Urteil des LSG Bayern vom 29.01.2003

LSG Bayern: anerkennung, ertragsgrenze, härtefall, diabetes, ermessen, abschlag, behandlung, rücknahme, nachzahlung, einfluss

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 29.01.2003 (rechtskräftig)
Sozialgericht München S 38 KA 302/00
Bayerisches Landessozialgericht L 12 KA 143/01
I. Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 21. Februar 2001 aufgehoben.
Die Klage des Klägers gegen den Honorarbescheid der Beklagten vom 15. Oktober 1997 (Quartal 2/97) in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2000 wird abgewiesen. II. Der Kläger hat der Beklagten die Kosten
beider Rechtszüge zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Honorarverteilung im Quartal 2/97 streitig. Der Kläger war in diesem Quartal als
fachärztlich tätiger Internist/Endokrinologie in A. niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Der für die Quartale 4/96 bis 2/97 auf der Grundlage des Beschlusses der Vertreterversammlung der Beklagten vom
14. September 1996 ab 1. Oktober 1996 geltende Honorarverteilungsmaßstab (HVM) - insbesondere dessen Anlage 1
(Honorarverteilung Regionalkassen) und Anlage 2 (Honorarverteilung im Bereich der Ersatzkassen), die im
Wesentlichen die Anlage 1 für entsprechend anwendbar erklärt - sieht zunächst eine Unterteilung der auf Landesebene
zu einer Summe zusammengefassten, von den Krankenkassen pauschal bezahlten Gesamtvergütungsanteile (vgl.
Anlage 1 Buchst.B Nr.1) in die Honorarfonds "Labor O I und O II", "Labor O III", "Fremdärzte" und "Übrige Leistungen"
vor (vgl. Anlage 1 Buchst.B 1.1 bis 1.3). Der Honorarfond "Übrige Leistungen" wiederum ist in einen Honorarfonds R 1
("Hausarzttopf") und einen Honorarfonds R 2 für die übrigen Ärzte ("Facharzt- topf") unterteilt (vgl. Buchst.B Nr.1.3.2).
Der rechnerische Punktwert im Rahmen des Honorarfonds "Übrige Leistungen" wird gemäß den Nrn.2 ff. der Anlage 1
ermittelt. Im Rahmen dieses Honorarfonds erfolgt die Berechnung des Punktwertes für die Vergütung der "restlichen
Leistungen" entsprechend den Nrn.2.3.7.1 ff. der Anlage 1 zum HVM im Rahmen eines soge- nannten "individuellen
Praxisbudgets". Auf der Grundlage der Abrechnungen des Jahres 1995 wird gesondert je Quartal und je Praxis gemäß
Ziffer 2.3.7.2 bis 2.3.7.9 ein individuelles Praxisbudget in Punkten ermittelt. Bis zur Grenze des individuellen
Praxisbudgets wird der angeforderte und anerkannte Leistungsbedarf der Praxis im aktuellen Quartal mit einem festen
Punktwert von 10,0 DPf vergütet. Der das individuelle Praxisbudget übersteigende angeforderte und anerkannte
Leistungsbedarf des aktuellen Quartals (Mehrleistungen) wird gemäß den Ziffern 2.3.7.10 und 2.3.7.11 vergütet. Der
für das jeweilige Quartal 95 anerkannte Anteil an der Gesamtvergütung je Praxis wird durch die Gesamtzahl der
Behandlungsausweise der Praxis im Quartal geteilt (Nr.2.3.7.2). Das Ergebnis wird durch 0,1 geteilt und ergibt den
individuellen Fallwert 95 in Punkten der Praxis. Dieser Fallwert 95 wird mit der Gesamtzahl der entsprechenden
Behandlungsausweise der Praxis im aktuellen Quartal, höchstens mit der Zahl der Behandlungsausweise des
entsprechenden Quartals 95, multipliziert. Die so ermittelte Punktzahl wird um die beabsichtigten Auswirkungen des
EBM-96 fachgruppenbezogen entsprechend Anhang 2 prozentual bereinigt. Die verbleibende Punktzahl wird um einen
Abschlag in Höhe von 9,0 % vermindert, um die Honorierung von Mehrleistungen nach Ziffer 2.3.7.1 Satz 3 und dem
Finanzbedarf für Sonderfälle (z.B. Praxisneu- anfänger) sicher zu stellen. Das Ergebnis ist das endgültige
anzusetzende individuelle Praxisbudget in Punkten. Reicht die Gesamtvergütung im Honorarfonds R 2 (= übrige
Ärzte, Facharzttopf) zur Honorierung nach Ziffer 2.3.7.1 Satz 2 nicht aus und/oder verbleibt für die Mehrleistungen
keine bzw. keine ausreichende Gesamtvergütung mehr, ist der Vorstand der Beklagten ermächtigt, den prozentualen
Abschlag von 9,0 % nach Ziffer 2.3.7.2 Satz 5 für aus dem Honorarfond R 2 zu honorierende Ärzte so weit zu
erhöhen, dass der Punktwert von 10,00 DPf für Leistungen innerhalb des Budgets erreicht wird und die übrigen
Mehrleistungen mit 4,5 DPf bzw. 0,5 DPf honoriert werden können (vgl. Ziffer 2.3.7.11 Sätze 4 und 5). Gleiches gilt für
den Fall, wenn der Honorarfond R 1 zur Honorierung nach Ziffer 2.3.7.1 Satz 2 nicht mehr ausreicht und/ oder für die
Mehrleistungen keine bzw. keine ausreichende Gesamtvergütung mehr verbleibt. Auch in diesem Fall ist der Vorstand
ermächtigt, den prozentualen Abschlag von 9,0 % für aus dem Honorarfond R 1 zu honorierende Ärzte so weit zu
erhöhen, dass der Punktwert von 10,00 DPf für Leistungen innerhalb des Budgets erreicht wird und die Mehrleistungen
mit 4,50 DPf bzw. 0,50 DPf honoriert werden können. Für Neuanfänger (Zulassung nach dem 31. Dezember 1992) ist
in Ziffer 2.3.7.3 eine Sonderregelung mit der Möglichkeit der Fallzahlsteigerung vorgesehen. Danach wird der
individuelle Fallwert 95 in Punkten mit der Gesamtzahl seiner entsprechenden Behandlungsausweise des aktuellen
Quartals multipliziert, maximal jedoch mit der durchschnittlichen Gesamtzahl der entsprechenden
Behandlungsauswei- se der Arztgruppe des jeweiligen Quartals 95. Ist die durchschnittliche Gesamtzahl der
entsprechenden Behandlungsausweise der Arztgruppe des jeweiligen Quartals 95 niedriger als die Gesamtzahl der
Behandlungsausweise des jeweiligen Quartals 95 des Arztes, gilt letztere als Höchstgrenze. Führt die Anwendung
vorstehender Regelungen im Einzelfall zu einer unbilligen Härte, erfolgt gemäß Ziffer 2.3.8 die Festlegung des
individuellen Praxisbudgets unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem
Ermessen. Die Beklagte hat mit Honorarbescheid vom 15. Oktober 1997 das Honorar des Klägers für das Quartal
2/97 auf DM 351.329,67 festgesetzt. Dem Honorarbescheid liegt als Anlage die Berechnung des individuellen
Praxisbudgets 2/97 entsprechend den Anlagen 1 und 2 Abschnitt B Ziffer 2.3.7 des HVM bei. Hiergegen hat der
Kläger Widerspruch eingelegt (Schreiben vom 24. November 1997). Die Beklagte habe unter Anwendung der Anlage 3
des HVM das Honorar des Klägers zum einen um DM 50.453,10 gekürzt. Zu berücksichtigen sei ferner, dass der
Kläger mit Bescheid der Beklagten vom 17. November 1997 die Anerkennung als diabetologisch qualifizierter Arzt
erhalten habe. Der Anerkennung liege die mit Wirksamkeit zum 1. April 1997 zwischen der Beklagten und dem BKK-
Landesverband Bayern geschlossene Vereinbarung vom 27. März 1997 zugrunde. Der Kläger sei der Einzige im
Bereich der Bezirksstelle Schwaben, der diese Anerkennung als diabetologisch qualifizierter Arzt inne habe. Zur
Begründung für die Notwendigkeit der Anwendung der Härtefallregelung nach Nr.2.3.8 des HVM sei auf
Sicherstellungsgründe hinsichtlich der vom Kläger behandelten Diabetes-Patienten abzustellen. Mit Schreiben vom 7.
Mai 1998 hat die Beklagte den Honorarbescheid insoweit abgeändert, als der Kürzungsbetrag in Höhe von DM
50.453,10 dem Kläger in vollem Umfang erstattet wurde. Der Klägervertreter hat mit Schriftsatz vom 12. Mai 1998
daraufhin seinen Widerspruch hinsichtlich der gezahlten DM 50.453,10 für teilweise erledigt erklärt. Die Beklagte hat
mit Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2000 den Widerspruch - soweit noch aufrecht erhalten - zurückgewiesen.
Sinn und Zweck der Härtefallregelung nach der Nr.2.3.8 der Anlagen 1 und 2 sei es, unbillige, unzumutbare
Honorareinbußen, die aufgrund der Anwendung dieses Honorarverteilungsmaßstabes entstünden, abzumildern. Unter
den derzeit herrschenden Bedingungen einer begrenzten Gesamtvergütung müsse aber jeder einzelne Arzt
Einkommenseinbußen hinnehmen. Deswegen könne die Härtefallregelung keine Honorareinbußen abmildern, wenn
diese Einkommensverluste dem betriebswirtschaftlichen Risiko unterliegen würden. Bei der Härtefallregelung handele
es sich nach ihrem Wortlaut um eine Ermessensentscheidung im Einzelfall. Im Falle des Klägers treffe die
Sonderregelung für fachärztlich tätige Internisten zu. Deswegen würde für alle Mehrfälle gegenüber dem
Vergleichsquartal der in der Budgetberechnung ausgewiesene Fallwert mit dem Mehrleistungspunktwert von 4,50 DPf
vergütet. Weiter gehe der Vorstand davon aus, dass die Anerkennung einer unbilligen Härte im Einzelfall hinsichtlich
einer Fallwertsteigerung grundsätzlich nur dann in Frage komme, wenn mit dem individuellen Praxisbudget
Sicherstellungsbedürfnissen nicht ausreichend Rechnung getragen werden könne (insbesondere
Sonderbedarfszulassung, Arzt erbringe bestimmte Leistungen als Einziger im Planungsbereich, wenn im Zeitraum
vom 10.01.1996 bis 30.09.1996 neue genehmigungspflichtige Leistungen von der Praxis vorgehalten würden, die im
Basisquartal des Jahres 1995 noch nicht erbracht hätten werden können oder wenn in demselben Zeitraum erstmals
besondere investitionsintensive Leistungen erbracht worden seien). In Bezug auf eine Fallzahlsteigerung habe eine
unbillige Härte neben Sicherstellungsbedürfnissen grundsätzlich nur dann anerkannt werden können, wenn diese durch
besondere Umstände (z.B. Entstehung eines Neubaugebietes, Erkrankung oder Tod eines Kollegen in der
unmittelbaren Umgebung) verursacht worden seien, auf die der Arzt (Praxis) keinen Einfluss gehabt habe und die
Fallzahlsteigerung bezogen auf die Fallzahl des Basisquartals im Jahr 1995 mehr als 15 % betragen habe. Eine bloße
Leistungsmehrung und/oder Fallzahlsteigerung nach 1995 durch andere als oben dargestellte Umstände habe somit
grundsätzlich die Anerkennung einer unbilligen Härte nicht rechtfertigen können. Die vom Kläger vorgebrachten
Besonderheiten hätten auch bei erneuter Überprüfung nicht als unbillige Härte gewertet werden können. Es werde
darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf das im Kassenzahnarztrecht ergangene BSG-Urteil (Az.: B 6 KA 72/97)
beim Kläger keine unterdurchschnittliche Praxis bezüglich der Fallzahlen vorliege. Die Praxis habe im
Bemessungsquartal 2/95 1.365 Fälle abgerechnet, während die Fachgruppe in diesem Quartal lediglich 900 Fälle
abgerechnet habe. Der Mehrleistungspuntkwert habe im Quartal 2/97 im Primärkassen- und im Ersatzkassenbereich
jeweils 0,50 DPf betragen.
Hiergegen richtet sich die Klage vom 10. Februar 2000 des Klägers zum Sozialgericht München. Der Kläger bekleide
aufgrund seiner Qualifikation als Endokrinologe von Anbeginn seiner vertragsärztlichen Praxis seit 1. April 1992 eine
Sonderstellung in seinem Planungsbereich im Vergleich zu der Fachgruppe der fachärztlichen Internisten. Der Kläger
behandele seit Anbeginn spezielle Krankheitsformen, u.a. eine Unzahl von Diabetesfällen. Nur auf die Tatsache, dass
erst mit dem 27. März 1997 bzw. 1. April 1997 eine Vereinbarung nach § 34 Nr.2 SGB V zwischen dem BKK-
Landesverband Bayern und der KVB über die Betreuung, Behandlung und Schulung von insulinpflichtigen Diabetikern
Typ I und Typ II zustande gekommen sei, sei es zurückzuführen, dass der Kläger auf seinen Antrag vom 25. Juni
1997 erst mit Bescheid vom 17. November 1997 die Anerkennung als diabetologisch qualifizierter Arzt erhalten habe.
Sein Tätigkeitsspektrum umfasse diesen Bereich jedoch schon seit Anbeginn. Der Kläger stelle die Behandlung
dieser Patientengruppe faktisch alleine im Planungsbereich sicher, weswegen die Beklagte auch die bereits
durchgeführte Honorarkürzung gemäß Anlage 3 des HVM wegen übergroßer Praxisausweitung in mehr als acht
Quartalen in voller Höhe erstattet habe. Die Beklagte hat hierzu mit Schriftsatz vom 17. März 2000 Stellung
genommen. Es werde darauf hingewiesen, dass nach Aufhebung der Kürzung nach Anlage 3 zum HVM der
Scheinwert von DM 163,72 im Quartal 2/95 auf DM 208,61 (+ 27,42 %) in 2/97 gestiegen sei.
Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 21. Februar 2001 den Honorarbescheid für das Quartal 2/97 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2000 unter Hinzunahme des nachträglich ausgezahlten
Honorars insoweit aufgehoben, als kein weiteres Honorar an den Kläger ausgezahlt worden sei. Die Beklagte wurde
verpflichtet, über den Widerspruch des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu
entscheiden. Gegen die Einführung des "individuellen Praxisbudgets" im Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten für
die Quartale 4/96 bis 2/97 bestünden keine rechtlichen Bedenken. Die Beklagte habe in der Nr.2.3.8 zum HVM eine
Generalklausel geschaffen, nach der bei einer unbilligen Härte im Einzelfall durch die Anwendung der vorstehenden
Regelungen die Festlegung des individuellen Praxisbudgets unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des
Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen erfolge. Der Kläger erhalte bereits in seiner Eigenschaft als fachärztlich
tätiger Internist einen höheren Mehrleistungspunktwert, nämlich von 4,50 DPf auf der Basis dieser Härtefallregelung.
Es stelle sich daher die Frage, ob darüber hinaus die Nr.2.3.8 der Anlage 1 zum HVM anzuwenden sei. Was die
Fallkonstellationen betreffe, die für den Zahnarztbereich gebildet worden seien, seien diese grundsätzlich auf den
vertragsärzt- lichen Bereich übertragbar und über die Ausnahmeregelung der Nr.2.3.8 zu erfassen. In Betracht komme
hier eventuell eine Änderung der Behandlungsausrichtung in der Form, dass der Kläger verstärkt Diabetes-Patienten
behandele. Der Kläger habe am 17. November 1997 die Anerkennung als diabetologisch qualifizierter Arzt erhalten.
Dies deutet darauf hin, dass seine Praxis in größerem Umfang als andere fachärztlich tätige Internisten Diabetiker
behandele. Nach dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers sei diese Behandlungsausrichtung nicht neu;
vielmehr bekleide der Kläger von Anbeginn seiner Zulassung die Sonderstellung aufgrund seiner Qualifikation als
Endokrinologe. Insofern liege eine Änderung der Behandlungsausrichtung nicht vor. Nach den von der Beklagten für
die Anwendung der Härtefallregelung der Nr.2.3.8 der Anlage 1 zum HVM entwickelten Kriterien liege auch dann ein
Härtefall vor, wenn der Arzt als Einziger im Planungsbereich bestimmte Leistungen erbringe. Die Beklagte müsse sich
also an den eigenen Kriterien messen lassen. Sie habe sich in den angefochtenen Bescheiden nicht damit
auseinandergesetzt. Dies hätte sich aber für die Beklagte aufdrängen müssen, zumal sie die ursprünglich
vorgenommenen Kürzungen gemäß der Anlage 3 zum HVM wegen übergroßer Praxisausweitung (O-III-Leistungen, die
im Zusammenhang mit diabetologischen Leistungen stehen) aufgehoben habe. Es sei als widersprüchlich anzusehen,
wenn diese spezielle Behandlungsausrichtung auf der einen Seite von der Beklagten anerkannt werde, auf der
anderen Seite im Rahmen einer Härtefallregelung keine Berücksichtigung finde. Hinzu komme, dass das individuelle
Praxisbudget nach HVM im Grunde genommen eine Vorgängerregelung zur Einführung der Praxisbudgets nach EBM
darstelle. Bei einem "besonderen Versorgungsbedarf" sehe die Regelung in der Nr.4.3 des EBM, die ab dem Quartal
3/97 gelte, eine Aussetzung und/ oder Erweiterung der Praxis- und Zusatzbudgets vor. Insofern könne für das
individuelle Praxisbudget nach HVM nichts Anderes gelten.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten vom 4. Juli 2001 zum Bayer. Landessozialgericht, die diese mit
Schriftsatz vom 30. Oktober 2002 näher begründete. Es bestünden keine An- sprüche des Klägers gemäß der
Härtefallregelung nach der Nr.2.3.8 der Anlage 1 zum HVM. Der Kläger habe auf der Basis dieser Härte- fallregelung
bereits wegen seiner Eigenschaft als fachärztlich tätiger Internist einen höheren Mehrleistungspunktwert in Höhe von
4,50 DPf bekommen. Darüber hinaus liege keine unbillige Härte vor. Es sei richtig, dass die Beklagte für die Annahme
eines möglichen Härtefalls im Quartal 2/97 u.a. voraussetze, dass ein Arzt als Einziger im Planungsbereich
bestimmte Leistungen erbringe. Der Kläger erbringe hier als einziger Arzt im Planungsbereich endokrinologische
Leistungen und habe somit eine besondere Praxisstruktur. Dies sei jedoch von der Beklagten im
Widerspruchsausschuss erörtert und dem Kläger durch Schreiben vom 7. Mai 1998 zugestanden worden. Wegen der
besonderen Praxisstruktur seien die Kürzungen nach der Anlage 3 zum HVM zurückgenommen worden. Es sei nicht
widersprüchlich, wenn die Beklagte die besondere Praxisstruktur nicht auch noch zusätzlich als Härtefall werte.
Schließlich liege nach den Ausführungen des Bay.LSG und seiner Entscheidung vom 26.09.2001 (Az.: L 12 KA
116/00) eine unbillige Härte nur vor, wenn die Anwendung des HVM beim Kläger "zu einem besonders schweren,
objektiv unzumutbaren Nachteil" führe. Da der Umsatz des Klägers nach Rücknahme der Kürzungen nach der Anlage
3 HVM im Quartal 2/97 auf 401.788,37 DM angewachsen sei, habe er bei einem Betriebskostenanteil von 60,6 %
einen Ertrag von 158.304,61 DM. Damit liege sein Ertrag schon in einem Quartal höher als die vom LSG in seiner
Entscheidung (a.a.O.) grundsätzlich anerkannte Ertragsgrenze in Höhe von 135.000,00 DM (= 33.750,00 DM pro
Quartal) für ein ganzes Jahr. Da die Härtefallregelung nach der Nr.2.3.8 des HVM (gültig bis 2/97) dem Grunde nach
eine Vorgängerregelung zur Härtefallregelung nach der Nr.3.6 des HVM (gültig ab 3/97) darstelle, könne im Quartal
2/97 keine andere Ertragsgrenze gelten. Inflationsbedingt müsse man sogar die Ertragsgrenze im Quartal 2/97 eher
niedriger ansetzen als die vom LSG für das Quartal 1/98 in seiner Entscheidung grundsätzlich anerkannte
Ertragsgrenze. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 15. Januar 2003 weitere Unterlagen (Häufigkeitsstatistik und
Gesamtübersicht des Klägers und der Fachgruppe Quartal 2/97, Fallwerte 2/95 und 2/97) übersandt.
Die Beklagte stellt den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts München vom 21. Februar 2001 aufzuheben und die
Klage des Klägers gegen den Honorarbescheid der Beklagten vom 15. Oktober 1997 für das Quartal 2/97 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2000 abzuweisen.
Der Klägervertreter stellt den Antrag, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben mit Schriftsatz vom 23. Januar 2002 geltend gemacht, dass der
Kläger der einzige Endokrinologe im Großraum A. und, soweit bekannt, nur einer von drei Endokrinologen im Bezirk
Schwaben sei. Er sei daher nicht mit anderen fachärztlichen Internisten vergleichbar. Er habe keine Möglichkeit, ihm
überwiesene Behandlungen weiter zu überweisen oder abzulehnen. Die Beklagte habe deshalb wiederholt die
Budgetierung nach der Anlage 3 des HVM zurückgenommen. Für die Budgetierungen nach den Anlagen 1 und 2
könnten keine anderen Kriterien gelten. Die Ertragsberechnung der Beklagten sei völlig unzutreffend. Unter anderem
habe die Kostenquote des Klägers im Jahre 1997 bei ca. 81 % gelegen. Die in der Entscheidung des Bayl.LSG mit
dem Az.: L 12 KA 116/00 anerkannten Ertragsgrenzen würden nur grundsätzlich gelten, d.h. in typischen Fällen. In
Ausnahmefällen könne selbstverständlich davon abgewichen werden.
Dem Senat liegen die Verwaltungsakte, die Klageakte mit dem Az.: S 38 KA 302/00 sowie die Berufungsakte mit dem
Az.: L 12 KA 143/01 zur Entscheidung vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und
auf deren weiteren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie gemäß § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht
eingelegte Berufung der Beklagten ist auch begründet. Entsprechend ist das Urteil des Sozialgerichts München vom
21. Februar 2001 aufzuheben und die Klage des Klägers gegen den Honorarbescheid der Beklagten vom 15. Oktober
1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2000 abzuweisen.
Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass der in den Quartalen 4/96 bis 2/97 geltende
Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten im Grundsatz nicht zu beanstanden ist und insbesondere mit dem sich aus
Art.12 Abs.1 GG in Verbindung mit Art.3 Abs.1 GG ergebenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit zu
vereinbaren ist (vgl. Urteil des Senats vom 1. August 2001, Az.: L 12 KA 89/00, vom 26. September 2001, Az.: L 12
KA 86/00, vom 6. März 2002, Az.: L 12 KA 96/00 und zuletzt Urteil vom 10. April 2002, Az.: L 12 KA 116/01). Hier
wie dort geht es entscheidungserheblich um die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Anwendung der im HVM
enthaltenen Härtefallregelung (unter Nr.2.3.8) hat bzw. für seine Fallgestaltung eine weitergehende Sonderregelung
bereits im HVM selbst hätte geschaffen werden müssen. Die Beklagte war zunächst nicht verpflichtet, über die im
HVM enthaltenen Härtefallregelungen hinaus weitere Härtefallregelungen zugunsten des Klägers im HVM selbst
vorzusehen. Eine solche Verpflichtung besteht nur bei sogenannten typischen Fallkonstellationen (vgl. hierzu
Clemens, Regelungen der Honorarverteilung in MedR 2000, S.19/20). Bei der Bildung eines Praxisbudgets mit
Anknüpfung an die Vergangenheit ist daher in einer Sonderregelung im HVM selbst sicher zu stellen, dass
Vertragsärzte mit unterdurchschnittlicher Fallzahl, typischerwei- se Neuanfänger, ihren Umsatz durch eine Erhöhung
der Zahl der von ihnen behandelten Patienten zumindest bis zum durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe steigern
können (vgl. BSG SozR 3-2500 § 85 Nr.27, S.195, vgl. auch die Urteile des BSG vom gleichen Tage - 21. Oktober
1998 -, Az.: B 6 KA 67/97 R, B 6 KA 68/97 R, B 6 KA 71/97 R, SozR 3-2500 § 85 Nr.28, S.204 ff. und B 6 KA 35/98
R; sowie auch BSG Urteil vom 28. April 1999, Az.: B 6 KA 63/98 R S.5). Dieser Forderung nach einer
Sonderregelung, insbesondere für Neuanfänger, ist die Beklagte in den Nrn.2.3.7.3, 2.3.7.4 (Neuanfänger) und 2.3.7.5
(kein individueller Fallwert 95 gegeben) des HVM ausreichend nachgekommen. Hinsichtlicht des typischen Merkmals
der Anfängerpraxis - der deutlich unterdurchschnittlichen Patientenzahl - wird hier die Möglichkeit zur
Fallzahlsteigerung eingeräumt. Die für den Rechtsstreit entscheidende Frage liegt darin, ob die Beklagte in
Anwendung der Härtefallregelung nach der Nr.2.3.8 der Anlagen 1 und 2 zum Honorarverteilungsmaßstab verpflichtet
gewesen wäre, beim Kläger einen Härtefall anzuerkennen und das Praxisbudget entsprechend anders zu berechnen.
Die dargestellte Härtefallregelung setzt auf der Tatbestandsseite eine unbillige Härte, im Einzelfall kausal verursacht
durch die Anwendung des HVM voraus, erst danach stellt sich die Frage der veränderten Festlegung des individuellen
Praxisbudgets unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen.
Der auf der Tatbestandsseite verwendete Begriff der "unbilligen Härte" ist ein unbestimmer Rechtsbegriff, der nach
gefestigter Rechtsprechung des Senats - wohl im Gegensatz zur Rechtsauffassung des SG - der vollen gerichtlichen
Nachprüfung unterliegt (vgl. Urteile des Senats vom 1. August 2001, Az.: L 12 KA 89/00, vom 26. September 2001,
Az.: L 12 KA 86/00 und vom 30. Januar 2002, Az.: L 12 KA 22/01). Eine "unbillige Härte" im Sinne der Nr.2.3.8 des
HVM ist nach Auffassung des Senats dann gegeben, wenn die Anwendung des HVM beim Kläger zu einem
besonders schweren Nachteil führt, der es objektiv unzumutbar erscheinen lässt, den Arzt bei der Festlegung des
individuellen Praxisbudgets an der Fallzahl oder dem Fallwert aus den Vergleichsquartalen des Jahres 1995
festzuhalten. Der Senat hat bereits beide Fallvarianten (Festhalten am Fallwert, vgl. z.B. Urteil vom 6. März 2002, L
12 KA 96/00 als auch Festhalten an der Fallzahl, vgl. Urteil vom 10. April 2002, L 12 KA 116/01) entschieden.
Hinsichtlich des Festhaltens an den Fallwerten des Bezugsquartals liegt nach der genannten Rechtsprechung des
Senats grundsätzlich schon dann keine unzumutbare Härte vor, wenn der Fallwert in dem in Bezug genommenen
Quartal des Jahres 1995 über dem Fallwert der Arztgruppe liegt. Diesbezüglich ist festzustellen, dass der Fallwert des
Klägers im Quartal 2/95 bei 161,84 DM lag, während die Fachgruppe der Internisten einen Fallwert in Höhe von 107,21
DM aufwies. Im streitgegenständlichen Quartal 2/97 liegt der Fallwert der Fachgruppe der Internisten bei 116,43 DM,
während der Kläger in diesem Quartal ohne Berücksichtigung der Nachzahlung in Höhe von 50.453,10 DM nach
Aufhebung der Kürzung gemäß Anlage 3 zum HVM einen Fallwert in Höhe von 207,66 DM bzw. mit Berücksichtigung
der Nachzahlung einen Fallwert in Höhe von 234,20 DM erreicht. Von daher ist zunächst festzustellen, dass der
Kläger hinsichtlich der Berechnung des individuellen Praxisbudgets sowohl im Bezugsquartal 2/95 als auch im
aktuellen streitigen Quartal 2/97 gegenüber der Fachgruppe der Internisten weit überdurchschnittliche Fallwerte
aufweist, was grundsätzlich gegen das Vorliegen eines Härtefalls spricht. Gesichtspunkte, die trotz dieses deutlich
höheren Fallwerts des Klägers einen Härtefall begründen könnten, sind für den Senat nicht erkennbar. Soweit das SG
zur Begründung seiner Entscheidung einen Widerspruch darin sieht, dass die spezielle Praxisstruktur hinsichtlich der
Anlage 3 durch Rücknahme der Kürzung (in Höhe von 50.453,10 DM) bei den speziellen Laborleistungen des
Abschnitts O III des EBM (Nrn.3900 bis 4822 EBM) berücksichtigt wurde, nicht aber im Rahmen der
Härtefallregelung, liegt dieser Widerspruch gerade nicht vor. Vielmehr zählen die Laborleistungen nach den
Abschnitten O I, O II und O III - wie sich unzweideutig aus der dem Honorarbescheid für das Quartal 2/97
beiliegenden Berechnung des Praxisbudgets ergibt - gerade zu den Honoraranteilen, die ohne Einfluss auf das
Praxisbudget sind, d.h. insoweit unbudgetiert bleiben. Dies betrifft im Bezugsquartal 2/95 immerhin einen Betrag an
Leistungen nach den Abschnitten O I, O II und O III in Höhe von 73.834,16 DM im Primärkassenbereich und in Höhe
von 82.478,48 DM im Ersatzkassenbereich. Von daher kommt hinsichtlich des Fallwerts die Art und Weise der
Berechnung des Praxisbudgets der besonderen Praxisstruktur des Klägers bereits entgegen. Eine weitergehende
Berücksichtigung der besonderen Praxisstruktur des Klägers war angesichts der vorliegenden Fallwerte im Rahmen
der Härtefallregelung nicht gerechtfertigt. Hinsichtlich des Festhaltens an den Fallzahlen des Quartals 2/95 (vgl. hierzu
Urteil des Senats vom 10. April 2002, L 12 KA 116/01) ist zunächst festzustellen, dass der Kläger im Bezugsquartal
2/95 insgesamt 1.365 Fälle zur Abrechnung gebracht hat und damit weit über den Fallzahlen der Vergleichsgruppe (im
Durchschnitt 900 Fälle) liegt. Er wird also an weit überdurchschnittlichen Fallzahlen des Vergleichsquartals
festgehalten, die auch im streitigen Quartal 2/97 mit 1.919 Behandlungsfällen weit über der Fachgruppe mit
durchschnittlich 800 Behandlungsfällen liegen. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass beim Kläger vom
Bezugsquartal 2/95 auf das streitige Quartal 2/97 eine weitere Fallzahlsteigerung auf 1.040 Fälle im
Primärkassenbereich und 869 Fälle im Ersatzkassenbereich (= 1.919 Fälle) erfolgt ist. Dies führt aber nicht dazu,
dass im Primärkassenbereich 314 Fälle (1.040 Fälle - 726 Fälle) und im Ersatzkassenbereich 230 Fälle (869 Fälle -
639 Fälle) - also die über der Fallzahlgrenze liegenden Fälle - gänzlich außer Betracht bleiben. Die Auswirkung liegt
vielmehr darin, dass diese Fälle bei der Berechnung des individuellen Praxisbudgets nicht Berücksichtigung finden
und damit das Verhältnis der innerhalb des Praxisbudgets mit einem Punktwert von 10 DPf zu vergütenden Punkten
und das außerhalb des Praxisbudgets mit einem sogenannten "Mehrleistungspunktwert" zu vergütende
Punktevolumen verschoben wird. Diese für den Kläger ungünstige Auswirkung wird allerdings infolge eines
Beschlusses des Vorstandes und der Vertreterversammlung der Beklagten dadurch wieder abgemildert, als in ei- ner
Sonderregelung für fachärztliche Internisten ein Härtefall i.S.d. Nr.2.3.8 angenommen wird und im Falle des Klägers
des- wegen für alle Mehrfälle im Quartal 2/97 gegenüber dem Vergleichsquartal 2/95 der in der Budgetberechnung
ausgewiesene Fallwert mit einem Punktwert von (immerhin) 4,5 DPf vergütet wird anstelle des sonst einschlägigen
Mehrleistungspunktwertes von 0,5 DPf. Für eine darüber hinausgehende Anwendung der Härtefallregelung der Nr.2.3.8
besteht nach Auffassung des Senats hinsichtlich der Fallzahlentwicklung keine Veranlassung, weil keine besonderen
Umstände (z.B. Entstehung eines Neubaugebietes, Erkrankung oder Tod eines Kollegen in unmittelbarer Umgebung)
vorliegen, die dem Fallzahlanstieg zugrunde liegen. Im Zeitraum zwischen dem Bezugsquartal 2/95 und dem
streitgem Quartal 2/97 ist auch sonst keine Änderung in der Praxistätigkeit des Klägers eingetreten, die Grundlage für
die Annahme eines Härtefalles sein könnte. Insbesondere die Spezialisierung auf Endokrinologie und die Behandlung
von Diabetes-Patienten bestand nach den eigenen Angaben des Klägers seit Beginn der Eröffnung der Praxis. Bei
Berücksichtigung aller aufgeführten Gesichtspunkte gelangt der Senat daher zu der Auffassung, dass für eine
weitergehende Anwendung der Nr.2.3.8 des HVM, als wie schon durch die Beklagte erfolgt, keine ausreichende
Grundlage besteht und deshalb das Urteil des Sozialgerichts München vom 21. Februar 2001 aufzuheben und die
Klage gegen den Honorarbescheid der Beklagten vom 15. Oktober 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 25. Januar 2000 abzuweisen war. Vor diesem Hintergrund war die Frage, ob das Vorliegen eines Härtefalls - wie
von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgetragen - auch in Hinblick auf eine Ertragsgrenze in Höhe von
135.000,00 DM pro Jahr (= 33.750,00 DM pro Quartal), die der Senat in dem genannten Urteil vom 26. September
2001, Az.: L 12 KA 116/00 für die Anwendung der Härtefallregelung im HVM der Beklagten im Quartal 3/97 gebilligt
hat, zu verneien wäre, nicht mehr näher einzugehen. Ergänzend ist lediglich festzustellen, dass der Kläger bei einem
monatlichen Umsatz von 401.788,37 DM (nach Rücknahme der Kürzung gemäß Anlage 3 zum HVM) selbst bei
Zugrundelegung der vom Kläger genannten Kos- tenquote in Höhe von 81 % mit 305.359,16 DM pro Jahr (bzw.
76.339,79 DM im Quartal) über den oben genannten Ertragsgren- zen läge. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
193 Abs.1, 4 SGG. Gründe, die Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.