Urteil des LSG Bayern vom 21.09.2009

LSG Bayern: entschuldigung, ermessen, fax, verschulden, notlage, unverzüglich, vertretung, verspätung, auflage, abend

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 21.09.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 12 SB 21/08
Bayerisches Landessozialgericht L 2 SB 38/09 B
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 20. Januar 2009 wird zurückgewiesen.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Ordnungsgeldbeschlusses vom 20.01.2009.
Im Verfahren zur Feststellung des Grads der Behinderung der Klägerin, einer Patientin des Beschwerdeführers,
forderte das Sozialgericht Nürnberg (SG) den Beschwerdeführer am 03.11.2008 auf, einen Befundbericht zu
übersenden. Da der Beschwerdeführer der Aufforderung auch nach Mahnung am 03.12.2008 nicht nachkam, lud ihn
das SG zum Termin zur Beweisaufnahme auf den 20.01.2009. Es wies auf die Folgen des unentschuldigten
Fernbleibens, nämlich auf die Verhängung von Ordnungsgeld bis 1.000,00 EUR hin. Es fügte hinzu, sofern der
Befundbericht noch rechtzeitig vor dem Termin beim SG eingehen sollte, so werde der Termin aufgehoben werden.
Die Ladung wurde dem Beschwerdeführer laut Postzustellungsurkunde vom 18.12.2008 zum Termin am 20.01.2009
um 10.00 Uhr persönlich ausgehändigt.
In der nicht öffentlichen Sitzung zur Beweisaufnahme am 20.01.2009 erschien der Beschwerdeführer bis 10.15 Uhr
nicht. Die Vorsitzende erkundigte sich telefonisch bei der Poststelle im Haus, ob dort Faxe eingegangen seien, was
verneint wurde. Mit Beschluss vom selben Tag legte sie dem Beschwerdeführer Kosten in Höhe von 150,00 EUR
sowie ein Ordnungsgeld in Höhe von 500,00 EUR, ersatzweise einen Tag Ordnungshaft, auf. In dieser Höhe, so führte
sie aus, sei das Ordnungsgeld angemessen, da der Beschwerdeführer in einer Vielzahl von beim SG anhängigen
Fällen mit Postzustellungsurkunde habe geladen werden müssen, weil er Befundberichte nicht rechtzeitig erstellt
hatte; erst in letzter Minute sei dann von ihm der jeweilige Befundbericht übermittelt worden.
Mit beim SG am 20.01.2009 um 18.00 Uhr eingegangenem Fax übersandte der Beschwerdeführer den erbetenen
Befundbericht.
Gegen den Ordnungsgeldbescheid vom 20.01.2009 legte er am 08.02.2009 Beschwerde ein. Er sei am 20.01.2009
bettlägerig erkrankt gewesen und durch seine Kollegin vertreten worden. Diese habe dann auch den Befundbericht
diktiert und an das Gericht gefaxt. Eine Verzögerung des Verfahrens sei damit nicht eingetreten. Sofern das SG den
Beschluss nicht aufhebe, beantrage er eine deutliche Reduzierung des Ordnungsgeldes.
Der Beschwerdeführer beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.01.2009 aufzuheben; hilfsweise
das Ordnungsgeld von 500,00 EUR deutlich zu reduzieren.
Der Beschwerdeschrift lag ein Schreiben des Finanzamts A-Stadt vom 22.01.2009 vor, wonach der Beschwerdeführer
und seine Ehefrau keine Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschuss zu zahlen haben.
II.
Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist unbegründet.
Gemäß § 118 Abs.1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 380 Abs.1 Zivilprozessordnung (ZPO) werden einem
ordnungsgemäß geladenen Zeugen, ohne dass es eines Antrags bedarf, die durch sein Ausbleiben verursachten
Kosten auferlegt und zugleich gegen ihn ein Ordnungsgeld verhängt, wenn er nicht erscheint. Nach § 381 Abs.1 ZPO
hat die Festsetzung eines Ordnungsmittels zu unterbleiben, wenn der Zeuge glaubhaft macht, dass ihm die Ladung
nicht rechtzeitig zugegangen oder sein Ausbleiben genügend entschuldigt ist bzw. nachträglich entschuldigt wird.
Voraussetzung ist demnach die ordnungsgemäße Ladung des Beschwerdeführers als Zeuge. Diese wird durch die
Postzustellungsurkunde vom 18.12.2008 nachgewiesen. Das Schriftstück, nämlich die Ladung, wurde demnach dem
Beschwerdeführer am 18.12.2008 persönlich ausgehändigt.
Fest steht, dass der Beschwerdeführer bei Aufruf der Sache um 10.00 Uhr im Termin zur Beweisaufnahme am
20.01.2009 nicht erschienen war. Auch nach Zuwarten bis 10.15 Uhr erschien er nicht. Die Voraussetzungen für das
Auferlegen der Kosten sowie für Ordnungsgeld sind damit erfüllt.
Kann der Zeuge sein Ausbleiben rechtzeitig entschuldigen, so ist von Ordnungsgeld abzusehen. Eine rechtzeitige
Entschuldigung liegt dann vor, wenn im üblichen Büroweg die Beteiligten noch rechtzeitig verständigt werden können,
so dass sie nicht umsonst zum Termin erscheinen müssen. Eine solche rechtzeitige Entschuldigung liegt ohne
Zweifel nicht vor; eine solche wird auch nicht vom Beschwerdeführer behauptet.
Ein Ordnungsgeld kann nachträglich aufgehoben werden, wenn nachträglich eine genügende Entschuldigung gemäß §
381 Abs.1 ZPO vorgebracht und glaubhaft gemacht wird. Dies setzt voraus, dass der Zeuge Tatsachen vorträgt und
glaubhaft macht, aus denen sich ergibt, dass ihn an der Verspätung der Entschuldigung und dem Nichterscheinen
kein Verschulden trifft. Der Vortrag des Beschwerdeführers, er sei am Terminstag bettlägerig erkrankt gewesen, reicht
hierfür nicht aus. Abgesehen davon, dass er diese Bettlägerigkeit und zudem die unerwartete Bettlägerigkeit nicht
glaubhaft gemacht hat, ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen er diese Entschuldigung nicht unverzüglich, d.h.
ohne schuldhaftes Zögern, dem Gericht mitteilte. Der Beschwerdeführer trägt selbst vor, er sei an diesem Tag durch
seine Kollegin vertreten worden. Diese habe dann am Abend den Befundbericht diktiert und an das SG gefaxt. Daraus
kann nur der Schluss gezogen werden, dass der Beschwerdeführer trotz Bettlägerigkeit in der Lage war, seine
Vertretung in der Praxis zu organisieren und zudem seine Kollegin zu veranlassen, den Befundbericht zu diktieren und
per Fax zu übermitteln. Diese Geschehensabläufe lägen nahe, dass es dem Beschwerdeführer ebenso möglich
gewesen wäre, sich noch vor 10.00 Uhr mit dem SG in Verbindung zu setzen und sich zu entschuldigen.
Auch die Höhe des gegen den Beschwerdeführer verhängten Ordnungsgeldes in Höhe von 500,00 EUR begegnet
keinen Bedenken. Innerhalb des Rahmens von 5,00 EUR und 1.000,00 EUR, der von Art.6 Abs.1 EGStGB
vorgegeben ist, bestimmt das Gericht die Höhe des Ordnungsgeldes nach pflichtgemäßem Ermessen. Bewegt sich
dieses im mittleren Bereich des Rahmens, ist eine eingehende Begründung der Ermessensentscheidung nicht
erforderlich (Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 111 Rdnr.6b). Der Beschwerdeführer hat nicht
vorgetragen, dass er durch die Zahlung des Ordnungsgeldes in eine wirtschaftliche Notlage geraten würde, solche
Umstände sind auch in Anbetracht seiner beruflichen Stellung nicht erkennbar. Darüber hinaus zwingt die
nachträgliche Vorlage des Befundberichts für sich allein nicht zur Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses (Meyer-
Ladewig, a.a.O., § 118 Rdnr.10i). Zum besseren Verständnis weist der Senat darauf hin, dass die Verhängung von
Ordnungsgeld gegen einen säumigen Zeugen nicht im Ermessen des Gerichts steht. Vielmehr zwingt § 380 Abs.1
Satz 2 ZPO zur Festsetzung eines Ordnungsgeldes, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt sind. Lediglich die Höhe
des Ordnungsgeldes steht im Ermessen des Gerichts. Gründe für eine Herabsetzung des Ordnungsgeldes liegen, wie
bereits ausgeführt, nicht vor.
Damit kommt der Senat zum Ergebnis, dass der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.01.2009 rechtmäßig
ist. Die dagegen erhobene Beschwerde war zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf analoger Anwendung des § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs.1
und 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Danach sind demjenigen, der unterliegt bzw. der ohne Erfolg ein Rechtsmittel
eingelegt hat, die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. § 197a SGG findet hier Anwendung, weil der
Beschwerdeführer als Zeuge nicht zu dem kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG gehört. Danach sind nur
Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren
Sonderrechtsnachfolger von Gerichtskosten befreit, wenn sie als Kläger oder Beklagte in einem Rechtsstreit vor den
Sozialgerichten beteiligt sind. Dem Beschwerdeführer waren, da er zu diesem Personenkreis nicht zählt, die Kosten
aufzuerlegen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).