Urteil des LSG Bayern vom 26.09.2006

LSG Bayern: wiedereinsetzung in den vorigen stand, erlass, fax, sorgfaltspflicht, bahn, wohnung, fristversäumnis, fristablauf, beschwerdefrist, krankenkasse

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 26.09.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht München S 51 AS 1016/05
Bayerisches Landessozialgericht L 7 B 431/06 AS ER
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 27. April 2006 wird als
unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die 1947 geborene Beschwerdeführerin (Bf) erhält von der Be-schwerdegegnerin (Bg) Arbeitslosengeld II (Alg II). Am
15.12. 2005 beantragte sie beim Sozialgericht München (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel,
der Bg aufzugeben, davon abzusehen, ihr einen Betrag in Höhe von ca. 80 EUR monatlich von ihrem Alg II für
Stromnachzahlungen bzw. Nebenkosten abzuziehen, da sie von der Bg nur 145 EUR erhalte. Ihre Krankenkasse
könne sie aus gesundheitlichen Gründen nicht wechseln, sie zahle deshalb die Beiträge selbst. Die Bg führte dazu
aus, um den Wohnungsverlust, die Sperrung der Energieversorgung und den Verlust des
Krankenversicherungsschutzes zu vermeiden, würden die Beträge jeweils an die Adressaten überwiesen. Dies sei mit
dem Betreuer der Bf abgesprochen worden.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 27.04.2006 abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt,
die Bf habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Sie erhalte von der Bg Alg II in gesetzlicher Höhe. Dabei
sei nicht zu beanstanden, dass die direkte Auszahlung von Unterkunfts- und Stromkosten, Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträgen an die jeweiligen Adressaten erfolge. Dies sei mit dem Betreuer der Bf zur Vermeidung
von Rückständen abgesprochen worden.
Die Bf hat gegen den ihr am 08.05.2006 zugestellten Beschluss per Fax Beschwerde eingelegt. Das Fax ist am
09.06.2006 um 0 Uhr 8 beim Gericht eingegangen. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Nach dem Hinweis
des Gerichts, dass die Beschwerdefrist versäumt sei, machte die Bf geltend, ihr Faxgerät habe am 08.06.2006
(gemeint ist wohl der 09.06.2006) 0 Uhr 10 angezeigt. Vorher habe das Gerät einen Papierstau gehabt.
Die Beschwerdeführerin stellt sinngemäß den Antrag, den Beschluss des Sozialgerichts München vom 27. April 2006
aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihr das Alg II in voller Höhe auszuzahlen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Es sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Beschwerde erhoben worden sei.
II.
Die eingelegte Beschwerde ist unzulässig, weil die Bf die Be-schwerdefrist versäumt hat.
Gemäß § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beträgt die Be-schwerdefrist einen Monat. Da der Bf der
angefochtene Beschluss am 08.05.2006 zugestellt wurde, begann die Frist daher am 09.05.2006 und endete mit
Ablauf des 08.06.2006. Da die Be-schwerde erst am 09.06.2006 beim Gericht einging, wurde sie nicht fristgerecht
eingelegt.
Dem sinngemäß gestellte Antrag der Bf, ihr wegen der Fristver-säumnis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu
bewilligen, konnte nicht stattgegeben werden, weil sie nicht ohne Verschul-den verhindert war, die Frist einzuhalten.
Zwar kann ein Betei-ligter eine Frist bis zum Ende ausschöpfen. Kurz vor Fristablauf erhöht sich aber die
Sorgfaltspflicht (erhöhte Sorgfaltspflicht des "letzten" Tages, BSG SozR 1500 § 67 Nr 16). Wer am letzten Tag einen
fristwahrenden Schriftsatz per Fax bei Gericht einreichen will, muss mit Störungen seines Faxgerätes rechnen und
sowohl im Vorfeld als auch nach Eintritt der Störungen sämtliche möglichen und zumutbaren Maßnahmen treffen, um
eine Fristversäumung zu verhindern. Hat er dies nicht getan, kann wegen einer durch einen Defekt seines Faxgerätes
hervorgerufenen Fristversäumnis keine Wiedereinsetzung gewährt werden (OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.07.2006
- 9 U 56/06). Unabhängig davon, dass die Bf nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass das Faxgerät vor 0 Uhr
nicht sendebereit war, hätte sie, da sie in M. etwa zwei Kilometer vom Gericht entfernt wohnt, den Schriftsatz in den
Nachtbriefkasten des Gerichts einwerfen können; denn um von ihrer Wohnung aus das Gericht zu erreichen, hätte sie
mit der U-Bahn weniger als eine halbe Stunde benötigt.
Zudem ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht statthaft. Für eine Regelungsanordnung nach §
86b Abs. 2 SGG ist ein streitiges Rechtsverhältnis erforderlich. Das bedeutet, dass von demjenigen, der den Antrag
auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt hat, zuvor ein erfolglos gebliebener Antrag gestellt worden sein muss
(vgl. Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 123 RdNr 106). Den Akten der Bg ist nicht zu
entnehmen, dass die Bf sich mit ihrem Begehren zuvor an die Bg gewandt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit einem weiteren Rechtsmittel anfechtbar.