Urteil des LSG Bayern vom 08.10.2003

LSG Bayern: altersrente, wartezeit, stadt, versicherungsträger, anschrift, marokko, firma, witwer, beweislast, aufenthalt

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 08.10.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 3 RJ 90/02
Bayerisches Landessozialgericht L 16 RJ 619/02
Bundessozialgericht B 5 RJ 27/04 B
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 24. Oktober 2002 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Altersrente nach § 35 SGB VI bzw. Beitragserstattung nach § 210
SGB VI, insbesondere dem Nachweis von Beitragszeiten in der Bundesrepublik.
Der 1935 geborene Kläger richtete am 31.10.2000 ein Schreiben an die Beklagte und teilte mit, in D. zwischen 1964
und 1966 gearbeitet zu haben. Er beantrage Rente aus der deutschen Rentenversicherung. Auf die Aufforderung der
Beklagten die Originalversicherungskarte vorzulegen teilte er mit, keine Versicherungskarte zu haben, auch Namen
und Adressen der Arbeitgeber seien nicht erinnerlich, er bitte aber um Prüfung und Kontenklärung sowie
Rentengewährung. Einen Formblattantrag, bestätigt vom marokkanischen Versicherungsträger übersandte der Kläger
am 22.05.2001. Bestätigt da-rin wurde die Antragstellung am 06.02.2000. Angaben zu marokkanischen
Versicherungszeiten oder marokkonischem Rentenbezug wurden nicht gemacht.
Mit Bescheid vom 15.06.2001 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen Alters ab, da deutsche
Versicherungszeiten weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht sind und die Ermittlungen aufgrund der fehlenden
Angaben ergebnislos verlaufen sind.
Der Kläger erhob Widerspruch gegen den Bescheid vom 15.06.2001 und bat um Rentengewährung oder
Beitragserstattung.
Anfragen der Beklagten bei der AOK D. bzw. der Stadt D. blieben ebenso ergebnislos wie die Anforderung der
Versicherungskarten bei der LVA Westfalen.
Die Beklagte bat den Kläger um Mitteilung der Anschrift des Arbeitgebers sowie seiner damaligen Adresse in D ... Er
teilte daraufhin mit, im Eisenwerk gearbeitet zu haben aber keine Dokumente mehr zu besitzen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.01.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, mit der Begründung, deutsche
Versicherungszeiten seien weder nachgewiesen, noch glaubhaft, so dass weder die Gewährung einer Regelaltersrente
noch die Beitragserstattung in Betracht komme.
In seiner Klageschrift vom 03.02.2002 wandte sich der Kläger an das Sozialgericht Augsburg mit der Bitte, die
beigefügte Entscheidung zu überprüfen. Er habe als Lohnempfänger in der Bundesrepublik gearbeitet und beantrage,
ihm Altersrente zu bewilligen.
Er teilte in der Folge mit, in der Stahlschmelzhütte "T." in D. sowie bei der Stadt D. und in der "Kabelfabrik" gearbeitet
zu haben. Die Dokumente seien verloren gegangen.
Das Sozialgericht teilte dem Kläger mit, dass für die begehrte Altersrente nachgewiesene Beiträge zur
Rentenversicherung für 60 Monate erforderlich seien. Er selbst behaupte aber nur eine Beschäftigungszeit von
weniger als 60 Kalendermonaten. Die Klage könne deshalb keinen Erfolg haben. Es werde angeregt, diese
zurückzunehmen.
Daraufhin teilte der Kläger mit Schreiben vom 17.07.2001 mit, er bitte die Akte zu prüfen und die
Versicherungsbeiträge zu erstatten.
Nach Zustimmung durch die Beteiligten wies das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24.10.2002 ab mit der
Begründung, der Kläger habe weder Anspruch auf Gewährung einer Regelaltersrente, noch sei die Beklagte
verpflichtet, ihm Versicherungsbeiträge zu erstatten. Es sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger Beiträge zur
deutschen Rentenversicherung geleistet habe. Eine Erfüllung der allgemeinen Wartezeit durch Beitrags- und
Ersatzzeiten, sei aufgrund der von ihm angegebenen Beschäftigungszeit bereits rechnerisch ausgeschlossen, weil
auch marokkanische Versicherungszeiten nicht nachgewiesen seien. Im Übrigen habe er auch keinen Anspruch auf
Beitragserstattung, da ein Nachweis der Beitragsleistung insbesondere durch Anfrage bei den Krankenkassen und
dem zuständigen Versicherungsträger ohne Ergebnis geblieben sei.
Mit Schreiben vom 25.11.2002 legte der Kläger gegen den Gerichtsbescheid, zugestellt, soweit lesbar, am
05.11.2002, Berufung ein. Er habe Rente oder eine Rückerstattung der Versicherungsbeiträge beantragt und bitte um
Überprüfung.
Die Beklagte beantragte die Berufung als unbegründet zurückzuweisen und nahm auf die Entscheidungsgründe im
angefochtenen Urteil Bezug.
Der Senat richtete Anfragen an die AOK Westfalen-Lippe und die LVA Westfalen unter Hinweis auf die angegebenen
Firmen "T.", "S.", "Kabelfabrik" und bat um Nachprüfung auch unter Hinweis auf die verschiedenen Schreibweisen des
Namens. Die LVA teilte mit, keine Unterlagen über den Versicherten feststellen zu können. Eine
Handelsregisteranfrage blieb erfolglos. Die AOK teilte mit, ein Herr Z. sei in der Zeit vom 19.03.1965 bis 08.04.1965
bei der Stadt D. beschäftigt gewesen. Die Anschrift habe S. , D. gelautet. Der Genannte sei in der Zeit vom
23.08.1965 bis 13.01.1966 bei der Firma M. beschäftigt gewesen. Die Anschrift und weitere Informationen lägen nicht
vor. Eine Kopie der damaligen Verwaltungsakte wurde beigefügt.
Die Beklagte teilte im Schriftsatz vom 25.08.2003 mit, ein Wanderarbeitnehmer mit dem Namen M. Z. sei am
27.10.1964 von Marokko kommend nach Deutschland zugezogen und nach Auskunft der Stadt D. am 17.01.1966
nach Marokko zurückgekehrt. Eine Anfrage bei der Innungskrankenkasse habe ergeben, dass unter den
verschiedensten Schreibweisen des Familiennamens des Klägers keine Mitgliedschaft festgestellt werden kann.
Nachdem allenfalls elf Monate an Versicherungszeiten anrechenbar sein könnten, aber Zweifel bestünden, ob der
Kläger mit dem im genannten Zeitraum in D. beschäftigten M. Z. identisch sei, sehe die Beklagte keine Möglichkeit
für den Kläger Versicherungszeiten anzuerkennen.
Der Senat hat den Kläger über das Ergebnis dieser Ermittlungen informiert und darauf hingewiesen, dass höchstens
für elf Monate Beiträge bezahlt sein könnten, aber die Identität nicht mit Sicherheit geklärt sei. Alle weiteren
Ermittlungen seien ergebnislos geblieben, deshalb habe die Berufung keine Aussicht auf Erfolg.
Der Kläger beantragt sinngemäß den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 24.10.2002 sowie den
Bescheid der Beklagten vom 15.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2002 aufzuheben und
die Beklagte zu verpflichten, ihm Altersrente aus der deutschen Versicherung zu gewähren, hilfsweise die Beiträge für
die Beschäftigungszeiten zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakte, der Akten des Sozialgerichts Augsburg sowie des
Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, erweist sich jedoch als
unbegründet.
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Altersrente nach § 35 SGB VI noch auf Beitragserstattung nach § 210 SGB
VI. Die Beklagte und das Sozialgericht haben zu Recht diese Ansprüche verneint. Zum einen, weil die erforderliche
Wartezeit für die Altersrente von 60 Beitragsmonaten selbst nach dem Vortrag des Klägers nicht erfüllt ist, zum
anderen, weil nicht nachgewiesen werden konnte, dass der Kläger Beiträge zur deutschen Rentenversicherung
geleistet hat.
Nach § 35 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie 1. das 65. Lebensjahr vollendet die
allgemeine Wartezeit 2. erfüllt haben.
Die allgemeine Wartezeit für die Altersrente beträgt gemäß § 50 Abs.1 SGB VI für die Regelaltersrente fünf Jahre.
Nach § 51 Abs.1 SGB VI werden auf die allgemeine Wartezeit und auf die Wartezeit von 20 Jahren Kalendermonate
mit Beitragszeiten angerechnet. Beitragszeiten sind im Sinne des § 55 Abs.1 SGB VI Zeiten, für die nach
Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Pflichtbeitragszeiten
sind auch Zeiten, für die die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Als Beitragszeiten gelten
auch Zeiten für die Entgeltpunkte gutgeschrieben worden sind, weil gleichzeitig Berücksichtigungszeiten wegen
Kindererziehung oder Zeiten der Pflege eines pflegebedürftigen Kindes für mehrere Kinder vorliegen. Diese
Voraussetzungen erfüllt der Kläger selbst nach seinem eigenen Vortrag nicht. Der Kläger hat widersprüchliche
Angaben zur Dauer seines Aufenthalts in der Bundesrepublik gemacht. Während er im ersten Schreiben vom
31.10.2000 einen Aufenthalt in der Bundesrepublik für die Jahre 1964 bis 1966 angegeben hat, teilte er im Schreiben
vom 24.05.2002 mit, der Arbeitszeitraum in der Bundesrepublik habe von März 1964 bis 1968 betragen. Aber selbst
bei Annahme, letztere Angabe sei zutreffend, wird der Fünf-Jahres-Zeitraum nicht erfüllt, da maximal vier Jahre und
zehn Monate in den genannten Zeitraum fallen. Für den Anspruch des Klägers auf Regelaltersrente kann deshalb
dahinstehen, ob der Nachweis von Beiträgen erbracht ist, denn allein mit den deutschen Arbeitszeiten erfüllt er den
Anspruch in keinem Fall. Der Kläger erfüllt aber auch nicht im Rahmen des deutsch-marokkanischen Abkommens
vom 25.03.1981 (BGBl. II 1986, 552) den Anspruch auf Regelaltersrente, denn der marokkanische
Versicherungsträger hat keine dortigen Beitragszeiten bestätigt und der Kläger hat auch nicht angegeben, in Marokko
Beitragszeiten zurückgelegt zu haben.
Für den Anspruch auf Regelaltersrente kann es deshalb auch dahinstehen, ob sich der Kläger tatsächlich vier Jahre
und zehn Monate in der Bundesrepublik aufgehalten hat oder wie er zunächst angegeben hat, nur drei Jahre.
Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf Beitragserstattung nach § 210 SGB VI, denn Beitragszeiten sind nicht
mit ausreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. § 210 SGB VI bestimmt: Beiträge werden auf Antrag erstattet 1.
Versicherten, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht auf freiwillige Weiterversicherung haben, 2.
Versicherten, die das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben, 3. Witwen, Witwer
oder Waisen, wenn wegen nicht erfüllter allgemeiner Wartezeit einen Anspruch auf Rente wegen Todes nicht besteht,
Halbwaisen aber nur, wenn eine Witwe oder ein Witwer nicht vorhanden ist. Mehreren Waisen steht der
Erstattungsbetrag zu gleichen Teilen zu.
Für diesen Anspruch wäre es also erforderlich, dass der Kläger nachweisen kann, Beiträge zur deutschen
Rentenversicherung gezahlt zu haben. Die Ermittlungen der Beklagten und des Senats haben dies nicht ergeben, der
Kläger selbst konnte keinerlei Angaben zur Beitragsentrichtung machen, geschweige denn Versicherungskarten oder
Beitragsnachweise vorlegen. Dabei bestehen erhebliche Zweifel, ob der Kläger, der in seinem ersten Schreiben vom
Oktober 2000 seinen Namen mit Z. M. angegeben hat, personengleich ist mit der von der AOK Westfalen-Lippe
mitgeteilten Person Z. M ... Die Schreibweise des Namens unterscheidet sich doch erheblich; im Übrigen ist zwar das
Geburtsdatum beider Personen gleich, die Angaben des Klägers zu seinen Arbeitgebern und die Zeit des Aufenthalts
im Bundesgebiet stimmen aber nicht überein. Der Kläger hat angegeben, zwischen März 1964 und maximal 1968 in
der Bundesrepublik bei der Stahlschmelzhütte T. , der Stadt D. und einer Kabelfabrik in D. gearbeitet zu haben,
während die Person, für die bei der AOK Westfalen-Lippe eine Beschäftigungszeit registriert ist, nur von März 1965
bis September 1965 bei der Stadt D. und von August 1965 bis Januar 1966 bei einer Firma M. gearbeitet hat. Sowohl
aufgrund der unterschiedlichen Schreibweise als auch aufgrund der divergierenden Angaben zur Zeit des
Beschäftigungsverhältnisses und zu den Arbeitgebern bestehen beim Senat erhebliche Zweifel daran, dass es sich
bei der von der AOK Westfalen-Lippe genannte Person um den hier auftretenden Berufungskläger handelt. Da der
Kläger trotz wiederholter Aufforderung keinerlei Unterlagen vorlegen oder weiterführende Angaben machen konnte und
im Übrigen die genannten Arbeitgeber des Klägers nicht zu ermitteln waren, sieht der Senat keine Möglichkeit, weitere
Ermittlungen durchzuführen um diese Zweifel aufzuklären. Der Kläger, der Ansprüche aus dieser Beitragsentrichtung
geltend macht, trägt die Nachweispflicht für die Beitragsentrichtung. Auch im sozialgerichtlichen Verfahren ist die
objektive bzw. so genannte materielle Beweislast von Bedeutung. Sie besagt, wen die Folgen treffen, wenn das
Gericht bestimmte Tatsachen trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht feststellen kann. Es gilt also
der Grundsatz, dass jeder die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch
begründen. Das gilt für das Vorhandensein positiver wie für das Fehlen negativer Tatbestandsmerkmale (vgl. dazu
Jens Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen § 103 Anm.18). Dieser Nachweis ist nicht gelungen, so
dass ein Beitragserstattungsanspruch des Klägers am fehlenden Nachweis der einbezahlten Beiträge durch ihn
scheitern muss. Es sei dabei nochmals darauf hingewiesen, dass alle vom Kläger genannten Schreibweisen seines
Namens (Z. , S. , Z. etc.) nie identisch mit der bei der AOK Westfalen-Lippe verzeichneten Schreibweise sind.
Die Kostentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Gründe gemäß § 160 Abs.2 Ziff.1 und 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.