Urteil des LSG Bayern vom 13.12.2006

LSG Bayern: stadt, auszahlung, rente, rehabilitation, arbeitslosenhilfe, erwerbsunfähigkeit, zwangsvollstreckung, bfa, einlagerung, krankenschwester

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 13.12.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht Bayreuth S 1 SF 7/05
Bayerisches Landessozialgericht L 1 SF 1/06
Bundessozialgericht B 10 SF 1/08 R
I. Der Rechtsstreit wird gemäß § 98 Sozialgerichtsgesetz i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG bezüglich des Antrags, die
Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Schadensersatz aus einem Betreuungsverhältnis zu zahlen, sie gegenüber der
Spedition T. GmbH & Co. KG von den Kosten für die Einlagerung von Möbeln, Kleidung und Hausrat i.H.v. ca. 10.000
Euro freizustellen sowie die Herausgabe dieser Möbel zu veranlassen und die während der Dauer der Betreuung an die
Beklagte gezahlten Zahlbeträge der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sowie der Arbeitslosenhilfe i.H.v. ca. 77.000 DM
an die Klägerin auszuzahlen, an das sachlich und örtlich zuständige Landgericht Kassel verwiesen. II. Im Übrigen wird
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 9. Januar 2006 zurückgewiesen. III.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die 1948 geborene Klägerin erhob im Jahr 2004 beim Verwaltungsgericht Berlin eine Klage gegen die Stadt Kassel auf
Geldzahlungen aufgrund eines von August 1998 bis Januar 2004 bestehenden Betreuungsverhältnis sowie auf
Zahlung eines "Notgeldes" aus der Rentenversicherung zu Finanzierung medizinischer Behandlungen. Das
Verwaltungsgericht Berlin verwies die Klage auf "Notgeld" an das Sozialgericht Bayreuth (SG). Das dortige Verfahren
mit dem Az.: S 2 R 4321/04 endete durch Klagerücknahme. Die Klage gegen die Stadt Kassel wurde an das
Verwaltungsgericht Kassel (VG) verwiesen und dort ebenfalls durch Klagerücknahme beendet. Das VG erließ am 6.
Juli 2005 einen Beschluss, mit dem das Verfahren eingestellt, der Streitwert auf 10.000 Euro festgelegt und der
Klägerin die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden. Die dagegen zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof erhobene
Beschwerde blieb erfolglos.
Während des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin am 22. August 2005 beim Sozialgericht Kassel "Widerspruch"
gegen den Beschluss des VG vom 6. Juli 2005 erhoben und vorgetragen, sie habe Anspruch gegen die Stadt Kassel
auf Auszahlung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die der Stadt Kassel im Rahmen der Betreuung von der
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) - jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund (DRVB) - überwiesen
worden sei. Dieser Anspruch müsse vom Sozialgericht geklärt werden. Die Kosten des verwaltungsgerichtlichen
Verfahrens, in dem sie eigentlich aus der Rentenversicherung eine einmalige Zahlung für medizinische Behandlungen
begehrt habe, könne sie mangels Vermögens nicht tragen. Außerdem gehe es ihr auch um eingelagerte Möbel.
Das Sozialgericht Kassel hat dies als Klage auf Leistungen der Sozialhilfe angesehen und den Rechtsstreit mit
Beschluss vom 30. September 2005 an das örtlich zuständige SG verwiesen.
Die Klägerin hat dem SG im weiteren Verfahren mitgeteilt, es gehe um Arbeitsrecht (entgangener Lohn als
Krankenschwester anstelle einer angeblich von der Beklagten als Betreuungsbehörde beantragten und von der BfA
bewilligten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit), die Auszahlung von Arbeitslosenhilfe (die der Klägerin in einem Urteil
des Hessischen Landessozialgerichts zugesprochen, jedoch wegen Erstattungsansprüchen des Sozialhilfeträgers nur
teilweise an die Betreuungsbehörde ausgezahlt worden ist), die Auszahlung der an die Betreuungsbehörde
überwiesenen Erwerbsunfähigkeitsrente und rund 400 Euro, die sie nur unter Drohung an den Freistaat Bayern gezahlt
habe. Bei dem letztgenannten Anspruch ging es, wie erst im Berufungsverfahren erkennbar wurde, um die
Zwangsvollstreckung eines Anwaltshonorars. Wegen des "Notgeldes" für eine Kur habe sie inzwischen die BfA
angeschrieben, dort Antrag auf medizinische Leistungen zur Rehabilitation gestellt und nach Ablehnung des Antrags
sowohl Widerspruch als auch (gleichzeitig) Klage erhoben.
Das SG hat die Klage als unzulässig abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 9. Januar 2006, der Klägerin zugestellt am
13. Januar 2006). Das Klageziel sei weder bezüglich des Inhalts noch des Prozessgegners durch Auslegung zu
klären. Ebenso wenig sei feststellbar, ob die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen gegeben wären. Damit seien die
Mindestanforderungen an eine Klage nach §§ 90, 54, 55 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht erfüllt.
Dagegen hat die Klägerin am 8. Februar 2006 (Eingang beim SG) durch einen Rechtsanwalt zur Fristwahrung
Berufung einlegen lassen. Der Prozessbevollmächtigte hat, ohne zuvor einen Berufungsantrag zu stellen, nach
Akteneinsicht mitgeteilt, er vertrete die Klägerin nicht mehr.
Die Klägerin selbst hat angegeben, es gehe weiterhin um Ansprüche gegen die Stadt Kassel wegen einer möglichen
Tätigkeit als Krankenschwester anstelle einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Dazu sollten Akten des Hessischen
Landessozialgerichts über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Az.: L 6 AL 770/97) beigezogen werden. Weiter gehe
es um die Auszahlung der von der Betreuungsbehörde einbehaltenen Erwerbsunfähigkeitsrente, Lagergebühren für
Möbel und die Rückgabe der Möbel sowie die Verlegung (Druck und Verbreitung) von Schriften, die die Klägerin seit
1992 verfasst hat, als Wiedergutmachungsleistung der Beklagten. Außerdem solle das Verfahren beim SG, Az.: S 2
R 4321/04, fortgesetzt werden. Die beantragte Kur sei zwischenzeitlich von der Krankenkasse genehmigt und auch
durchgeführt worden.
Der Senat hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass für die von ihr vorgetragenen Sachverhalte keine Zuständigkeit
der Sozialgerichte besteht. Die Klägerin hat zunächst weitere Schadensersatzansprüche gegen die Stadt Kassel
geltend gemacht sowie im Zusammenhang mit der o.g. Zwangsvollstreckung eines Anwaltshonorars Klage gegen
einen Rechtsanwalt, eine Gerichtsvollzieherin sowie eine Richterin des Amtsgerichts L. erhoben und beantragt, eine
ebenfalls damit in Zusammenhang stehende Schufa-Eintragung zu löschen. Sie hat außerdem gerügt, das Bayer.
Landessozialgericht (LSG) sei für ein Verfahren gegen die Stadt Kassel nicht zuständig, und stationäre Leistungen zur
medizinischen Rehabilitation beantragt. Der Senat hat diesen Antrag an die zuständige DRVB weitergeleitet. Die
DRVB hat mitgeteilt, die Klägerin habe bereits am 2. November 2005 einen solchen Antrag gestellt, der mit Bescheid
vom 19. Dezember 2005 abgelehnt worden sei.
Anträge der Klägerin vom 30. März 2006, 16. August 2006 und 21. November 2006 (Eingang bei Gericht), ihr für das
Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihr einen Rechtsanwalt beizuordnen, hat der Senat wegen
fehlender Erfolgsaussicht für die Berufung abgelehnt, (Beschlüsse vom 28. Juni 2006, 14. September 2006 und 13.
Dezember 2006). Auf Anfrage des Senats, ob die Anträge der Klägerin an die jeweils zuständigen Gerichte der
Zivilgerichtsbarkeit verwiesen werden sollen, hat die Klägerin schließlich gebeten, die Akten bezüglich ihrer Klagen
gegen die Stadt Kassel an die Gerichte in Hessen weiterzuleiten. Außerdem benötige sie erneut stationäre
medizinische Leistungen zur Rehabilitation. Der Senat solle, sofern er dafür zuständig sei, für eine rasche Bewilligung
durch die DRVB sorgen. Bezüglich der Zwangsvollstreckung eines Anwaltshonorars habe sie sich inzwischen über
einen Rechtsanwalt direkt an die Betroffenen gewandt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 9. Januar 2006 sowie den Kostenbeschluss des
Verwaltungsgerichts Kassel vom 6. Juli 2005 aufzuheben und
2. den Rechtsstreit hinsichtlich des Antrags, die Beklagte zu verurteilen, a) ihr Schadensersatz i.H.v. 320.000 Euro zu
zahlen, b) sie gegenüber der Spedition T. GmbH & Co. KG von den Kosten für die Einlagerung von Möbeln i.H.v. ca.
10.000 Euro freizustellen sowie die Herausgabe die ser Möbel zu veranlassen und c) die während der Dauer der
Betreuung an die Beklagte gezahlten monatlichen Zahlbeträge der Rente wegen Er werbsunfähigkeit sowie der
Arbeitslosenhilfe i.H.v. ca. 77.000 DM an die Klägerin auszuzahlen, an die zuständigen Gerichte in Hessen zu
veweisen.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG (S 1 SF 7/05 und S 2 4321/04) beigezogen. Zur Ergänzung des
Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 144, 151 SGG) und teilweise
im Sinne der Verweisung begründet.
Der "Widerspruch" gegen den Kostenbeschluss des VG vom 6. Juli 2005 ist unzulässig. Die weiteren Klagen gegen
die Beklagte sind an die ordentlichen Gerichte zu verweisen.
1. Gegenstand des Klageverfahrens war - wie dem Vorbringen der Klägerin bei sachgerechter Auslegung zu
entnehmen ist - zunächst ein "Widerspruch" gegen den Kostenbeschluss des VG vom 6. Juli 2005 (Antrag Nr. 1).
Dieses Rechtsmittel war - bei zutreffender Auslegung als Beschwerde - bereits unstatthaft. Ist in einem
verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine Entscheidung in der Hauptsache - wie im Verfahren vor dem VG - nicht
ergangen, so ist die Entscheidung über die Kosten unanfechtbar (§ 158 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -
). Anfechtbar ist lediglich die Festsetzung des Streitwerts (§ 21 Abs. 2 Gerichtskostengesetz - GKG -). Unabhängig
von der fehlenden Statthaftigkeit des Rechtsmittels ist für die Entscheidung über Beschwerden gegen Beschlüsse
eines hessischen Verwaltungsgerichts im Übrigen der Hessische Verwaltungsgerichtshof zuständig (§§ 146 Abs. 1,
150 VwGO). Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist hierfür nicht gegeben. Da die Klägerin bereits - erfolglos -
Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingelegt hatte, bedurfte es keiner Verweisung des Verfahrens
mehr. Insoweit hat das SG die Klage zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.
2. Darüber hinaus hat die Klägerin beim SG Klagen gegen die Stadt Kassel erhoben auf
a) Schadensersatz, weil sie sich durch die an die Beklagte als Betreuungsbehörde erfolgte Zahlung einer Rente wegen
Er werbsunfähigkeit an der weiteren Ausübung ihres Berufs als Krankenschwester gehindert fühlte, b) Übernahme der
Kosten - zutreffend wohl auf Freistellung von der Forderung der Spedition - für die Einlagerung von Mö beln, Kleidung
und Hausrat und die Herbeiführung der Her ausgabe dieser Gegenstände sowie c) Auszahlung von Arbeitslosenhilfe
und Auszahlung der Er werbsunfähigkeitsrente, die an die Beklagte als Betreuungs behörde gezahlt worden sind
(Antrag Nr. 2).
Auch für diese Klagen ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet.
Gemäß § 51 SGG entscheiden die Sozialgerichte über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in den dort genannten
Angelegenheiten der gesetzlichen Sozialversicherung, des Entschädigungsrechts, der Sozialhilfe, des
Asylbewerberleistungsgesetzes, des Schwerbehindertenrechts, des Lohnfortzahlungsgesetzes sowie in
Angelegenheiten, für die durch Gesetz der Rechtsweg vor den Sozialgerichten eröffnet ist (Abs. 1). Außerdem
entscheiden die Sozialgerichte über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen
Krankenversicherung sowie der gesetzlichen und privaten Pflegeversicherung (Abs. 2).
Die von der Klägerin gegen die Beklagte erhobenen Klagen betreffen dagegen allein Ansprüche aus dem
Betreuungsverhältnis. Für derartige Streitigkeiten ist der Rechtsweg zu den Zivilgerichten, bei
Schadensersatzansprüchen aus Amtshaftung ausschließlich der Rechtsweg zu den dortigen Landgerichten, gegeben.
Die Klagen zu den Anträgen 2a) bis 2c) sind daher an das sachlich und örtlich zuständige Landgericht Kassel (§ 71
Abs. 2 Nr. 2, § 71 Abs. 1 i.V.m. § 23 Nr. 1 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG -), zu verweisen.
Der Senat ist an einer Verweisung nicht dadurch gehindert, dass das SG die Klagen als unzulässig zurückgewiesen
hat. Es hat - aufgrund seiner Rechtsauffassung zutreffend - erkennbar keine Prüfung vorgenommen, ob der
Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben ist. Damit liegt keine zumindest stillschweigende Bejahung dieses
Rechtsweges vor, an die der Senat gemäß § 98 Satz 1 SGG i.V.m. § 17a Abs. 5 GVG gebunden wäre.
3. Einwände gegen die Geltendmachung und Zwangsvollstreckung eines Anwaltshonorars (auf Feststellung, dass die
Forderung nicht besteht, auf Rückerstattung der im Rahmen der Zwangs- vollstreckung gezahlten Beträge, auf
Einstellung der Zwangs- vollstreckung oder Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit, auf Schadensersatz sowie auf
Löschung eines Schufa-Eintrags), für die allein der Rechtsweg zu den Zivilgerichten gegeben wäre, macht die Klägerin
nach Hinweisen des Senats auf die Unzulässigkeit des Rechtswegs nunmehr außergerichtlich gegenüber den
Betroffenen geltend. Insoweit bedarf es keiner Verweisung mehr.
4. Einen Anspruch gegen die BfA - jetzt DRVB - auf "Notgeld" zur Durchführung einer Kur hat die Klägerin im
Berufungsverfahren zunächst nicht mehr geltend gemacht, nachdem ihr die Krankenkasse eine entsprechende
Maßnahme bewilligt und sie diese Maßnahme auch in Anspruch genommen hat. Insoweit liegt keine Berufung gegen
das klageabweisende Urteil des SG vor. Die ablehnende Entscheidung der DRVB zu dem zwischenzeitlich
(wiederholt) erneut gestellten Antrag auf stationäre medizinische Leistungen zur Rehabilitation ist daher nicht gemäß §
96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Die Klägerin hat gegen die ablehnende Entscheidung der
DRVB vielmehr den statthaften Rechtsbehelf des Widerspruchs eingelegt. Es läge auch keine zulässige
Klageänderung vor (§ 99 Abs. 1 SGG). Zum einen richtet sich diese Klage gegen einen anderen, nicht bereits am
Verfahren beteiligten Beklagten. Zum anderen steht der Streitgegenstand nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit
den gegen die Beklagte erhobenen Ansprüchen.
Soweit die Klägerin in ihren letzten Schriftsätzen erneut einen Anspruch auf stationäre medizinische Leistungen zur
Rehabilitation gegenüber der DRVB geltend macht, ist dieser Antrag an die DRVB weiterzuleiten.
Gründe, der Beklagten Kosten aufzuerlegen (§ 193 SGG) oder die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2
SGG), liegen nicht vor. Soweit der Rechtsstreit verwiesen wird, bleibt die abschließende Kostenentscheidung dem
zuständigen Landgericht Kassel vorbehalten. Im Übrigen ist die Berufung erfolglos geblieben.