
schriftlichen Aufhebungsvertrag auf Veranlassung des Arbeitgebers (rationalisierungsbedingte/betriebsbedingte
Gründe). Der Angestellte/Arbeiter kann diesen Aufhebungsvertrag innerhalb einer Frist von 7 Kalendertagen nach
Vertragsabschluß widerrufen.
(3) Der Angestellte/Arbeiter wird über die Abfindungsregelung umfassend informiert und auf Beratungsmöglichkeiten
hinsichtlich der Rahmenbedingungen hingewiesen.
(4) Der Betriebsrat wird über vorgesehene Aufhebungsverträge mit Abfindungsvereinbarung im Sinne des Absatzes 2
rechtzeitig vorher unterrichtet, über den Inhalt der Verträge nur, soweit der Angestellte/Arbeiter dies nicht ausdrücklich
ablehnt."
In einem Tarifvertrag Nr.4 zur Änderung des Tarifvertrages Nr.466 wurde im Dezember 1995 folgender § 18 eingefügt:
Betriebsbedingte Beendigungskündigungen
(1) In der Zeit vom 1. Dezember 1995 bis zum 31. Dezember 1997 scheiden aus Anlaß von Maßnahmen im Sinne von
§ 1 betriebsbedingte Beendigungskündigungen aus. Dies schließt jedoch Änderungskündigungen nicht aus.
(2) Der Ausschluß der betriebsbedingten Beendigungskündigungen gilt nicht für Angestellte und Arbeiter,
a) deren Arbeitsverhältnis zur deutschen Bundespost TELEKOM/ Deutschen Telekom AG weniger als zwei Jahre
ununterbrochen besteht oder b) die ein zumutbares Arbeitsplatzangebot oder eine Qualifizierungsmaßnahme
ablehnen."
Mit Bescheid vom 12.09.1996 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 01.04.1996 bis 23.06.1996 (12
Wochen) fest.
Nach einem weiteren Bescheid, ebenfalls vom 12.09.1996, ruhte die Leistung auf Alg insgesamt gemäß §§ 117 Abs.2
und 3, 117a AFG bis 27.04.1997. Seit 21.06.1996 nahm die Klägerin an einer beruflichen Bildungsmaßnahme teil.
Diese Bildungsmaßnahme hatte sie am 19.06.1996 für einen Lehrgang vom 21.06.1996 bis 16.05. 1997 beantragt. Mit
Bescheid von 12.09.1996 teilte die Beklagte der Klägerin das Ruhen von Leistungen auf Uhg bis 31.03.1997 wegen
der Anrechnung von 70 v.H. der erhaltenen Abfindung gemäß § 117 Abs.2 und 3 AFG mit, da die ordentliche
Kündigung des Arbeitgebers bis 31.12.1997 ausgeschlossen gewesen und eine Kündigungsfrist von 18 Monaten
anzunehmen sei.
Hiergegen legte die Klägerin am 17.09.1996 Widerspruch ein; ihr sei vom Arbeitsamt zugesichert worden, daß
allenfalls ein Ruhenszeitraum von 24 Wochen (12 Wochen Sperrzeit und 12 Wochen Anrechnung der Abfindung)
eintreten würde. Basierend darauf habe sie angesichts der unsicheren Stellung und in schwerer familiärer Situation
stehend sich für die Abfindung entschieden.
Die Beklagte nahm sodann entsprechend der Rundverfügung 46/96 vom 10.09.1996 im Hinblick auf die Tarifverträge
der deutschen Telekom einen Fall des § 117 Abs.2 Satz 4 AFG mit einer sich daraus ergebenden fiktiven
Kündigungsfrist von einem Jahr an und stellte mit Bescheid vom 27.12.1996 entsprechend ihrer nunmehrigen
rechtlichen Einschätzung ein Ruhen der Uhg Leistung bis 15.02.1997 fest. Ein entsprechender Bescheid erging auch
hinsichtlich der Alg-Leistung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.1997 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 12.09.1996
als unbegründet zurück, soweit ihnen nicht abgeholfen wurde; da eine betriebsbedingte Kündigung bis 31.12.1997
nicht möglich gewesen sei und das Arbeitsverhältnis einvernehmlich mit Zahlung einer Abfindung beendet worden sei,
gelte gemäß § 117 Abs.2 Satz 4 AFG eine Kündigungsfrist von einem Jahr. Diese sei nicht eingehalten worden.
Gemäß § 44 Abs.5 Satz 3 AFG i.V.m. § 117 Abs.2 und 3 AFG ruhe daher das Uhg bis einschließlich 15.02.1997.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 24.01.1997 erhob die Klägerin am 17.02.1997 Klage zum Sozialgericht
Regensburg; da wegen der besonderen tarifvertraglichen Regelung die betriebsbedingte Beendigungskündigung
zeitlich befristet ausgeschlossen gewesen sei, sei eine Kündigungsfrist von 6 Wochen gemäß § 117 Abs.2 Satz 3
Ziff.2 AFG maßgeblich gewesen, die auch eingehalten worden sei.
Vor dem Sozialgericht erklärten die Beteiligten übereinstimmend, daß streitgegenständlich nur der das Uhg
betreffende Bescheid vom 12.09.1996 i.d.F. des Änderungsbescheides vom 27.12. 1996 und des
Widerspruchsbescheides vom 24.01.1997 sein solle.
Mit Urteil vom 24.06.1997 hob das Sozialgericht Regensburg die angefochtenen Bescheide auf; die Voraussetzungen
des von der Beklagten angenommenen § 117 Abs.2 Satz 4 AFG seien nicht gegeben. Die direkte Anwendung sei
bereits dem Wortlaut nach ausgeschlossen. Der hier vorliegende Sachverhalt sei in der Regelung des § 117 Abs.2
Satz 3 Nr.2 AFG ausdrücklich geregelt. Für die Klägerin sei die ordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses
zeitlich begrenzt ausgeschlossen gewesen. Tarifvertraglich sei vorgesehen gewesen, daß das
Beschäftigungsverhältnis der Klägerin bis zum 31.12.1997 betriebsbedingt nicht hätte gekündigt werden können.
Damit lägen die Voraussetzungen des § 117 Abs.2 Satz 3 Nr.2 AFG offensichtlich vor.
Gegen das am 04.07.1997 zugestellte Urteil legte die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.07.1997 am 23.07.1997
Berufung ein; es sei sachlich nicht gerechtfertigt, lediglich die maßgebende ordentliche arbeitgeberseitige
Kündigungsfrist auch bei Arbeitnehmern zugrundezulegen, denen nur gegen Abfindung ordentlich gekündigt werden
könne. Dieser Personenkreis genieße einen "stärkeren" Kündigungsschutz als die Arbeitnehmer, die ohne Abfindung
ordentlich kündbar seien. Die Kündigung sei demnach bei Arbeitnehmern, die keinen (zusätzlichen) besonderen
(gesetzlichen) Kündigungsschutz hätten, nicht zeitlich begrenzt ausgeschlossen, sondern nur gegen
Abfindungszahlung möglich. Es fänden mit anderen Worten § 117 Abs.2 Satz 4 AFG in Fällen Anwendung, in denen
(tarifvertragliche) Regelungen eine ordentliche (betriebsbedingte) arbeitgeberseitige Kündigung für einen bestimmten
Zeitraum im Ergebnis von einer Abfindungszahlung abhängig machten (ansonsten ausschließen). Dies gelte auch
dann, wenn insoweit lediglich eine mündliche Absprache oder eine entsprechende Übung bestehe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 24.06.1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, die Beklagte für die Zeit vom 24.06.1996 bis 15.02.1997 zur Zahlung
von Unterhaltsgeld zu verurteilen.
Sie ist der Auffassung, daß den erstrichterlichen Ausführungen zu folgen sei.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Verwaltungsakte der Beklagten und die
erstinstanzliche Verfahrensakte. Wegen des Sachverhalts wird ergänzend auf die beigezogenen Akten und die
Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 151 Abs.1, 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG -);
insbesondere bedurfte es nicht der besonderen Zulassung gemäß § 144 Abs.1 SGG, weil der Wert des streitigen
Anspruchs auf Uhg 1000,- DM übersteigt.
Das Rechtsmittel ist nicht begründet.
Mit der Klage wendet sich die Klägerin gegen die ihren Antrag auf Uhg teilweise ablehnenden Bescheide. Zutreffende
Klageart ist demnach allein die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs.4 SGG). Eine solche hatte die
Klägerin auch erhoben. Durch die Anregung des Sozialgerichts, lediglich einen Anfechtungsantrag zu stellen, wurde
das Klagebegehren jedoch nicht geändert, wie sich aus den Gründen des Ersturteils und unter Berücksichtigung der
gesamten Sachlage hinreichend ergibt. Trotz des eingeschränkten Klageantrags war weiterhin von einer kombinierten
Anfechtungs- und Leistungsklage auszugehen.
Streitgegenstand ist nicht mehr die Sperrzeit und das Ruhen des Anspruchs auf Alg, sondern lediglich das Ruhen des
Uhg. Gemäß § 44 Abs.5 Satz 1 Nr.1 AFG i.d.F. des ersten SKWPG vom 21.12. 1993 (BGBl. I 2353) werden
Leistungen, die der Bezieher von Uhg von seinem Arbeitgeber wegen der Teilnahme an einer Maßnahme für die Zeit
der Teilnahme erhält oder zu beanspruchen hat, auf das Uhg grundsätzlich angerechnet. Einmalige Leistungen im
Sinne des § 112 Abs.1 Satz 2 AFG bleiben außer Betracht (§ 44 Abs.5 Satz 2, Abs.4 Satz 2 AFG). Die
Ruhensvorschriften des § 117 Abs.1a, 2, 3 und 4 AFG gelten entsprechend (§ 44 Abs.5 Satz 3 AFG).
Das Sozialgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, daß im vorliegenden Fall ein Ruhen des Anspruchs auf
Uhg wegen der erhaltenen Abfindung nicht eingetreten ist.
§ 117 Abs.2 AFG verlangt als Voraussetzung des Ruhens im Grundsatz eine Beendigung des Arbeitverhältnisses
ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist (Satz 1 und 2 dieser Vorschrift). Für die Fälle eines nicht oder nur
eingeschränkt kündbaren Arbeitnehmers gelten die Sonderregelungen § 117 Abs.2 Satz 3 und 4 AFG. Bei der Klägerin
ist dabei die Frage des tariflichen Kündigungsschutzes von entscheidender Bedeutung.
Der hier einschlägige Tarifvertrag Nr.466 zwischen dem Vorstand der deutschen Bundespost Telekom und der
deutschen Postgewerkschaft, der gemäß § 2 auf die Klägerin Anwendung findet und dessen Geltungsdauer sich auf
die Zeit vom 01.10.1994 bis 31.12.1997 begrenzte, bezieht sich in seinem sachlichen Geltungsbereich (§ 1) auf die
sozialverträgliche Umsetzung des Vorhabens "Focus 98". Er findet bei den unter § 1 Abs.1 näher ausgeführten
Maßnahmen Anwendung. Nach § 1 Abs.2 zählt nicht zu den dort genannten Maßnahmen eine Verringerung des
Personalbedarfs, der durch einen gesamtwirtchaftlich bedingten allgemeinen Verkehrsrückgang ausgelöst wird. Damit
ist klargestellt, daß sich die Geltung lediglich eingeschränkt auf die Umsetzung des Vorhabens "Focus 98" bezieht
und daneben Geltungsbereiche nach den allgemeinen tariflichen bzw. gesetzlichen Vorschriften gegeben sind.
Die beiden Hauptziele des Tarifvertrages Nr.466 sind die Sicherung einer Weiterbeschäftigung durch das zwingende
Angebot eines gleichzeitigen und zumutbaren Arbeitsplatzes (§ 3 ff.) und die Sicherung der Vergütung bei einer
Eigenkündigung des Angestellten (§ 12 ff.).
In § 17 sieht der Tarifvertrag unabhängig von den genannten Zielen und einer sich daraus ergebenden Verpflichtung
eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit zwingendem Anspruch auf eine bestimmte Abfindung vor, soweit (1) ein
dienstliches Interesse des Arbeitgebers gegeben ist, (2) die Beendigung einvernehmlich durch schriftlichen
Aufhebungsvertrag erfolgt.
Der mit dem Änderungstarifvertrag Nr.466, in Kraft ab 01.12. 1995, eingefügte § 18 schließt in seinem Absatz 1 für die
Zeit vom 01.12.1995 bis 31.12.1997 betriebsbedingte Beendigungskündigungen "aus Anlaß von Maßnahmen im Sinne
von § 1" aus, nicht jedoch Änderungskündigungen (§ 18 Abs.1 Satz 2) und - so muß hier ergänzt werden - nicht
betriebsbedingte Beendigungskündigungen, die nicht "aus Anlaß von Maßnahmen im Sinne von § 1" erfolgen. Der
zeitliche Kündigungsausschuß gilt somit nicht generell, sondern nur, soweit er durch die Umsetzung des Vorhabens
"Focus 98" bedingt sind.
Eine lediglich segmentartige zeitliche Unkündbarkeit, die im übrigen eine ordentliche Kündigung des Arbeitgebers
ohne Einschränkung zuläßt, wird vom Wortlaut her von § 117 Abs.2 AFG nicht erfaßt.
Es ist jedoch dem Aufhebungsvertrag durch seine Bezugnahme auf den Tarifvertrag Nr.466 eindeutig zu entnehmen,
daß die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im vorliegenden Fall tatsächlich im Zusammenhang mit der Maßnahme
gemäß § 1 des TV Nr.466 gestanden hat und soweit der Kündigungsausschluß nach § 18 TV eine Beendigung durch
ordentliche betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung entgegenstand, die Klägerin konkret in der Situation einer
Arbeitnehmerin stand, für die insoweit die Kündigung ausgeschlossen war.
§ 117 Abs.2 Satz 3 Nr.1 AFG scheidet - wie auch die Beklagte nicht mehr verkennt - schon deshalb aus, weil ein
zeitlicher unbegrenzter Ausschluß nicht gegeben war. § 117 Abs.2 Satz 3 Nr.2 AFG trifft dem Wortlaut nach auf die
Klägerin zu, da lediglich ein zeitlich begrenzter Ausschluß vorlag. § 117 Abs.2 Satz 4 AFG trifft - jedenfalls dem
Wortlaut nach - nicht zu, da eine Kündigung dem Arbeitgeber auch bei einer Abfindungszahlung lt. § 18 TV verboten
war. Der TV ließ lediglich den Weg einer einvernehmlichen Beendigung nach § 17 zu.
Hält man danach bei einer lediglich segmentbegrenzten Unkündbarkeit § 117 Abs.2 AFG dann für anwendbar, wenn
der Anlaß für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses in dem segmentgeschützten Bereich tatsächlich liegt, so
kommt hier nur eine Geltung des § 117 Abs.2 Satz 3 Nr.2 1. Alt. AFG oder § 117 Abs.2 Satz 4 AFG in Betracht.
Die Beklagte bezieht § 117 Abs.2 Satz 3 Nr.2 1. Alt. AFG nur auf Fälle, bei denen für die Dauer des Vorliegens
veränderlicher persönlicher Umstände die ordentliche Kündigung im Einzelfall zeitlich begrenzt ausgeschlossen ist
(DA 4.32 unter Rdnr.48). Die Unterscheidung nach unbegrenztem Ausschluß und zeitlich begrenztem Ausschluß der
ordentlichen Kündigung ist durch das 4. AFG-Änderungsgesetz vom 12.12.1977 (BGBl. I 2557) eingeführt worden. §
117 Abs.2 Satz 3 AFG erhielt dadurch folgende Fassung: "Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses
durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, so gilt bei zeitlich unbegrenztem Ausschluß eine Kündigungsfrist von einem
Jahr, im übrigen die Kündigungsfrist, die ohne den Ausschluß der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre."
In der Begründung des Änderungsgesetzes heißt es dazu (BT-Drs. 305/77): "Arbeitnehmern, deren Kündigung
dauernd ausgeschlossen ist, wird für den Bereich des § 117 eine Kündigungsfrist von einem Jahr zugeordnet. Diese
Frist berücksichtigt, daß bei diesen Arbeitnehmern der Kündigungsschutz und dementsprechend die Abfindung mit
Entgeltcharakter erheblich größer ist als bei sonstigen Arbeitnehmern. Sofern die Kündigung - wie z.B. bei
Betriebsratsmitgliedern - nur vorübergehend ausgeschlossen ist, soll für die Feststellung des Arbeitsentgeltanteils der
Abfindung die Kündigungsfrist maßgebend sein, die ohne den Ausschluß der ordentlichen Kündigungsfrist gegolten
hätte (Abs.2 Satz 3 letzter Halbsatz)."
Weder aus dem Wortlaut noch aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich damit eine Beschränkung auf Arbeitnehmer,
"denen wegen des Vorliegens veränderlicher, in der Person begründeter Umstände" (so Masuch in GK-AFG, Stand
12/1989, Rdnr.62 § 117) nur vorübergehend nicht gekündigt werden kann. Lediglich beispielhaft wird in den
Gesetzesmaterialien auf den besonderen Kündigungsschutz des Betriebsratsmitglieds hingewiesen. Dies ist
naheliegend, da tarifvertragliche Konstellationen wie im vorliegenden Fall damals wohl kaum vorhersehbar waren.
Der Zweck der Regelung spricht nicht gegen eine Anwendung von § 117 Abs.2 Satz 3 Nr.2 1. Alt. AFG auf den
vorliegenden Fall. Denn der Gesetzgeber wollte dahingehend unterscheiden, ob der besondere Kündigungsschutz
vorübergehender oder dauernder Natur ist, wollte zwischen dem dauerhaften, auf das Arbeitleben bezogenen Schutz
und dem nur zeitlich begrenzten Schutz vor ordentlicher Kündigung unterscheiden. Es erscheint auch nicht unbillig,
die Klägerin wie einen entsprechenden aus persönlichen Umständen vorübergehend geschützten Arbeitnehmer zu
behandeln. Denn der Kündigungsschutz bezieht sich auf einen zeitlich kurzfristigen Abschnitt und zudem auf eine
spezielle Rationalisierungsmaßnahme.
§ 117 Abs.2 Satz 4 AFG wurde durch das AFKG vom 22.12.1981 (BGBl.I, 1497) eingeführt und sollte Fälle erfassen,
bei denen bei unkündbaren Arbeitnehmern durch Tarifvertrag eine ordentliche Kündigung bei gleichzeitiger Abfindung
eröffnet wurde. Vorliegend liegt der Fall jedoch genau umgekehrt. Die kündbare Arbeitnehmerin wurde partiell im
Hinblick auf eine bestimmte Maßnahme für eine begrenzte Zeit vor betrieblicher Kündigung geschützt. Hinzu kommt
noch, daß § 17 TV Nr.466 die Auflösung aus betriebsbedingten Gründen grundsätzlich ermöglichen soll, dies jedoch
von der Zustimmung des Arbeitnehmers abhängig macht.
Da ein Ruhen des Uhg-Anspruchs der Klägerin gemäß § 117 Abs.2 AFG dementsprechend zu verneinen ist, war die
Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 24.06.1997 zurückzuweisen, jedoch im
Hinblick auf die unzureichende Sachentscheidung des Sozialgerichts mit der Maßgabe, daß der Klägerin für die Zeit
vom 24.06.1996 bis 15.02.1997 Uhg zugewähren ist. Denn insoweit sind die Anspruchsvoraussetzungen für die
Klägerin erfüllt, wie zwischen den Beteiligten zudem auch unstreitig ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; entsprechend des Ergebnisses des Berufungsverfahrens hat die
Beklagte der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision war gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache wegen der Folgen der tariflichen
Sonderregelung und der Anzahl noch ausstehender Streitentscheidungen grundsätzliche Bedeutung zukommt.