Urteil des LSG Bayern vom 20.06.2006

LSG Bayern: aufschiebende wirkung, haushalt, versorgung, stadt, herausgabe, angriff, jugendamt, befangenheit, luftfahrzeug, pauschal

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 20.06.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 15 VG 7/04
Bayerisches Landessozialgericht L 15 B 108/06 VG PKH
Die Beschwerde der Beschwerdeführer vom 07.02.2006 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom
20.01.2006 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten sind Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) streitig.
Das Amtsgericht N. hat mit Beschluss vom 14.02.2002 ausgesprochen: 1. Der Mutter des Kindes J. K. , geb. 1996,
J. K. , wird das elterliche Sorgerecht für das Kind J. K. für folgende Teilbereiche entzogen: a) Das Recht zur Auswahl
und der Bestimmung des Besuchs vorschulischer und schulischer Einrichtungen; b) das
Aufenthaltsbestimmungsrecht. 2. Für den Wirkungskreis der unter Ziffern 1 a) und b) genannten Teilbereiche des
elterlichen Sorgerechts wird Ergänzungspflegschaft angeordnet und zum Ergänzungspfleger das Jugendamt der Stadt
N. ausgewählt. 3. Der Ergänzungspfleger ist berechtigt, Leistungen nach SGB VIII und BSHG zu beantragen und
weitere notwendige Untersuchungen und Behandlungen des Kindes im Rahmen der Gesundheitsfürsorge zu
veranlassen.
Die Beschwerdeführer (Mutter und Tochter) beanspruchen für sich Beschädigtenversorgung nach dem OEG mit der
Begründung, dass durch die Herausnahme der Tochter J. aus dem gemeinsamen Haushalt am 19.08.2002 beide
Beschwerdeführer Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden seien.
Der Beklagte hat mit Bescheiden des Amtes für Versorgung und Familienförderung N. vom 21.01.2004 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 05.04.2004 eine
Beschädigtenversorgung für beide Beschwerdeführer abgelehnt. Ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im
Sinne von § 1 Abs.1 OEG liege nicht vor. Mit Beschluss des Amtsgerichts N. vom 18.02.2002 sei das Jugendamt der
Stadt N. als Ergänzungspfleger dazu berechtigt, im erforderlichen Fall zur Umsetzung des Rechts zur Auswahl und
Bestimmung des Besuchs vorschulischer und schulischer Einrichtungen und des Aufenthaltsbestimmungsrechts, zur
Herausgabe der Tochter J. aus dem Haushalt erforderlichenfalls die Hilfe der polizeilichen Vollzugsorgane in Anspruch
zu nehmen. Gegen diesen Beschluss sei Beschwerde eingelegt worden. Die Beschwerde habe allerdings bezüglich
Ziffer 4 des Beschlusses des Amtsgerichts N. vom 18.02.2002 (Ermächtigung des Jugendamtes, die Herausgabe des
Kindes unter Anwendung von Gewalt zu erzwingen und sich dazu der Hilfe des Gerichtsvollziehers und der Polizei
bedienen) keine aufschiebende Wirkung. Aufgrund dieses Amtsgerichtsbeschlusses seien die Vertreter des
Jugendamtes und die hinzugezogenen Polizeibeamten berechtigt gewesen, die Tochter J. gegen den Willen der
Mutter auch unter Anwendung unmittelbaren Zwangs aus dem Haushalt zu holen. Ein vorsätzlicher, rechtswidriger
tätlicher Angriff gegen Mutter und Tochter liege damit nicht vor.
In dem sich anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren hat das Sozialgericht Nürnberg mit Beschluss vom
20.01.2006 - S 15 VG 7/04 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Nach der hier nur gebotenen
summarischen Prüfung habe die Klage mangels Vorliegens einer vorsätzlichen rechtswidrigen Tat keine Aussicht auf
Erfolg. Auf die aktenkundigen Entscheidungen betreffend das von der Klage in Bezug genommene Ereignis,
insbesondere auf die Beschlüsse des Amtsgerichts N. vom 18.02.2002 und des Oberlandesgerichts N. vom
21.08.2002 werde Bezug genommen.
In der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts Nürnberg vom 07.02.2006 hat die Klägerin (und Beschwerdeführerin
zu Nr.1) erklärt: Den PKH-Beschluss fechte ich hiermit an und zwar im Wesentlichen aus den oben schon genannten
Gründen.
Das Sozialgericht Nürnberg hat entsprechend seinem Beschluss vom gleichen Tag der Beschwerde nicht abgeholfen
und die Sache an das Bayer. Landessozialgericht zur Entscheidung über den Rechtsbehelf gegen den ablehnenden
PKH-Beschluss weitergeleitet.
Von Seiten des Bayer. Landessozialgerichts wurde mit Nachricht vom 24.02.2006 um die Übersendung der
Beschwerdebegründung gebeten. Eine solche ging bislang nicht ein.
Der Beschwerdegegner hat sich ebenfalls nicht geäußert.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen noch zu benennenden Rechtsanwalt ergibt sich aus der
Klageschrift vom 29.04.2004.
Das Bayer. Landessozialgericht hat die erstinstanzlichen Akten samt PKH-Beiakte beigezogen, ebenso den
Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts vom 27.03.2006 - L 5 AR 18/06 VG wegen Ablehnung der ehrenamtlichen
Richter der 15. Kammer des Sozialgerichts Nürnberg wegen Besorgnis der Befangenheit (Verwerfung als unzulässig).
II.
Die Beschwerde beider Beschwerdeführer ist gemäß §§ 73 a, 172 ff. des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig,
aber nicht begründet.
Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines
vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige
Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält gemäß § 1 Abs.1 Satz 1 OEG wegen der
gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften
des Bundesversorgungsgesetzes.
Wenn das Kind J. am 19.08.2002 auf Veranlassung des Jugendamtes der Stadt N. aus dem gemeinsamen Haushalt
herausgenommen worden ist, stellt das Verfahren nach dem OEG kein geeignetes Mittel dar, die zugrunde liegenden
Beschlüsse des Amtsgerichts N. vom 14.02.2002 und 18.02.2002 bzw. den Beschluss des Oberlandesgerichts N.
vom 21.08.2002 nochmals zu überprüfen. Dies gilt auch in Berücksichtigung des Umstandes, dass in der mündlichen
Verhandlung vor dem Sozialgericht Nürnberg am 07.02.2006 eine Verletzung von § 1800 des Bürgerlichen
Gesetzbuches (BGB) pauschal gerügt worden ist.
Nach alle dem hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 73 a
Abs.1 SGG in Verbindung mit § 114 ZPO. Im Übrigen weist das Gericht die Beschwerde aus den Gründen der
angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 142 Abs.2 Satz 2 SGG).
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist nicht anfechtbar (§§ 177, 193 SGG).