Urteil des LSG Bayern vom 12.12.2000

LSG Bayern: wichtiger grund, besondere härte, arglistige täuschung, kündigung, aufhebungsvertrag, beendigung, anspruchsdauer, arbeitslosigkeit, firma, arbeitsgericht

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 12.12.2000 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 13 Al 848/96
Bayerisches Landessozialgericht L 10 AL 334/97
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 17. September 1997 wird
zurückgewiesen. II. Die Klage gegen den Bescheid vom 14.September 1998 wird abgewiesen. III. Außergerichtliche
Kosten sind nicht zu erstatten. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
In dem Rechtsstreit geht es darum, ob dem Kläger Arbeitslosengeld (Alg) ab 17.01.1996 oder wegen des Eintritts
einer Sperrzeit erst ab 25.03.1996 zusteht.
Der im Jahre 1939 geborene Kläger arbeitete seit 1971 als Gebäudereiniger bei der Firma D ..., Erlangen. Am
01.09.1995 kündigte der Arbeitgeber zum 31.12.1995. Der Kläger erhielt die Kündigung auch am 01.09.1995. Er
unterschrieb am selben Tag nach seinen Angaben ein Blatt, auf dem lediglich das Datum und darunter Paul S ...
gestanden habe. Auf dem vom Arbeitgeber vorgelegten Blatt hat der Kläger am 01.09.1995 folgende unter dem
Briefkopf der Firma D ... mit Maschine geschriebene Erklärung unterschrieben: " 1 Ich bin mit der ordentlichen
betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung vom 1.September 1995 zum 31.Dezember 1995 einverstanden. 2. Mit der
Kündigung und der Beendigung meines Arbeitsverhältnisses bin ich einverstanden und werde hiergegen keine
gerichtlichen Mittel, wie Kündigungsschutzklage oder Anfechtung erheben."
Die vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage blieb beim Arbeitsgericht und beim Landesarbeitsgericht (LAG)
ohne Erfolg. Der Kläger konnte nicht beweisen, dass durch den Arbeitgeber die Erklärung nachträglich als Erklärung
des Klägers eingefügt wurde und der Arbeitgeber damit eine Urkundenfälschung begangen hat (Urteil des LAG vom
05.08.1997).
Am 17.01.1996 meldete der Kläger sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Alg. Mit Bescheid vom
06.03.1996 bewilligte die Beklagte Alg ab 25.03.1996 für längstens 624 Wochentage. Der Bescheid enthielt folgenden
Text: "Die Leistung wurde nach Ablauf einer Sperrzeit bewilligt. Hierzu siehe gesonderten Bescheid. Der Beginn der
Leistung wurde vorläufig festgesetzt. Die endgültige Festsetzung wird mit Bescheid bekanntgegeben." Den
Rechtsbehelf dagegen wies die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 26.08.1996 als unbegründet zurück, weil die
Tatbestandsvoraussetzungen des § 147 Abs 1 Nr 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) für eine vorläufige Entscheidung
gegeben gewesen seien.
In seiner am 27.09.1996 eingegangenen Klage hat der Kläger beantragt, ihm Alg ab 17.01.1996 zu gewähren,
hilfsweise, über die Sperrzeit zu entscheiden. Die Klage hat das Sozialgericht (SG) Nürnberg mit Urteil vom
17.09.1997 abgewiesen. Der vorläufige Leistungsbeginn ab 25.03.1996 sei nicht zu beanstanden.
Mit Bescheid vom 14.09.1998 entschied die Beklagte endgültig. Für die Zeit vom 01.01.1996 bis 24.03.1996 sei eine
Sperrzeit eingetreten. Während dieser Zeit ruhe der Anspruch auf Alg. Der Kläger habe seine Beschäftigung selbst
aufgegeben, denn er habe sein Arbeitsverhältnis zum 31.12.1995 durch Aufhebungsvertrag gelöst. Dabei sei es
unerheblich, ob die Initiative zum Abschluss des Aufhebungsvertrages von ihm oder von seinem ehemaligen
Arbeitgeber ausgegangen sei. Entscheidend sei, dass der Aufhebungsvertrag ohne die Zustimmung des Klägers nicht
habe zustande kommen können. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines wichtigen Grundes für sein Verhalten lägen
nicht vor, auch nicht für eine besondere Härte. Die Sperrzeit mindere den Anspruch des Klägers auf Alg um 208 Tage
- ein Viertel der Anspruchsdauer - (§ 110 AFG). Dieser sei Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden.
Zur Begründung seiner am 29.09.1997 eingelegten Berufung hat der Kläger ausgeführt: Die von der Beklagten
verhängte Sperrzeit vom 01.01.1996 bis zum 24.03.1996 sei unbegründet. Er sei durch ordentliche betriebsbedingte
Kündigung zum 31.12.1995 entlassen worden. Seine Feststellungsklage gegenüber dem Arbeitgeber sei allein deshalb
erfolglos geblieben, weil er die arglistige Täuschung durch den Arbeitgeber nicht habe beweisen können. Die
verhaltensbedingte Kündigung sei nicht gerechtfertigt. Über den Zeitraum vom 17.01.1996 bis zum 29.01.1996 habe
die Beklagte überhaupt keine Entscheidung getroffen.
Der Kläger beantragt:
1. Das Endurteil des SG Nürnberg vom 17.09.1997 wird abgeändert. 2. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Alg
beginnend ab 17.01.1996 zu gewähren. Hilfsweise beantragt der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, eine
Entscheidung über die Sperrzeit zu treffen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 17.09.1997 zurückzuweisen.
Der Bescheid vom 06.03.1996 sei nicht mehr Gegenstand des Verfahrens, weil er sich durch den endgültigen
Sperrzeitbescheid vom 14.09.1998 iSd § 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erledigt habe. Der Kläger
habe vor dem Arbeitsgericht mit seiner Klage auf Löschung einer Abmahnung aus der Personalakte keinen Erfolg
gehabt, auch nicht mit seiner Kündigungsschutzklage. Diese beiden arbeitsgerichtlichen Entscheidungen hätten für
die Beklagte hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Sperrzeit indiziellen Charakter. Der Kläger habe durch
vertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben, zumindest aber das
Beschäftigungsverhältnis selbst gelöst. In jedem der beiden Fälle habe er die Arbeitslosigkeit grob fahrlässig
herbeigeführt.
Hierzu hat sich der Kläger nicht mehr geäußert. Auf Anregung des Senats hat sein Bevollmächtigter mit Schreiben
vom 22.11.2000 beantragt, die Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zu treffen. Dem hat sich die
Beklagte angeschlossen.
Beigezogen sind die den Kläger betreffenden Akten der Beklagten und des SG sowie des Arbeitsgerichts. Wegen
weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-).
Die Berufung gegen das Urteil des SG vom 17.09.1997, mit dem die Klage gegen den Bescheid mit dem vorläufigen
Leistungsbeginn abgewiesen wurde, ist unbegründet und zurückzuweisen. Der Senat folgt der zutreffenden
Begründung des SG (§ 153 Abs 2 SGG).
Gegenstand des Verfahrens ist nunmehr der Bescheid vom 14.09.1998, mit dem die Beklagte endgültig über die
Sperrzeit, den Beginn der Alg-Zahlung und die Verkürzung der Anspruchsdauer wegen der Sperrzeit entschieden hat
(§§ 96, 153 Abs 1 SGG). Hierüber hat der Senat im Wege der Klage zu entscheiden (Meyer-Ladewig, Kommentar zum
SGG, 6.Auflage, § 96 Rdnr 7). Der Bescheid ist rechtmäßig.
Es ist eine Sperrzeit nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG eingetreten. Der Kläger hat sein Beschäftigungsverhältnis
gelöst und dadurch zumindest grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt, ohne für sein Verhalten einen
wichtigen Grund zu haben. Zwar hat zunächst der Arbeitgeber am 01.09.1995 zum 31.12.1995 gekündigt. Die
Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Der Kläger hat sie am 01.09.1995 erhalten. Bei der
Übergabe des Kündigungsschreibens hat sich der Kläger aber mit der Kündigung und mit den Folgen der Kündigung,
der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, einverstanden erklärt. Beides zusammen in unmittelbarem zeitlichen
Zusammenhang ist als Aufhebungsvertrag zu verstehen. Die Arbeitsvertragsparteien erklärten am 01.09.1995
übereinstimmend die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.1995.
Aus den vom LAG aufgeführten Gründen besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass der Kläger die Erklärung, er sei
mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses einverstanden, in Kenntnis des Inhalts der Erklärung unterschrieben
hat und ihm deshalb - dem LAG folgend - ein Anfechtungsrecht mit dem Ziel, seine Einverständniserklärung zu Fall zu
bringen, nicht zusteht.
Ein wichtiger Grund für den Aufhebungsvertrag ist nicht ersichtlich. Es liegen auch keine Gründe für eine Halbierung
der Sperrzeit nach § 119 Abs 2 AFG vor.
Die Sperrzeit beträgt zwölf Wochen (§§ 119 Abs 1 Satz 1, 119a Nr 1 AFG). Sie beginnt gemäß § 119 Abs 1 Satz 2
mit dem 01.01.1996. Während der Sperrzeit ruht der Anspruch auf Alg (§ 119 Abs 1 Satz 3 AFG).
Die Minderung der Anspruchsdauer von 832 Tagen (§ 106 Abs 1 AFG) um ein Viertel (208 Tage) entspricht § 110 Satz
1 Nr 2 AFG.
Nach alledem war die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 14.09.1998 unbegründet und abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).