Urteil des LSG Bayern vom 24.01.2008

LSG Bayern: merkblatt, ortsabwesenheit, grobe fahrlässigkeit, verfügung, aufenthalt, arbeitsamt, leistungsanspruch, genehmigung, urlaub, arbeitsloser

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 24.01.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 8 AL 820/04
Bayerisches Landessozialgericht L 10 AL 442/05
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.07.2005 aufgehoben. Die
Klagen werden abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 17.12.2000 bis
16.01.2001 und und vom 21.02.2001 bis 03.03.2001, die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die
Zeit vom 16.02.2002 bis 12.03.2002 und vom 19.06.2002 bis 23.07.2002 und die Aufhebung der Bewilligung von Alhi
für Zeit vom 07.12.2002 bis 21.04.2003 und vom 08.11.2003 bis 31.12.2003 sowie Erstattung der jeweils gezahlten
Leistungen und der gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung streitig.
Der 1940 geborene Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger und bezog seit dem Jahr 1998 mit Unterbrechungen
Leistungen der Beklagten. Am 16.10.2000 meldete sich der Kläger arbeitslos und erklärte bei der Rückgabe des
Antrags auf Alg am 05.11.2000 unterschriftlich, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt
Kenntnis genommen zu haben. Am 01.09.2001 meldete er sich wiederum arbeitslos und beantragte am 15.10.2001
die Bewilligung von Alhi. Dabei bestätigte er unterschriftlich, das Merkblatt 1b "Arbeitslosenhilfe" zur Kenntnis
genommen zu haben. Mit Verfügung vom 19.10.2001 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alhi ab 01.09.2001 bis
31.08.2002. Am 19.10.2001 ging bei der Beklagten die Erklärung des Klägers nach § 428 Drittes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB III) ein.
Am 26.07.2002 beantragte der Kläger die Fortzahlung von Alhi zum 01.09.2002, wobei er unterschriftlich bestätigte,
das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Mit Verfügung vom
01.08.2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alhi ab 01.09.2002. Am 28.07.2003 beantragte der Kläger Fortzahlung
der Alhi zum 01.09.2003. Mit Verfügung vom 15.08.2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alhi für die Zeit ab
01.09.2003. Am 08.11.2003 wurde der Kläger auf der Bundesautobahn A 3 in der Gemeinde N. als Mitfahrer in einem
jugoslawischen Fernreisebus kontrolliert. Die Polizeiinspektion P. teilte der Beklagten anschließend die Dauer der
Auslandsaufenthalte des Klägers mit.
Nach Anhörung vom 17.02.2004 und Stellungnahme des Klägers vom 30.04.2004 hob die Beklagte mit Aufhebungs-
und Erstattungsbescheid vom 14.06.2004 die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 17.12.2000 bis 16.01.2001 und
vom 21.02.2001 bis 03.03.2001 auf. In den genannten Zeiträumen habe sich der Kläger ohne vorherige Genehmigung
durch den zuständigen Arbeitsvermittler im Ausland aufgehalten und somit keinen Anspruch auf Leistungen gehabt.
Der Verpflichtung, alle Änderungen in seinen Verhältnissen der Beklagten mitzuteilen, sei er zumindest grob fahrlässig
nicht nachgekommen. Das zu Unrecht gezahlte Alg in Höhe von insgesamt 1.603,96 EUR sei zu erstatten. Auch die
Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 371,43 EUR und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von
insgesamt 45,04 EUR, zusammen 416,47 EUR, seien vom Kläger zu erstatten.
Mit weiterem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14.06.2004 hob die Beklagte die Bewilligung von Alhi für die
Zeit vom 16.02.2002 bis 12.03.2002 und vom 19.06.2002 bis 23.07.2002 mit im wesentlichen gleicher Begründung
auf. Die zu Unrecht gezahlte Alhi in Höhe von 1.828,80 EUR sei zu erstatten. Auch die von der Beklagten gezahlten
Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 371,64 EUR und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 31,09 EUR,
zusammen 402,73 EUR, seien zu erstatten.
Mit weiterem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14.06.2004 hob die Beklagte die Bewilligung von Alhi für die
Zeit vom 07.12.2002 bis 21.04.2003 und vom 08.11.2003 bis 31.12.2003 auf. Der Auslandsaufenthalt habe in beiden
Zeiträumen mehr als 6 Wochen betragen und die persönliche Rückmeldung beim Vermittler sei zu spät bzw. gar nicht
erfolgt. Bezüglich des Auslandsaufenthalts vom 07.12.2002 bis 15.04.2003 sei die nächste Meldung am 22.04.2003
erfolgt. Bezüglich des Auslandsaufenthalts vom 08.11.2003 bis 31.12.2003 sei keine Rückmeldung erfolgt. Der Kläger
sei der Verpflichtung, alle Änderungen in seinen Verhältnissen der Beklagten mitzuteilen, zumindest grob fahrlässig
nicht nachgekommen. Die an den Kläger in diesen Zeiträumen gezahlte Alhi in Höhe von 5.562,42 EUR sei vom
Kläger zu erstatten, ebenso die in diesen Zeiträumen gezahlten Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 869,34
EUR und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 94,56 EUR, zusammen 963,90 EUR.
Gegen die drei Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 14.06.2004 legte der Kläger jeweils am 08.07.2004
Widerspruch ein. Wenn die Verpflichtung unter Anwendung des § 428 SGB III, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung
stehen zu müssen, entfallen sei, könne die Nichteinhaltung der damit korrespondierenden Verpflichtung, Änderungen
des Aufenthaltsortes bekanntzugeben, nicht weiterhin aufrecht erhalten bleiben. Mit Widerspruchsbescheiden vom
22.07.2004 wies die Beklagte die Widersprüche mit im Wesentlichen gleicher Begründung als unbegründet zurück.
Gegen die Widerspruchsbescheide vom 22.07.2004 hat der Kläger jeweils am 26.08.2004 Klage zum Sozialgericht
Nürnberg (SG) erhoben (Az: S 8 AL 280/04, S 8 AL 821/04; S 8 AL 822/04). Mit Beschluss vom 22.10.2004 (Bl 17 S 8
AL 820/04) hat das SG die Streitsachen S 8 AL 820/04, S 8 AL 821/04 und S 8 AL 822/04 zur gemeinsamen
Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Az: S 8 AL 820/04 fortgeführt. Mit Urteil vom 27.07.2005 hat
das SG die 3 Bescheide vom 14.06.2004 in der Gestalt der 3 Widerspruchsbescheide vom 22.07.2004 aufgehoben.
Die zulässige Klage sei begründet, dem Kläger könne nicht vorgehalten werden, er habe in grob fahrlässiger Weise
eine Überzahlung veranlasst. Zwar gehe die Beklagte zu Recht davon aus, dass sich der Kläger in den fraglichen
Zeiträumen ohne Genehmigung der Arbeitsverwaltung außerhalb des Nahbereichs der Beklagten aufgehalten habe.
Nach § 119 SGB III iVm §§ 3 und 4 Erreichbarkeitsanordnung - EAO - müsse der Kläger unter den Voraussetzungen
des § 428 SGB III zwar nicht mehr arbeitsbereit sein, er habe indes seinen Aufenthalt außerhalb des ortsnahen
Bereichs ohne Zustimmung der Arbeitsverwaltung nicht verlagern dürfen (§ 3 Abs 1, § 4 EAO). Er habe jedoch nicht
grob fahrlässig gegen die Genehmigungspflichten nach § 3 und 4 EAO verstoßen. Mit der vorgelegten Erklärung zu §
428 SGB III sei dem Kläger nahegelegt und angeboten worden, seine Arbeitsbereitschaft aufzugeben. In der Erklärung
sei überdies nur die Rede davon, dass sich der Kläger nach vorheriger Absprache mit der Beklagten bis zu 17
Wochen im Jahr außerhalb des Wohnsitzes aufhalten dürfe. Es heiße, der auswärtige Aufenthalt werde nicht abhängig
gemacht von einer Zustimmung der Beklagten, sondern lediglich von einer vorherigen Absprache mit der
Arbeitsverwaltung. Überdies ergebe sich aus dem Merkblatt 1 für Arbeitslose im Sonderfall des § 428 SGB III keine
klare und unmissverständliche Handlungsanweisung für Arbeitslose hinsichtlich der Verfügbarkeit. Das Merkblatt 1
differenziere nicht zwischen einer Arbeitsbereitschaft und dem Aufenthalt in den Sonderfällen des § 428 SGB III.
Nach der Erklärung zu § 428 SGB III habe der Kläger davon ausgehen können, dass er Leistungen erhalte, ohne
arbeitsbereit zu sein. Eine darüber hinausgehende formale örtliche Verfügbarkeit habe sich für den Kläger nicht
aufdrängen können, da für den Sonderfall des § 428 SGB III das Merkblatt keine dezidierte Anweisung enthalte. Die
Einholung einer unabdingbaren Genehmigung für Auslandsaufenthalte bis zu 17 Wochen im Jahr sei für den Kläger
aus dem Merkblatt 1 nicht zweifelsfrei bzw. nachvollziehbar ersichtlich. Daneben sei die Aushändigung des
Merkblatts für über 58-Jährige, die einfaches Arbeitslosengeld/Arbeitslosenhilfe bezögen, weder von der Beklagten
vorgetragen worden noch aus den Akten ersichtlich. Der Wertungswiderspruch zwischen fehlender Arbeitsbereitschaft
und gleichwohl weiterbestehender formaler örtlicher Verfügbarkeit sei im Merkblatt 1 für den Kläger nicht
nachvollziehbar herausgestellt worden. In der Erklärung zum § 428 SGB III werde ausdrücklich die Frage gestellt, was
geschehe, wenn die Verpflichtung nicht erfüllt werde. In der Antwort werde ausschließlich auf Sanktionen wegen des
fehlenden Rentenantrags verwiesen.
Hiergegen richtet sich die beim Bayer.Landessozialgericht am 28.11.2005 eingegangene Berufung der Beklagten.
Anlässlich der am 02.07.2001 erfolgten Vorsprache zur Arbeitslosmeldung sei ausweislich des gefertigten
Beratungsvermerks ausführlich über die Inanspruchnahme von Alg/Alhi unter den erleichterten Voraussetzungen des
§ 428 SGB III gesprochen worden. Ausweislich der Beratungsvermerke hätten an mehreren Tagen Gespräche sowohl
über die erleichterten Voraussetzungen des Leistungsbezugs als auch zu allgemeinen Vermittlungsaspekten - zum
Teil mit Dolmetscher - stattgefunden. Seit dem 14.10.2000 seien dem Kläger nach vorheriger Rücksprache einige
Zeiten Urlaub genehmigt worden. Der Kläger sei im Jahr 2002 113 Kalendertage und im Jahr 2003 114 Kalendertage
"erlaubt" ortsabwesend gewesen. Im Jahr 2001 sei er bis zur abgegebenen Erklärung nach § 428 SGB III 15 Tage und
nach Abgabe der Erklärung weitere 49 Tage "erlaubt" ortsabwesend gewesen. Mit den Tagen weiterer - festgestellter -
Ortsabwesenheiten habe er regelmäßig die Zeiten von 3 bzw. 17 Wochen im Jahr überschritten. Bei Inanspruchnahme
von Leistungen unter erleichterten Voraussetzungen gemäß § 428 SGB III ändere sich nichts an dem Grundsatz,
dass die Ortsabwesenheit der vorherigen Zustimmung durch die Beklagte bedürfe. Lediglich die Zeit der möglichen
Ortsabwesenheit werde auf bis zu 17 Wochen im Jahr (= 119 Kalendertage) ausgedehnt, § 4 EAO. Etwas anderes
ergebe sich auch nicht aus dem dem Kläger ausgehändigten Merkblatt, denn auch hier werde auf die Erforderlichkeit
der Absprache mit der Beklagten hingewiesen. Da sich die genehmigten Urlaube mit den Zeiten nicht genehmigter
Ortsabwesenheiten abgewechselt hätten, erscheine ein Irrtum über die Tragweite der Mitteilungspflicht bzw. die
Zustimmungsbedürftigkeit der Auslandsaufenthalte unwahrscheinlich. Darüber hinaus sei dem Kläger bei der
Genehmigung eines mitgeteilten Urlaubs jeweils eine Einladung zur Rückmeldung nach dem Urlaub ausgehändigt
worden. Schließlich sei er in mindestens einem Beratungsgespräch ausdrücklich auf die Mitteilungspflicht
hingewiesen worden. Es sei davon auszugehen, dass ihm zumindest laienhaft bewusst gewesen sei, dass die
weiteren Zeiten der Ortsabwesenheit seitens der Beklagten möglicherweise nicht genehmigt werden würden und er mit
nachteiligen Folgen zu rechnen habe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.07.2005 aufzuheben und die Klagen
abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Verfügbarkeit sei gerade nicht Voraussetzung für den erleichterten Bezug von Leistungen nach § 428 SGB III. Bei
§ 428 SGB III seien an die Erreichbarkeit geringere Anforderungen zu stellen, weil die Vorschrift nur dem
Kontrollzwecke diene. Somit sei der Regelungszweck des § 119 Abs 3 Nr 3 SGB III im Rahmen des § 428 SGB III
entfallen. Im Ergebnis könne dies für den vorliegenden Fall nur bedeuten, dass er habe postalisch erreichbar sein
müssen. Im Hinblick auf das Zeitmoment iS einer Unverzüglichkeit reiche es aus, wenn er sich zu Kontrollzwecken
bei der Beklagten in angemessener Zeit einfinde.
Obgleich er viele Jahre in Deutschland gelebt und gearbeitet habe, spreche er kaum deutsch, habe den
Sachbearbeiter bei der Beklagten so verstanden, dass er, wenn er den Antrag auf Altersrente stelle, bis zum Eintritt
des Rententermins Alg erhalte. Weitere Verpflichtungen, insbesondere sich für eine etwaige Arbeitsaufnahme
bereitzuhalten, seien ihm nicht bewusst gewesen. Er habe es schlichtweg nicht verstanden, dass er einerseits sich
nicht mehr zu einer Arbeitsaufnahme zur Verfügung halten und darüber hinaus sich auch selbst nicht um eine
Arbeitsaufnahme bemühen müsse und andererseits auch wieder sicherstellen müsse, dass die Beklagte ihn an jedem
Wohnort unter seiner Wohnanschrift erreichen können müsse. Dass er bei einer etwaigen Verlagerung seines
Aufenthaltsortes die Zustimmung der Arbeitsverwaltung einzuholen habe, um seinen Anspruch auf Alg zu erhalten, sei
ihm nicht bewusst gewesen. Zu Recht habe das SG ausgeführt, dass die ihm vorgelegte Erklärung zu § 428 SGB III
nicht so zu verstehen sei, dass ein auswärtiger Aufenthalt von der Zustimmung der Beklagten abhängig sei, sondern
von einer vorherigen Absprache. Ihm sei auch keineswegs bewusst gewesen, dass die Nichteinholung der Erlaubnis
zur Ortsveränderung dazu führen könne, dass ihm das Alg verweigert werde oder zurückverlangt werden könne. Auf
die Folgen eines etwaigen Verstoßes gegen die Absprachepflicht sei er zu keinem Zeitpunkt hingewiesen worden.
Das Gericht hat die Akte der Beklagten, die Akten des SG (Az: S 8 AL 820/04, S 8 AL 821/04, S 8 AL 822/04) sowie
die wesentlichen Passagen des Merkblatts für Arbeitslose Stand April 2000 und des Merkblatts für Arbeitslose Stand
April 2001 beigezogen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -). Die Berufung erweist sich auch als begründet.
Zu Unrecht hat das SG die drei Bescheide vom 14.06.2004 in der Gestalt der drei Widerspruchsbescheide vom
22.07.2004 aufgehoben, denn diese sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 54 Abs 2
Satz 1 SGG.
Die Beklagte hat rechtmäßig gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nrn 2 und 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm §
330 Abs 3 SGB III die Entscheidung über die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 17.12.2000 bis 16.01.2001 und vom
21.02.2001 bis 03.03.2001 aufgehoben und Erstattung des in diesen Zeiträumen zu Unrecht gezahlten Alges in Höhe
von insgesamt 1.603,96 EUR sowie der in diesen Zeiträumen zu Unrecht gezahlten Krankenversicherungsbeiträge in
Höhe von insgesamt 371,43 EUR und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe insgesamt 45,04 EUR gemäß § 335 Abs 1
und 5 SGB III verlangt.
Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nrn 2 und 4 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III sind im vorliegenden Fall
erfüllt. Nach diesen Vorschriften ist der Verwaltungsakt rückwirkend vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse
aufzuheben, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für
ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (§ 48 Abs 1
Satz 2 Nr 2 SGB X) oder der Betroffene wusste oder grob fahrlässig nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in
besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der Leistungsanspruch weggefallen ist (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X).
Abweichend von § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X bestimmt Abs 3 des § 330 SGB III, dass die Beklagte bei der Aufhebung
eines Verwaltungsaktes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an auch in atypischen Fällen kein
Ermessen auszuüben hat, sondern gebundene Entscheidung treffen muss ("ist ... aufzuheben").
Der Leistungsanspruch des Klägers auf Bewilligung von Alg ist für die Zeit vom 17.12.2000 bis 16.01.2001 und vom
21.02.2001 bis 03.03.2001 gemäß § 117 SGB III (idF vom 24.03.1997 gültig ab 01.01.1998 bis 31.12.2004) iVm § 118
SGB III (idF vom 16.12.1997, gültig vom 01.01.1998 bis 31.12.2004), § 119 SGB III (idF vom 16.12.1997, gültig ab
01.01.1998 bis 31.12.2004) iVm §§ 2, 3 EAO vom 23.10.1997 weggefallen, denn der Kläger war in den genannten
Zeiträumen nicht arbeitslos.
Wer arbeitslos ist, hat bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen nach § 117 SGB III (aaO) Anspruch auf Alg.
Arbeitslos ist nach § 118 Abs 1 (aaO) ein Arbeitnehmer, der 1. vorübergehend nicht in einem
Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und 2. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden
wöchent lich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche). Dies setzt u.a. voraus, dass der Arbeitslose
den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit), § 119 Abs 1 Nr 2 SGB III. Den
Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes steht zur Verfügung, wer arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit
entsprechend arbeitsbereit ist, Abs 2. Arbeitsfähig ist ein Arbeitsloser nach Abs 3 der Vorschrift u.a. dann, wenn er
Vorschlägen der Beklagten zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf, Nr 3.
Der Verwaltungsrat der Beklagten hat durch die EAO Näheres über die Pflichten des Arbeitslosen bestimmt (§ 152
Abs 2 SGB III iVm § 376 Abs 1 Satz 1 SGB III). Nach § 1 Abs 1 EAO kann ein Arbeitsloser Vorschlägen der
Beklagten zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten, wenn er in der Lage ist, unverzüglich 1.
Mitteilungen der Agentur für Arbeit persönlich zur Kenntnis zu nehmen, 2. die Agentur für Arbeit aufzusuchen, 3. mit
einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer berufli chen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und bei
Bedarf persönlich mit diesem zusammenzutreffen und 4. eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer
berufli chen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen.
Deshalb muss der Arbeitslose sicherstellen, dass die Beklagte ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz
oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm genannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann, § 1
Abs 1 Satz 2 EAO.
Hält sich ein Arbeitsloser außerhalb des Nahbereichs der Agentur für Arbeit auf, steht dies der Verfügbarkeit bis zu 3
Wochen im Jahr nicht entgegen, wenn die Agentur für Arbeit vorher zugestimmt hat, § 3 Abs 1 Satz 1 EAO.
Eine vorherige Zustimmung der Beklagten zur Ortsabwesenheit des Klägers in den Zeiträumen vom 17.12.2000 bis
16.01.2001 und vom 21.02.2001 bis 03.03.2001 lag nicht vor, so dass der Kläger gegen § 3 Abs 1 Satz 1 EAO
verstoßen hat.
Auch liegen die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X vor, denn der Kläger ist seiner Pflicht zur
Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderung der Verhältnisse zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen,
§ 60 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Das Merkblatt für Arbeitslose (Stand April 2000)
enthält nämlich ausführliche Hinweise zu Fragen der Erreichbarkeit und Verfügbarkeit sowie zur Mitwirkungspflicht
beim Verlassen des Wohnortes. So enthält das Merkblatt 1 auf der Seite 19 folgenden Hinweis: "Außerdem müssen
Sie für Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung stehen. Hierunter versteht man, 1. dass Sie
persönlich für Ihr Arbeitsamt an jedem Werktag unter der von Ihnen benannten Anschrift erreichbar sind und das
Arbeitsamt auch täglich aufsuchen können ... Grundsätzlich können bei einem Aufenthalt unter einer anderen als dem
Arbeitsamt bekannten Wohnanschrift Leistungen nicht gezahlt werden. Wenn Sie dennoch beabsichtigen, sich
vorübergehend unter einer anderen Anschrift aufzuhalten, benachrichtigen Sie bitte das Arbeitsamt ... Verreisen Sie
ohne vorherige Unterrichtung und Zustimmung Ihres Arbeitsvermittlers, wird die Bewilligung der Leistung rückwirkend
vom Reisebeginn an aufgehoben (vgl. die Hinweise zur Erstattungspflicht in Abschn 9)".
Die Rubrik "Mitwirkungspflicht" enthält u.a. folgenden Hinweis: "Insbesondere in den nachstehend aufgeführten Fällen
ist es wichtig, dass Sie sofort Ihr Arbeitsamt benachrichtigen: ... 8. Wenn Sie Ihren Wohnort verlassen (S.53 des
Merkblatts)".
Unter der Rubrik "Erstattungspflicht" findet sich auf S.54 des Merkblatts der Hinweis, dass eine Leistungsbewilligung
nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs dann aufzuheben ist, wenn die bewilligten Leistungen dem Betroffenen
nicht zustanden und er insbesondere - vorsätzlich oder grob fahrlässig ... bzw. eine Änderung sei ner Verhältnisse
nicht rechtzeitig mitgeteilt hat, - gewusst hat oder leicht erkennen konnte, dass er keinen oder nur einen niedrigeren
Leistungsanspruch hatte, oder ...".
Der Kläger hat auch beim Antrag auf Zahlung von Alg am 05.11.2000 unterschriftlich bestätigt, das Merkblatt für
Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Schon aufgrund der dargestellten
eindeutigen und mehrfachen Hinweise bezüglich seiner Mitteilungspflichten im Merkblatt für Arbeitslose hat der Kläger
die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, denn er hätte - auch unter Berücksichtigung seiner
subjektiven Erkenntnismöglichkeiten - leicht erkennen können, dass er verpflichtet ist, die vorübergehende
Ortsabwesenheit als wesentliche Änderung seiner Verhältnisse der Beklagten mitzuteilen.
Dafür, dass der Kläger die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, spricht auch, dass er seit
Juni 1992 immer wieder Urlaube beantragt hat, die ihm auch genehmigt worden sind. Zuletzt ist ihm für die Zeit vom
27.11.2000 bis 17.12.2000 nach vorheriger Rücksprache Urlaub genehmigt worden, d.h. er hatte die Beklagte
unmittelbar zuvor von einem Auslandsaufenthalt informiert und die Zustimmung eingeholt. Dabei war ihm eine
Einladung zur Rückmeldung nach dem Urlaub ausgehändigt worden. Auch dieser Umstand lässt darauf schließen,
dass dem Kläger die Verpflichtung zur vorherigen Einholung der Zustimmung durch die Beklagte und anschließenden
Meldung bewusst war bzw. er der Verpflichtung zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Aus den
dargelegten Gründen hätte der Kläger auch - unter Berücksichtigung seiner subjektiven Erkenntnismöglichkeiten -
leicht erkennen können, dass sein Leistungsanspruch weggefallen ist, sodass auch die Voraussetzungen der Nr 4 des
§ 48 Abs 1 Satz 2 SGB X erfüllt sind.
Die Beklagte hat bei der Aufhebung mit Bescheid vom 14.06.2004 auch die Fristen des § 48 Abs 4 SGB X iVm § 45
Abs 4 Satz 2 SGB X eingehalten.
Die Pflicht des Klägers zur Erstattung des gezahlten Alg in Höhe von 1.603,96 EUR ergibt sich aus § 50 Abs 1 SGB
X. Nach dieser Vorschrift sind bereits gezahlte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben
worden ist. Der Erstattungsbetrag wurde von der Beklagten zutreffend beziffert. Die für den Erstattungszeitraum
gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 416,47 EUR hat der Kläger nach § 335
Abs 1 und 5 SGB III zu ersetzen, weil die Beiträge zu Unrecht gezahlt worden sind und ein anderes Kranken-/Pflege-
Pflichtversicherungsverhältnis für den gleichen Zeitraum nicht bestanden hat.
Auch die weiteren Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 14.06.2004 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide
vom 22.07.2004 (Geschäftszeichen 98.1-Alhi-Kd.-Nr: 735A463018 W 4874/04 und 98.1-Alhi-Kd.-Nr: 735A463018 W
4875/04) sind rechtlich nicht zu beanstanden. Dem Kläger stand weder in den Zeiträumen vom 16.02.2002 bis
12.03.2002 und vom 19.06.2002 bis 23.07.2002 noch in den Zeiträumen vom 07.12.2002 bis 21.04.2003 und vom
08.11.2003 bis 31.12.2003 Alhi gemäß § 190 Abs 1 SGB III zu. Denn der Leistungsanspruch des Klägers auf
Bewilligung von Alhi ist für die Zeiträume vom 16.02.2002 bis 12.03.2002 und vom 19.06.2002 bis 23.07.2002, vom
07.12.2002 bis 15.04.2003 und vom 08.11.2003 bis 31.12.2003 gemäß §§ 190, 198 Abs 1 Satz 2 Nr 1, 117 SGB III
(aaO) iVm §§ 118, 119 SGB III (aaO) iVm §§ 2, 3, 4 EAO (aaO) weggefallen, für den Zeitraum vom 16.04.2003 bis
21.04.2003 gemäß § 122 Abs 2 Nr 1 SGB III.
Entgegen der Auffassung des Klägers dehnt die Inanspruchnahme der Alhi unter den erleichterten Voraussetzungen
des § 428 SGB III durch den Kläger lediglich die Zeit der möglichen Ortsabwesenheit auf bis zu 17 Wochen im Jahr (=
119 Kalendertage) aus, § 4 Abs 1 Satz 1 EAO. Das Erfordernis der Einholung der vorherigen Zustimmung der
Beklagten ist aber auch dann gegeben, wenn der Arbeitslose - wie hier - Alhi unter den erleichterten Voraussetzungen
des § 428 SGB III erhält. Dies ergibt sich aus dem Verweis des § 4 der EAO (aaO) auf Abs 1 Satz 1 des § 3 der EAO
(aaO). Danach ist lediglich die Anzahl der Wochen im Fall des § 428 SGB III erhöht, das Erfordernis der vorherigen
Zustimmung der Beklagten entfällt dadurch jedoch nicht.
In diesem Zusammenhang verkennt der Kläger, dass durch Satz 1 des § 428 SGB III nur die Arbeits- bzw.
Fortbildungsbereitschaft iS des § 119 Abs 1 SGB III sowie die Beschäftigungssuche iS des § 119 SGB III fingiert
wird. Die übrigen Anspruchsvoraussetzungen für die Bewilligung von Alhi müssen jedoch weiterhin vorliegen (objektive
Verfügbarkeit, Anwartschaftszeit, Arbeitslosmeldung). Auch wenn für diesen Personenkreis eine Arbeitsvermittlung
praktisch nicht mehr in Betracht kommt, verstößt die Vorschrift nicht gegen die rechtsstaatlichen Grundsätze der
Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes, die sich als übergreifende Leitregeln allen staatlichen Handels aus
dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs 3 Grundgesetz) ableiten und Verfassungsrang haben (BSG NZS 1996, 534;
BVerfGE 6, 398, 439; 16, 194, 201 f; 17, 108, 117 f).
Nachdem die objektive Verfügbarkeit trotz der erleichterten Voraussetzungen des § 428 Abs 1 Satz 1 SGB III
Anspruchsvoraussetzung ist, ist der Verweis des § 4 Satz 1 der EAO (aaO) auch auf das Erfordernis der vorherigen
Zustimmung gemäß § 3 Abs 1 Satz 1 EAO (aaO) folgerichtig und vom Sinn und Zweck der genannten Vorschriften
geboten.
Dem steht auch nicht die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.06.2005 (B 7a/7 AL 98/04 R)
entgegen, denn diese Entscheidung betrifft lediglich die Frage, ob ein über 58-jähriger Arbeitsloser, der Alg unter den
erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III bezieht, erreichbar ist und den Anforderungen an seine objektive
Verfügbarkeit genügt, wenn er einen Postnachsendeantrag gestellt hat. Im vorliegenden Fall ist hingegen eine nicht
genehmigte Ortsabwesenheit relevant, ohne dass ein Postnachsendeantrag vom Kläger gestellt worden wäre oder
hätte gestellt werden können.
Somit ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X durch die nicht genehmigten
Ortsabwesenheit des Klägers eingetreten, da mangels Verfügbarkeit die Voraussetzungen für den Bezug der Leistung
entfallen sind.
Auch liegen die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X vor. Der Kläger ist seiner Pflicht zur Mitteilung
wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen, § 48
Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X. Das ergibt sich schon aus den Erläuterungen zur Erklärung nach § 428 SGB III, die der
Kläger unterschrieben hat, weshalb davon auszugehen ist, dass er von dem Inhalt der Erklärung zu § 428 SGB III
Kenntnis genommen hat. Der Absatz "Was heißt für Sie "unter erleichterten Voraussetzungen"? hat folgenden Text:
"Sie können auch dann Leistungen erhalten, wenn Sie nicht mehr arbeiten möchten. Außerdem dürfen Sie sich nach
vorheriger Absprache mit dem Arbeitsamt bis zu 17 Wochen im Jahr außerhalb Ihres Wohnsitzes aufhalten". Damit
wurde der Kläger klar und eindeutig darauf hingewiesen, dass er sich nur nach vorheriger Absprache mit dem
Arbeitsamt bis zu 17 Wochen außerhalb seines Wohnsitzes aufhalten darf.
Soweit das SG die Passage so interpretiert, dass der auswärtige Aufenthalt nicht von einer Zustimmung der
Arbeitsverwaltung, sondern lediglich von einer vorherigen Absprache mit der Arbeitsverwaltung abhängig gemacht
werde, weshalb der Kläger nicht grob fahrlässig gegen die Genehmigungspflicht nach den §§ 3 und 4 EAO verstoßen
habe soll, vermag der Senat dieser Interpretation nicht zu folgen. Der Begriff "vorherige Absprache" im dargestellten
Sinn setzt aus der Sicht eines verständigen Empfängers ein Einverständnis der Beklagten mit einer Ortsabwesenheit,
die maximal 17 Wochen im Jahr dauern darf, voraus und umfasst somit auch die notwendige Zustimmung der
Arbeitsverwaltung. Andernfalls hätte z.B. der Begriff "Mitteilung an die Arbeitsverwaltung" verwendet werden müssen.
Aufgrund der eindeutigen und nicht auslegungsfähigen Formulierung der Erläuterungen zur Erklärung nach § 428 SGB
III kommt es - entgegen der Auffassung des SG - letztlich nicht darauf an, ob das Merkblatt 1 für Arbeitslose insoweit
unmissverständliche Handlungsanweisungen für Arbeitslose, die Leistungen unter den erleichterten Voraussetzungen
des § 428 SGB III beziehen, hinsichtlich der Verfügbarkeit enthält. Den Ausführungen des SG " ... Eine darüber
hinausgehende formale örtliche Verfügbarkeit konnte sich für den Kläger nicht aufdrängen, da für den Sonderfall des §
428 SGB III das Merkblatt keine dezidierte Anweisung enthält ... Der Wertungswiderspruch zwischen fehlender
Arbeitsbereitschaft und gleichwohl weiterbestehender formaler örtlicher Verfügbarkeit wurde im Merkblatt 1 für den
Kläger nicht nachvollziehbar herausgestellt ..." ist aus den dargelegten Gründen nicht zu folgen.
Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass - worauf die Beklagte zu Recht hinweist - ausweislich der
Beratungsvermerke (s. Beratungsvermerke vom 02.07.2001, 23.07.2001, 21.08.2001 und 05.10.2001) die Beklagte
mit dem Kläger an mehreren Tagen Gespräche sowohl über die erleichterten Voraussetzungen des Leistungsbezugs
gemäß § 428 SGB III als auch über allgemeine Vermittlungsaspekte - z.T. mit Dolmetscher - geführt hat. Die
Behauptung des Klägers, er hätte den Sachbearbeiter nicht richtig verstanden, ist schon deshalb nicht glaubhaft.
Ausweislich der Beratungsvermerke vom 23.07.2001, 21.08.2001 und 05.10.2001 waren jeweils Dolmetscher
anwesend.
Dass der Kläger die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, ergibt sich ferner auch daraus,
dass er im Jahr 2001 bis zur Abgabe der Erklärung nach § 428 SGB III 15 Tage, nach Abgabe der Erklärung weitere
49 Tage, im Jahr 2002 113 Kalendertage und im Jahr 2003 114 Kalendertage "erlaubt" ortsabwesend gewesen ist und
ihm bei Genehmigung des jeweiligen Urlaubs jeweils eine Einladung zur Rückmeldung nach dem Urlaub ausgehändigt
worden ist. Somit haben sich die genehmigten und nicht genehmigten Urlaube abgewechselt, was wesentlich für das -
zumindest laienhaft vorhandene - Bewusstsein des Klägers spricht, dass die Ortsabwesenheiten einer vorherigen
Genehmigung bedürfen.
Soweit der Kläger vorträgt, er habe nicht verstanden, einerseits nicht mehr zur Beschäftigungssuche verpflichtet zu
sein und nicht mehr arbeitsbereit sein zu müssen, andererseits aber dennoch erreichbar sein zu müssen, handelt es
sich lediglich um einen nicht entschuldbaren Verbotsirrtum, der die "grobe Fahrlässigkeit" nicht entfallen lässt.
Entschuldbarkeit des Irrtums scheidet hier schon deshalb aus, weil sich der Kläger seine Rechtsansicht nicht
aufgrund einer (objektiv) sorgfältigen Prüfung der Rechtslage gebildet hat (s. BSG, Urteil vom 25.05.2005, B 11a/11
AL 81/04 R, BGH NJW 1982, 637; NJW 1994, 2754, 2755 mwN).
Aus den dargelegten Gründen ist die Auffassung des Klägers, dass es genügt habe, postalisch erreichbar zu sein -
was er im Übrigen auch nicht war - und es im Hinblick auf das Zeitmoment iS einer "Unverzüglichkeit" ausreiche,
wenn er sich zu Kontrollzwecken bei der Beklagten in angemessener Zeit eingefunden habe, unzutreffend.
Die Aufhebung der Bewilligungsentscheidungen kann auch auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB
III gestützt werden. Nach dieser Vorschrift ist der Verwaltungsakt rückwirkend vom Zeitpunkt der Änderung der
Verhältnisse aufzuheben, wenn der Betroffene wusste oder grob fahrlässig nicht wusste, dass der Leistungsanspruch
weggefallen ist. Aufgrund der eindeutigen und nicht auslegungsfähigen Formulierungen zur Erklärung nach § 428 SGB
III in Verbindung mit dem eindeutigen Hinweis im Merkblatt für Arbeitslose Stand April 2001 (Bl 70 L-Akte) " ...
Verreisen Sie ohne vorherige Unterrichtung und Zustimmung Ihres Arbeitsvermittlers, wird die Bewilligung der Leistung
rückwirkend vom Reisebeginn an aufgehoben ..." hätte der Kläger - auch unter Berücksichtigung der bisher erfolgten
Genehmigungen von Ortsabwesenheiten - wissen müssen oder zumindest leicht erkennen können, dass sein
Leistungsanspruch bei nicht genehmigter Ortsabwesenheit weggefallen ist. Wenn er entgegen seiner schriftlichen
Bestätigung diese Hinweise nicht zur Kenntnis genommen hat, beruht diese Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit.
Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG Nürnberg vom 27.07.2005 aufzuheben und die
Klagen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht, § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG.