Urteil des LSG Bayern vom 25.10.2007

LSG Bayern: stationäre behandlung, rehabilitation, anschluss, aufenthalt, wohnung, form, verordnung, krankenkasse, heilmittel, gesundheitszustand

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 25.10.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 2 KR 332/06
Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 379/06
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. September 2006 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für die Verlängerung einer medizinischen Rehabilitation bzw. für eine
weitere solche Maßnahme im Anschluss daran.
Am 21.04.2005 wurde der damals 85-jährigen Klägerin im Klinikum G. die linke Hüfte implantiert. Die Beklagte
bewilligte im Anschluss daran ab 06.05.2005 eine stationäre Anschluss-Rehabilitation in der M.-Klinik, C. , für
maximal 28 Tage.
Eine zwischenzeitlich aufgetretene heftige Darmerkrankung erforderte stationäre Behandlung im Krankenhaus C. bis
einschließlich 07.06.2005, worauf die Beklagte nach Zurückverlegung die Reha-Maßnahme bis 17.06.2005
verlängerte. Ein erneuter Schub der Darmerkrankung machte eine weitere Krankenhausbehandlung, diesmal im
Krankenhaus in P. , vom 13. bis 27.06.2005 erforderlich. Nach Zurückverlegung bewilligte die Beklagte die
Verlängerung der stationären Reha in der M.-Klinik zunächst bis 15.07.2005 und setzte dann an diesen Tag das Ende
dieser Maßnahme nach Rücksprache mit dem MDK auf den 29.07.2005 fest, wovon die Klägerin unterrichtet wurde.
Wegen dieses Entlassdatums wandte sich die Klägerin am 29.07.2005 an die Beklagte, weil ihr Zustand eine
Entlassung nach Hause, die Wohnung liege im ersten Stock, wegen der zwischenzeitlich aufgetretenen Arthritis ihrer
Hände nicht zulasse. Laut einer Notiz in den Beklagtenakten vereinbarten "die Ärzte" am 29.07.2005 den Folgetag als
den der Entlassung. Hierzu nahm Dr.W. vom MDK am 03.08.2005 dahin Stellung, dass keine neuen medizinischen
Erkenntnisse vorlägen, die einen stationären Aufenthalt über den 30.07.2005 begründen könnten. Derzeit sei nicht
mehr ein Behandlungs-, sondern ein Pflegefall anzunehmen. Somit entschied die Beklagte am 03.08.2005 bezüglich
des mit dem Widerspruch gleichzeitig gestellten Verlängerungsantrags, dass als Entlassungstag der 30.07.2005 zu
gelten habe. Die Klägerin verblieb gleichwohl bis 05.08.2005, während der Entlassungsbericht der M.-Klinik lediglich
den Zeitraum bis 30.07.2005 umfasst und eine Weiterbehandlung in ambulanter Form für ausreichend erachtet. Für die
Zeit bis 05.08.2005 stellte die M.-Klinik 1.140,- EUR der Klägerin in Rechnung zuzüglich 198,30 EUR Heilmittel. Diese
begab sich anschließend zu einem stationären Aufenthalt in die Klinik R.-Park und unterzog sich dort eine
"Regenerationswoche" mit Massagen und Einzelkrankengymnastik bis einschließlich 12.08.2005, wofür ihr 555,10
EUR Aufenthaltskosten und 144,- EUR Heilmittel in Rechnung gestellt wurden.
Mit streitigem Bescheid vom 12.09.2005 lehnte die Beklagte es endgültig ab, Kosten für die Zeit nach dem
30.07.2005 zu übernehmen. Auf den klägerischen Widerspruch hin ließ die Beklagte vom MDK die
Entlassungsberichte weiterhin der beiden Kliniken auswerten und kam im Widerspruchsbescheid vom 10.02.2006 zu
dem Ergebnis, dass keinerlei medizinische Gründe für weitere stationäre Rehabilitationsmaßnahmen vorgelegen
hätten. In der dagegen am 27.02.2006 zum Sozialgericht München erhobene Klage ließ die Klägerin vortragen, dass
nach dem 30.07.2005 noch keine ausreichende Besserung eingetreten sei, sie sei nunmehr ein Pflegefall. In dem vom
Sozialgericht in Auftrag gegebenen Gutachten kommt der Sachverständige, Allgemeinarzt Dr.K. am 23.07.2006 nach
vorangegangener Untersuchung der Klägerin in ihrer Wohnung und ausführlicher Beschreibung des Wohnumfeldes zu
dem Ergebnis, dass der Gesundheitszustand der Klägerin am 30.07.2005 nicht länger mehr stationäre Reha-
Maßnahmen erfordert hätte. Die Klägerseite dagegen sah vom Sachverständigen die Verhältnisse bei der
Daumenarthrose als nicht ausreichend gewürdigt. Dieser Überlegung schloss sich das Sozialgericht im Urteil vom
28.09.2006 nicht an, sondern folgte dem Sachverständigen hinsichtlich der fehlenden Notwendigkeit weiterer
stationärer Maßnahmen, zumal diese für den anschließenden Aufenthalt im R. nicht einmal beantragt worden seien.
Mit der dagegen eingelegten Berufung wird darauf abgestellt, dass die M.-Klinik zunächst noch eine Verlängerung bis
Anfang August befürwortet habe und im Übrigen der Klägerin die Rückkehr in ihre Wohnung zu einer Zeit, als ihre
Tochter im Urlaub sich befunden habe, nicht hätte zugemutet werden können. Nach verschiedenen Hinweisen
(Erörterungstermin am 16.03.2007), u.a. dass es für die streitige Zeit an einer ärztlichen Verordnung fehle, hat die
Klägerin vortragen lassen, seitens der M.-Klinik sei ihr mit dem Verlängerungsantrag ein Behandlungsplan bis
einschließlich 05.08.2005 ausgehändigt worden. An einer ohnehin medizinisch sinnlosen Verlängerung um einen Tag,
den 30.07.2005, sei ihr nicht gelegen gewesen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 28.09.2006 und den zugrundeliegenden Bescheid
der Beklagten vom 12.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2006 aufzuheben und die
Beklagte zu verurteilen, ihr 2.037,40 EUR zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Sachverhalts auf den Inhalt der beigezogenen Akten bzw. den der
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG). In der Sache selbst ist die Berufung
unbegründet, denn die Beklagte hat die geforderte Geldsumme an die Klägerin nicht zu bezahlen. Es fehlt an einer
tragfähigen Anspruchsgrundlage, denn die Voraussetzungen des dafür allein in Betracht kommenden § 13 Abs.3 SGB
V sind nicht erfüllt.
Die Beklagte hat die begehrten Leistungen: Verlängerung der stationären Rehabilitation in der M.-Klinik und
Gewährung einer weiteren stationären Rehabilitation in der R.-Klinik nicht zu Unrecht abgelehnt. Vielmehr stand diese
Ablehnung in Einklang mit der gesetzlichen Lage, hier dem § 40 SGB V.
Dabei sind, wie das Sozialgericht zutreffend dargestellt hat, gemäß § 40 Abs.2 SGB V die von der Klägerin in der
streitigen Zeit durchgeführten Maßnahmen stets die ultima ratio und können nur erbracht werden, wenn andere,
insbesondere ambulante Maßnahmen nicht ausreichen.
Dies war im Anschluss an die Hüftoperation im April 2005 unzweifelhaft der Fall und bedingt durch die Stagnation
bzw. Rückschläge infolge der intermittierenden zweimaligen Darmerkrankung auch noch bis Ende Juli 2005. Für die
Zeit danach schuldete die Beklagte der Klägerin keine der beiden in Anspruch genommenen Reha-Leistungen, so
dass die dafür aufgewandten Kosten nicht zu erstatten sind. Entscheidend für die rechtmäßige Leistungsverweigerung
ist das Fehlen der "medizinischen Erfordernisse" im Sinne von § 40 Abs.3 Satz 1 SGB V. Hier setzt die
Konkretisierung gemäß § 92 Abs.1 Satz 2 Nr.8 SGB V durch die Rehabilitationsrichtlinien, wie sie ab 01.04.2004
gelten, ein. Wie bereits die gesetzliche Norm fordert auch § 12 in Abs.1 dieser Richtlinien neben einem Antrag eine
vertragsärztliche Verordnung und Einschaltung des MDK vor einer Entscheidung der Krankenkasse eine derartige
Maßnahme zu bezahlen. Im vorliegenden Fall der Klägerin findet sich weder vor dem 30.07.2005 noch danach eine
ärztliche Stimme oder Befürwortung, die die Wünsche der Klägerin bzw. ihrer Familie auf ein längeres Verweilen in
einer Reha-Einrichtung aus medizinischen Gründen als notwendig ansehen. Die Klägerin ist, die auch vom Ende am
29. bzw. 30.07.2005 wusste auf eigene Faust nicht nur fünf Tage länger in der M.-Klinik verblieben, sondern ist
anschließend zu einer anderen Einrichtung gewechselt, um sich dort einer "Regenerationswoche" zu unterziehen.
Zwar hatte sie anfänglich einen Antrag bis einschließlich 05.08.2005 gestellt, den die Beklagte ablehnend entschieden
hat und zwar letztlich in Einklang mit den Ärzten der M.-Klinik, doch für die Zeit danach findet sich im klägerischen
Schreiben vom 01.08.2005 lediglich die Floskel: "Vorsorglich beantragen wir bereits jetzt im Namen unserer
Mandantin eine weitere Verlängerung der Reha über den 05.08.2005 hinaus."
So ist in dieser Zeit der Gesundheitszustand ärztlich nicht mehr auf die Reha-Notwendigkeit geprüft worden, was
allein schon deswegen notwendig war, weil auch nach dem klägerischen Vortrag nicht mehr die zur Reha führenden
Folgen der Hüftoperation im Vordergrund der Beschwerden standen, sondern die Arthritis an den Händen. Zu deren
Bekämpfung - auch aus Laiensicht - schließlich völlig andere Maßnahmen notwendig sind, als bei einer Mobilisierung
nach Implantatversorgung des linken Hüftgelenks.
Über den Klinikwechsel ist die Beklagte erst nachträglich informiert worden, so dass sie sich zu der Notwendigkeit der
dort durchgeführten Maßnahmen vorweg hat nicht einmal äußern können, mithin ihr Verhalten in keiner Weise kausal
für das Entstehen der Kosten in der R.-Klinik gewesen sein kann (vgl. zum Erfordernis der vorherigen Entscheidung
bei selbstbeschaffter Maßnahme BSG vom 14.122006 - USK 206 - 110).
Ist also das Erfordernis ärztlicher Befürwortung vor Antritt bzw. Verlängerung der Maßnahme schon nicht erfüllt, hat
sich dieses auch im Nachhinein nicht nachweisen lassen. Hier lässt sich auf das Sachverständigengutachten Dr.K.
zurückgreifen. Die daran vom Klägervertreter geübte Kritik geht ins Leere, denn das "medizinische Erfordernis" für die
stationäre Reha-Maßnahme lässt das heimatliche Umfeld außer Betracht, d.h. ungünstige Wohnverhältnisse
verpflichten die Kasse nicht zu längerer stationärer Unterbringung, wenn medizinische Gründe stationäre Maßnahmen
nicht länger mehr erfordern. So ist auch die offensichtlich missverstandene Äußerung von Dr.W. (MDK Bayern) vom
03.08.2005, der stationäre Behandlung ausschließt und lediglich noch Pflegemaßnahmen für erforderlich erachtet, zu
verstehen. Daraus die ärztliche Feststellung von Pflegebedürftigkeit im Sinne von §§ 14, 15 SGB XI abzuleiten, wie
dies von der Klägerseite wiederholt geschehen ist, liegt jenseits sachgerechter Erwägungen.
Damit bleibt festzuhalten, dass die Beklagte nicht unrechtmäßig im Sinne von § 13 Abs.3 SGB V gehandelt hat. Für
das Vorliegen eines von der Rechtsprechung entwickelten "Systemversagens" liegen Gründe somit nicht vor.
Schließlich kann auch nicht von einer "Unaufschiebbarkeit" im Sinne des Gesetzes ausgegangen werden, also einer
Eilbedürftigkeit, die eine vorherige Einschaltung der Krankenkasse verbieten würde. Diese Konstellation ist hier allein
schon deswegen nicht gegeben, weil die Klägerseite bis Ende Juli in ständigem Kontakt mit der Beklagten stand und
die gegenseitigen Standpunkte laufend ausgetauscht wurden mit eben der Ausnahme des Klinikwechsels.
Angesichts des Verfahrensausgangs besteht kein Anlass, der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten (§
193 SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.