Urteil des LSG Bayern vom 16.03.2005

LSG Bayern: aufenthalt im ausland, erwerbsfähigkeit, erwerbsunfähigkeit, arbeitsmarkt, leistungsfähigkeit, busfahrer, form, ergänzung, wechsel, vergleich

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 16.03.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Bayreuth S 7 RJ 313/99
Bayerisches Landessozialgericht L 19 R 354/03
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 22.05.2003 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Bewilligung von Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der 1945 geborene Kläger hat seinen erlernten Beruf eines Mechanikers im Maschinenbau bis 1995 ausgeübt.
Anschließend war er vom 18.04.1995 bis 15.05.1996 als Omnibusfahrer tätig, bezog ab 16.05.1996 Arbeitslosengeld
(Alg) und nach einer weiteren Tätigkeit als Busfahrer vom 10.06. bis 31.07.1996 ab 01.08.1996 wiederum Alg, vom
06.10.1996 bis 01.01.1997 Krankengeld und anschließend bis 12.04.1997 wiederum Alg. Im April 1997 verlegte er
seinen Wohnsitz in die Türkei.
Am 22.08.1997 beantragte der Kläger, der am 26.08.1996 zu Hause auf einer Treppenstufe umgeknickt war, wegen
der Gesundheitsstörung Thrombose linkes Bein die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die
Beklagte holte einen ausführlichen ärztlichen Bericht mit Untersuchung vom 23.07.1998 aus der Türkei ein (TR 12), in
dem nach dem Urteil des Internisten Okutur Erwerbsfähigkeit bestehe. Weiter erstattete der Internist Prof. Dr.K. (I.)
das Gutachten vom 07.09.1998. Er hielt den Kläger in Anbetracht des Befundes an der linken unteren Extremität und
im Hinblick auf die glaubhaften Beschwerden für erwerbsunfähig, da man in der Türkei eine Arbeit nur bekomme, wenn
man 60 Stunden körperlich arbeiten könne. Wegen der Gelenkinstabilität und Pseudoarthrose im Sprunggelenk links
sowie posttrombotischer Störung des linken Unterschenkels schlug Prof. Dr.K. vor, eine Zeitrente zu gewähren. Er
vertrat die Auffassung, dass wegen mangelnder Sprachkenntnis nur eine körperliche Arbeit unterhalbtags im Sitzen in
Frage komme. Der Ärztliche Dienst der Beklagten gelangte im Anschluss an dieses Gutachten zu der Beurteilung, der
Kläger sei nur halb- bis untervollschichtig einsetzbar, diese Einschränkung bestehe vom 22.08.1997 bis 31.12.1999.
Mit Bescheid vom 23.11.1998 nahm die Beklagte ein halb- bis untervollschichtiges Einsatzvermögen für leichte
Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt an. Der Kläger sei aber weder vorübergehend noch dauernd berufs-
bzw. erwerbsunfähig bei gewöhnlichem Aufenthalt in der Türkei. Der gegen diesen Bescheid am 04.12.1998 erhobene
Widerspruch war erfolglos.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 31.03.1999 hat der Kläger am 03.05.1999 Klage erhoben und zur Begründung
auf das Gutachten von Prof. Dr.K. verwiesen, nach dem er berufs- und erwerbsunfähig sei.
Das SG hat einen Befundbericht und die Unterlagen des Allgemeinmediziners Dr.E. zum Verfahren beigezogen. Der
Internist und Sozialmediziner Dr.T. hat - nach Aktenlage - das Gutachten vom 17.03.2001 erstattet. Danach sei der
Kläger in der Lage, leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung in geschlossenen Räumen halb- bis
untervollschichtig (ca. sechs Stunden täglich) zu verrichten. Nachdem der Kläger einen EKG-Befund aus dem Jahr
2001 vorgelegt hatte, hat das SG abschließend den Internisten Dr.G. gehört, der im Gutachten vom 19.06.2002
(ebenfalls nach Aktenlage erstellt) weder eine schwerwiegende kardiale Erkrankung noch eine sozialmedizinisch
relevante kardiale Leistungsminderung feststellte. Es lägen beim Kläger wahrscheinlich wenig bedeutsame
Herzrhythmusstörungen vor, die sich auf die Erwerbsfähigkeit zumindest in zeitlicher Hinsicht nicht wesentlich
auswirkten.
Das SG hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 22.05.2003 abgewiesen. Bezüglich der Leistungsfähigkeit des
Klägers ist es den Beurteilungen der ärztlichen Sachverständigen Dr.T. und Dr.G. gefolgt, wonach beim Kläger ein
Leistungsvermögen für leichte Arbeiten von etwa sechs Stunden täglich vorliege. Rentenleistungen stünden aber im
Hinblick auf § 112 SGB VI nicht zu, da ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) nur bei einem
Restleistungsvermögen von weniger als vier Stunden sowie auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) nur bei einer
Restleistungsfähigkeit von weniger als zwei Stunden täglich gegeben sei. Im Übrigen bestehe kein Berufsschutz, da
der Kläger zuletzt als Busfahrer tätig gewesen und als angelernter Arbeiter einzustufen sei.
Mit seiner dagegen eingelegten Berufung macht der Kläger in erster Linie geltend, der von der Beklagten gehörte Prof.
Dr.K. sei der einzige Arzt gewesen, der ihn untersucht habe. Der Sachverständige habe außerdem den ärztlichen
Bericht (TR 12) korrigierend übersetzt, wonach beim Kläger eigentlich EU bestehe. Die von der Beklagten und vom
SG gehörten Sachverständigen hätten im Gegensatz dazu den Kläger nicht gesehen. Das Gutachten von Prof. Dr.K.
gelange in der Zusammenfassung zu dem Ergebnis, es sei eine EU-Rente auf Zeit zu gewähren.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des SG Bayreuth vom 22.05.2003 sowie
des Bescheides vom 23.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.1999 zu verurteilen, ihm
Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. voller Erwerbsminderung, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, zu
gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte geht in Übereinstimmung mit dem Erstgericht weiterhin davon aus, dass der Kläger in Lage sei, leichte
Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter qualitativen Funktionseinschränkungen halb- bis untervollschichtig zu
verrichten. Damit sei er weder berufs- noch erwerbsunfähig.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren neben den Streitakten erster und zweiter Instanz die
Verwaltungsunterlagen der Beklagten und die Leistungsunterlagen des Arbeitsamtes Passau (Dienststelle O.). Wegen
der Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestands auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch im Übrigen
zulässig (§ 144 SGG).
Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich aber als nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid
vom 22.05.2003 zu Recht entschieden, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Leistungen wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit hat. Denn er ist weder berufs- noch erwerbsunfähig im Sinne des Gesetzes. Zutreffend
hat das SG in der angefochtenen Entscheidung herausgestellt, dass nach den auch nach Auffassung des Senats
überzeugenden Ausführungen der im Klageverfahren gehörten ärztlichen Sachverständigen Dr.T. und Dr.G.
gesundheitliche Einschränkungen in einem rentenerheblichen Maße beim Kläger nicht gegeben sind. Zu Unrecht
beruft sich der Kläger auf die Ausführungen von Prof. Dr.K. im Gutachten vom 07.09.1998. Denn dieser stellt bei der
abschließenden Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers überwiegend auf den türkischen Arbeitsmarkt ab und
gelangt so zur Annahme von EU. Demgegenüber sind die Ausführungen von Dr.T. und Dr.G. im Hinblick auf die
objektiven Befunde in sich schlüssig. Damit steht auch für den Senat fest, dass der Kläger bei Beachtung bestimmter
Funktionseinschränkungen für körperlich leichte Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen mehr als
halbschichtig einsatzfähig ist. Zu Recht ist das SG auch davon ausgegangen, dass der Kläger keinen Berufsschutz
als Facharbeiter genießt, nachdem die letzte versicherunspflichtig ausgeübte Tätigkeit in Deutschland die eines
Omnibusfahrers war, für die lediglich die entsprechende Fahrerlaubnis Voraussetzung war. Obwohl der Kläger nicht
mehr vollschichtig einsatzfähig ist, ist er im Hinblick auf § 112 SGB VI - bei einem Aufenthalt im Ausland - nicht
erwerbs- und nicht berufsunfähig. Im Vergleich zu dem vom SG festgestellten Sachverhalt hat das
Berufungsverfahren keine neuen medizinischen Gesichtspunkte erbracht, so dass der Senat davon ausgeht, dass bis
13.04.1999, dem Tag, an dem letztmalig die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Leistungen wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit gegeben waren, der Leistungsfall der BU und der EU nicht eingetreten ist. Von einer
weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird gemäß § 153 Abs 2 SGG abgesehen, da die Berufung insoweit
aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung unbegründet ist.
Die Kostenentscheidung gemäß § 193 beruht auf der Erwägung, dass der Kläger auch in der Berufung unterlegen war.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.