Urteil des LSG Bayern vom 11.02.2004
LSG Bayern: wiedereinsetzung in den vorigen stand, anspruch auf bewilligung, die post, zustellung, altersrente, erwerbsfähigkeit, zivilprozessordnung, abholung, sachprüfung, versäumnis
Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 11.02.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 17 RJ 1008/98
Bayerisches Landessozialgericht L 19 RJ 103/03
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.03.2001 wird als unzulässig
verworfen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw Altersrente streitig.
Der 1946 geborene Kläger war zuletzt als Bandarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Der letzte Beitrag zur
Rentenversicherung der Arbeiter wurde am 20.07.1993 entrichtet.
Am 05.11.1996 beantragte der Kläger bei der BfA, am 11.08.1997 bei der Beklagten Rente wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit. Einen erneuten Rentenantrag stellte der Kläger, der zuvor die von der Beklagten zugesandten
Antragsformulare nicht ausgefüllt hatte, am 19.01.1998. Die Beklagte ließ ihn internistisch, neurologisch-
psychiatrisch, chirurgisch und nochmals abschließend internistisch untersuchen. Nachdem die Sachverständigen
übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt waren, dem Kläger seien bei Beachtung bestimmter
Funktionseinschränkungen leichte Tätigkeiten vollschichtig zumutbar, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom
23.04.1998 den Rentenantrag ab und verwies den Kläger auf leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Im
Vorverfahren gewährte die Beklagte dem Kläger als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation ein stationäres
Heilverfahren (24.07. bis 20.08.1997). Nach dem Entlassungsbericht der Klinik R. in Bad K. waren dem Kläger leichte
Tätigkeiten vollschichtig zumutbar. Daraufhin erließ die Beklagte den ablehnenden Widerspruchsbescheid vom
08.10.1998.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg (SG) hat der Kläger die vom Gericht angeforderten
Einverständniserklärungen für die Aufklärung des medizinischen Sachverhalts nicht ausgefüllt. Der mündlichen
Verhandlung vom 28.10.1999, dem Erörterungstermin vom 12.12.2000 und der mündlichen Verhandlung vom
28.03.2001 ist der Kläger ferngeblieben. Die Anfrage des SG vom 14.12.2000, ob er den Rechtsstreit noch fortsetzen
wolle, ließ der Kläger unbeantwortet.
Mit Urteil vom 28.03.2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger, der auf Tätigkeiten des allgemeinen
Arbeitsmarktes verweisbar sei, sei nicht erwerbs- und nicht berufsunfähig. Dies ergebe sich aus den Untersuchungen
der Beklagten. Eine weitergehende Aufklärung des Sachverhalts in medizinischer Hinsicht sei dem SG verwehrt
gewesen, da es der Kläger insoweit an seiner Mitwirkung habe fehlen lassen. Im Übrigen seien dann, wenn ab dem
Tag der Antragstellung von Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeit auszugehen wäre, die weiteren versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen für eine Rentengewährung nicht erfüllt.
Das Urteil wurde dem Kläger am 14.04.2001 durch Niederlegung zugestellt. Am 02.01.2003 bat der Kläger beim SG
um Festsetzung eines Termins; ausstehende Unterlagen würden noch nachgereicht. Am 12.02.2003 legte der Kläger
beim SG Berufung gegen das Urteil ein. Das Urteil sei ihm erst am 11.01.2003 zugestellt worden, damit habe er die
Monatsfrist nach Zustellung eingehalten. In der mündlichen Verhandlung begehrte der Kläger erstmals die Bewilligung
von Altersrente, da er heuer 58 Jahre alt werde.
Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 28.03.2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23.04.1998
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.10.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm eine
Rente wegen Alters zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren neben den Streitakten erster und zweiter Instanz die
Verwaltungsunterlagen der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die ansich statthafte Berufung des Klägers vom 12.02.2003 gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 28.03.2001 (§
144 Abs 1 Satz 1 SGG) ist wegen Versäumung der Berufungsfrist des § 151 Abs 1 SGG unzulässig.
Gemäß § 151 Abs 1 SGG beträgt die Frist für die Einlegung der Berufung einen Monat nach Zustellung des
angefochtenen Urteils. Das Urteil des SG Nürnberg vom 28.03.2001 wurde dem Kläger am 14.04.2001 durch
Niederlegung zugestellt (§ 63 Abs 2 SGG in der vor dem 01.07.2002 geltenden Fassung iVm § 11 Abs 2 Satz 1 des
Verwaltungszustellungsgesetzes ). Die Frist des § 151 Abs 1 SGG für die Einlegung der Berufung begann somit am
15.04.2001 zu laufen (§ 64 Abs 1 Satz 1 SGG) und endete mit Ablauf des 14.05.2001, einem Montag (§ 64 Abs 2
SGG). Die erst am 12.02.2003 beim SG eingegangene Berufung des Klägers gegen das Urteil vom 28.03.2001 ist
daher nicht fristgemäß eingelegt.
Im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit wurde bis 30.06.2001 grundsätzlich nach den Bestimmungen der §§ 2 bis 15
des Verwaltungszustellungsgesetzes (§ 63 Abs 2 SGG in der bis 30.06.2001 geltenden Fassung) zugestellt. Bei der
vom SG gewählten "Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde" gemäß § 3 VwZG gelten die §§ 180 bis 186
und 195 Abs 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Da nach dem Inhalt der vorliegenden Postzustellungsurkunde die
persönliche Übergabe des Urteils in der Wohnung des Klägers scheiterte (§ 180 ZPO), durfte die Sendung mit der
Urteilsausfertigung bei dem im Zustellungsbezirk liegenden Postamt niedergelegt und dem Kläger dies unter seiner
dortigen Wohnanschrift in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise mitgeteilt werden (§ 182 ZPO). Die Zustellung
ist vollzogen, wenn neben der Mitteilung auch die Niederlegung ausgeführt ist. Die Kenntnis des
Zustellungsempfängers und die Abholung der für ihn bestimmten Sendung sind für die Wirksamkeit der Zustellung
bedeutungslos. Nach dem Inhalt der Postzustellungsurkunde erfolgte vorliegend die Niederlegung am 14.04.2001. Die
Einlegung der Berufung durch den Kläger erfolgte somit verspätet.
Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die auch von Amts wegen gewährt werden kann, sind nicht
ersichtlich; sie wurden vom Kläger, der allein auf entschuldigende Umstände für seine Versäumnis hinweisen könnte,
auch nicht geltend gemacht. Die Anfrage des Senats, warum er die Sendung nicht abgeholt habe, hat der Kläger
unbeantwortet gelassen.
Die Berufung war daher gemäß § 158 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen. Dem Senat ist infolgedessen eine
Sachprüfung, also ob der Kläger Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw
Altersrente hat, verwehrt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).