Urteil des LSG Bayern vom 09.01.2009

LSG Bayern: ablauf der frist, ärztliche verordnung, versorgung, hauptsache, rechtsschutz, befristung, anschlussbeschwerde, ermessensspielraum, form, gesundheitszustand

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 09.01.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 12 KR 396/06
Bayerisches Landessozialgericht L 5 B 211/08 KR
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 25. Februar 2008 wird
zurückgewiesen.
Auf die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss vom 25. Februar 2008 dahingehend
abgeändert, dass die Antragsgegnerin keine Kosten des Antragstellers zu tragen hat.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten in der noch anhängigen Hauptsache über die Versorgung des Antragstellers mit dem sog.
Lorenzo s Öl zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Der 1951 geborene und bei der Antragsgegnerin
versicherte Antragsteller leidet an einer Adrenoleukodystrophie/Adreno-Myelo-Neuropathie (ALD/AMN), einer äußerst
seltenen, angeborenen Stoffwechselerkrankung zu deren Behandlung lediglich eine Diät mit reduzierter Fettzufuhr und
zwar einer Substanz aus Ölsäure und Erucasäure (Lorenzo´s Öl) zur Verfügung steht. Im Verfahren wegen
einstweiligem Rechtsschutz hat das Bayerische Landessozialgericht mit Beschluss vom 28. Februar 2005 (L 4 B
18/05 KR ER) die Beklagte in Abänderung einer ablehnenden Entscheidung des Sozialgerichts verpflichtet, dem
Antragsteller künftig bis Ende 2006 beziehungsweise bis zu einer früheren rechtskräftigen Entscheidung in der
Hauptsache von den Kosten für den Bezug mit den Spezialölen des Präparats Lorenzo´s Öl aufgrund
vertragsärztlicher Verordnungen vorläufig freizustellen.
Da die Hauptsacheentscheidung Ende 2006 noch nicht absehbar war, stellte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 31.
Oktober 2006 erneut den Antrag auf Kostenübernahme im Wege einer einstweiligen Anordnung. Zur Begründung führte
er aus, dass aufgrund des Beschlusses im Beschwerdeverfahren die Versorgung des Antragstellers bis Ende 2006
ausgesprochen wurde. Da aber die Gründe, die zum Erlass der einstweiligen Anordnung geführt hätten, weiterhin
vorliegen, sei eine Weitergewährung im Wege der einstweiligen Anordnung erforderlich.
Die Antragsgegnerin hat sich mit Schriftsatz vom 10. November 2006 bereit erklärt, über den Beschluss des
Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Februar 2005 hinaus den Antragsteller von den Kosten für den Bezug mit
den Spezialölen Lorenzo´s Öl aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen vorläufig bis zu einer erstinstanzlichen
Entscheidung in der Hauptsache freizustellen. Die Beklagte wies darauf hin, dass es nach ihrer Auffassung keines
weiteren Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bedurft hätte, sondern ausreichend gewesen wäre, sich vor
Ablauf des Jahres 2006 außergerichtlich an die Antragsgegnerin zu wenden. Die Vorgehensweise des
Prozessbevollmächtigten des Antragstellers widerspreche den Grundsätzen eines fairen Verfahrens, deshalb
verwahre sie sich gegen eine Kostentragung.
Der Antragsteller nahm das Angebot der Antragsgegnerin an und beantragte, der Antragsgegnerin die Kosten des
Verfahrens aufzuerlegen. Zur Begründung trug er vor, dass im Hauptsacheverfahren immer noch der Anspruch des
Antragstellers verneint werde und die Antragsgegnerin im ersten Antragsverfahren dem Antrag in zwei Instanzen
entgegengetreten sei. Deshalb habe für den Antragsteller keine Veranlassung bestanden, anzunehmen, die
Antragsgegnerin würde außergerichtlich einer Verlängerung zustimmen. Darüber hinaus sei der Antragsgegnerin
bekannt gewesen, dass die Entscheidung des Landessozialgerichts bis Ende Dezember 2006 befristet sei, deshalb
hätte sie im Hinblick darauf, dass ein Entscheidungstermin in der Hauptsache nicht absehbar war, an den
Antragsteller herantreten müssen, um ein neuerliches Verfahren zu vermeiden; dies habe die Antragsgegnerin
unterlassen.
Mit Beschluss vom 25. Februar 2008 verpflichtete das Sozialgericht die Antragsgegnerin 1/5 der außergerichtlichen
Kosten des Antragstellers zu übernehmen. Das Sozialgericht stützte sich in seiner Entscheidung darauf, dass die
Antragsgegnerin unmittelbar nach Zugang des Antrags auf einstweilige Anordnung ein Anerkenntnis abgegeben hatte.
Diese prompte Reaktion lasse es als wahrscheinlich erscheinen, dass die Antragsgegnerin auch so reagiert hätte,
wenn der Antragsteller außergerichtlich an sie herangetreten wäre. Nicht zu folgen sei dem Antragsteller in seiner
Auffassung, dass es Aufgabe der Antragsgegnerin gewesen wäre, wegen einer möglichen Verlängerung der
vorläufigen Kostenübernahme an den Antragsgegner heranzutreten, denn die Kostenübernahme sei von einer
ärztlichen Verordnung abhängig und es wäre daher Aufgabe des Antragstellers gewesen, darzulegen, dass weiterhin
solche Verordnungen erfolgen werden und sich sein gesundheitlicher Zustand nicht wesentlich verändert habe. Unter
Berücksichtigung der Gesamtumstände sei es daher angemessen, dass die Antragsgegnerin nur einen geringen Teil
der außergerichtlichen Kosten in Höhe von 1/5 trägt.
Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 11. März 2008 zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegte
Beschwerde, zu deren Begründung im Wesentlichen wiederholt wird, dass die Antragsgegnerin verpflichtet gewesen
sei, wegen Ablaufs der Befristung an den Antragsteller heranzutreten und die Versorgung außergerichtlich zu
verlängern. Dies ergebe sich schon daraus, dass im ersten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zwei
Instanzen erforderlich gewesen seien.
Es könne der Argumentation des Sozialgerichts nicht gefolgt werden, dass die Antragsgegnerin im Sinne von § 93
ZPO keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben habe. Nicht ersichtlich sei, inwieweit der Umstand, dass die
Kostenübernahme von einer ärztlichen Verordnung abhängig ist, für das vorliegende Verfahren wesentlich sein soll.
Nach den kostenrechtlichen Grundsätzen der ZPO trage derjenige die Kosten des Verfahrens, der voraussichtlich
unterlegen wäre. Deshalb seien die Kosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin ist hingegen der Auffassung, dass bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts davon
auszugehen sei, dass diese aufgrund einer Verurteilung in einem konkreten Fall sich in der Folgezeit auch
entscheidungsgerecht rechtmäßig verhalten werde. Es sei rechtsmissbräuchlich, wenn der Antragsteller bereits zwei
Monate vor Ablauf der Frist einen erneuten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stellt, ohne vorher
überhaupt den Versuch einer außergerichtlichen Lösung unternommen zu haben.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist
zulässig (§§ 172, 173, 174 - SGG - in der bis 31. März 2008 geltenden Fassung), erweist sich jedoch als unbegründet.
Die Entscheidung des Sozialgerichts im angefochtenen Beschluss vom 25. Februar 2008, dass die Antragsgegnerin
dem Antragsteller 1/5 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat, ist abzuändern.
Das Sozialgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass nach § 193 SGG das Gericht durch Beschluss über die
Kostenerstattung entscheidet, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wurde und das Gesetz dem
Gericht dabei einen breiten Ermessensspielraum einräumt. Insbesondere sind dabei im Rahmen der pflichtgemäßen
Abwägung alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. In der Regel ist es gerechtfertigt, dass der die Kosten
trägt, der unterlegen wäre, andererseits sind auch die Umstände zu berücksichtigen, die nicht ausschließlich das
Ergebnis des Rechtsstreits widerspiegeln, so dass auch ein obsiegender Beteiligter nach dem Veranlassungsprinzip
zur Kostentragung verurteilt werden kann, beziehungsweise seine Kosten selbst zu tragen hat. Das Sozialgericht
weist dabei zu Recht darauf hin, dass es bei einem sofortigen Anerkenntnis der Billigkeit entsprechen kann, eine
Kostenerstattungspflicht zu verneinen.
Das vom Sozialgericht herangezogene Argument, es wäre unter anderem auch im Hinblick auf die erforderliche
ärztliche Verordnung Angelegenheit des Antragstellers gewesen, sich vor Ablauf der Gewährungsfrist an die
Antragsgegnerin zu wenden um darzulegen, dass die Versorgung mit Lorenzo´s Öl weiterhin aus ärztlicher Sicht
erforderlich ist und sich der Gesundheitszustand nicht wesentlich verändert hat, überzeugt. Nur so hätte der
Antragsteller der Antragsgegnerin Gelegenheit gegeben, die erforderliche Entscheidung über die vorläufige
Weitergewährung der beantragten Versorgung zu treffen. Da zum Zeitpunkt der erneuten Antragstellung auf
einstweiligen Rechtsschutz noch zwei Monate bis zum Ablauf der Freistellungsfrist verblieben waren, lässt sich auch
nicht dartun, dass Eile geboten war und eine vorherige Rücksprache mit der Antragsgegnerin nicht erfolgen konnte.
Es zeigt sich vielmehr durch das sofortige Anerkenntnis der Antragsgegnerin innerhalb von nur 14 Tagen seit Eingang
des Antrags bei Gericht, dass diese ohne Zögern der Sach- und Rechtslage Genüge getan hat. Warum es dem
Antragsteller nicht zumutbar gewesen sein könnte, sich an die Beklagte zu wenden, ist nicht ersichtlich und kann
auch nicht mit dem bisherigen prozessualen Verhalten der Antragsgegnerin begründet werden. Dabei kann nicht außer
Acht gelassen werden, dass im ersten Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz nicht nur die Antragsgegnerin die
Versorgung abgelehnt hatte, sondern auch das Sozialgericht die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen
Anordnung verneint hatte.
Unter Berücksichtigung der Rechtsgedanken der §§ 91, 93 ZPO ist es daher gerechtfertigt, der Antragsgegnerin keine
der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers aufzuerlegen, da diese durch ihr Verhalten nicht zur Stellung des
Antrags auf einstweilige Anordnung Anlass gegeben hat.
Der Auffassung der Antragsgegnerin zur Begründung der Anschlussbeschwerde ist zuzustimmen, dass es auch nicht
gerechtfertigt ist, ihr 1/5 der außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen. Für die Antragsgegnerin bestand zum Zeitpunkt
der Antragstellung kein Anlass, bereits ihre Bereitschaft zur Verlängerung der Freistellung von den Kosten der
Versorgung mit Lorenzo`s Öl zu erklären, da weder bereits die Befristung ausgelaufen war, noch unmittelbar
bevorstand und der Antragsgegner sich nicht an sie gewandt hatte.
Nach alledem ist die Entscheidung des Sozialgerichts abzuändern und es sind der Antragsgegnerin keinerlei Kosten
aufzuerlegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, da der Antragsteller mit seinem Begehren nicht durchgedrungen ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).