Urteil des LSG Bayern vom 27.11.2001
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Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 27.11.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bayreuth S 6 P 35/99
Bayerisches Landessozialgericht L 7 P 5/01
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 29.09.2000 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung zu gewähren
sind.
Die am 1988 geborene - bei der Beklagten bis 31.12.1999 familienversicherte - Klägerin leidet an einem 1998
diagnostizierten Diabetes und an den Folgen einer Nierenentfernung im Jahr 1988 wegen einer angeborenen
Doppelanlage der rechten Niere. Auf den Antrag ihrer gesetzlichen Vertreter vom 05.03.1998, ließ die Beklagte eine
medizinische Begutachtung durch ihren medizinischen Dienst - MDK - durchführen. Nach einem Hausbesuch der
Pflegefachkraft P. am 08.06.1998 schätzte Dr.R. den Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege mit 43 Minuten ein. Als
pflegenotwendige Hilfen wurde dabei eine Unterstützung beim Waschen (5 Minuten), beim Duschen/Baden (2
Minuten), bei der Zahnpflege (12 Minuten), im Bereich der Nahrungsaufnahme (14 Minuten), der Mobilität, nämlich
beim Aufstehen/Zu-Bett gehen (4 Minuten), beim An-/Auskleiden (2 Minuten) und beim Verlassenen/Wiederaufsuchen
der Wohnung (4 Minuten) sowie bei der hauswirtschaftlichen Versorgung festgestellt. Daraus resultiere nach Abzug
des Pflegeaufwands eines gesunden gleichaltrigen Kindes von 15 Minuten ein Hilfebedarf von 28 Minuten und von 90
Minuten im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung. Nachts bestehe ein regelmäßiger Bedarf, weil die Klägerin
aufgeweckt werden müsse, damit der Blutzucker kontrolliert und ihr bei Bedarf Nahrung gereicht werden könne. Die
Blutzuckerkontrolle und Insulininjektionen seien allerdings der Behandlungspflege zuzurechnen und seien somit nicht
beim Gesamthilfebedarf zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für die Pflegestufe I lägen nicht vor. Mit Bescheid
vom 30.06.1998 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Im Widerspruch machte die Klägerin geltend, vom zuständigen
Versorgungsamt sei sie mit einem GdB von 60 vH eingestuft worden und das Merkzeichen "H" sei ihr zuerkannt.
Nach der Auffassung des Ausschusses Soziales der Deutschen Diabetes-Gesellschaft würden an Diabetes erkrankte
Kinder die Voraussetzungen der Pflegestufe I regelmäßig erfüllen. Die Beklagte veranlaßte daraufhin eine erneute
Untersuchung durch ihren MDK mit Hausbesuch am 16.10.1998 und kam im wesentlichen zum selben Ergebnis. Von
den jetzt ermittelten 45 Minuten Hilfe im Grundpflegebedarf (vorher 43 Minuten) sei ein Abzug für die Versorgung
eines gleichaltrigen gesunden Kindes in Höhe von 15 Minuten vorzunehmen. Der Grundpflegebedarf sei mit 30
Minuten zu beziffern und erreiche damit nicht die Pflegestufe I. Am 25.03.1999 wies die Beklagte den Widerspruch
zurück.
Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben und im Wesentlichen ihr Vorbringen wiederholt. Auf Veranlassung des
Sozialgerichts hat Dr. G. ein Gutachten nach Untersuchung anläßlich eines Hausbesuch am 08.10.1999 erstattet. Am
09.10.1999 hat der Sachverständige dargelegt, nach seinen Feststellungen belaufe sich der tägliche Hilfebedarf im
Grundpflegebereich auf 39 Minuten. Die Klägerin ließ weitere ärztliche Unterlagen vorlegen. Mit Urteil vom 29.
September 2000 hat das Sozialgericht die Klage - im Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren -
abgewiesen. Zur Begründung hat es dargelegt, die Blutzucker- und Urinkontrollen, Insulininjektionen und zeitlich
gebundenen Nahrungsaufnahmen erfüllten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht die
Voraussetzung sogenannter Katalogverrichtungen. Sie seien der Behandlungspflege zuzurechnen. Dies gelte auch für
die übrigen von der Klägerin genannten Maßnahmen wie Kontrolle der Injektionstellen sowie Fuß- und Fingerpflege.
Das Zusammenstellen, Berechnen, Zubereiten, Abwiegen und Portionieren der Nahrung gehörten ebenfalls nicht zur
Grundpflege. Eine Hilfe im Bereich der Mobilität (Arztbesuch alle 3 bis 4 Wochen), Begleitung zur Schule oder zu
sonstigen Aktivitäten zählten ebensowenig zum Grundpflegebedarf. Dies seien keine Maßnahmen, welche für die
Aufrechterhaltung der häuslichen Existenz unerläßlich seien. Unberücksichtigt bleibe auch die allgemeine
Überwachung und Beaufsichtigung beim Baden bzw. Duschen. Allenfalls könnten für die nächtlichen Hilfsaktionen
wegen zeitweise auftretender Unterzuckerungen, nämlich für das Wecken (4 Min.), was als Umlagern zu qualifizieren
sei, für das Beaufsichtigen und Anleiten bei der Nahrungsaufnahme (10 Min.), das anschließende Zähneputzen (5
Min.) und das Umziehen der verschwitzten Nachtkleidung (7 Min.) angesetzt werden. Bei großzügiger Bemessung
seien im Bereich der Grundpflege Hilfeleistungen im Umfang von 35 Minuten berücksichtigungsfähig. Die
Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld seien nicht erfüllt.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt mit dem Antrag ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG -
von Prof. Dr.G. , Klinik für Kinder und Jugendliche am Klinikum N. einzuholen. Der Senat hat bei der Klägerin
angefragt, ob nach ihrer Auffassung spezielle Fragen an den Gutachter gestellt werden sollten. Die Klägerin hat dies
verneint. Der Senat hat Prof.Dr.G. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Am 13.09.2001 hat der
Sachverständige nach einem Hausbesuch seines Mitarbeiters L. , was im Einverständnis der Klägerin geschah,
ausgeführt, der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege belaufe sich auf 90 Min. täglich. Der wesentliche Hilfebedarf
liege zwar im Bereich der Behandlungspflege, jedoch benötige die Klägerin Hilfe, nämlich in Form der Teilübernahme
und Beaufsichtigung bei der Ganzkörperwäsche 1 x täglich von 7,5 Min., der vollständigen Übernahme bei der
Teilwäsche nachts von Gesicht und Händen durchschnittlich 1,5 x täglich von 5,25 Min., in Form der Beaufsichtigung
beim täglichen Duschen von 10 Min und beim Baden 2 x pro Woche = 10 Min. pro Tag, in Form der vollständigen
Übernahme und Aufsicht bei der Zahnpflege 5 x pro Woche = 7 Min. pro Tag, sowie bei der Nahrungsaufnahme 5 x
täglich jeweils 5 Minuten = 15 Min. pro Tag. Daraus resultierten 54,75 Min. täglicher Hilfebedarf. Hinzukämen im
Durchschnitt 3 Arztbesuche im Monat. Daraus errechne sich ein zusätzlicher Zeitbedarf von 4 Min. pro Tag. Ferner
seien eine Teilübernahme und Aufsicht 5 x pro Woche beim Aufstehen und Zu-Bettgehen = 5 Min. pro Tag, beim
Umlagern 1,5 x pro Tag = 3 Min. pro Tag, beim Ankleiden eine Teilübernahme 5 x pro Woche = 2 Min. pro Tag , beim
Ausziehen 5 x pro Woche = 2 Min. pro Tag und beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung 2,75 pro Woche =
24 Min. pro Tag notwendig. Im Bereich der Hauswirtschaft seien 106 Minuten erforderlich. Dieser Aufwand bestehe
seit Beginn der Diabeteserkrankung, seit 09.02.1998. Gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind falle damit ein
Mehrbedarf von 90,75 Min. im Grundpflegebereich an.
Die Beklagte hat dagegen eingewandt, die vom Sachverständigenen ermittelten Zeitwerte seien überhöht; der
Hilfebedarf beim Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung sei nicht berücksichtigungsfähig. Die Arztbesuche fielen
nicht regelmäßig pro Woche an. Das Abholen von der Schule sichere nicht die häusliche Existenz.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Bayreuth und des Bescheids vom 30.06.1998 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.03.1999 zu verurteilen, ihr ab 01.03.1998 Pflegegeld wegen häuslicher
Pflege nach der Stufe I zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gem. § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und
zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.
Mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht bereits im angefochtenen Urteil einen Anspruch der Klägerin auf
Pflegegeld wegen häuslicher Pflege ab 01.03.1998 verneint; denn die Voraussetzungen der §§ 37, 14, 15 des
11.Sozialgesetzbuchs - SGB XI - sind nicht erfüllt.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Pflegegeld wegen häuslicher Pflege gemäß §§ 14, 15 Abs.1
Nr.1 und Abs.3 Nr.1 SGB XI. Der bei der Klägerin anfallende Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege erreicht nicht das
dort festgelegte Ausmaß von mehr als fünfundvierzig Minuten täglich im Wochendurchschnitt. Nach § 14 Abs.1 SGB
XI sind pflegebedürftig im Sinne dieses Gesetzes solche Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder
seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im
Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer zumindest in erheblichem Maße der Hilfe bedürfen. Berücksichtigungsfähig ist
in diesem Zusammenhang allein der Umfang des Pflegebedarfs bei den gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden
Verrichtungen, die Absatz 4 dieser Vorschrift im Bereich der Körperpflege, Ernährung und Mobilität sowie im Bereich
der hauswirtschaftlichen Versorgung nennt. Darüber hinaus ist im Falle der zu Beginn des gestellten Antrags noch
kindlichen Klägerin bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres darauf abzustellen, ob sie wegen ihrer Erkrankung im
Vergleich zu gesunden, gleichaltrigen Kindern einen Mehrbedarf an Pflege hat.
Nach den übereinstimmenden Feststellungen des MDK und der gerichtlichen Sachverständigen Dr.G. und Prof.Dr.G.
leidet die Klägerin im Wesentlichen an insulinpflichtigem Diabetes, daneben noch an den Folgen einer
Doppelnierenentfernung. Durch diese Erkrankung ist sie im Bereich der Mobilität in keiner Weise beeinträchtigt.
Ebensowenig liegt eine geistige Retadierung vor, die einen besonderen über das altersgemäße Ausmaß
hinausgehenden Hilfebedarf begründen würde. Die Klägerin ist jedoch wegen ihrer Erkrankung darauf angewiesen, eine
bestimmte Diät gewissenhaft einzuhalten. Insbesondere ist die Nahrung auf Broteinheiten abzustellen. Die jeweilige
Mahlzeit muss nicht nur berechnet, abgewogen und zusammengestellt, sondern auch entsprechend portioniert
werden. Nach den Ausführungen des Bundessozialgerichts - BSG - in den Urteilen vom 19.02.1998 (Az.: B 3 P 11/97
R) und 17.06.1999 (Az.: B 3 P 10/98 R) fällt die Tätigkeit des Berechnens, Abwiegens, Zusammenstellens und
Zubereitens der Speisen der für diabeteserkrankte Personen erforderlichen Diät unter die Verrichtung Kochen. Sie ist
damit dem Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung zuzuordnen und nicht der Grundpflege. Etwas anderes gilt,
soweit die Klägerin beaufsichtigt und angehalten werden muss, die vorgegebene Nahrung zu sich zu nehmen. In
diesem Zusammenhang hat das BSG im Urteil vom 29.04.1999 (Az.: B 3 P 12/98 R) hervorgehoben, bei einem Kind
bestehe auch dann ein relevanter Hilfebedarf, wenn es zum Essen angehalten werden müsse, weil bei ihm die
Einsichtsfähigkeit dafür fehle, dass es aus Gesundheitsgründen notwendig sei, Widerwillen erregende Speisen oder
Speisen in großen Mengen über den Appetit hinaus einzunehmen. Während bei einem Kleinkind die Einhaltung der
erforderlichen überhöhten Nahrungsmittelzufuhr angesichts krankheitsbedingter Appetitlosigkeit ständiger
Überwachung und Kontrolle bedürfe, entwickle ein Jugendlicher zunehmend Einsicht für die Notwendigkeit dieser
Maßnahmen und bedürfe schließlich keiner fremden Hilfe mehr. Insoweit sind die Erwägungen des Sozialgerichts
zutreffend, als es einen solchen Hilfebedarf bei der damals zehnjährigen, jetzt dreizehnjährigen Klägerin nicht für
berücksichtigungsfähig erachtet hat.
Soweit das Sozialgericht ausgeführt hat, der von der Klägerin geltend gemachte Zeitaufwand für das Messen und
Kontrollieren der Blutzuckerwerte sowie für das Spritzen von Insulin und die Begleitung zur Schule bzw. zu
Freizeitaktivitäten seien nicht dem Verrichtungskatalog des § 14 Abs. 4 SGB XI zuzuordnen und eine Begleitung zu
Arztbesuchen falle nicht regelmäßig einmal pro Woche an, tritt der Senat den dortigen Darlegungen bei und sieht
insoweit von der Wiedergabe der hierfür maßgebenden Entscheidungsgründe gem. § 153 Abs.2 SGG ab.
Diskussionswürdig bleibt daher im Wesentlichen die Frage, inwieweit die etwa fünfmal pro Woche auftretenden
nächtlichen Unterzuckerungszustände einen berücksichtigungsfähigen Hilfebedarf begründen. Denn im Übrigen muß
die Klägerin nach Angaben ihrer Eltern in einem dem Gutachten von Prof.Dr.G. angehefteten Schreiben lediglich beim
5 mal pro Woche stattfindenden Duschen und beim zweimaligen Bad pro Woche wegen der Gefahr einer
Unterzuckerung sowie beim täglichen Eincremen der Fingerkuppen und der Füße beaufsichtigt werden. Für letzteres
fallen nach Angaben ihrer Eltern jeweils 3 Minuten, nach Angaben von Prof.Dr.G. 7,5 Minuten an. Auch divergieren die
Zeitangaben der Eltern und des Sachverständigen hinsichtlich der Hilfe beim Baden und Duschen. Der Schilderung
der Eltern, als der tatsächlich mit der Pflege befaßten Personen, ist nach Auffassung des Senats insoweit der Vorzug
zu geben. Danach fällt das Duschen fünfmal und nicht wie Prof.Dr.G. meint täglich und das Baden zweimal pro
Woche an. Da für beide Verrichtungen nur eine Beaufsichtigung erforderlich ist, erscheint dem Senat in Anlehnung an
die Angaben der Sachverständigen Dr.G. und Prof.Dr.G. und nach seiner eigener Schätzung maximal ein Hilfebedarf
von jeweils 10 Minuten angemessen. Dabei kann der Senat die Frage offen lassen, ob die Beaufsichtigung eine
Anwesenheit der Pflegeperson erfordert, die es dieser nicht erlaubt daneben andere Verrichtungen zu erledigen, bzw.
ob eine Rufbereitschaft genügt und ob das Eincremen zwangsläufig mit der Katalogverrichtung des Waschens
einherzugehen hat. Denn wie die weiteren Ausführungen zeigen, wird die Zeitgrenze von mehr als 45 Minuten auch
dann nicht erreicht, wenn man für das Eincremen 3 Minuten und für die Aufsicht beim Duschen und Baden täglich 10
Minuten, also insgesamt für beides 13 Minuten für angemessen halten wollte.
Bei dem zu beurteilenden nächtlichen Hilfebedarf geht der Senat davon aus, dass zwar nicht die Blutzuckerkontrolle,
die Insulininjektion und die Nahrungsberechnung dazuzählt. Hierzu gelten die obigen Ausführungen entsprechend,
wonach diese Tätigkeiten der Behandlungspflege bzw. der hauswirtschaftlichen Versorgung zuzuordnen sind. Jedoch
kann die Unterstützung der Klägerin bei diesen nächtlichen Aktionen einen berücksichtigungsfähigen Hilfebedarf
auslösen. Ohne weitere ins Einzelne gehende Prüfung kann der Senat unterstellen, dass das Wecken der Klägerin als
Umlagern zu werten ist, dass ihr Gesicht und Hände gewaschen, Nahrung verabreicht, abschließend die Zähne
geputzt und zeitweise beim Wechseln des verschwitzten Nachthemds geholfen werden muß. Diese Beschreibung ist
dem vorerwähnten Schriftsatz ihrer Eltern und dem Gutachten von Prof.Dr.G. zu entnehmen. Gleichwohl wird dadurch
der fehlende Zeitaufwand von mehr als 32 Minuten nicht aufgefüllt. Legt man die Angaben ihrer Eltern zu Grunde, so
muß die Klägerin täglich nachts zum Zwecke der Blutzuckerkontrolle geweckt werden, allerdings stellen sich nur etwa
fünfmal pro Woche Werte heraus, die eine sofortige kohlehydratreiche Nahrungszugabe fordern. Lediglich dreimal pro
Woche muß verschwitzte Nachtwäsche gewechselt werden. Die Eltern halten für das Wäschewechseln 7 Minuten für
notwendig. Daraus errechnet sich im Wochenschnitt ein täglicher Bedarf von 3 Minuten (3 x 7 = 21: 7 = 3 Min.). Die
gleiche Berechnung bezüglich der Nahrungsaufnahme, welche in 5 Nächten mit jeweils 10 Minuten anfällt, ergibt 7,1
Minuten täglich (10 Min. x 5 = 50: 7 = 7,1 Min.). Allerdings erscheint dem Senat die Zeitangabe für die jeweilige
Nahrungsaufnahme sehr reichlich, zumal die Klägerin ohne Zweifel alleine Essen kann und ihr lediglich die
erforderliche Speise gereicht werden muß. Im Wesentlichen bedarf die Klägerin einer gewissen Kontrolle, ob sie die
Nahrung auch tatsächlich zu sich nimmt. Diese Bedenken können dahingestellt bleiben. Denn auch unter Einbezug
der weiteren nächtlichen Unterstützungsmaßnahmen läßt sich ein Hilfeaufwand von mehr als 45 Minuten nicht
begründen. Zu beachten ist, dass die Klägerin sich nach dem Essen die Zähne putzen muß. Hierfür sind nach
Meinung ihrer Eltern und des Sachverständigen durchschnittlich 7,5 Minuten anzusetzen. Das nächtliche Aufwecken
soll jeweils 5 Minuten in Anspruch nehmen und täglich anfallen. Insgesamt erechnen sich für den nächtlichen
Hilfebedarf für das Aufwecken 5 Minuten, für die Nahrungszunahme 7,1 Minuten, für das Zähneputzen 7,5 Minuten
und für das gelegentliche Wäschewechseln 3 Minuten. Das sind 22,6 Minuten. Zuzüglich der Zeit für die
Beaufsichtigung beim Duschen, Baden und Eincremen von 13 Minuten ergibt sich ein Gesamtbedarf von 35,6
Minuten. Einen solchen Aufwand an Pflege hält der Senat für nachvollziehbar, wenngleich er die oben angedeuteten
Zweifel nicht ausgeräumt sieht.
Der Einschätzung des Sachverständigen Prof.Dr.G. vermag der Senat nicht zu folgen. Insbesondere sind seine
Zeitangaben für die einzelnen Verrichtungen rechnerisch unzutreffend oder mißverständlich. In seinem Gutachten gibt
er an, welche Art der Hilfe notwendig ist, wie häufig sie pro Woche bzw. pro Tag anfällt und welcher Zeitaufwand pro
Tag erforderlich ist. Dabei ist nicht ersichtlich, ob damit die Zeit gemeint ist, die an einem Tag anfällt, der eine
Hilfestellung tatsächlich fordert oder ob damit schon eine Umrechnung pro Tag im Wochendurchschnit vorgenommen
wurde. In Anbetracht der hohen Zeitangaben, z.B. bei der Nahrungsaufnahme, welche er fünfmal pro Woche mit
jeweils 15 Minuten ansetzt, würden sich bei einer Umrechnung auf den Tag pro Woche (15 Min. x 7 = 105 Min.: 5 = 21
Min.) 21 Minuten für einen Vorgang ergeben. Es dürfte daher eher der Zeitumfang der jeweils tatsächlich anfallenden
Verrichtung gemeint sein mit der Folge, dass vor der Addition der einzelnen Zeiten eine Umrechnung auf den Tag im
Wochendurchschnit zu erfolgen hat. Dann würden jedoch die vom Gesetz vorgegeben 45 Minuten an Hilfebedarf nicht
überschritten werden. Denn es sind, wie bereits ausgeführt, die Begleitungen der Klägerin zu Arztpraxen, Schule und
Freizeitaktivitäten nicht berücksichtigungsfähig. Hinzukommt, worauf der Senat ebenfalls schon hingewiesen hat,
dass seine Zeitangaben von denen der Eltern der Klägerin erheblich nach oben abweichen. Bei dieser Sachlage
gewinnen nach Ansicht des Senats die Einschätzungen der tatsächlich mit der tagtäglichen Pflege befaßten Personen
größere Bedeutung.
Damit ist die für die Pflegestufe I erforderliche Zeitvorgabe von mehr als 45 Minuten im Grundpflegebereich nicht
erfüllt. Auf den hauswirtschaftlichen Bedarf kommt es somit nicht an. Die Vorrausetzungen der §§ 14, 15, 37 SGB XI
sind nicht gegeben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 29.09.1999 war
daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die in § 160 Abs.2 Nrn. 1 und 2 SGG genannten Gründe nicht erkennbar sind.