Urteil des LSG Bayern vom 23.01.2007

LSG Bayern: okkupation, souveränität, staatsgebiet, begriff, eingliederung, regierung, tschechische republik, schutzzone, genfer abkommen, haager abkommen

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 23.01.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 11 R 810/04 SLK
Bayerisches Landessozialgericht L 14 R 612/06
Bundessozialgericht B 5a/5 R 96/07 B
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 26. Juli 2006 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Zahlung einer Altersrente nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in
einem Ghetto vom 20.06.2002 (ZRBG) aufgrund einer behaupteten Beschäftigung im Lager N. vom 14.01.1942 bis
29.08.1944, wobei aufgrund eines Rentenantrags vor dem 30.06.2003 (Stichtag gemäß § 3 Abs.1 ZRBG mit Fiktion
der Rentenantragstellung am 18.06.1997) die Rente ab dem 01.07.1997 gezahlt werden soll, hilfsweise ab 01.12.2003,
wenn die Wartezeit nur unter Zusammenrechnung der deutschen und slowakischen Beitragszeiten gemäß dem
deutsch-slowakischen Sozialversicherungsabkommen vom 12.09.2002 erfüllt ist.
Die 1929 geborene Klägerin, eine Staatsbürgerin der Slowakischen Republik mit Wohnsitz in B. , hat mit einem bei der
Beklagten am 20.06.2003 eingegangenen Schreiben vom 16.06.2003 Antrag auf Altersrente bzw. auf Überprüfung der
bisherigen Renten unter Hinweis auf das ZRBG gestellt, weil sie Verfolgte im Sinne von §§ 1 ff.
Bundesentschädigungsgesetz (BEG) sei und vom 14.04.1942 bis 29.08.1944 innerhalb des "Arbeitslager-Ghettos" N.
in der Slowakei, bewacht von Hlinka-Gardisten, sechs Stunden täglich in der Schneiderei Hilfsarbeiten gegen Essen
dreimal am Tag, Kleidungsstücke und einen Lebensmittelzuschuss verrichtet habe. Einen Antrag auf Entschädigung
habe sie auch bei der Claims Conference Frankfurt (CEEF) gestellt.
Die Klägerin gab ferner an, aufgrund von Beschäftigungen als Verkäuferin, Korrespondentin und Sekretärin zwischen
März 1947 und Dezember 1988 seit Juli 1983 Altersrente von der Sozialversicherungsanstalt der Slowakei zu
beziehen. Laut dem im Berufungsverfahren vorgelegten Rentenbescheid vom 02.06.1983 sind im
Versicherungsverlauf 168 Tage im Jahre 1942, 365 Tage im Jahre 1943 und 241 Tage im Jahre 1944 als
Beschäftigungszeiten erfasst, dann wiederum Zeiten von 1947 bis 1983.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 28.05.2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil die Wartezeit nicht
erfüllt sei. Es habe sich nicht um eine Arbeit in einem Ghetto, sondern in einem Zwangsarbeitslager gehandelt;
außerdem befinde sich die Stadt N. in der Slowakei, die im Zweiten Weltkrieg zu den mit dem Deutschen Reich
verbündeten Staaten gehört habe; das Lager habe sich nicht in einem Gebiet befunden, dass vom Deutschen Reich
besetzt oder diesem eingegliedert gewesen sei. Mangels irgendwelcher Beitragszeiten in der deutschen
Rentenvesicherung könnten auch nicht Ersatzzeiten für die erlittene Verfolgungszeit berücksichtigt werden.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch wurde geltend gemacht, bei dem "Ghetto-Lager N." habe es sich nicht um
ein klassisches Arbeitslager gehandelt, sondern um ein Muster-Ghetto, welches den Bewohnern äußerst gute
Lebensbedingungen ermöglicht habe. Außerdem habe es sich nach dem Inhalt bestimmter (nicht vorgelegter)
Stellungnahmen bei der Slowakei nicht um einen mit dem Deutschen Reich verbündeten Staat gehandelt. Es erging
hierauf der ablehnende Widerspruchsbescheid vom 14.07.2004.
Im anschließenden Klageverfahren machte die Klägerin geltend, sie sei am 14.01.1942 in das Ghetto N. verbracht
worden, wo sie als Reinigungskraft gearbeitet habe. Nach den tatsächlichen Verhältnissen habe es sich bei dem
Lager, laut historischer Literatur ein Arbeitslager, nicht um ein reines Zwangsarbeitslager gehandelt, sondern aufgrund
der Umstände (Judenrat, Schule, Krankenhaus, später Einrichtung eines Kulturprogramms) um ein Ghetto.
Zur Begründung der Klage wurde die Stellungnahme der Dr.Z. vom 01.02.2004 vom Institut des Staates und des
Rechtes der Akademie der Wissenschaften in B. (Slowakische Republik) und der Dr.Z. vom 13.01.2004 vom
Historischen Armeeinstitut P. , Tschechische Republik, vorgelegt. In Letzterem wurde zur Ablehnung einer
Ghettorente gegenüber einem Herrn B. wohl vor allem in Bezug auf die Begründung, dass die Slowakei ein
verbündeter Staat des Hitlerreiches gewesen sei, auf geschichtliche Daten und die Abhängigkeit der Slowakei vom
Deutschen Reich hingewiesen (Schutzvertrag zwischen dem Deutschen Reich und dem Slowakischen Staat vom
23.03.1939 einschließlich des geheimen Protokolls hierzu über wirtschaftliche Fragen; Einrichtung einer Schutzzone
am 12.08.1939; Vertrag über die Militärwirtschaft im Januar 1940; Umbesetzung der slowakischen Regierung aufgrund
eines Gesprächs zwischen Hitler und Staatspräsident Tiso am 28.07.1940 in Salzburg; Tätigkeit von deutschen
Beratern in der Slowakei, unter anderem von Dr.W. im August 1940 in Judenfragen; Umsetzung der Gewaltisolierung
der Juden durch Konzentration in Stadtteilen/ Ghettos und in Arbeitslagern mit dem Ziel der Deportation in
Vernichtungslager).
Dr.Z. schilderte in ihrer Äußerung zur Stellung des Slowakischen Staates zum Deutschen Reich während des Zweiten
Weltkrieges und zur Lage der Juden die geschichtlichen Vorgänge: Erstes Münchener Abkommen vom 29.09.1938 -
Abtretung des Sudetenlandes; verfassungswidrige Autonomieerklärung der Slowakei vom 06.10.1938 (Anmerkung des
Senats: Die Erklärung war nicht vom Deutschen Reich initiiert und wurde von der tschechoslowakischen Regierung
widerspruchslos hingenommen und das Staatsgebiet in Tschecho-Slowakei umbenannt); Zerschlagung der Rest-
Tschechoslowakei bei der von Hitler forcierten Unabhängigkeitserklärung der Slowakei am 14.03.1939; Schutzvertrag
vom 18./23.03.1939 mit vertraulichem Protokoll vom 08.02.1939 über die wirtschaftliche und finanzielle
Zusammenarbeit usw. Aus vielfältigen Schriftstücken über die Einflussnahme des Deutschen Reiches auf die
Slowakei leitete Dr.Z. ab, dass die Slowakei kein Staat im richtigen Inhalt des Wortes gewesen sei, sondern eine
Form der Okkupation aus der Position der politischen und militärischen Kraft des Deutschen Reiches. Hierzu verwies
sie auch auf die Anerkennung der tschechisch-slowakischen Exilregierung in London (Anm. des Senats: 1940) durch
Großbritannien und 1941 durch die USA sowie auf die "Nichtigkeitserklärung" des Münchener Abkommens vom
29.09.1938 und des Beschlusses der Arbitrage vom 02.11.1938 (Wiener Schiedsspruch über die Grenzziehung mit
Zuweisung der Südslowakei und der Karpatenukraine an Ungarn) durch Frankreich (in späteren Jahren) und durch
Italien im September 1944, weiterhin auf die Dekrete des tschechoslowakischen Exil-Präsidenten seit 1940 ("Benes-
Dekrete"), die das tschechoslowakische Parlament am 28.03.1946 gebilligt habe und die zum Bestandteil der
Rechtsordnung des tschechisch-slowakischen Staates geworden seien. Dr.Z. schloss ihre Stellungnahme
dahingehend ab, dass kein neuer Aspekt bestehe, der zu der Annahme führen könne, dass die Voraussetzungen des
§ 1 ZSBG (gemeint: ZRBG) nicht gegeben seien.
Die Klägerin legte ferner eine kurze Stellungnahme des Instituts für Zeitgeschichte M. vom 06.04.2006 zur Berufung
beim Bayer. Landessozialgericht L 16 R 891/05 vor, wonach die Slowakei durch den Schutzvertrag in eine Art
Vasallenverhältnis zum Großdeutschen Reich getreten sei und während des Zweiten Weltkrieges slowakische
Truppen auf deutscher Seite gekämpft hätten; während die slowakische Außenpolitik ganz der deutschen
untergeordnet worden sei, habe das Regime unter Tito innenpolitisch eine gewisse Selbstständigkeit wahren können.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 26.07.2006 ab und führte hierzu aus: "Nach Überzeugung der
Kammer lag N. nicht in einem Gebiet, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war. Die Kammer
schließt sich insoweit den Ausführungen des Bayerischen LSG in seinem Urteil vom 27.04.2006 (L 13 R 61/06,
m.w.N.) zu einem vergleichbaren Sachverhalt an. Das Bayerische LSG verweist in dieser Entscheidung unter
anderem auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 18.03.1982, 11 RA 28/81, SozR 5750 Art.2
§ 41a Nr.1) sowie des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 25.05.1971, III C 104.67, BVerwGE 38, 122;
Urteil vom 21.10.1971, III C 102.67, BVerwGE 39, 22), die bereits Aussagen zur historischen Entwicklung der
Slowakei trifft. Nach den Feststellungen des BSG gehörte die Slowakei jedenfalls in den Jahren 1938 und 1939 nicht
zu den in das Deutsche Reich eingegliederten Gebieten, sondern war bis 1945 ein völkerrechtlich selbständiger Staat
geblieben. Auch das BVerwG geht davon aus, dass die Slowakei niemals formell in das Deutsche Reich eingegliedert
und erst im August 1944 militärisch unterworfen worden ist. Dass sich das Deutsche Reich in Art.2 des
Schutzvertrages vom 23.03.1939 die Errichtung einer Schutzzone entlang der Grenze zum Protektorat Böhmen und
Mähren ausbedungen habe, habe jedenfalls nicht dazu geführt, dass das gesamte Staatsgebiet der Slowakei als
besetzt anzusehen war. Eine militärische Unterwerfung der Slowakei habe nicht allein darin gelegen, dass in der
Schutzzone deutsche Truppen stationiert worden seien - zumal die Stationierung vertraglich geregelt gewesen sei.
Selbst der militärische Einmarsch deutscher Truppen in der Schutzzone habe keine Unterwerfung der in diesem
Gebiet weiterhin bestehenden slowakischen Staatsgewalt bezweckt. Die Besetzung habe rein militärischen Zielen
gedient.
Die von der Klägerin geltend gemachte Abhängigkeit der slowakischen Regierung vom Deutschen Reich bzw. die
Einflussnahme auf die slowakische Regierung bedingen keine Besetzung oder Eingliederung im Sinne der
Vorschriften des ZRBG. Und der vom BVerwG ab Juli 1940 angenommene unmittelbare Einfluss der deutschen
Staatsführung ist einer Besetzung in diesem Sinne nicht gleichzustellen.
Eine Eingliederung liegt nicht vor, wenn ein zunächst fremdes Staatsgebiet dem eigenen Staatsgebiet durch
Rechtsakt (Gesetz, Erlass oder ähnliches) angegliedert wird (Annek- tion). Im Gegensatz zur Eingliederung wird bei
einer Besetzung (Okkupation) das eroberte Staatsgebiet eines fremden Staates nicht in das eigene Staatsgebiet
einverleibt. Für die Auslegung des Begriffes der Besetzung, der im ZRBG selbst nicht definiert ist, kann auf Art.42 der
Haager Landkriegsordnung (HLK) vom 18.10.1907 zurückgegriffen werden. Danach gilt ein Gebiet als besetzt, wenn
es sich tatsächlich in der Gewalt des feindlichen Heeres befindet. Die Besetzung erstreckt sich nur auf die Gebiete,
wo diese Gewalt hergestellt ist und ausgeübt werden kann. Für eine Besetzung im völkerrechtlichen Sinne ist daher
charakteristisch, dass der besetzende Staat vorläufig die tatsächliche Gewalt über ein fremdes Staatsgebiet ausübt.
Der fremde Staat muss über ein militärisch erobertes Gebiet die Gebietshoheit bzw. eine der Gebietshoheit ähnliche
Zwangsgewalt ausüben; er muss die oberste Gewalt übernommen haben. Unter Gebietshoheit ist das Recht zu
verstehen, auf dem besetzten Gebiet gegenüber den Bewohnern Akte der Staatsgewalt zu setzen, z.B. Gesetze zu
erlassen oder Steuern zu erheben (Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 27.01.2006, L 4 RJ 126/04 m.w.N.).
Diese Auslegung des Begriffes der Besetzung entspricht nach Auffassung der Kammer auch dem Willen des
Gesetzgebers. Die Gesetzesbegründung macht zweifelsfrei deutlich, dass sich der Gesetzgeber bewusst dafür
entschieden hat, den Anwendungsbereich des ZRBG auf Ghettos in solchen Gebieten zu beschränken, die durch das
Deutsche Reich besetzt oder dem Deutschen Reich eingegliedert gewesen sind. "Dabei wird unterstellt, dass ein
Ghetto in den eingegliederten oder besetzten Gebieten in besonderem Maße der hoheitlichen Gewalt des Deutschen
Reichs ausgesetzt war ... Es kommt nicht darauf an, in welchem vom Deutschen Reich beherrschten Gebiet die
Beitragszeiten zurückgelegt worden sind" (BT-Drs. 14/8583, S.5 Ziff. A I und S.6 zu § 1). Dementsprechend liegt eine
Besetzung im Sinne des ZRBG nur vor, wenn das Deutsche Reich in ähnlicher Art und Weise sowie Umfang die
Staatsgewalt über das in Frage stehende Gebiet ausgeübt hat wie im Falle der Eingliederung.
Auch unter Berücksichtigung des zwischen dem Deutschen Reich und der Slowakei geschlossenen Schutzvertrages
übte das Deutsche Reich in der streitgegenständlichen Zeit die Staatsgewalt über das Gebiet der Slowakei bzw.
zumindest über Teile davon nicht in dem vom ZRBG geforderten Umfang aus. Nach dem Schutzvertrag nahm das
Deutsche Reich die politische Unabhängigkeit des slowakischen Staates in Schutz. Hierzu war das Deutsche Reich
ermächtigt, in der sog. Schutzzone Militärobjekte zu errichten und diese mit Militärkräften zu besetzen sowie deren
Versorgung sicherzustellen. Die Ausübung der Militärrechte in der Schutzzone stand dem Deutschen Reich zu und die
slowakische Außenpolitik sollte in engem Verständnis mit der Deutschen Regierung geführt werden. Die Ausübung
dieser Kompetenzen ist nicht automatisch mit einer Besetzung gleichzustellen. Solche Maßnahmen sind nicht als
Zeichen der Entmachtung, sondern als Folgeerscheinungen eines Bündnisses oder gemeinsamer militärischer
Operationen zu beurteilen (vgl. auch Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 27.01.2006, L 4 RJ 126/04 m.w.N., zur
Situation Rumäniens).
Dabei verkennt die Kammer nicht, dass das Deutsche Reich einen erheblichen tatsächlichen Einfluss in der Slowakei
hatte. Teilweise findet sich insoweit die Bezeichnung "Satellitenstaat". Grundlage der (militärischen) Aktivitäten
deutscher Hoheitsträger waren aber vertragliche Vereinbarungen. Die Kammer geht davon aus, dass die Slowakei
trotz des Einflusses des Deutschen Reiches ihre Staatssouveränität behalten hat. Seit 14.03.1939 bis zumindest zur
Besetzung durch deutsche Truppen nach dem Slowakischen Nationalaufstand am 29.08.1944 war die Slowakei ein
unabhängiger Staat (vgl. auch Der Brockhaus in Fünfzehn Bänden, Band 13, 1999, Stichwort "Slowakische Republik",
www.yadvashem.org und www.wikipedia.de). Die von der Klägerin vorgelegten wissenschaftlich-historischen
Ausführungen sind nicht geeignet, die Kammer von einer gegenteiligen Auffassung zu überzeugen."
Das Sozialgericht verneinte ferner eine Beschäftigung wegen der fehlenden Voraussetzung "Entgeltlichkeit" und
äußerte darüber hinaus erhebliche Zweifel an der Freiwilligkeit der Beschäftigung.
Mit dem Rechtsmittel der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rentenbegehren weiter und legt einen Rentenbescheid der
Sozialversicherungsanstalt in B. vom 02.06.1983 sowie eine Karteikarte vor, laut der ihre Personalien im "N.-
Arbeitslager" am 01.09.1942 aufgenommen worden sind.
Abschließend reicht sie eine weitere Stellungnahme der Dr.Z. vom 28.11.2006 ein, die unter Zitierung zahlreicher
historischer Dokumente darzulegen versuchte, dass der slowakische Staat von 1939 bis 1945 - u.a. wegen des
Einflusses des Deutschen Reichs und wegen der durch das tschechoslowakische Parlament nachträglich
sanktionierten Benes-Dekrete - rückwirkend für "nullitär und nichtig von Anfang an" erklärt worden sei und alles auf die
Kontinuität des tschechoslowakischen Staates (eingeschlossen der Slowakei) ab dem Jahre 1918 hinweise. Unter
Bezugnahme hierauf vertritt die Klägerin die Ansicht, dass die Slowakei damals faktisch keine völkerrechtliche
Souveränität besessen habe. In diesem Zusammenhang müsse es für die Anwendung des ZRBG ausreichen, dass
zumindest Teile der Slowakei vom Deutschen Reich militärisch besetzt worden seien. Zutreffend habe das
Sozialgericht Landshut festgestellt, dass das Deutsche Reich in der sogenannten Schutzzone ermächtigt gewesen
sei, diese mit Militärkräften zu besetzen. Hier habe eine faktische Entmachtung der Slowakei vorgelegen, so dass ein
Bündnis zweier souveräner Staaten nicht angenommen werden könne. Demgemäß müsse müsse vorliegend von einer
Besetzung im Sinne des ZRBG ausgegangen werden.
Der Senat hat aus dem Internet verschiedene Artikel über die geschichtlichen Vorgänge im Zweiten Weltkrieg,
insbesondere zur Stellung der Slowakei von 1939 bis 1945 und zu der dortigen Judenverfolgung beigezogen, und die
Beteiligten wiederholt zu einer Sachentscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung angehört.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung, hilfsweise Abänderung des Urteils vom 26.07.2006
und des Bescheides vom 28.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2004 zu verurteilen, ihr
Altersrente zum frühestmöglichen Zeitpunkt unter Berücksichtigung einer Beitragszeit vom 14.01.1942 (gemeint
möglicherweise: 14.04.1942) bis 29.08.1944 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge, die zu Beweiszwecken beigezogene
Versichertenakte der Beklagten und die oben genannten zeitgeschichtlichen Abrisse, auf deren Inhalt Bezug
genommen wird, vor.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung (§§ 143 ff., 151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) ist unbegründet.
Der Senat konnte hierüber durch Beschluss entscheiden, weil er - nach Anhörung der Beteiligten - die Berufung
einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hielt (§ 153 Abs.4 SGG).
Auch der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, dass der Klägerin mangels fingierter Beitragszeiten nach § 1
ZRBG und mangels sonstiger Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung kein Anspruch auf Regelaltersrente
zustehen kann, deren Voraussetzungen nur bei Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren gegeben wären (§
35, § 50 Abs.1 Nr.1, § 51 Abs.1 und Abs.4 Sozialgesetzbuch Teil VI - SGB VI), gegebenenfalls unter zusätzlicher
Berücksichtigung ("Zusammenrechnung") der in der BRD und in der Slowakischen Republik zurückgelegten
Versicherungszeiten aufgrund des deutsch-slowakischen Sozialversicherungsabkommens vom 12.09.2002. Die
Wartezeit kann mit freiwilligen Beiträgen oder Pflichtbeiträgen erfüllt werden, auch mit Ersatzzeiten (vgl. insbesondere
§ 250 Abs.1 Nr.4 SGB VI i.V.m. §§ 43, 47, 11 BEG - Verfolgungszeit ab dem 14. Lebensjahr), wenn mindestens ein
Beitrag zur deutschen Rentenversicherung und damit die Versicherteneigenschaft vorliegt (vgl. § 250 Abs.1 Satz 1, 1.
Halbsatz SGB VI).
Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach dem Bundesrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind
oder nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (§ 55 Abs.1 Satz 1 und Satz 2 SGB VI). Mangels Beiträgen zur
deutschen Rentenversicherung kommt nur die Fiktion von Beitragszeiten nach dem ZRBG in Frage, die aber
vorliegend nicht greift. Dieses Gesetz gilt nur für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich
dort zwangsweise aufgehalten haben, wenn 1. die Beschäftigung a) aus eigenem Willensentschluss
zustandegekommen ist, b) gegen Entgelt ausgeübt wurde und 2. sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen
Reich besetzt oder diesem eingegliedert war, soweit für diese Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System
der sozialen Sicherheit erbracht wird (§ 1 Abs.1 Satz 1 ZRBG).
Vorliegend soll die Frage, ob die Klägerin in einem Ghetto beschäftigt war, dahingestellt bleiben. Das Lager in N. ist in
allgemein zugänglichen Listen nicht als Ghetto erfasst, sondern wird teils als Sammel- und Durchgangslager (Form
eines Konzentrationslagers) und teils als Arbeitslager bzw. Zwangsarbeitslager genannt. Offenbar hat sich der
Charakter des Lagers von Mai bzw. September 1942 bis August 1944 - insoweit mehr ein Arbeitslager - anders
dargestellt als in den davor und danach liegenden Zeiträumen (vgl. z.B. Institut für Zeitgeschichte vom 06.04.2006 für
das Lager N. und "Concentration camp and labor camp in Slovakia" in "Encyclopedia of the Holocaust" für das Lager
Sered). So werden in der Literatur bessere Lebensbedingungen für die Zeit von Herbst 1942 bis Herbst 1944
beschrieben. Einzuräumen ist hier durchaus die Schwierigkeit der Klassifizierung des Lagers als Ghetto, die einerseits
auf dem relativ unbestimmten Begriff Ghetto beruht, andererseits da- rauf, dass frühere Lager in der Zeit von 1942 bis
1944 unter der relativ gemäßigten, den Zielen des Deutschen Reiches nicht weit genug gehenden slowakischen
Führung in einer Weise (Unterbringung ganzer Familien, Einrichtung eines Judenrates und teilweise auch Kindergärten
und Schulen für Kinder; keine Hinrichtungen) betrieben worden sind, dass manchen Konzentrationslagern und
Zwangsarbeitslagern der eher untypische Charakter eines Ghettos zugeschrieben wurde (so z.B. Dr.Z. vom
13.01.2004, vgl. hierzu auch Institut für Zeitgeschichte vom 06.04.2006). Zwar wurde durch die Anordnung
Nr.198/1941 des Slowakischen Gesetzbuches die (schon vorher eingeschränkte) Rechtsstellung der Juden unter
Zugrundelegung der Rassentheorie anstelle der ursprünglich religiös definierten antijüdischen Gesetzgebung neu
geordnet und weiterhin in Richtung Evakuierung aus der Slowakei drastisch beeinträchtigt. Die Wirksamkeit dieser
Verordnung wurde aber durch das Grundgesetz Nr.68 vom 15.05.1942 wieder eingeschränkt (vgl. Bibliographie des
Prof.Eduard Niznansky der Commenius Universität Bratislava, Kapitel VII "The Persekution and Extermination of the
Jews" zu einem ersten, verdeckten Akt des Widerstands gegen den deutschen Druck). Bemerkenswert ist hier auch
der von slowakischer Seite veranlasste Abbruch der Deportationen im Herbst 1942 und die Wiederaufnahme erst
wieder im Herbst 1944 nach dem slowakischen Aufstand (vgl. u.a. Tatjana Tönsmeyer, Das Deutsche Reich und die
Slowakei 1939 - 1945, Politischer Alltag zwischen Kooperation und Eigensinn), weiterhin das von 1941 bis 1944
bestehende Regierungsprogramm, die vom Wirtschaftsleben ausgeschlossenen Juden zu konzentrieren und ihre
Arbeitskraft zugunsten der slowakischen Nationalwirtschaft zu nutzen, was auch einen gewissen (beschränkten)
Schutz vor Deportationen mit sich brachte (vgl. Osteuropa-Zentrum Berlin, Zwangsarbeitslager in der Slowakei in den
Jahren 1948 - 1953 unter dem Kapitel "Zwangsarbeit auf dem Gebiet der Slowakei vor dem Jahre 1948").
Ebenso wie der Charakter des Lagers in N. soll auch die angeblich von der Klägerin freiwillig geleistete und entgoltene
Arbeit offen bleiben. Jedenfalls ist gesichert davon auszugehen, dass das Lager oder gegebenenfalls Ghetto in N.
nicht in einem Gebiet lag, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war. Insoweit nimmt der Senat
Bezug auf die Begründung des erstinstanzlichen Urteils (§ 153 Abs.2 SGG), wobei er allerdings die Frage, ob die
Slowakei von 1939 bis 1945 ein autonomer bzw. souveräner Staat im Sinne des Völkerrechts gewesen ist,
dahingestellt lassen will. Hierauf kommt es im Rahmen des § 1 ZRBG nicht an.
Sicherlich verleitet die vor allem von der Beklagten benutzte Argumentation, die Slowakei sei ein "eigenständiger, mit
dem Deutschen Reich verbündeter Staat" bzw. ein "völkerrechtlich selbständiger Staat" gewesen und schon
deswegen sei eine Besetzung (Okkupation) oder eine Annexion (Eingliederung) auszuschließen, zu der
Gegenbehauptung, dass eben ein souveräner Staat nicht vorgelegen und deswegen eine Besetzung bestanden habe.
Eine solche Reaktion erscheint verständlich und naheliegend; den Senat nicht zu überzeugen vermochte allerdings
der Spagat von einem "Staatsgebilde", dem wegen massiver Beeinflussung von außen keine Souveränität zukommen
soll, zu dem Akt einer Okkupation im Sinne von § 1 ZRBG. Das erste beinhaltet zwangsläufig noch nicht das zweite,
und insoweit besteht in der Argumentationskette der Klagepartei eine erhebliche Lücke.
Tatsache ist, dass es bisher weder Historikern noch Juristen noch internationalen Gremien gelungen ist,
völkerrechtliche Fragen zum Ersten Münchener Abkommen und den darauf bis 1946 folgenden Ereignissen mit
allseitiger Akzeptanz zu beantworten und zu lösen, und dass nach wie vor erhebliche Bestrebungen erkennbar sind,
einseitige Schuldzuweisungen vorzunehmen, an zum Teil überholten Positionen festzuhalten und aus national-
beschränkter Sicht übergreifende Ereignisse einseitig zu interpretieren. Wenig sachdienlich erscheint es dem Senat,
einen solchen Streit, der auch die Eigenständigkeit der Slowakei während des Zweiten Weltkriegs berührt, in ein
Gesetz hineinzutragen und im Rahmen dieses Gesetzes auszutragen, das erkennbar nicht auf eine objektiv einzig
mögliche und richtige Lösung der diskutierten Streitfragen als maßgebende Grundlage abstellt.
In historischer Hinsicht sind die Fakten weitgehend, zum Beispiel von österreichischer, slowakischer und deutscher
Seite, zusammengetragen, abgearbeitet und ausgewertet worden. Der Senat vermag seit der Wiedergabe des
historischen Geschehensablaufes in den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.05.1971 und 21.10.1971
aufgrund zeitgeschichtlicher Gutachten keine wesentlich neuen Tatsachen festzustellen. Auch aus den
Stellungnahmen der Dr.Z. ergeben sich keine grundlegenden neuen Tatsachen. Die historischen Tatsachen und
verschiedene Dokumente, die Einblick in damalige Geschehnisse, politische Pläne und Absichten sowie
Machtverhältnisse geben, sind von ihr durchaus zutreffend wiedergegeben worden, wenn auch eine gewisse einseitige
"parteiische" Darstellung durch Weglassen einzelner Fakten oder vage, irreführende Umschreibungen erkenntlich ist.
So vermisst der Senat eine ausgewogene Darstellung, wenn nach der Schilderung der äußeren Einflüsse auf die
Entstehung des Staatsgebildes der Slowakei im Jahre 1939 und des teils fremdbestimmten Agierens dieses Staates
in der Folgezeit nicht auch die nationalen Bestrebungen der Slowaken nach Autonomie und Souveränität und die
außen- und insbesondere innenpolitische Umsetzung der genannten nationalen Bestrebungen Erwähnung finden. Nicht
angesprochen wurde das slowakische Emanzipierungsbestreben, das sich - nach Bildung eines
Tschechoslowakischen Staates im Jahre 1918 und nach dem unverbindlichen Versprechen einer Selbstverwaltung -
im Jahre 1938 realisierte, als eine weitgehende Autonomie der Slowakei im Rahmen der Tschecho-Slowakei erreicht
wurde. Unerwähnt blieben die Bestrebungen des Landes, teils nach Autonomie und teils nach Souveränität, in der
Folgezeit bis hin zum Verfassungsgesetz vom 21.07.1939, in dem - vor allem aufgrund des vorbestehenden
tschechoslowakischen Rechts und der vorher geschaffenen Staatsorgane - nach vorausgehender
Unabhängigkeitserklärung vom 14.03.1939 ein eigenständiger Staat für eine ethnisch, sprachlich und kulturell eigene
Nation konstituiert werden sollte (vgl. die Abschnitte 2 bis 10 unter anderem mit Parlament, Präsident, Regierung,
Staatsrat, territorialer Selbstverwaltung , Justiz sowie Pflichten und Rechten eines Bürgers ), wobei hierzu unter
anderem auch die Meinung "souveräner Staat, zuerst erzwungen, letztlich aber gewollt" vertreten wird
(www.verfassungen.de/sk/verf39.htm unter Bezug auf Mohr/Siebeck, Jahrbuch des öffentlichen Rechts, Band 44
N.F.). Ein langfristiger Ausblick auf die Autonomiebestrebungen der Slowakei hin bis 1992/1993 (Proklamation der
Unabhängigkeit von Tschechien am 17.07.1992, souveräner Staat am 01.01.1993) fehlt ohnehin, wird davon
abgesehen, dass Dr.Z. - wie viele - die Slowakische Republik 1993 nicht als Nachfolger der ehemaligen Slowakischen
Republik 1939 verstanden haben will.
Bedeutsam erscheint dem Senat das von Dr.Z. nicht beschriebene, innerstaatlich weitgehend freie Agieren der
Regierung und des staatseigenen Verwaltungsapparats von 1939 bis Ende 1944. Trotz Beeinflussung durch das
Deutsche Reich - so nennen die historischen Quellen insgesamt 28 oder 29 deutsche Berater anstelle des von Dr.Z.
vor allem genannten deutschen Beraters in Judenfragen - bestand eine weitgehend eigenständige Gesetzgebung und
Verwaltung, und das Bestreben der Berater wird - ausgenommen in Juden- und Wirtschaftsfragen - als mäßig
erfolgreich bis gescheitert geschildert (vgl. zum Beispiel Tatjana Tönsmeyer, Das Dritte Reich und die Slowakei 1939
- 1945, nach den Rezensionen von Catherine Horel, Universität Paris I, und von Emilia Hrabovec, Universität Wien:
Es soll dem Deutschen Reich nicht gelungen sein, einen Einfluss auf die öffentliche Meinung in der Slowakei
auszuüben, das Verhalten der Führungseliten und des Beamtenapparats zu ändern und die institutionellen Grundlagen
der slowakischen Staatsmacht nach dem deutschen Beispiel zu modellieren, ebenso wenig, die Polizei im deutschen
Sinne gleichzuschalten oder deutsche sozialpolitische Lenkungsinstrumentarien in die Slowakei zu verpflanzen).
Irreführend wirken die historischen Ausführungen der Dr.Z. bereits insoweit, als sie anmerkt, dass der Slowakische
Staat keinen Staat im Sinne des Wortes dargestellt habe, auch wenn er anfangs von "manchen" Staaten anerkannt
worden sei, wozu sie später abschließend bemerkte, dass England, Frankreich, Italien und die tschechoslowakische
(Exil-)Regierung die Nichtigkeit des Münchener Abkommens 1938 und damit die rechtliche Nichtigkeit des
Slowakischen Staates in den Jahren 1939 bis 1945 bestätigt hätten. Unabhängig von juristischen Auswertungen bleibt
insoweit darauf hinzuweisen, dass nach den geschichtlichen Quellen der Slowakische Staat nicht von manchen,
sondern einem Großteil der Staaten anerkannt worden ist (circa 27 bis 29 Staaten), darunter die Sowjetunion, Polen,
Frankreich und Großbritannien ("Historischer Rückblick ..." in Oficialna Stranka Katolickej Cirkvi na Slovensku unter
www.kbs.sk/?cid=1117026345 und "Mitgliedstaaten des Europarates", Slowakische Republik S.287 unter
www.uni.potsdam.de, MS-Europa Slowakei-1).
Der Senat will mit den oben stehenden Hinweisen darlegen, dass die historischen Ausführungen der Dr.Z. sich trotz
vieler ins Detail gehender Schilderungen mehr in Richtung eines Parteivortrags bewegen und nicht unbedingt als
übergeordnete neutrale Darlegung und Bewertung aller wesentlichen Fakten anzusehen sind. Wichtiger erscheint dem
Senat aber, dass die von der Klagepartei behaupteten "gutachterlichen Ausführungen der Dr.Z." den Anforderungen
eines staats- und völkerrechtlichen Gutachtens nicht genügen. Insoweit findet keine rechtliche Würdigung der für und
dagegen sprechenden historischen Sachverhalte und keine geordnete rechtliche Subsumtion statt.
Getrennt betrachtet werden müssen hier die Meinung der Wissenschaftlerin einerseits zur fehlenden Souveränität des
Slowakischen Staates im Sinne des Völkerrechts und andererseits zu dem Begriff Besetzung im Sinne des
Völkerrechts und des § 1 ZRBG. Die erste Frage betrifft die Eigenstaatlichkeit der Slowakei (1939 bis 1945), wobei
das Land nach grundlegenden historischen Forschungen mehrerer Länder durchaus trotz versuchter äußerer
Einflussnahme über eine weitgehende innere Autonomie, aber gegenüber Deutschland über eine geringe
außenpolitische Souveränität verfügte. Nach einigen Vertretern der herkömmlichen Staatslehre kann im Hinblick auf
die einen Staat im völkerrechtlichen Sinne kennzeichnenden drei Elemente Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt
als eigene Staatsgewalt innerhalb eines Staatsgebietes und im Sinne einer Unabhängigkeit nach außen (viertes
Element in der angelsächsischen Literatur: Fähigkeit zur Teilnahme am zwischenstaatlichen Verkehr) durchaus
gefolgert werden, dass die Slowakei von 1939 bis 1945 nicht über die Eigenschaft eines Völkerrechtssubjekts
verfügte. Auch bei dieser Meinung können aber nicht außer Betracht bleiben a) die Möglichkeit der Einflussnahme
eines Staates auf den anderen durch Staatsverträge, die die Souveränität einschränken (vertraglich übernommene
Selbstbindung), und b) die allbekannte Tatsache, dass kleine Nachbarstaaten sich oft im faktischen Einflussbereich
einer angrenzenden Großmacht befinden und - auch ohne Verträge - aus der Überlegenheit vielfältigste Formen der
Einflussnahme eröffnet sind, also die Souveränität von vornherein keine absolute sein kann, obwohl sie "als höchste
Gewalt nach innen und Unabhängigkeit nach außen" zu gewissen Zeiten und von gewissen Autoren überspitzt als
schrankenlos interpretiert wurde. Nach herrschender Meinung sollen jedenfalls die unter a) und b) genannten
Tatbestände nicht bereits zur Verneinung der Souveränität führen; allerdings ermangelt es dem Begriff der
Souveränität an eindeutigen, allgemein anerkannten Konturen (vgl. Handbuch des Staatsrechts der BRD Deutschland,
herausgegeben von Josef Isensee und Paul Kirchhof, Band I, Grundlagen von Staat und Verfassung, § 15 Randziffern
1 ff., 5. ff.).
Wo nach ihrer Ansicht die Grenzen liegen, hat Dr.Z. nicht dargetan. Randelzhofer (im Handbuch des Staatsrechts
a.a.O., § 15 Randziffern 26 und 32) zieht zum Beispiel die Grenze bei der "Selbstbindung" da, wo durch einen Vertrag
begründete Einschränkungen der Handlungsfreiheit die Substanz der Verfassungshoheit selbst ergreifen. Unter
diesem Gesichtspunkt wären die zwischen dem Deutschen Reich und der Slowakei bestehenden Vereinbarungen wohl
unbedenklicher als zum Beispiel die zwischen der ehemaligen UdSSR und ihren europäischen Verbündeten
geschlossenen Verträge, mit denen sich die UdSSR das Recht zur (militärischen) Intervention in diesen Staaten
zusichern ließ, falls dort die "sozialistischen Errungenschaften" gefährdet sind, sei es durch äußere Einwirkungen
oder innerstaatliche Entwicklungen (sog. Breschnew-Doktrin); hier wäre die Verfassungshoheit selbst betroffen, da
diesen Staaten damit die Möglichkeit genommen werden sollte, ihr Rechts- und Gesellschafts- system zu ändern
(Randelzhofer, a.a.O.). In diesem Sinne wäre vielen Staaten des sich nach 1945 entwickelnden "Ostblocks" die
durchaus von dritter Seite anerkannte Staatlichkeit eher abzusprechen als der von 1939 bis 1945 bestehenden
Slowakei.
Zur faktischen Ungleichheit zwischen Großmacht oder sog. Supermacht und Kleinstaaten werden unter anderem die
differierenden Ansichten vertreten, dass eine Überlegenheit und eine hegemoniale Stellung dem Prinzip der
souveränen Gleichheit und damit der äußeren Souveränität nicht widersprechen, aber allzu große faktische
Ungleichheiten die äußere Souveränität von Randstaaten generell beseitigen oder in der Regel nicht beseitigen, wobei
bei letzterem berücksichtigt werden könnte, dass die Großmächte in vielfachen Antagonismen stehen und sich ihre
Einflussmöglichkeiten nicht selten gegeneinander aufheben oder zumindest abschwächen. Wo Dr.Z. hier die
rechtliche Grenze ziehen will, zumal das Deutsche Reich nicht die Stellung einer Supermacht erreicht hat und
Schranken der Einflussnahme auf die Slowakei sowohl in Erwägung gezogen als auch berücksichtigt hat, ist dem
Senat nicht ersichtlich.
Ebenso wenig ist erkennbar, ob und inwieweit Dr.Z. der Lehre der Rechtssouveränität zuneigt, die die Souveränität
des Staats als höchste Gewalt schon deswegen verneint, weil zuhöchst keine Gewalt, sondern nur die Rechtsordnung
selbst sein könne (Hugo Krabbe, Die Lehre von der Rechtssouveränität, 1906), oder die Lehre von der Souveränität
als "höchste Gewalt von Rechts wegen" vertritt, gebunden sowohl nach innen als nach außen durch Völkerrecht und
Verfassungsrecht, wodurch der Sichtweise der Legitimität der Staatsgewalt ein größerer Einfluss zugemessen wird.
Ambivalent bleibt das Verhältnis der Dr.Z. zu faktischen Umständen, so zum Beispiel zu der Tatsache, dass dem
mehrheitlichen Streben der Slowaken nach Eigenstaatlichkeit und der mit mehr oder minder großen Abstrichen
erfolgten Umsetzung im Inneren und nach außen auch die weitgehende Anerkennung dritter Staaten folgt. Es ist dem
Senat durchaus bewusst, dass ein Teil der Staats- und Völkerrechtler die Einbeziehung einer solchen Anerkennung,
der in der Praxis eine überragende Bedeutung zukommt, in die Definition von Staat bzw. Souveränität ablehnt. Dr.Z.
hat sich aber selbst auf dieses Gebiet begeben und solchen Mechanismen zugestimmt, als sie in ihrer Abhandlung
großes Gewicht darauf legte, dass die Eigenstaatlichkeit der Slowakei nachträglich durch bestimmte (wenige!)
Staaten für null und nichtig von Anfang an erklärt worden sei, mithin eben ein durch gewisse Machtverhältnisse
begründeter und anerkannter Status später durch Änderung der Machtverhältnisse und entgegengesetzte Erklärungen
beseitigt worden sei. Werden solche Umstände zur Argumentation herangezogen, bliebe weiterhin zu fragen, ob eine
solche Rückwirkung möglich ist oder es für die Vergangenheit bei dem nun einmal geschaffenen und anerkannten
Zustand faktisch verbleiben muss. Eine Auseinandersetzung mit dieser Frage ist nicht ersichtlich. Wenn Dr.Z. neben
den Erklärungen verschiedener Staaten vor allem den Benes-Dekreten und dem heute noch bestehenden Recht der
Tschechoslowakei (jetzt Recht in der tschechischen und in der slowakischen Republik) große Bedeutung zumisst, so
ist jedenfalls hierzu anzumerken, dass eine begrenzt-nationale Sicht seitens eines Staates und die damit
verbundenen innerstaatlichen Regelungen nicht rückwirkend die Frage der Eigenstaatlichkeit oder Nicht-
Eigenstaatlichkeit im Sinne des übergeordneten Völkerrechts beantworten können. Soweit sich Dr.Z. auch auf die
Teilnahme der Tschechoslowakei an der Gründung der Organisation der Vereinigten Nationen berief, vermag der
Senat hieraus nicht die behauptete "dauerhafte Kontinuität" des tschechoslowakischen Staates (einschließlich der
Slowakei) ab dem Jahre 1918 abzuleiten.
Insgesamt gesehen hat Dr.Z. eine Zuordnung bestimmter Sachverhalte nach rechtlichen Kriterien und Grundsätzen
nicht vorgenommen oder dies zumindest nicht dargelegt. Ihre Schlussfolgerungen stellen sich letztlich als
Behauptungen dar, die nicht durch eine rechtliche Auseinandersetzung mit verschiedenen Problemen und durch
hinreichende Argumente begründet sind und keine systematischen dogmatischen Grundsätze erkennen lassen. Der
Senats will sich mit seiner Kritik keineswegs auf die Souveränität der Slowakei von 1939 bis 1945 festlegen; es sollte
hier lediglich dargestellt werden, dass die Ausführungen der Dr.Z. , denen die Klagepartei anscheinend maßgebendes
Gewicht beimisst, in rechtlicher Hinsicht nicht fundiert sind und weder als Rechtsgutachten gewertet werden noch als
rechtliche gutachterliche Stellungnahme maßgebende Bedeutung gewinnen können.
Was für die Stellungnahme der Dr.Z. zu dem Begriff Staat bzw. Souveränität eines Staates gilt, ist erst recht für ihre
kargen Ausführungen zu dem Begriff der Besetzung (und Eingliederung) im Sinne des Völkerrechts und im Sinne des
§ 1 ZRBG anzunehmen. Insoweit kam die Historikerin und Juristin - ohne jegliche Begründung - zu einem neuen
Begriff der Besetzung, wobei sie sich hierbei weder auf die Meinung der Slowakischen Republik (Okkupation der
Slowakei erst nach Ausbruch des antifaschistischen Aufstands im August 1944 laut Erklärung des Slowakischen
Nationalrats, verabschiedet durch Beschluss Nr.78 vom 12.02.1991) noch auf historische Sachverhalte noch auf den
Umstand stützen kann, dass die Slowakei von 1939 bis 1945 nach ihrer Ansicht kein (souveräner) Staat im Sinne des
Völkerrechts gewesen sei; denn eine Okkupation des Gebiets der Slowakei ist auch dann nicht begründbar, wenn
davon ausgegangen wird, dass die Slowakei ab 1939 nach wie vor ein Staatsgebiet der Tschechoslowakei oder der
Tschecho-Slowakei gewesen sein sollte. Die (Mit-)Ursächlichkeit des Deutschen Reiches für die Entstehung eines
autonomen Gebiets im Rahmen der Tschecho-Slowakei (1938) sowie die Forcierung der Unabhängigkeitserklärung
eines zumindest nach außen hin als eigenständig erscheinenden Staates (1939) bei Zerschlagung der Rest-
Tschechoslowakei stellt ebenso wenig eine Okkupation der Slowakei dar wie die nachfolgende, insbesondere
außenpolitische und wirtschaftliche Einflussnahme auf dieses Staatsgebilde mit einer über die abgeschlossenen
Staatsverträge hinausgehenden Machtstellung und einem entsprechendem Drohpotential des Deutschen Reiches.
Insoweit sieht der Senat die Diskussion um die Eigenstaatlichkeit der Slowakei (bis August 1944) als unfruchtbar an;
hier wird ein Streit in eine Gesetzesbestimmung hineingetragen, dem es bisher an einer allgemein anerkannten
internationalen Lösung mangelt, und das Ergebnis der Lösung, sei es zum Beispiel im Sinne des jetzigen
Tschechiens oder der jetzigen Slowakischen Republik oder im Sinne der BRD, ist nicht in § 1 ZRBG zur
Anspruchsvoraussetzung gemacht worden. Nahezu naiv wäre die Annahme, ein deutsches, punktuell der
Entschädigung von Juden dienendes Gesetz würde als Ausgangspunkt zum Teil noch umstrittene nationale
Rechtspositionen wählen, die mit der Frage dieser Entschädigung nicht in notwendiger Weise verknüpft sind.
Das ZRBG spricht zunächst von "Eingliederung eines Gebietes" in das Deutsche Reich, womit der Begriff der
Einverleibung (Aneignung) eines fremden Gebietes oder der Annexion bzw. Annektierung gemeint ist. Eine
Eingliederung der Slowakei in das Deutsche Reich stand vorliegend von vornherein nicht ernsthaft zur Diskussion,
vermutlich deswegen, weil hierunter allgemeinhin im politischen wie auch im völkerrechtlichen Bereich die nicht
einvernehmliche, also einseitige Eingliederung eines unter fremder Gebietshoheit stehenden Territoriums in das
eigene Staatsgebiet unter zwangsläufiger Ersetzung der fremden Staatsgewalt durch die des annektierenden Staates
verstanden wird. Eine Annexion erfolgt meistens durch militärische Gewaltanwendung oder wenigstens unter
Androhung einer solchen und geht über die Okkupation insofern hinaus, als auf dem fremden Territorium nicht nur die
Hoheitsgewalt de facto ausgeübt wird, sondern dieses auch "de jure" in das eigene Staatsgebiet einverleibt wird. Der
Begriff "de jure" bedeutet nicht ein legitimes oder rechtlich erlaubtes Handeln, sondern einen "offiziellen Rechtsakt"
bzw. "formellen Rechtsakt", mit dem ein Gebiet einverleibt, das heißt Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt zu
Lasten und entgegen dem Willen Dritter erweitert wird (z.B. Annexion Südtirols durch Italien 1920, Äthiopiens durch
Italien 1936, des Sudetenlandes 1938 durch das Deutsche Reich infolge des Münchener Abkommens und der
Tschechei bezüglich Böhmen und Mähren 1939).
Eine Besetzung im Sinne des § 1 ZRBG bedeutet bereits der Wortwurzel nach, wie auch das lateinische occupare,
die Inbesitznahme und das In-Besitz-Halten, mithin die Erlangung der Herrschaftsgewalt und die Ausübung dieser
Gewalt. Es besteht hier ein Gegensatz zur Okkupation im früheren und manchmal von Völkerrechtlern jetzt noch
verwendeten Sinne, wonach sich die Okkupation auf die Begründung der Gebietshoheit durch staatsseitige Aneignung
staatlosen, d.h. einer staatlichen Herrschaft nicht (bzw. durch freiwillige Aufgabe nicht mehr) unterworfenen Landes
bezog. Unabhängig davon wurde aber auch insoweit gefordert, dass der Wille zur Beherrschung durch körperliche
Handlungen vollzogen und tatsächlich Besitz ergriffen wird (keine "papierene" Okkupation, sondern tatsächliche
Besitzergreifung durch Betreten des Landes seitens staatlicher Organe und Vornahme gewisser symbolischer
Handlungen, weiterhin durch Einrichtung einer Obrigkeit, die hinreichend ist, um das Gebiet gegen äußere Angriffe zu
verteidigen und Ruhe und Ordnung im Inneren zu sichern - vgl. Deutsches Kolonial-Lexikon, 1920, Band II, S.673 ff.).
Im Gegensatz hierzu bedeutet Okkupation im modernen, völkerrechtlichen Sinne die Inbesitznahme von Territorien
eines anderen Staates. Die übrigen Kriterien sind im wesentlichen dieselben geblieben. Immanent ist dem Begriff,
dass gegen den Willen eines dritten Staates Gewalt ausgeübt oder zumindest angedroht wird, wobei eine solche
Gewalt (bisher) nur militärischer oder auch militärischer Art sein konnte. Die Besetzung beinhaltet das Betreten
(räumliche Inbesitznahme) und die Ausübung umfassender Hoheitsrechte durch das Militär oder nachfolgender eigener
staatlicher Organe, wobei es vom Willen des Besetzers abhängt, ob und inwieweit er beschränkte Rechte abgeleiteter
Art, z.B. die "Zivilverwaltung", dem Besetzten überlässt. Insoweit kann im Einzelnen auf die Ausführungen des
Sozialgerichts verwiesen werden.
Wenn § 1 ZRBG weiterhin von Eingliederung oder Besetzung eines Gebietes spricht, ist damit klar gestellt, dass es
unerheblich ist, ob dieses Gebiet seinerseits von einem anderen besetzt, okkupiert oder "verwaltet" wird oder z.B.
unter der Herrschaft eines souveränen Staates oder eines anderen Staatsgebildes steht. Es muss sich lediglich um
fremdes, d.h. nicht herrenloses Gebiet handeln, wobei keineswegs auf das gesamte fremde Staatsgebiet abgestellt
wird; es kann sich auch um einen "Gebietsstreifen" eines fremden, nicht willentlich aufgegebenen Hoheitsgebiets
handeln wie auch um das gesamte Staatsgebiet oder mehrere Staatsgebiete bzw. Teile hiervon. Welchem konkreten
dritten Staat das besetzte Gebiet berechtigterweise zuzuordnen ist, kann umstritten sein und ist für den Tatbestand
der Okkupation letztlich belanglos. Notwendig bleiben aber die räumliche Inbesitznahme fremden Territoriums und das
In-Besitz-Halten durch Ausübung umfassender Herrschaftsgewalt. Mithin ist der bloße, wenn auch massive Einfluss
von außen auf eine nach wie vor bestehende Herrschaftsgewalt von Organen eines anderen Hoheitsträgers nicht
ausreichend. Hier besteht nicht die Möglichkeit sowohl der (alle wesentlichen Bereiche) umfassenden als auch der
unmittelbaren Machtausübung.
Die Okkupation (und auch die weitergehende Annexion) des tschechoslowakischen Staatsgebiets mit Ausnahme des
slowakischen Gebiets stellt keine Okkupation der Slowakei durch das Deutsche Reich dar (die Okkupation südlicher
Teile der Slowakei durch Ungarn kann hier außer Betracht bleiben). Nachdem sich das Gebiet der Stadt N. auch nicht
innerhalb der aufgrund des Schutzvertrags vom 23.03.1939 errichteten Schutzzone entlang der Grenze zu Böhmen
und Mähren befand, erübrigen sich Ausführungen dazu, dass auch insoweit nicht von einer Unterwerfung des
diesbezüglichen Gebietsstreifens im Sinne einer Okkupation ausgegangen werden kann (vgl.
Bundesverwaltungsgericht vom 25.05.1971, a.a.O.).
Wenn Dr.Z. eine "Form der Okkupation der Slowakei" durch den Schutzvertrag vom 18./23.03.1939 mit vertraulichem
Protokoll über die wirtschaftliche und finanzielle Zusammenarbeit sieht ("eine Form der Okkupation ... anders wie die
Okkupation im Protektorat Böhmen und Mähren") und von der "Existenz des Slowakischen Staates als Form der
Okkupation der Tschechoslowakei" spricht, so bleibt dies letztlich als unbegründete Behauptung und Rechtsansicht
einer Einzelperson im Raume stehen und deckt sich jedenfalls nicht mit den gängigen Definitionen der Begriffe
Okkupation bzw. Besetzung in der Literatur und in der deutschen und internationalen Rechtsprechung. Ebenso fehlt
es der im Zusammenhang mit den Äußerungen der Dr.Z. aufgestellten Behauptung der Klagepartei, entgegen der
Ansicht des Sozialgerichts sei der Begriff der Besetzung im Sinne des ZRBG nicht mit dem (militärischem) Begriff der
Haager Landkriegsordnung identisch, an jeglicher Begründung. Der Senat vermag nicht zu ersehen, warum von dem
auch heute noch aktuellen Begriff der Besetzung (siehe Art.42 der Haager Landkriegsordnung vom 18.10.1907,
RGBl.1910 Nr.2 S.132 ff.) abgewichen werden soll, und kann darüber hinaus keine Quelle für eine Definition im Sinne
der klägerischen Meinung finden. Die Haager Landkriegsordnung ist Anlage zu dem 1907 geschlossenen IV. Haager
Abkommen und ist nicht nur Bestandteil völkerrechtlicher Verträge, sondern hat mittlerweile eine allgemeine Gültigkeit
auch für Nicht-Signaturstaaten erlangt. Darüber hinaus sind wesentliche Teile der Haager Landkriegsordnung in dem
später abgeschlossenen 4. Genfer Abkommen von 1949 mit Zusatzprotokoll erweitert und präzisiert worden. Die
Haager Landkriegsordnung wird von anerkannten Institutionen zur Beurteilung internationaler Konflikte herangezogen
(vgl. das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag vom 09.07.2004 zur Anfrage der UN-
Generalversammlung vom 08.12.2003 - UNGV Res.ES-10/14 - wegen des Baus der israelischen Mauer im
Westjordanland und in und um Jerusalem: Als anzuwendendes Recht seien die Haager Bestimmungen von 1907 als
Teil des normalen internationalen Rechts und die 4. Genfer Konvention von 1949 heranzuziehen. Es folgen dann
Ausführungen über die Okkupation und zum Teil auch die de-facto-Annexion palästinensischer Gebiete). Der Senat
kann den Begriff Besetzung (Inbesitznahme durch eine Besatzungsmacht) keine andere Bedeutung beimessen als sie
im Völkerrecht und im deutschen Sprachgebrauch hat.
Insoweit hilft auch nicht die Meinung des Bevollmächtigten der Klägerin weiter, es könne nicht im Sinne des
Gesetzgebers sein, Anspruchsteller, die in einem Ghetto in der Slowakei inhaftiert gewesen seien, vom
Anwendungsbereich des ZRBG trotz "faktischer Besetzung der Slowakei" (?) auszunehmen; hierin sieht der Senat
keinen Grund für eine extensive Gesetzesauslegung oder - was vorliegend wohl nur als einziges in Frage käme - für
eine Analogie. Von einer "faktischen Besetzung" kann bei Fehlen sowohl der tatsächlichen Inbesitznahme als auch
der Ausübung umfassender und unmittelbarer Herrschaftsgewalt nicht annähernd gesprochen werden. Darüber hinaus
steht der klägerischen Auslegung die Zielrichtung des ZRBG entgegen. Hiermit hat der Gesetzgeber nicht eine
allgemeine Entschädigung bei Verfolgungsmaßnahmen irgendwelcher Art vorgesehen, sondern ergänzend (so
ausdrücklich § 1 Abs.2 ZRBG) nur eine eng begrenzte Fallgestaltung mit Beitragsfiktion regeln wollen, wobei
einerseits sachliche Schranken (Beschäftigung - Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit; Beschäftigung in einem Ghetto) und
andererseits räumliche Schranken gezogen wurden (Beschäftigung in einem Ghetto nur in besetzten oder
eingegliederten Gebieten). Nur bei eingegliederten oder besetzten Gebieten ist wegen des besonderen räumlichen
Bezugs und der unmittelbaren Gewaltausübung die Fiktion einer Beitragspflicht und Beitragsabführung zum deutschen
Sozialversicherungsträger gerechtfertigt.
Zu Recht hat dies bereits der 13. Senat des Bayer. Landessozialgerichts (Urteil vom 07.12.2005 - L 13 R 61/06) unter
Berufung auf die Gesetzesbegründung, ein Ghetto sei in den eingegliederten oder besetzten Gebieten in besonderem
Maße der hoheitlichen Gewalt des Deutschen Reiches ausgesetzt gewesen (Bundestags-Drucksache 14/8583 Teil B
zu 1), ausgeführt. Die vom Gesetz vorgesehenen sachlichen und räumlichen Schranken werden nicht bereits dadurch
gewahrt, dass eine Beeinflussung der slowakischen Regierung und "Verfolgungsmaßnahmen" im Sinne des BEG
schon vor oder ohne Besetzung oder Eingliederung möglich gewesen sind und stattgefunden haben. Das ZRBG geht
von anderen Tatbestandsmerkmalen als § 43 Abs.1 BEG und § 1 Abs.2 der Durchführungsverordnung vom
17.11.1962 aus.
Ein Rentenanspruch ist bereits nach den Tatbestandsmerkmalen des § 1 ZRBG nicht gegeben, so dass sich auch
nicht die weitere Frage stellt, ob die Berücksichtigung der Zeiten im Lager N. in der Altersrente nach slowakischem
Recht eine die Rente nach dem ZRBG ausschließende "Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit" (§ 1
Abs.1 Satz 1 letzter Halbsatz und Satz 2 ZRBG) darstellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich. Bei dem ZRBG
handelt es sich zwar um ein neues Gesetz. Es knüpft jedoch zur Lückenfüllung an bereits bestehende Regelungen an
und wirft im vorliegenden Fall keine grundsätzlichen, bisher unbehandelten Probleme auf.