Urteil des LSG Bayern vom 07.10.2009

LSG Bayern: wiedereinsetzung in den vorigen stand, anspruch auf rechtliches gehör, fahrtkosten, rechtsschutz, rüge, vertretung, erlass, entstehungsgeschichte, dialyse, sozialhilfe

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 07.10.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 14 KR 69/08 ER**
Bayerisches Landessozialgericht L 5 B 748/08 KR ER C
I. Die Anhörungsrüge des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats vom 03. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag des Antragstellers, ihm für die Anhörungsrüge Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird abgelehnt. III. Die
Gegenvorstellung des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats vom 03. Juni 2008 wird zurückgewiesen. IV.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Der Antragsteller (Ast.) leidet unter mehreren schweren Erkrankungen, insbesondere an einer dialysepflichtigen
Niereninsuffizienz. Zwischen ihm und der Antragsgegnerin ist ein Rechtsstreit um die dabei anfallenden Fahrtkosten
anhängig. Darüber hinaus beantragte der Ast. am 06. März 2008 im Wege vorläufigen Rechtsschutzes die Zahlung
von Fahrtkosten, die wegen der Benutzung eines Privat-Pkw höher als erstattet angefallen sein. Als Sozialhilfe-
Empfänger sei er nicht in der Lage, diese Fahrtkosten selbst zu tragen. Mit Beschluss vom 12. März 2008 hat das
Sozialgericht Regensburg diesen Antrag mangels Anordnungsgrund abgelehnt. In der dagegen eingelegten
Beschwerde hat der Ast. sein Begehren erweitert auf Erstattung jedweder Fahrtkosten. Mit Beschluss vom 03. Juni
2008 hat der Senat die Beschwerde zurückgewiesen. Das umfassende Begehren des Ast. sei dem einstweiligen
Rechtsschutz nicht zugänglich, zumal die Antragsgegnerin sich zur Kostenerstattung nach den gesetzlichen
Regelungen bereit erklärt und entsprechende Zahlungen auch geleistet habe. Gegen diese gemäß
Einschreiben/Rückschein am 07. Juni 2008 zugestellte Entscheidung hat der Ast. die am 08. Juli 2008 eingegangene
Anhörungsrüge erhoben und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt. Er sei vor dem Beschluss nicht in
irgendeiner Weise angehört worden. Es sei falsch, dass er an einer chronischen Dialysepflichtigen Niereninsuffizienz
leide. Im Streite stünden mehrere Erkrankungen wie Immunsupprimierung, Niereninsuffizienz sowie weitere benannte
Erkrankungen. Die Anhörungsrüge habe er erst nach Einholung von Rechtsrat und nach Ablehnung der
Deckungszusage durch den beim DGB bestehenden Rechtsschutz erheben können. Im weiteren Verlauf hat der Ast.
ergänzend Gegenvorstellung erhoben und Prozesskostenhilfe für die Anhörungsrüge begehrt. Er hat detailliert
ausgeführt, dass er für Fahrten zu Behandlungen einen eigenen PKW benötige oder zumindest mit dem Taxi gefahren
werden müsse, dass seine Krankheiten ohne Behandlung tödlich verliefen, seine besondere Wohnsituation im
ländlichen Bereich fernab der medizinischen Versorgung besondere Transporterfordernisse nach sich zöge, die
begehrten Fahrtleistungen dringend erforderlich seien und er wegen der dreimaligen Dialyse pro Woche sowie wegen
der Multimorbidität einer hohen Behandlungsfrequenz bedürfe. Er verweise ergänzend auf sein Vorbringen in den
anderen Verfahren. Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die gerichtlichen Akten Bezug genommen.
II.
Die Begehren des Ast. sind in vollem Umfange abzulehnen. 1. Die Anhörungsrüge des Ast. ist zwar nach § 178a
Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, sie wäre aber innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Kenntnisnahme des
Beschlusses zu erheben gewesen, § 178a Abs 2 Satz 1 SGG. Dies ist nicht geschehen. Der Beschluss ist gemäß
Einschreiben/Rückschein dem Ast. am 07. Juni 2008 zugestellt worden, die am 08. Juli 2008 eingegangene
Beschwerde damit verfristet. Gründe zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bestehen nicht. Der vom Ast. geltend
gemachte Klärungs- und Überlegungsmöglichkeit ist mit der zweiwöchigen Rügefrist ausreichend entsprochen worden.
Da die Anhörungsrüge nur auf die Nichtbeachtung des rechtlichen Gehörs gerichtet ist, muss eine erweiterte Frist
nicht zugesprochen werden. Dies gilt vorliegend umso mehr, als der Ast. die Beschwerde nach Ablehnung der
Rechtsschutzübernahme durch den DGB erhoben hat und er damit gezeigt hat, dass er selbst zur fristgerechten
Einlegung der Rüge im Stande war. Darüber hinaus ist die Anhörungsrüge auch unbegründet, weil das rechtliche
Gehör des ASt nicht verletzt worden ist. Ob eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliegt, ist
zunächst nach den Maßstäben des Artikel 103 Abs 1 Grundgesetz (GG) zu beurteilen, da unter Berücksichtigung der
Entstehungsgeschichte die Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör die Rüge eröffnen soll (vgl
Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl, § 178a Rdnr 5). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs
besagt, dass der Beteiligte zum jeweiligen Verfahren herangezogen werden und Gelegenheit haben muss, sich vor
Erlass der Entscheidung zum Prozessstoff zu äußern und gehört zu werden (vgl Keller aaO § 62 Rdnr 2), sowie dass
das Vorbringen der Beteiligten in die Erwägung des Gerichts einbezogen wird (vgl BSG SozR 4-1500 § 178a Rdnr 5).
Im Hinblick darauf war der Anspruch auf rechtliches Gehör des ASt gewahrt. Insbesondere ist das Vorbringen des ASt
zu seinen vielfachen schwerwiegenden immer wieder behandlungsbedürftigen Erkrankungen ebenso wie zu seiner
wohnlichen Sondersituation beachtet worden. Aus dem weiteren Vortrag des Ast. ergibt sich keinerlei Rüge einer
unterbliebenen Gewährung rechtlichen Gehörs, vielmehr hat er sich mit dem Inhalt der Entscheidung auseinander
gesetzt und diese als falsch bezeichnet. Vorbringen, der Inhalt des Beschlusses des Senats sei falsch, stellt keine
maßgebliche Anhörungsrüge dar. 2. Dem Ast. ist für das vorliegende Verfahren Prozesskostenhilfe nicht zu
gewähren. Für den Ast. besteht die Möglichkeit des Rechtsschutzes der DGB Rechtsschutz GmbH R. als Verband
iSd § 73 Abs 2 Satz 2 Nr. 7 SGG; dass dieser die Vertretung abgelehnt hat bleibt insoweit ohne Belang ( BSG SozR
3-1500 § 73a Nr. 4). 3. Der Ast. hat sich mit dem Inhalt des Beschlusses des Senats vom 03. Juni 2008 auseinander
gesetzt, diesen als falsch bezeichnet und Gegenvorstellung erhoben. Diese ist mangels rechtlicher Grundlage kein
Rechtsbehelf und soll vorrangig die Möglichkeit eröffnen, eine unanfechtbare Entscheidung zu ändern, die in
offensichtlichem Widerspruch zum Gesetz oder zu Grundrechten steht oder wenn die Entscheidung zu einem groben
prozessualen oder sozialen Unrecht führen würde (vgl BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 3). Diese Voraussetzungen liegen
hier nicht vor. Zudem macht der Ast. seine Positionen im Hauptsacheverfahren geltend. Dort können seine
Einwendungen beurteilt werden. Der Ast. darf auch trotz seiner Erkrankungen und seiner besonderen Situation auf die
dortige Entscheidung verwiesen werden, insbesondere weil die Antragsgegnerin dem Kläger gegenüber keine absolute
Verweigerungshaltung einnimmt, sondern ihm laufend Leistungen und Erstattungen erbringt und somit nur deren
Ausmaß und Umfang streitig ist. Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.