Urteil des LSG Bayern vom 31.01.2006

LSG Bayern: rente, verschlechterung des gesundheitszustandes, erwerbsunfähigkeit, zeugnis, arbeitsmarkt, verwaltungsverfahren, geschwindigkeit, vergleich, brief, akte

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 31.01.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht München S 27 RJ 1004/02
Bayerisches Landessozialgericht L 6 R 526/03
Bundessozialgericht B 5 R 110/06 B
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. die Gewährung einer Rente
wegen voller Erwerbsminderung.
Der Kläger erhält Rente wegen Berufsunfähigkeit seit 01.10.1997. Rente wegen Erwerbsunfähigkeit wurde ihm für die
Zeit vom 01.07.1999 bis 30.09.2001 gewährt. Am 15.05.2001 beantragte er die Weitergewährung der Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit über den 30.09.2001 hinaus.
Mit Bescheid vom 08.10.2001 lehnte die Beklagte den Antrag ab und wies den Widerspruch mit
Widerspruchsbescheid vom 29.05.2002 als unbegründet zurück. Der Kläger könne noch ganztägig eine Tätigkeit auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter betriebsüblichen Arbeitsbedingungen ausüben. Wie bereits in den
vorhergehenden Rentenverfahren hatte die Beklagte hierzu die Berichte der behandelnden Orthopäden Dr.D. und des
behandelnden Orthopäden Dr.H. eingeholt, die dem Kläger Erwerbsunfähigkeit attestierten. Der als Sachverständige
gehörte Orthopäde Dr.P. war in seinem Gutachten vom 19.07.2001 zu einem vollschichtigen Einsatzvermögen mit
gewissen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit gekommen, ebenso der Neurologe und Psychiater Dr.S. in
seinem Gutachten vom 26.02.2002 und der Urologe Dr.K. in seinem Gutachten vom 06.04.2002.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht zunächst Befundberichte des Dr.H. und des Dr.D. sowie des Neurologen und
Psychiaters Dr.K. und ein Gutachten des Chirurgen und Orthopäden Dr.B. vom 13.03.2003 eingeholt. Der
Sachverständige spricht von massiver Aggravation und Kooperationsdefiziten. Die bereits von allen Vorgutachtern
festgestellten bewusstseinsnahen Verdeutlichungstendenzen hätten nochmals zugenommen. Der Kläger leide an
einer somatoformen Störung, einer ausgeprägten Gonarthrose links nach Infektarthritis, ausgeprägter Spondylose und
Spondylarthrose der unteren Lendenwirbelsäule, einem Hallux rigidus links und einem Impingement-Syndrom der
Schultern. Er könne noch vollschichtig leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Längeres
Stehen und Gehen sei zu vermeiden, ebenso Arbeiten über Kopf. Heben und Tragen von Lasten über 15 kg seien zu
vermeiden, eine Toilette müsse leicht erreichbar sein (Urologie). Der Kläger sei in der Lage, Wege von über 500 m zu
Fuß zurückzulegen, eine Einschränkung für öffentliche Verkehrsmittel oder das Führen eines Pkws sei auf seinem
Fachgebiet nicht gegeben. Weitere fachärztliche Untersuchungen seien nicht erforderlich. Der Kläger hat als
Einwendungen hiergegen ein fachorthopädisches Zeugnis des Dr.D. vom 21.05.2003 und
Kernspintomographieberichte vom 07. und 12.05.2003 vorlegen lassen. Das fachorthopädische Zeugnis führt unter
anderem aus, auf Grund der Vielzahl und der Schwere der Erkrankungen halte Dr.D. orthopädischerseits den
Patienten für nicht erwerbsfähig. In einer gutachterlicher Stellungnahme vom 11.06.2003 führt Dr.B. hierzu aus, ein
objektivierbarer Widerspruch zu den Feststellungen in seinem Gutachten sei nicht erkennbar. Die im Zeugnis des
Dr.D. angegebenen Diagnosen "Lumbalsyndrom, Zervikalsyndrom, schwere Schmerzzustände der Wirbelsäule" seien
unbestritten, beruhten aber ausschließlich auf subjektiven Schmerzangaben des Patienten. Sie korrelierten nicht mit
den objektivierbaren Befunden der körperlichen Untersuchung oder den Röntgenuntersuchungen. Auch Dr.D. führe
keine abweichenden Befunde an. Die anderen dort angeführten Diagnosen seien für die Erwerbsfähigkeit unerheblich.
Die neuen Röntgenbefunde der HWS bestätigten lediglich die bekannten Abnutzungserscheinungen, die an der LWS
lediglich deutliche Protrusionen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 25.07.2003 als unbegründet abgewiesen. Es hat sich bezüglich der
medizinischen Bewertung auf das Gutachten des Dr.B. gestützt. Ein Anspruch auf Weitergewährung einer Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000, der nach der Übergangsvorschrift des §
302b Abs.1 SGB VI noch anzuwenden sei, bestehe nicht, da der Kläger über den 31.09.2001 hinaus auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte Tätigkeiten vollschichtig verrichten könne. Aus dem gleichen Grunde verneint
das Sozialgericht einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs.2 SGB VI in der seit
01.01.2001 geltenden Fassung.
Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.07.2003
und den Bescheid der Beklagten vom 08.10.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2002
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 30.09.2001 hinaus zu
gewähren.
Auf seinen Antrag nach § 109 SGG hat der Senat ein Gutachten des Orthopäden Prof.Dr.R. vom 14.09.2005
eingeholt. Nach dessen Einschätzung kann der Kläger unter betriebsüblichen Bedingungen noch vollschichtige
Arbeiten verrichten bzw. für weniger als acht Stunden jedoch noch mindestens sechs Stunden. Nicht mehr zuzumuten
seien Arbeiten in Nachtschicht oder Akkord bzw. unter Stress, Arbeiten mit vielem Gehen, ausschließlichem Sitzen,
ausschließlichem Stehen sowie Arbeiten im Freien mit Nässe, Kälte und Hitze sowie Heben und Tragen von Lasten
mit mehr als 10 bis 15 kg. Der Kläger könne morgens und abends nach Versorgung mit geeigneten Einlagen und
geeignetem Schuhwerk ohne Probleme mehr als 500 m in angemessener Geschwindigkeit zu Fuß zurücklegen. Eine
Verschlechterung des Gesundheitszustandes im Vergleich zu den Vorgutachten sei nicht zu erkennen.
Beispielsweise sei im Kniegelenksbereich bei der aktuellen gutachterlichen Untersuchung eher eine bessere
Beweglichkeit zu verzeichnen als in verschiedenen vorausgegangenen Gutachten.
Der Kläger hat als Einwendungen hiergegen ein fachorthopädisches Zeugnis des Dr.D. vom 18.10.2005, ein ärztliches
Attest des behandelnden Allgemeinarztes Dr.F. vom 26.10.2005, einen Arztbrief des Dr.H. vom 17.10.2005 an Dr.F.
und einen Kernspintomographiebericht vom 26.10.2004 vorgelegt. Letzterer Bericht hatte auch dem Sachverständigen
Prof.Dr.R. vorgelegen. Das fachorthopädische Zeugnis des Dr.D. ist inhaltlich weitgehend identisch mit dem Zeugnis
vom 21.05.2003. Der Brief des Dr.H. enthält neben den urologischen Diagnosen (01.07.2003 Prostatitis, chronische
Reizblase, Spondylose, Blasenentleerungsstörung neurogen) überwiegend Ausführungen zum orthopädischen
Krankheitsbild. Das Attest des Dr.F. listet die seit vielen Jahren bestehenden Beschwerden und Befunde des Klägers
auf und führt zusammenfassend aus, auf Grund der genannten Erkrankungen sei der Kläger nicht mehr in der Lage,
einer geregelten Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Der Senat hat den Kläger mit Schreiben vom 15.11.2005 darauf hingewiesen, dass er von der Möglichkeit des § 153
Abs.4 SGG Gebrauch zu machen erwäge und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Kläger hat sich hierzu
nicht mehr geäußert.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der Entscheidung waren die Akten der Beklagten und die Akte des
Sozialgerichts München in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144
SGG besteht nicht.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Weitergewährung der Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit über den 30.09.2001 hinaus und auch keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung
ab einem späteren Zeitpunkt.
Das Gericht weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts München als
unbegründet zurück und sieht in entsprechender Anwendung des § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der
Entscheidungsgründe ab.
Auch das im Berufungsverfahren auf Antrag des Klägers eingeholte Sachverständigengutachten kommt zu einem
vollschichtigen Leistungsvermögen des Klägers, das einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit entgegensteht, bzw. zu
einem wenigstens sechsstündigen Einsatzvermögen, das einem Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung
entgegensteht. Damit liegt weder aus dem Verwaltungsverfahren noch aus den beiden Instanzen des
Gerichtsverfahrens ein Sachverständigengutachten vor, auf das eine dem Kläger günstige Entscheidung gestützt
werden könnte.
Die hierzu im Berufungsverfahren vorgebrachten Einwendungen greifen hiergegen nicht durch und geben keinen
Anlass zu weiterer Beweiserhebung. Die Atteste der Dres.D. und F. enthalten keinerlei Begründung für ihre Annahme
von Erwerbsunfähigkeit. Die in ihnen abgehandelten Gesundheitsstörungen sind durch die im Verwaltungs- und
Gerichtsverfahren gehörten Sachverständigen abgehandelt und schlüssig bewertet worden. Hiergegen reicht es nicht,
eine gegenteilige Bewertung zu behaupten. Der Radiologiebefund vom 26.10.2004 erfordert keine weitere
Beweiserhebung, weil er Gegenstand der Begutachtung durch Prof.Dr.R. gewesen war. Der Arztbrief des Dr.H. erbringt
auf urologischem Fachgebiet nichts, was nicht bereits Gegenstand der Begutachtung durch den Urologen Dr.K.
gewesen wäre. Auf dieses Gutachten kann sich das Gericht stützen, auch wenn es von der Beklagten im
Verwaltungsverfahren eingeholt worden ist. Die weiteren Ausführungen des Dr.H. betreffen nicht sein Fachgebiet und
sind schon deshalb nicht geeignet, die Gutachten der Sachverständigen Dr.B. und Prof.Dr.R. in Frage zu stellen.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger in beiden
Rechtszügen nicht obsiegt hat.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Der Senat konnte durch Beschluss entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche
Verhandlung nicht für erforderlich hielt (§ 153 Abs.4 SGG).