Urteil des LSG Bayern vom 29.05.2007

LSG Bayern: reformatio in peius, treu und glauben, entschädigung, nebenkosten, beweisanordnung, zusammenarbeit, bach, auflage, gutachter, freizeit

Bayerisches Landessozialgericht
Kostenbeschluss vom 29.05.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 5 RJ 102/97
Bayerisches Landessozialgericht L 14 R 401/98
Die Entschädigung des Antragstellers für das orthopädische Gutachten vom 01.03.2006 wird gemäß § 16 Abs. 1
ZSEG auf 778,73 EUR festgesetzt. Der Antragsteller ist verpflichtet die Überzahlung in Höhe von 2.118,95 EUR zu
erstatten.
Gründe:
I. In dem am Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) anhängig gewesenen Rechtsstreit A. gegen Deutsche
Rentenversicherung Niederbayern-Oberpfalz ist der Antragsteller mit Beweisanordnung vom 20.01.2003 gemäß § 106
Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt worden. Er hat sein
orthopädisches Gutachten vom 01.03.2006 in Zusammenarbeit mit den weiteren Sachverständigen Dr.W. (Rheuma-
Klinik O.) und Prof.Dr.W. (Klinikum I.) gefertigt.
Der Antragsteller hat mit Kostenrechnung vom 02.03.2006 (GA-Nr.38/05) insgesamt 3.828,00 EUR geltend gemacht.
Der Kostenbeamte des BayLSG hat hierauf 2.897,68 EUR überwiesen.
Der nunmehrige Kostenbeamte des BayLSG hat den Antragsteller mit Schreiben vom 04.01.2007 dahingehend
informiert, leider sei übersehen worden, dass dieser eine gültige Vereinbarung vom 15.02.1998 nach § 14 ZSEG mit
dem Freistaat Bayern geschlossen habe. Danach erhalte der Antragsteller für ein Gutachten nach Untersuchung
1.020,00 DM = 521,52 EU Zuzüglich Nebenkosten und Umsatzsteuer hätten nur 778,73 EUR bewilligt werden dürfen.
Der Antragsteller sei somit verpflichtet, 2.118,95 EUR zu erstatten.
Für den Antragsteller hat Dr.P.D. am 21.01.2007 telefonisch vorgetragen, der berichterstattende Richter habe ihm eine
entsprechende Kostenzusage aufgrund der umfangreichen Aktenunterlagen und des dementsprechenden
Mehraufwand erteilt.
Der Antragsteller selbst hat mit Schreiben vom 21.03.2007 darauf hingewiesen, dass in dem Rechtsstreit A. gegen
Deutsche Rentenversicherung Niederbayern-Oberpfalz ein ausführliches orthopädisches Gutachten erstellt worden
sei, nachdem bereits ein neurologisches Gutachten vorgelegen habe. Es habe sich hier um eine außerordentlich
umfangreiche Aktenlage mit insgesamt mehr als elf Aktenordnern zur Darstellung des Sachverhalts gehandelt,
sodass allein die Durchsicht der vorliegenden Dokumente den üblichen Zeitumfang zur Anfertigung des Gutachtens
um das Vielfache überstiegen habe. Darüber hinaus müsse betont werden, dass neben dem vermehrten Zeitaufwand
zum Aktenstudium das Gutachten einen Umfang von über 50 Seiten gehabt habe und schon allein dafür erhebliche
Kosten für die Schreibkraft hätten bestritten werden müssen. Da dies im Vorfeld bereits absehbar gewesen sei, sei
eine schriftliche Anfrage an den Vorsitzenden Richter gestellt und auch auf entsprechende Mehrkosten aufgrund des
außergewöhnlichen vermehrten Aufwandes von ca. 3.000,00 EUR hingewiesen worden. Da die Gutachten nicht
während der Dienstzeit angefertigt würden und deshalb dazu auch in erheblichem Maße die Freizeit von Mitarbeitern in
Anspruch genommen werden müsste, beantrage er bezüglich des in Rechnung gestellten Betrages eine richterliche
Entscheidung nach § 16 ZSEG.
Von Seiten des 15. Senats des BayLSG als Kostensenat wurden die Rentenstreitakten beigezogen.
II.
Gemäß §§ 24, 25 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) sind vorliegend noch die Vorschriften
des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) anzuwenden, weil der Antragsteller
mit Beweisanordnung des BayLSG vom 20.01.2003 gemäß § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen bestellt
worden ist.
Die einem Sachverständigen zu gewährende Entschädigung wird gemäß § 16 Abs.1 ZSEG durch gerichtlichen
Beschluss festgesetzt, wenn der Sachverständige wie hier die richterliche Festsetzung mit Schriftsatz vom
21.03.2007 beantragt hat.
Auch in diesem Fall ist übersehen worden, dass der Antragsteller am 15.02.1998 eine Vereinbarung mit dem BayLSG
hinsichtlich der Honorierung als ärztlicher Gutachter abgeschlossen hat. Diese Vereinbarung ist für alle Gutachten
anzuwenden, die im Zeitraum 01.01.1998 bis 31.03.2009 in Auftrag gegeben worden sind.
Danach hätte der Antragsteller für sein Gutachten nach Untersuchung vom 01.03.2006 lediglich 1.020,00 DM = 521,52
EUR zuzüglich Nebenkosten in Höhe von 149,80 EUR = 671,32 EUR netto bzw. inklusive Umsatzsteuer brutto 778,73
EUR beanspruchen dürfen. Überzahlt sind somit 2.118,95 EUR, die der Antragsteller zu erstatten hat.
Anders als in dem Verfahren L 15 SF 38/09 B wirkt hier das Verbot der reformatio in peius in Beschwerdeverfahren
nicht zugunsten des Antragstellers. Das Verbot der reformatio in peius greift bei der originären gerichtlichen
Festsetzung gegenüber der von der im Verwaltungswege berechneten Entschädigung nicht ein. Die gerichtliche
Festsetzung ist auch keine Abänderung der von der Anweisungsstelle vorgenommenen Berechnung, sondern eine
davon unabhängige erstmalige Festsetzung nach § 16 ZSEG, wodurch eine vorherige Berechnung der Entschädigung
im Verwaltungswege gegenstandslos wird (Meyer/ Höver/Bach, Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und
Sachverständigen, 22. Auflage, Rz.9.2 zu § 16 ZSEG mit Hinweis auf die ständige Kostenrechtsprechung).
Soweit sich der Antragsteller auf das Schreiben von Prof.Dr.R. bzw. Dr.D.D. vom 18.10.2005 und die dort erwähnten
entsprechenden Kosten von ca. 3.000,00 EUR beruft, ist dies unbehelflich. Denn weder Prof.Dr.R. und Dr.D.D.
einerseits bzw. der Vorsitzende Richter Dr.G. andererseits sind befugt gewesen, für den Antragsteller bzw. den
Antragsgegner die Vereinbarung vom 15.02.1998 im Einzelfall abzuändern.
Der 15. Senat des BayLSG als Kostensenat verkennt nicht, dass die Vereinbarung vom 15.02.1998 zwischenzeitlich
aufgrund des Zeitablaufes zu unangemessen niedrigen Honoraren für den Antragsteller geführt hat. Insoweit geht es
jedoch zu Lasten des Antragstellers, dass dieser trotz wiederholter Hinweise von Seiten des BayLSG nicht bereits
früher, sondern erst mit Vereinbarung vom 19.03.2009 aktualisierte und angemessene Sätze nach dem JVEG
vereinbart hat.
Die auch im Sozialrecht zu berücksichtigenden Grundsätze von Treu und Glauben im Sinne von § 242 des
Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) greifen hier nicht zugunsten des Antragstellers. Denn in dem Parallelverfahren L 15
SF 38/09 B hat der Beschwerdegegner lediglich darauf verzichtet, zu Lasten des dortigen Beschwerdeführers (=
hiesigen Antragstellers) einen Antrag einzubringen. Hier handelt es sich um ein originäres
Kostenfestsetzungsverfahren.
Auch der Umstand, dass der Kläger rechtsschutzversichert gewesen ist, kann nicht zugunsten des Antragstellers
Berücksichtigung finden (§§ 8 ff. ZSEG).
Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 16 Abs.5 ZSEG). Sie ist gemäß § 177 SGG
endgültig.