Urteil des LSG Bayern vom 22.11.2005

LSG Bayern: rollstuhl, hauptsache, ausstattung, erlass, transportkosten, inhaber, form, sicherheitsgurt, zukunft, gefahr

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 22.11.2005 (rechtskräftig)
Sozialgericht Würzburg S 15 KR 234/05 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 4 B 409/05 KR ER
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 20. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr.M. wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zur Ausstattung seines
Rollstuhls mit einem sog. "Kraftknotensystem" zu verpflichten.
Das Sozialgericht hat den Antrag vom 17.06.2005 mit Beschluss vom 20.07.2005 mit der Begründung abgelehnt, ein
Anordnungsanspruch bestehe nicht, das Kraftknotensystem sei kein Hilfsmittel im Sinne des § 33 Abs.1 SGB V. Den
Ausgleich der Behinderung, nämlich die Mobilität, gewährleiste schon der Rollstuhl, unabhängig von der Ausstattung
mit Kraftknotensystem. Auch ein Anordnungsgrund sei zu verneinen. Da der Antragsteller seit etwa 1 3/4 Jahren ohne
das Kraftknotensystem ausgekommen sei, ist nicht davon auszugehen, dass ohne die begehrte einstweilige
Anordnung ein Recht des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Hiergegen hat der Antragsteller am 27.07.2005 Beschwerde einlegen lassen, die damit begründet wird, der Kläger
habe Anspruch auf Übernahme der Kosten des sog. Kraftknotensystems als Hilfsmittel gemäß ärztlicher Verordnung
vom 21.02.2005. Das System sei geeignet, Beschädigungen des Klägers beim Gebrauch des Hilfsmittels zu
vermeiden. Es werde nicht nur zur Sicherung des Rollstuhls beim Transport in die Werkstatt für behinderte Menschen
benötigt, sondern auch für den Transport zur Durchführung notwendiger Behandlungen bei Ärzten sowie zur
Kommunikation mit anderen Menschen. Eilbedürftigkeit liege vor, weil wegen der bestehenden Unfallgefahren der
Antragsteller nicht darauf verwiesen werden könne, erst eine konkrete Gefahrensituation abzuwarten. Die Sicherung
des Rollstuhls beim Transport im Auto erfolge derzeit provisorisch. Die Kosten des Systems würden sich auf etwa
300,00 EUR zusätzlich 80,00 EUR für die Montage belaufen.
Der Antragsteller beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 20. Juli 2005 aufzuheben und die
Antragsgegnerin zu verpflichten, den Rollstuhl des Antragstellers mit einem Kraftknotensystem zu versehen bzw. die
Kosten hierfür zu übernehmen. Außerdem wird die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von
Rechtsanwalt Dr.M. beantragt.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beschwerde enthalte keine neuen Tatsachen, die geeignet wären, die Entscheidung des Sozialgerichts Würzburg
in Frage zu stellen. Ein Anordnungsanspruch sei nicht gegeben. Das Kraftknotensystem ersetze beim Transport mit
dem Rollstuhl den Sicherheitsgurt beim Personentransport. Sein Einsatz werde nicht zur Lebensbetätigung im
Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt. Auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes sei zu verneinen.
Der Antragsteller habe seit September 2003 keinen Krankentransport mit einem Behindertentransportwagen oder
überhaupt Transportkosten in Anspruch genommen. Es sei auch nichts dazu vorgetragen worden, aus welchen
Gründen bis zum Ausgang des Verfahrens der Transport gesichert durch Kraftknoten, nicht vom Inhaber des
Behindertentransportkraftwagen sichergestellt werden könne.
Auf ein Urteil des LSG Rheinland-Pfalz, das streitige Kraftknotensystem betreffend, wird hingewiesen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Beigezogen sind die Akten des Sozialgerichts und der Antragsgegnerin, auf deren Inhalt im Übrigen Bezug genommen
wird.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist zulässig (§§ 172,
173, 174 SGG), sie erweist sich aber als unbegründet.
Gemäß § 86b Abs.2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den
Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die
Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte
(Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf
ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass ein
Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund gegeben sind. Beides ist glaubhaft zu machen (§ 86b Abs.2 Satz 4
SGG i.V.m. § 120 Abs.2 ZPO). Im vorliegenden Fall ist weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund
glaubhaft gemacht.
Das Sozialgericht und die Beklagte weisen mit guten Gründen darauf hin, dass selbst unter der Annahme, bei dem
Kraftknotensystem handle es sich überhaupt um ein Hilfsmittel gemäß § 33 SGB V, diese Befestigungsart als
Hilfsmittel nicht unbedingt erforderlich zu sein scheint, um Grundbedürfnisse des Antragstellers zu befriedigen. Das
Sozialgericht geht im angefochtenen Beschluss ausführlich auch auf die einschlägige Rechtsprechung ein, der Senat
hält die Ausführungen für nicht abwegig, lässt hier im vorläufigen Verfahren auch im Hinblick auf die Anhängigkeit von
ähnlich gelagerten Hauptsacheverfahren (z.B. L 4 KR 249/05) aber offen, ob ein Anspruch dem Grunde nach besteht.
Denn im vorliegenden Fall fehlt es an einem Anordnungsgrund, also besonderer Eilbedürftigkeit. Nach den
unwidersprochen gebliebenen Angaben der Antragsgegnerin hat der Antragsteller Krankentransporte mit einem
Behindertentransportwagen seit September 2003, also seit zwei Jahren, nicht in Anspruch genommen. Selbst wenn
unterstellt wird, dass die Notwendigkeit für einen Transport zu seinem Arzt in Zukunft gegeben ist, ist vorerst ein
Transport des Klägers mit den bisher verwendeten Sicherheitssystemen zumutbar und zwar auch deswegen, weil hier
die Hauptsache vorweggenommen werden soll, was wiederum nur in besonderen Ausnahmefällen der Antragsgegnerin
zuzumuten wäre.
Weil der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen ist, ist auch Prozesskostenhilfe - hier also die
Anwaltsbeiordnung nach § 121 ZPO - nicht zu gewähren. Nach § 73a Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO kann
einem Beteiligten bei ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn die
beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Erfolgsaussicht
im Anordnungsverfahren besteht nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist endgültig (§ 177 SGG).