Urteil des LSG Bayern vom 23.04.2008

LSG Bayern: heizung, vertretung, unterkunftskosten, nebenkosten, stadt, mietzins, wochenende, beteiligter, sachprüfung, angemessenheit

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 23.04.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 13 AS 126/06
Bayerisches Landessozialgericht L 16 B 658/07 AS PKH
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 30. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
In dem Klageverfahren des Sozialgerichts Regensburg, Az. S 13 AS 126/06 war die Höhe der von der Beklagten zu
zahlenden Kosten der Unterkunft nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig.
Der alleinstehende, 1962 geborene Kläger zahlt für seine 45 Quadratmeter große Mietwohnung in N. nach dem
Mietvertrag monatlich eine Kaltmiete in Höhe von EUR 307,- (inklusive EUR 20,45 Garagenmiete) und eine
Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von EUR 65,-. Die Beklagte gewährte ihm vom 01.01.2005 bis 30.06.2005
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von EUR 699,07 monatlich (EUR 345,- Regelleistung und
tatsächliche Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von EUR 354,, die sich aus einer Kaltmiete ohne
Garagenmiete in Höhe von EUR 286,55, Heizkosten in Höhe von EUR 28,67 und sonstige Nebenkosten in Höhe von
EUR 38,85 - ohne Warmwasserkosten in Höhe von monatlich EUR 5,73 und zuzüglich EUR 8,25 für Müllgebühren -
zusammensetzten). In diesem Bewilligungsbescheid vom 29.11.2005 wurde er gleichzeitig aufgefordert, seine
unangemessen hohen Mietkosten in Höhe von EUR 354,07 zu senken, weil im Bereich N. eine Gesamtmiete von nur
EUR 315,- einschließlich Nebenkosten angemessen sei. Andernfalls würden ab 01.07.2005 nur noch die
angemessenen Kosten für die Unterkunft gezahlt.
Da der Kläger keine Bemühungen hinsichtlich der Kostensenkung unternahm, kürzte die Beklagte mit Bescheid vom
01.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2006 die Kosten für Unterkunft und Heizung auf
EUR 315,- und zahlte Arbeitslosengeld II nur noch in Höhe von EUR 660,- monatlich. Im anschließenden
Klageverfahren vor dem Sozialgericht Regensburg wandte sich der Kläger gegen die Kürzung seiner tatsächlichen
Kosten für die Unterkunft. Die Unterkunftskosten seien nicht unangemessen. Auch sei es ihm nicht möglich und
zumutbar, seine Aufwendungen für die Unterkunft zu senken. Günstigere Wohnungen seien entweder noch kleiner,
was den Umgang mit seiner Tochter während der beruflichen Abwesenheit von deren Mutter - mehrmals pro Woche
stundenweise und jedes zweite Wochenende mit Übernachtung von Samstag auf Sonntag - unmöglich machen würde,
oder seien nur in der Umgebung von N. zu erhalten. Ein Umzug in eine Nachbargemeinde sei ihm nicht zuzumuten,
weil er auf Grund mehrerer Bandscheibenvorfälle den langjährig behandelnden Arzt in N. benötige. Schließlich sei
seine Tochter bei der Festsetzung der Wohnkosten zu berücksichtigen. Wie im Zivilprozess erforderlich und üblich,
machte er jeweils ein Beweisangebot durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nach Wahl des Gerichts.
Zur Ermittlung der Höhe der angemessenen Unterkunftskosten verwies die Beklagte auf die Berücksichtigung der
Mietobergrenzen in § 8 Wohngeldgesetz (WoGG), den einfachen Mietspiegel für N., eine Auswertung des örtlichen
Wohnungsmarktes und eine Erhebung der tatsächlichen Unterkunftskosten bei den Sozialhilfebeziehern.
Den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung vom 04.03.2006,
eingegangen beim Sozialgericht Regensburg am 07.03.2006, lehnte das Sozialgericht mit Beschluss vom 30. Mai
2007 ab, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Die von der Beklagten
festgesetzten Kosten für die Unterkunft seien angemessen und der Kläger habe nicht substantiiert dargelegt, dass
eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung in N. nicht vorhanden bzw. trotz ernsthafter und
intensiver Bemühungen nicht zugänglich gewesen wäre. Bemühungen, eine günstigere Wohnung zu finden, seien
weder vorgetragen noch belegt worden. Die Ausübung des Umgangsrechts mit der Tochter könne nicht
bedarfserhöhend angesehen werden, weil die Tochter nicht Mitglied der Haushalts- bzw. Bedarfsgemeinschaft sei.
Mit der dagegen eingelegten Beschwerde wiederholt die Prozessbevollmächtigte des Klägers im Wesentlichen ihr
bisheriges Vorbringen und weist darauf hin, dass das Sozialgericht mit seinen Ausführungen in dem angefochtenen
Beschluss das Hauptsacheverfahren vorweggenommen habe. Nach Einholung der angebotenen
Sachverständigengutachten hätte sich der bisherige Sachvortrag als wahr herausgestellt. Bei dem in der Tabelle zu §
8 WoGG festgelegten Mietzins von EUR 280,- einschließlich (kalter) Nebenkosten handle es sich nicht um einen
realistischen Mietzins in N ... Die Werte in dieser Tabelle basierten offensichtlich auf dem Anfang der 90er Jahre
entworfenen Mietspiegel für die Stadt N., der jedoch nicht in Kraft getreten sei. Die Ausübung des Umgangsrechts mit
seiner Tochter, das unter dem Schutz des Art. 6 Abs.2 GG stehe, gehöre zu seinem notwendigen und unabweisbaren
Lebensbedarf. Auch habe er sich immer wieder um eine günstigere Wohnung bemüht und dies auch mit der Beklagten
besprochen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Einholung der vom Kläger angebotenen Sachverständigengutachten nicht
erforderlich gewesen sei, weil es sich jeweils um Rechtsfragen gehandelt habe. Die Tabelle zu § 8 WoGG beruhe
nicht auf einem Mietspiegelentwurf für die Stadt N ... Im übrigen seien zur Berücksichtigung eventueller
Preissteigerungen die Werte der rechten Spalte dieser Tabelle (Höchstwerte) herangezogen worden, obwohl nur die
Kosten für eine einfache Wohnung zu berücksichtigen seien. Zahlreiche Wohnungsangebote in N. seien übermittelt
worden. Es treffe nicht zu, dass der Kläger seine Bemühungen um eine günstigere Wohnung mit ihr besprochen habe.
Das Sozialgericht hat dieser Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Bayerischen Landessozialgericht zur
Entscheidung vorgelegt. Mit Gerichtsbescheid vom 30.08.2007 hat es die Klage abgewiesen und die Berufung nicht
zugelassen.
Beigezogen wurden die Akten des Sozialgerichts und der Beklagten, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
II.
Die form- und fristgerecht (PV des Klägers hat Empfangsbekenntnis über die Zustellung des angefochtenen
Beschlusses nicht zurückgesandt) eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173, 174 Sozialgerichtsgesetz - SGG
-). Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden.
Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73
a Abs. 1 Satz 1 SGG, §§ 114 f. ZPO). Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf
ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen
Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 Satz 1
ZPO). Die Klage hatte nach Auffassung des Senats bereits zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Bewilligung
von Prozesskostenhilfe beim Sozialgericht am 07.03.2006 keine hinreichende Erfolgsaussicht. Die Beklagte hat zu
Recht mit ihrem Bescheid vom 01.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2006 die Kosten
für die Unterkunft und Heizung um EUR 39,07 auf die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von
EUR 315,- monatlich für den Zeitraum vom Juli bis Dezember 2005 reduziert. Insoweit nimmt der Senat zur
Vermeidung von Wiederholungen nach eigener Sachprüfung Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen
Beschlusses des Sozialgerichts sowie dessen Gerichtsbescheides vom 30.08.2007 (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Ergänzend wird zum Vorbringen des Klägers ausgeführt, dass es zur Sachaufklärung nicht der Einholung von
Sachverständigengutachten bedurfte. Zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnung durfte das Sozialgericht die
Tabelle nach § 8 WoGG (abstrakte Angemessenenheitsprüfung) sowie die örtlichen Immobilienanzeigen (konkrete
Angemessenenheitsprüfung) heranziehen. Diese Tabelle beruht entgegen der Ansicht des Klägers nicht auf einem
Mietspiegelentwurf für die Stadt N. aus den 90er Jahren. Im übrigen wurden zur Berücksichtigung eventueller
Preissteigerungen die Werte der rechten Spalte dieser Tabelle, d.h. die Höchstwerte der Mietstufe II herangezogen.
Auch über die Ausübung des Umgangsrechts des Klägers mit seiner Tochter war kein Beweis zu erheben, weil der
Umfang dieses Umgangsrechts bereits unstreitig geklärt war und dieser Umstand nur für die hier nicht streitige Frage
der Größe der Wohnung, nicht aber für die streitige Frage der Höhe des Mietzinses von Bedeutung ist. Da vom Kläger
kein Wegzug aus N. gefordert wird, kam es auch nicht auf die Frage der Entstehung weiterer Kosten durch häufige
Arztbesuche in N. an. Das Sozialgericht, das daher keine Beweisaufnahme durchführen musste, nahm bei der
erforderlichen summarischen Prüfung und Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage in dem
angefochtenen Beschluss nicht in unzulässiger Weise die Hauptsache vorweg.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei (§ 183 SGG) und ist nicht anfechtbar (§ 127 Abs. 2 ZPO i.V.m. §§ 73a, 177
SGG).