Urteil des LSG Bayern vom 14.12.2000

LSG Bayern: diabetes mellitus, ulcus duodeni, rente, qualifikation, erwerbsunfähigkeit, erwerbstätigkeit, nikotinabusus, ergänzung, berufsunfähigkeit, arbeitsbedingungen

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 14.12.2000 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 9 RJ 3359/97
Bayerisches Landessozialgericht L 6 RJ 16/00
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20. Oktober 1999 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der am ...1954 in Anatolien geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Nach seinen Angaben hat er in der
Türkei keine Versicherungszeiten zurückgelegt und auch keinen Beruf erlernt. Im Jahre 1972 ist er in die
Bundesrepublik Deutschland gekommen und hat hier am 01.01.1973 ein versicherungspflichtige Beschäftigung
aufgenommen. Seitdem ist er mit kurzen Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit und Krankheit sowie seines
Militärdienstes in der Türkei vom 17.04.1974 bis 17.09.1975 in verschiedenen Industriezweigen (zunächst in der
Holzindustrie anschließend in der Metallindustrie, zwischenzeitlich in der Bauindustrie und im Gartenbau und zuletzt
erneut in der Metallindustrie) als Hilfsarbeiter und einfach angelernter Arbeitnehmer beschäftigt. Seit 01.02.1985 war er
bis zum Eintreten von Arbeitsunfähigkeit am 25.02.1996 als Montagearbeiter und Aushilfstransportarbeiter bei der W
... GmbH beschäftigt, und bezog zuletzt für eine Tätigkeit, die in der Regel vier bis sechs Wochen Anlernzeit
beansprucht, den Tariflohn nach Lohngruppe 06 des Tarifvertrags der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie.
Seitdem konnte der Kläger nicht wieder ins Erwerbsleben eingegliedert werden und erhält Leistungen der
Bundesanstalt für Arbeit.
Am 22.09.1997 beantragte der Kläger bei der Beklagte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Diese ließ sein berufliches
Leistungsvermögen auf orthopädischem, innerem und nervenärtzlichen Fachgebiet untersuchen und begutachten.
Dabei haben die ärztlichen Gutachter Dres.H ..., W ..., McC ... und M ... als Gesundheitsstörungen
Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule sowie beginnende Verschleißerscheinungen an den Hüft- und
Kniegelenken beidseits, eine obstruktive Emphysembronchitis bei Nikotinabusus, ein Nierensteinleiden, einen
unbefriedigend eingestellten Diabetes mellitus Typ II, eine psychovegetative Labilität und ein Rentenbegehren
festgestellt und den Kläger mit Rücksicht auf diese Gesundheitsstörungen noch zu mittelschweren Männerarbeiten
ohne dauerndes Stehen und Gehen, häufiges Bücken oder anhaltenden Zwangshaltungen sowie ohne Arbeiten in
Nässe und Kälte vollschichtig in der Lage beurteilt.
Die Beklagte lehnte darauf mit Bescheid vom 12.11.1997 den Rentenantrag ab. Die gesundheitlichen
Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit lägen nicht vor.
Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.1997 zurück.
Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht München Klage erhoben. Das Sozialgericht hat neben einer
Arbeitgeberauskunft der W ... GmbH zur Qualifikation der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit Befundberichte der
behandelnden Ärzte eingeholt und anschließend Gutachten auf orthopädischem und innerem Fachgebiet eingeholt.
Dr.L ... hat in ihrem internistischen Gutachten vom 05.07.1998 ein rezidivierendes Nierensteinleiden ohne
Komplikationen, einen Diabetes mellitus Typ II ohne wesentliche Organschäden, einen labilen Bluthochdruck bei
unauffälligem Organbefund und eine chronisch obstruktive Atemwegserkrankung bei Niktonabusus festgestellt. Dr.La
... hat in seinem orthopädischen Gutachten vom 27.06.1998 ein chronisches Lumbalsyndrom,
Verschleißerscheinungen an den Kniegelenken ohne Funktionseinschränkung und Senk- Spreizfüsse beidseits
festgestellt. Im Ergebnis haben beide ärztliche Sachverständige den Kläger noch zu einer vollschichtigen leichten bis
kurzfristigen mittelschweren Erwerbstätigkeit ohne ausschließliches Gehen oder Stehen, häufiges Treppen steigen
oder Besteigen von Leitern und Gerüsten und ohne besondere Belastungen der Wirbelsäulen in der Lage beurteilt.
Zudem sollten Expostion von Kälte und Nässe, Zugluft, Rauch, Staub oder Reizgasen vermieden werden und die
Tätigkeit vorwiegend in geschlossenen temperierten Räumen ausgeführt werden können.
Auf den Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat Dr.Sch ... ein weiteres orthopädisches
Gutachten vom 09.03.1999 erstellt. Darin ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger aufgrund einer lumbo-
sacralen Übergangsstörung nur noch leichte Arbeiten halb- bis unter vollschichtig zu verrichten in der Lage sei. Dr.S
... vom Sozialmedizinschen Dienst der Beklagten hat dagegen ausgeführt, dass es sich bei der Diagnose einer lumbo-
sacralen Übergangsstörung um eine in der Bevölkerung weitverbreitete Anomalie handle, die einen häufigen
radiologischen Gelegenheitsbefund darstelle. Sie begründe jedoch für sich allein keinerlei Einschränkungen der
körperlichen Leistungsfähigkeit. Mit Rücksicht auf die beschriebenen klinischen Befunde sei deshalb weiterhin die
Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens durch Dr.La ... gültig.
Mit Urteil vom 20.10.1999 hat das Sozialgericht die Klage darauf abgewiesen. Der Kläger sei angesichts seines
Restleistungsvermögens mit der Fähigkeit zu vollschichtiger Erwerbstätigkeit mit leichten bis zeitweise
mittelschweren Arbeiten und dafür unwesentlichen Einschränkungen weder erwerbsunfähig noch berufsunfähig, da er
angesichts seiner beruflichen Qualifikation als einfach angelernter Arbeitnehmer auf Tätigkeiten des allgemeinen
Arbeitsmarktes verweisbar sei und insbesondere mit Tätigkeiten als Bürohelfer, Bote im Postein- und auslauf, in der
Ablage oder Vervielfältigung sowie als Packer noch vollschichtig erwerbstätig sein könnte.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Der Senat hat weitere Sachverständigengutachten auf nervenärztlichem
und innerem Fachgebiet eingeholt. Dr.K ... kommt in seinem nervenärtzlichen Gutachten vom 28.07.2000 zu dem
Ergebnis, dass von Seiten seines Fachgebiet ein chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom bei unauffälligen
neurologischen Untersuchungsbefunden, ein chronischer dysphorischer Verstimmungszustand ohne Krankheitswert
sowie eine Areflexie als Vorpostensyndrom einer Polyneuropathie zu erheben seien. Diese Gesundheitsstörungen
beeinträchtigten das berufliche Leistungsvermögen des Klägers nur gering, es seien ihm deshalb von Seiten seines
Fachgebietes jedenfalls leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig
zuzumuten. Nicht mehr zumutbar seien lediglich Schwerarbeiten und solche in Zwangshaltung der Wirbelsäule und mit
Heben und Tragen schwerer Lasten.
Dr.E ... stellt in seinem Gutachten vom 27.09.2000 als Gesundheitsstörungen einen Diabetes mellitus Typ II, eine
kombinierte Ventilationsstörung bei Verdacht auf Emphysenbronchitis wegen Nikotinabusus, einen Zustand nach
rezidivierendem Nierensteinleiden, einen Zustand nach Ulcus duodeni und eine Hypercholesterinämie fest. Mit
Rücksicht darauf sei der Kläger weiterhin in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis kurzzeitig
mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Tätigkeiten überwiegend im Freien mit Einfluss von Kälte und
Nässe, mit Heben und Tragen von schweren Lasten, Zwangshaltungen der Wirbelsäule sowie Tätigkeiten in
Nachtschicht, Akkord, auf Leitern und Gerüsten und unter vermehrtem Staubanfall sowie reizende Gase und Dämpfe
seien jedoch zu vermeiden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.10.1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12.11.1997 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen ihm Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit aufgrund seines Antrages vom 22.09.1997 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts weiterhin für zutreffend.
Beigezogen waren die Akten der Beklagten und die des Sozialgerichts München, auf deren Inhalt zur Ergänzung des
Tatbestandes sowie auf den Inhalt der Berufungsakte zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte ist zulässig. Sachlich ist sie jedoch nicht begründet, weil der Kläger
keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit gemäß §§ 43, 44 des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB VI) hat.
Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs.2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) den Entscheidungsgründen des
angefochtenen Urteils des Sozialgerichts an und sieht deshalb insoweit von einer erneuten Darstellung der
Entscheidungsgründe ab. Das Sozialgericht hat den Rechtstreit entsprechend der Sach- und Rechtslage entschieden.
Ergänzend dazu ist lediglich auszuführen, dass die im Berufungsverfahren zum körperlichen Leistungsvermögen des
Klägers befragten ärztlichen Sachverständigen die Beurteilung der Vorgutachter im Verwaltungsverfahren und im
sozialgerichtlichen Verfahren im Wesentlichen bestätigt haben und damit das vom Sozialgericht gewonnene und
überzeugend begründete Beweisergebnis weiterhin Gültigkeit hat. Danach hindert sein Gesundheitszustand den
Kläger nicht an einer körperlich leichten bis zeitweise mittelschweren vollschichtigen Erwerbstätigkeit. Es bestehen
lediglich Einschränkungen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, die jedoch nicht so schwerwiegend sind, dass darin
eine Summierung von ungewöhnlichen Leistungsbeeinträchtigungen oder eine ungewöhnliche Leistungseinschränkung
gesehen werden könnte. Auch was die Beurteilung der beruflichen Qualifikation des Klägers anbelangt, schließt sich
der Senat der Auffassung des Sozialgerichts an, das den Kläger von seiner Qualifikation her als einfach angelernten
Arbeitnehmer beurteilt hat und ihn damit auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts, die nicht alle einfachster
Art sind, verwiesen hat. Ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit ist deshalb ebenfalls nicht begründet.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht erfüllt sind.