Urteil des LSG Bayern vom 13.11.2008

LSG Bayern: arbeitsunfähigkeit, krankengeld, behandelnder arzt, gutachter, beweislast, akte, operation, form, vorsorge, krankenkasse

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 13.11.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 12 KR 80/06
Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 76/07
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin über den 30.11.2005 hinaus Krankengeld zu bezahlen.
Die 1948 geborene Klägerin war seit 05.01.2004 als Bezieherin von Arbeitslosengeld bei der Beklagten versichert. Sie
litt an einem Kniebinnenraumschaden mit erheblichen Knorpeldegenerationen sowie Innenmeniskus-Hinterhorn-Ruptur
des rechten Kniegelenks und wurde deshalb am 22.09.2005 operiert. Die Entlassung erfolgte am 27.09.2005.
Bezüglich der Arbeitsunfähigkeit empfahlen die behandelnden Ärzte der Klägerin am 07.10.2005 die Vorstellung beim
MDK. Dort kam Dr.S. zu dem Ergebnis, die Klägerin könne ab 01.11.2005 wieder leichte bis mittelschwere körperliche
Tätigkeiten vollschichtig verrichten. Am 12.10.2005 informierte die Beklagte hierüber die behandelnden Ärzte und
stellte mit Bescheid vom selben Tag, an die Klägerin adressiert, das Ende der Arbeitsunfähigkeit zum 31.10.2005
fest. Die Klägerin legte Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie ein ärztliches Attest des Dr.W. vom 28.10.2005
vorlegte. Die Klägerin sei weiterhin arbeitunfähig, wegen der erheblichen Adipositas gestalte sich die Mobilisierung
extrem schwierig. Nach erneuter Begutachtung durch den MDK mit körperlicher Untersuchung der Klägerin am
06.12.2005 und nachdem sich die Klägerin vom 08.01.2006 bis 15.02.2006 im Kreiskrankenhaus W. wegen
Sigmadivertikulitis in stationärer Behandlung befunden hatte, wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom
24.02.2006 zurückgewiesen.
Hiergegen richtete sich die am 03.03.2006 beim Sozialgericht Augsburg eingegangene Klage. Die Beklagte holte im
Klageverfahren eine erneute Stellungnahme des MDK ein. Dabei wurde festgestellt, dass die Klägerin ab 01.11.2005
bis zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme in der Lage war, eine leichte körperliche Tätigkeit vollschichtig
auszuüben. Das Sozialgericht forderte Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin an, nämlich des Dr.W. und
der Dres. H. und H. und erhob Beweis durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Physikalische und
Rehabilitative Medizin sowie für Allgemeinmedizin Dr.N ... Der Gutachter kam nach Aktenlage zu dem Ergebnis, in
der ersten Novemberhälfte sei die Wegefähigkeit der Klägerin noch in Frage zu stellen, zumindest ab Dezember 2005
seien jedoch leichte körperliche Arbeiten in überwiegend sitzender Position mit kurzzeitigem Stehen und Gehen
vollschichtig zumutbar. Die Beklagte anerkannte daraufhin den Krankengeldanspruch vom 02.11. bis 30.11.2005. Im
Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.01.2007 nahm die Klägerin das Teilanerkenntnis an und beantragte, ihr
Krankengeld über den 30.11.2005 hinaus bis 05.11.2006 zu bezahlen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 18.01.2007 abgewiesen. Die Klägerin habe über den 30.11.2005
hinaus, weil Arbeitsunfähigkeit nicht nachgewiesen sei, keinen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld. Maßstab für
die Beurteilung der Klägerin, die seit 05.01.2004 Arbeitslosengeld bezogen habe, sei ausschließlich, ob sie noch in
der Lage war, leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten und damit den
Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung gestanden hätte. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
sei das Gericht davon überzeugt, dass nach dem 30.11.2005 keine Arbeitsunfähigkeit mehr vorgelegen habe. Dies
ergebe sich aus dem Gutachten des Dr.N. und des Dr.S., eingeholt im Verwaltungsverfahren. Objektive Befunde, die
eine Beurteilung der Arbeitsfähigkeit aufgrund der Kniebeschwerden erlauben, lägen zeitnah zum Ende der
Krankengeldzahlung vom 30.11.2005 lediglich im Gutachten des Dr.S. vom 06.12.2005 vor. Die Einschätzung
bezüglich des Vorliegens der Einsatzfähigkeit für körperlich leichte Tätigkeiten sei überzeugend. Auch andere
Erkrankungen als die des Kniegelenks könnten nicht zu einer Arbeitsunfähigkeit im November und Dezember 2005
führen. Insbesondere die Darmbeschwerden hätten bereits das ganze Jahr 2005 vorgelegen und die Klägerin nicht
gehindert, sich beim Arbeitsamt vermittlungsfähig zu melden und Arbeitslosengeld zu beziehen. Eine geplante
Operation sei nicht mit Arbeitsunfähigkeit gleichzusetzen. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast gehe der
fehlende Nachweis der Arbeitsunfähigkeit über den 30.11.2005 hinaus zu Lasten der Klägerin.
Gegen dieses Urteil richtet sich die am 28.02.2007 beim Landessozialgericht eingegangene Berufung der Klägerin, die
ihr Bevollmächtigter damit begründet, es sei eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die bei korrekter Würdigung der
einzelnen krankhaften Befunde zwingend zum Ergebnis führen müsse, dass die Klägerin auch über den 30.11.2005
hinaus arbeitsunfähig gewesen sei. Sowohl Dr.S. (MDK) wie der Gerichtsgutachter Dr.N. hätten die akute
Darmerkrankung der Klägerin nicht berücksichtigt. Die Beschwerden hätten im Laufe des Jahres zugenommen, jedes
Auftreten der Divertikulitis bzw. der Symptome hätte eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin zur Folge gehabt. Aufgrund
der Vielzahl der unterschiedlichen Erkrankungen und erhobenen Befunde liege es auf der Hand, dass durchgängig
Arbeitsunfähigkeit bestanden habe.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13.11.2008 bestätigen die Beteiligten, dass die Klägerin vom 06.11.2006
bis 02.01.2007 Arbeitslosengeld bezogen habe. Die Klägerin gibt an, nachdem die Kasse keinen Auszahlschein
übersandt habe, habe ihr behandelnder Arzt sie nicht mehr arbeitsunfähig geschrieben.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18.10.2007 und den
zugrundeliegenden Bescheid der Beklagten vom 12.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
24.02.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Krankengeld über den 30.11.2005 hinaus zu
bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Soweit sich der Klägervertreter darauf berufe, die von der Klägerin geschilderten Beschwerden im Unterbauch seien
von den bisherigen Gutachtern nicht ausreichend gewürdigt worden, sei dies nicht zutreffend. Der gerichtliche
Gutachter habe die Beschwerden entsprechend gewürdigt, allerdings habe er festgestellt, dass sie keine
Arbeitsunfähigkeit über Tage begründen könnten. Die Entscheidung des Sozialgerichts sei deshalb nicht zu
beanstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten
beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die nicht der Zulassung nach § 144 SGG bedarf,
ist zulässig, sie erweist sich aber als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg gibt die Rechtslage
zutreffend wieder. Der Senat folgt der dort aufgeführten Gründe i.S. von § 153 Abs.2 SGG.
Das Sozialgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld über
den 30.11.2005 hinaus hat, weil Arbeitsunfähigkeit nicht festgestellt und nicht nachgewiesen ist. Nach § 44 Abs.1
Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie
auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23
Abs.4, §§ 24, 40 Abs.2 und § 41) behandelt werden. Die Klägerin befand sich ab 01.12.2005 nicht in stationärer
Krankenhausbehandlung, was unbestritten ist. Sie war auch nicht arbeitsunfähig. Da die Klägerin als Bezieherin von
Arbeitslosengeld bei der Beklagten versichert war, ist sie, wie das Sozialgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat,
auf sämtliche leichte Tätigkeiten zu verweisen, die ihr gesundheitlich möglich sind. Der Gutachter des Sozialgerichts
hat hierzu ausgeführt, dass weder die Beschwerden der Kniegelenke noch die Darmerkrankung noch die sonstigen
vorliegenden Krankheiten der Klägerin sie außerstande gesetzt haben, vollschichtig tätig zu sein.
Der Anspruch der Klägerin auf Krankengeld ab 01.12.2005 ist darüber hinaus auch deshalb nicht gegeben, weil die
Voraussetzungen des § 46 Abs.1 Nr.2 SGB V nicht erfüllt sind. Danach entsteht der Anspruch auf Krankengeld von
dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Eine ärztliche Feststellung der
Arbeitsunfähigkeit, das bedeutet das Ausstellen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (siehe hierzu Höfler, Komm. §
46 SGB V Rdz.4 ff) liegt über den 30.11.2005 hinaus nicht vor. Da der Anspruch auf Krankengeld bereits an der
fehlenden ärztlichen Feststellung scheitert, folgt der Senat dem hilfsweise gestellten Antrag des
Klägerbevollmächtigten zur Einholung eines Gutachtens zum Beweis dafür, dass die Klägerin auch ab 01.12.2005 bis
08.01.2006 weiterhin arbeitsunfähig war, nicht. Zum einen wurde bereits im Sozialgerichtsverfahren ein Gutachten
nach Aktenlage eingeholt, zum anderen könnte auch der spätere Nachweis der Arbeitsunfähigkeit den
Krankengeldanspruch nicht begründen.
Die Berufung ist deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.
Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.