Urteil des LSG Bayern vom 16.09.1998
LSG Bayern: rente, krankengeld, freiwillig versicherter, krankenversicherung, krankenkasse, nachzahlung, auszahlung, rentner, abrechnung, arbeitsunfähigkeit
Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 16.09.1998 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 6 An 193/96
Bayerisches Landessozialgericht L 13 RA 34/97
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 7. Januar 1997 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der am ...1945 geborene Kläger ist seit 01.04.1988 Mitglied der Beigeladenen und seit 01.04.1992 bei ihr freiwillig
krankenversichert. Sie hat wegen der seit 15.10.1993 bestehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab 05.11.1993
Krankengeld (kalendertäglich 144,00 DM ab 05.11.1993, 148,39 DM ab 01.10.1994) gezahlt. Bezüglich des
Krankengeldanspruches der freiwilligen Versicherten wurde in ihrer Satzung keine Sonderregelung gem. § 44 Abs. 2
Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - SGB V - getroffen. Gegenüber der Beklagten machte die Beigeladene mit
Schreiben vom 17.11.1995 (Eingang 22.11.1995) Ersatzanspruch auf die Rente/Übergangsgeld geltend.
Aufgrund eines Rehabilitationsantrags vom 20.01.1994 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom
06.02.1996 Rente wegen Berufsunfähigkeit - BU - auf unbestimmte Zeit ab 18.03.1994 (Anschlußheilbehandlung von
03.02.1994 bis 17.03.1994) bei einem Leistungsfall vom 15.10.1993. Der Berechnung der Rente lagen von September
1962 bis Februar 1989 fast ausschließlich Pflichtbeiträge (zeitweise im Rahmen der Handwerkerversicherung)
zugrunde. Ab März 1989 leistete der Kläger freiwillige Beiträge. Für die Zeit vom 18.03.1994 bis 31.03.1996
errechnete sich eine Rentennachzahlung in Höhe von 25.948,48 DM. Sie wurde entsprechend einem Vermerk im
Bescheid an die Krankenkasse zur Auszahlung überwiesen. Die Beklagte wies den Kläger daraufhin, daß im
Nachzahlungszeitraum Krankengeld gezahlt worden sei und der Krankenkasse daher ein Erstattungsanspruch
zustehe. Diese werde im Auftrag der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte - BfA - die Auszahlung der noch
zustehenden Rentenbeträge vornehmen.
Die Beigeladene nahm am 26.02.1996 im Namen der Beklagten die Abrechnung der Nachzahlung vor. Sie behielt für
in der Zeit vom 18.03.1994 bis 09.08.1995 erhaltenes Krankengeld einen Betrag in Höhe von 17.702,90 DM ein. Die
restliche Nachzahlung von 8.245,58 DM überwies sie am selben Tag an den Kläger.
Dieser legte bei der Beklagten am 05.03.1996 Widerspruch im wesentlichen mit der Begründung ein, zwischen ihm
und der Beigeladenen bestehe zur Absicherung des Krankheitsfalles ein rein privatrechtlicher Vertrag. Der mit seinem
Geld erworbene Anspruch auf Krankengeld dürfe nicht mit der Rente verrechnet werden. Die Beklagte wies den
Widerspruch mit Bescheid vom 10.07.1996 unter Bezugnahme auf § 50 SGB V und § 103 Sozialgesetzbuch Zehntes
Buch - SGB X - zurück.
Mit der am 22.07.1996 zur Niederschrift beim Sozialgericht - SG - Nürnberg erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein
Begehren auf Auszahlung der gesamten Nachzahlung weiter. Er begründete dies mit der rein privatrechtlichen Natur
seines Verhältnisses zur DAK. Die Vorschriften des SGB seien nicht anwendbar. Als freiwillig Krankenversicherter
könne er nicht in die gesetzliche Krankenversicherung der Rentner aufgenommen werden. Er sei dadurch insgesamt
benachteiligt. Er sehe verfassungsrechtliche Probleme, die zu klären seien.
Das SG lud mit Beschluss vom 06.11.1996 die DAK gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - zum
Rechtsstreit bei. Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden
Mit Urteil vom 07.01. 1997 wies das SG die Klage gemäß § 124 Abs. 2 SGG ab. Der Kläger unterliege auch als
freiwilliges Mitglied der Krankenkasse den Regelungen des SGB, insbesondere den Büchern V, VI und X. Die
freiwillige Mitgliedschaft begründe kein privatrechtliches, sondern ein öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis zwischen
dem Versicherten und dem zuständigem Sozialleistungsträger. Die Vorschrift des § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB V finde auch
auf den Kläger Anwendung. Danach führe die rückwirkende Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente zur Kürzung des
zeitgleich geleisteten Krankengeldzahlbetrags. Hinsichtlich dieses Kürzungsbetrags habe die Beigeladene gemäß §
103 SGB X gegenüber der Beklagten Anspruch auf Erstattung aus der dem Kläger gewährten Rente. Die Beklagte sei
verpflichtet dem Erstattungsanspruch zu entsprechen und die Beigeladene berechtigt, von der ihr zur Abrechnung
überwiesenen Nachzahlung den Erstattungsbetrag in Abzug zu bringen. Die Anwendbarkeit der genannten
sozialrechtlichen Vorschriften werde auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Kläger möglicherweise durch den
Ausschluß von der Krankenversicherung der Rentner benachteiligt werde. Selbst wenn diese
Zulassungsbeschränkung verfassungswidrig wäre, hinderte dies die Anwendbarkeit der übrigen Gesetzesnormen
nicht. Eine individuelle Bevor- oder Benachteiligung durch die Regelungen der §§ 50 SGB V und 103 SGB X für
Pflicht- oder freiwillig Versicherte sei nicht ersichtlich. Gleiches gelte für die Beitragspflicht in der
Krankenversicherung bei Bezug einer Rente. Anhaltspunkte für die Verfassungswidrigkeit der den
Erstattungsanspruch begründenden Rechtsnormen bestünden nicht.
Der Kläger legte am 29.01.1997 beim Sozialgericht Nürnberg Berufung ein. Er hält sein Vorbringen aufrecht. Die
Tatsache seiner freiwilligen Mitgliedschaft verbiete bei Zusammentreffen von Renten- und Krankengeldzahlungen eine
Verrechnung oder Einbehaltung. Zwar treffe zu, daß die gesetzliche Regelungen der §§ 103 SGB X und 50 SGB V
zwischen freiwillig und Pflichtversicherten keine Unterscheidung träfen, dies verstoße aber gegen das Grundgesetz -
GG -, insbesondere Art. 3 und 14. Der Kläger habe als freiwillig Versicherter erheblich höhere Beiträge zu leisten als
ein Pflichtversicherter. Auch würden seine freiwilligen Mitgliedszeiten nicht als Vorversicherungszeiten anerkannt. Er
werde nicht als Pflichtmitglied in die Krankenversicherung der Rentner aufgenommen. Außerdem habe er durch
freiwillige Leistungen die Ansprüche auf Krankengeld und Rente nebeneinander erworben, so daß eine Verrechnung
nicht in Frage kommen könne.
Der Kläger beantragt,
I. Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 07.01.1997 wird abgeändert. II. Die Beklagte wird unter Abänderung des
Bescheides vom 06.02.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.1996 verpflichtet, dem Kläger die
Rentennachzahlung für die Zeit ab 18.03.1994 in voller Höhe von DM 25.948,48 ohne Abzug eines Erstattungsbetrags
der Beigeladenen auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 07.01.1997 zurückzuweisen.
Die Beigeladene schließt sich diesem Antrag an.
Beide verweisen auf die gesetzliche Regelung und die Gründe des Urteils erster Instanz.
Dem Senat liegen zur Entscheidung die beigezogenen Akten der Beklagten,der Beigeladenen und des Sozialgerichts
Nürnberg sowie die Akte des Bayer. Landessozialgerichts vor.
Entscheidungsgründe:
Die ohne Zulassung statthafte Berufung (§ 144 SGG), die form- und fristgerecht eingelegt wurde (§ 151 SGG), ist
zulässig, aber unbegründet.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 06.02.1996 in der Gestalt des Bescheides vom 26.02.1996 sowie des
Widerspruchsbescheides vom 10.07.1996. Die Feststellung der Nachzahlung vom 26.02.1996 ist als verbindliche
Regelung anzusehen, da dabei festgelegt wird, in welchem Umfang der Kläger die Nachzahlung beanspruchen kann.
Da die Entscheidung vom 26.02.1996 eindeutig und auch äußerlich ersichtlich (Formblätter der Beklagten) im Auftrag
und im Namen der Beklagten erfolgte, handelt es sich um eine Regelung durch diese, die der Kläger zurecht mit
seinem Widerspruch vom 05.03.1996, in dem er auf die Abrechnung Bezug nahm, zugleich angegriffen hat. Zutreffend
hat die Beklagte auch über den Widerspruch des Klägers entschieden, da streitig ist, ob dieser die festgestellte Rente
für die Zeit von 18.03.1994 bis 09.08.1995 beanspruchen kann. Gegen dieses Vorgehen der Beklagten bestehen -
anders als im Urteil des BSG in SozR 1300 § 50 Nr. 14 - keine Bedenken, da der Krankenkasse nur die Bezifferung
ihres Erstattungsanspruchs überlassen wurde und die Regelung der Auszahlung für die Beklagte erfolgte. Dies wurde
vom Kläger, wie sein Vorbringen im Widerspruch zeigte, auch so verstanden.
Zurecht wurde von der Beklagten ein Anspruch des Klägers auf Rente für die Zeit von 18.03.1994 bis 09.08.1995
verneint. Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, daß die Beklagte im Rentenbescheid vom 06.02.1996 festgehalten
hat, es bestehe - grundsätzlich - ein Anspruch auf Rente. Auch wenn der Kläger Adressat des Bescheides war, ergab
sich aus dem gleichzeitigem Hinweis auf den Erstattungsanspruch der Krankenkasse, daß für die Zeit des
Krankengeldbezugs dem Kläger gerade kein Anspruch zustehen könne.
Er scheitert an der Regelung des § 107 SGB X. Nach Absatz 1 der Vorschrift gilt, soweit ein Erstattungsanspruch
besteht, der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt. Der
Krankenkasse steht ein Erstattungsanspruch gem § 103 SGB X zu. Diese Bestimmung hat zur Voraussetzung, daß
der Anspruch auf die erbrachte Leistung nachträglich ganz oder teilweise entfallen ist. Dies trifft hier zu, da gemäß §
50 Abs. 2 Nr. 2 SGB V das Krankengeld um den Zahlbetrag der Rente wegen BU gekürzt wird, wenn die Leistung von
einem Zeitpunkt nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit zuerkannt wird. Der Kläger war ab 15.11.1993 arbeitsunfähig
und der Anspruch auf Rente wegen BU wurde ab 18. 3. 94 festgestellt. Selbst wenn auf den fiktiven Rentenbeginn (§
116 Abs. 2 iVm § 99 SGB VI) abzustellen wäre, läge der Beginn der Leistung nach dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit.
Eine Kürzung des Krankengeldes des Klägers um den Zahlbetrag der BU-Rente trat demnach ein. Der Anspruch auf
Krankengeld ist nachträglich in dieser Höhe ent- fallen. Die Beklagte ist der DAK zur Erstattung verpflichtet. Der
Anspruch des Klägers auf die Rente wegen BU, die niedriger als das erhaltene Krankengeld ist (DM 1029,26
monatlich ab 18.03.1994 gegenüber einem Krankengeld in Höhe von DM 144.- kalendertäglich), gilt als erfüllt. Der
Kläger kann die Auszahlung der Rente für die Zeit von 18.03.1994 bis 09.08. 1995 infolgedessen nicht verlangen.
Ohne Bedeutung ist dabei, daß der Kläger bei der Beigeladenen freiwillig krankenversichert ist. Die Regelung des § 50
Abs. 2 Nr. 2 SGB V gilt für freiwillig und Pflichtversicherte. Dies wird vom Kläger auch nicht bestritten. Seine gegen
die Vorschrift erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken greifen aber nicht durch. Soweit er vorträgt, er werde,
sowohl was die Beitragshöhe als auch eine Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner angehe,
gegenüber Pflichtversicherten benachteiligt, liegt eine hier erhebliche Ungleichbehandlung schon deswegen nicht vor,
da im anhängigen Verfahren nur über die Regelungen des § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB V zu entscheiden ist und nicht über
die Frage der Beiträge oder der Krankenversicherung der Rentner. Diese Problematik müßte der Kläger in einem
eigenen Verfahren klären lassen (vgl. hierzu Urteile des BSG vom 03.09.1998, B 12 KR 15/97 R und B 12 KR 21/97 R
sowie SozR 3-2500 § 5 Nr. 29). In den angefochtenen Bescheiden ist zu diesen Fragen, insbesondere zur KVdR keine
Entscheidung getroffen.
Was § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB V betrifft, so ist Ziel der gesetzlichen Regelung,den Bezug von vollen Doppelleistungen
zu vermeiden, die dem gleichen Zweck dienen, nämlich dem Ersatz von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen. Dies
wurde vom Bundesverfassungsgericht - BVerfG - in mehreren Entscheidungen auch für verfassungsrechtlich
unbedenklich gehalten (SozR 2200 § 183 Nr. 32, 33, 54). Dies gilt aber nach ebenfalls allgemeiner Meinung nicht nur
für Doppelleistungen an Pflichtversicherte, sondern auch bei freiwilligen Mitgliedern der Krankenkasse (Peters,
Handbuch der Krankenversicherung § 183, Anm. 4 c, Krauskopf, § 50 Anm. 2, BSG SozR 2200 § 183 Nr. 50). Das
BVerfG ist in der Entscheidung in SozR 2200 § 183 Nr. 54 ohne nähere Ausführungen davon ausgegangen, daß auch
bei freiwillig Versicherten Doppelleistungen zu vermeiden seien. Denn es handelte sich um Vorlagen, die freiwillig
versicherte Selbständige betrafen. Das BVerfG hat nur geprüft, ob die konkrete Ruhensregelung verfassungsgemäß
ist und entschied, es sei mit Art. 3 GG nicht vereinbar, daß nach § 183 Abs. 6 RVO (der dem § 50 SGB VI
entsprechenden Regelung) der Bezug von Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder von
Übergangsgeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung auch insoweit zum Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld
führt, als dieses höher wäre. Daß Ru- hen auch bei den freiwillig versicherten Selbständigen, um deren Verfahren es
bei den Entscheidungen des BVerfG ging, dem Grunde nach zulässig ist, wurde vom BVerfG für selbstverständlich
erachtet.
Die auf den Kläger anwendbare Regelung des § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB V ist verfassungsgemäß und die Berufung hat
demnach keinen Erfolg.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.