Urteil des LSG Bayern vom 28.07.2004

LSG Bayern: rente, öffentliche verhandlung, ausländischer arbeitnehmer, berufsausbildung, versicherung, verkündung, unterbrechung, staatsangehörigkeit, erfüllung, menschenrechte

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 28.07.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 7 RJ 243/03 A
Bayerisches Landessozialgericht L 16 RJ 49/04
Bundessozialgericht B 13 RJ 230/04 B
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 17. Dezember 2003 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Gewährung eines Kinderzuschusses zu einer ab 1. Januar 2002 geleisteten
Regelaltersrente.
Der 1936 geborene Kläger bezog (erstmals) vom 1. März 1991 bis 31. Dezember 2001 eine Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit aus der Deutschen Rentenversicherung. Seit 1. Januar 2002 bezieht er Regelaltersrente
(Bescheide vom 17. Februar 1992 und 6. November 2001).
In einer Lebensbescheinigung vom 25. April 2001, die eine nicht dem Kläger zuzuordnende Unterschrift trägt, wurde
der Beklagten mitgeteilt, der Kläger habe am 25. Januar 2001 wieder geheiratet und lebe mit den Kindern N. (geboren
1980) und M. (geboren 1988) T. zusammen. In einer weiteren Lebensbescheinigung vom 8. Juni 2001 wird als
Nachname der Kinder der Name N. , in einer Lebensbescheinigung vom 19. Juni 2001 wiederum der Nachname T.
angegeben.
Gegen den Bescheid vom 6. November 2001 legte der Kläger Widerspruch ein mit (u.a.) der Begründung, er habe mit
den Lebensbescheinigungen bereits mehrmals mitgeteilt, dass er mit den Kindern seiner neuen Ehefrau
zusammenlebe. Er beantragte sinngemäß, ihm einen Kinderzuschuss zur Regelaltersrente zu gewähren und legte u.a.
Geburtsurkunden seiner Stiefkinder N. und M. vor.
Die Beklagte wies den Widerspruch (auch) bezüglich des Kinderzuschusses zurück (Widerspruchsbescheid vom 28.
Februar 2002). Nach § 270 Abs.1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) werde für Berechtigte, die vor
dem 1. Januar 1992 für ein Kind Anspruch auf einen Kinderzuschuss hatten, zu einer Rente aus eigener Versicherung
der Kinderzuschuss für dieses Kind in der zuletzt gezahlten Höhe geleistet. Dies bedeute, dass der Rentenempfänger
bereits in der Zeit vor dem 1. Januar 1984 einen Anspruch auf Kinderzuschuss gehabt haben müsse, weil in der Zeit
vom 1. Januar 1984 bis 31. Dezember 1991 ein erstmaliger Anspruch auf Kinderzuschuss nicht habe entstehen
können. Der Kläger beziehe Rente aus eigener Versicherung seit 1. März 1991 und habe weder vor dem 1. Januar
1992 noch vor dem 1. Januar 1984 einen Anspruch auf Kinderzuschuss gehabt.
Der Kläger hat dagegen keine Klage erhoben.
Am 27. August 2002 (Eingang bei der Beklagten) beantragte der Kläger erneut, ihm für die in Ausbildung befindlichen
Stiefkinder N. und M. Kindergeld - richtig: Kinderzuschuss - zur Rente zu gewähren.
Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit der im Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2002 genannten Begründung ab
(Bescheid vom 9. Oktober 2002).
Dagegen hat der Kläger am 11. November 2002 Widerspruch eingelegt und am 18. Februar 2003 (Eingang bei Gericht)
Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben. Er sei erst aufgrund der Eheschließung am 25. Januar 2001
Stiefvater geworden und habe deshalb vor 1984 oder 1992 für die Kinder N. und M. keinen Kinderzuschuss
beantragen können.
Die Beklagte hat den Widerspruch mit im Wesentlichen unveränderter Begründung zurückgewiesen
(Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2003) und das SG hat die Klage unter Bezugnahme auf die Begründung des
angefochtenen Bescheides abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 17. Dezember 2003).
Gegen den am 5. Januar 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 30. Januar 2004 (Eingang bei Gericht)
beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Auch für Kinder ausländischer Arbeitnehmer in
Deutschland bestehe Anspruch auf Kinderzuschuss. Im Gesetz stehe nichts davon, dass ein Anspruch bereits vor
1984 oder 1992 bestanden haben müsse. Es sei nicht seine Schuld, dass er früher keinen Antrag stellen konnte, denn
er habe damals noch keine Kinder gehabt. Im Übrigen habe er den Antrag bereits im März 2001 gestellt.
Der Senat hat dem Kläger darauf hingewiesen, dass für Versicherungsfälle nach dem 31. Dezember 1983 kein
Anspruch auf Kinderzuschuss besteht.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 17. Dezember 2003 und
den Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2003
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm einen Kinderzuschuss zu der ab 1. Januar 2002 geleisteten
Regelaltersrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die
beigezogenen Akten und die Berufungsakte Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§
124 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 105 Abs.2 Satz 1, 143, 144, 151 SGG) aber nicht
begründet.
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Mit der
Einverständniserklärung haben die Beteiligten wirksam auf eine öffentliche Verhandlung und Verkündung des Urteils
verzichtet (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 23. Juni 1981 - Fall Le Compte - NJW
1982, S 2714, 2716).
Gegenstand des Verfahrens ist nur der Bescheid vom 9. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 8. Mai 2003, mit dem die Beklagte den erneuten Antrag des Klägers auf Gewährung eines Kinderzuschusses zu
der ab 1. Januar 2002 geleisteten Regelaltersrente abgelehnt hat. Die dagegen erhobene Klage hat das SG mit
Gerichtsbescheid vom 17. Dezember 2003 zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung
eines Kinderzuschusses.
Bis zum 31. Dezember 1983 hatten Versicherte gemäß § 1262 Abs.1 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der bis
zum 31. Dezember 1983 geltenden Fassung (a.F.) bei Bezug einer Rente Anspruch auf einen rentenerhöhenden
Kinderzuschuss für ein minderjähriges oder noch in Schul- oder Berufsausbildung befindliches volljähriges Kind. Der
Anspruch konnte bis zum 25. Lebensjahr des Kindes, bei Unterbrechung oder Verzögerung der Schul- oder
Berufsausbildung durch die Erfüllung des gesetzlichen Wehrdienstes auch über das 25. Lebensjahr hinaus, bestehen
(§ 1262 Abs.3 RVO).
Durch Art.1 Nr.39 des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 (BGBl.I S.1532) wurde der Anspruch auf Kinderzuschuss
beschränkt. Nur Versicherte, die am 31. Dezember 1983 bereits Anspruch auf eine Rente mit Kinderzuschuss (nach §
1262 RVO a.F.) für ein Kind hatten, konnten für dieses Kind auch über den 31. Dezember 1983 hinaus einen
Kinderzuschuss als Zusatzleistung zur Rente erhalten ((§ 1262 Abs.1 RVO in der ab 1. Januar 1984 geltenden
Fassung - n.F. -; vgl. BSGE 60, 18). Für nach dem 31. Dezember 1983 neu entstehende Rentenansprüche bestand
kein Anspruch auf Gewährung eines Kinderzuschusses mehr.
Diese besitzstandswahrende Regelung des § 1262 RVO n.F. wurde bei der Neuordnung des Rechts der gesetzlichen
Rentenversicherung zum 1. Januar 1992 in das SGB VI übernommen. Gemäß § 270 Abs.1 SGB VI haben
Versicherte, die vor dem 1. Januar 1992 Anspruch auf Kinderzuschuss für ein Kind hatten - also nur Versicherte im
Sinne des § 1262 RVO n.F., die bereits vor dem 1. Januar 1984 einen solchen Anspruch nach § 1262 RVO a.F. für
dasselbe Kind hatten - weiterhin Anspruch auf diesen Kinderzuschuss.
Der Kläger bezog erstmals ab 1. März 1991 eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Wie alle
Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung, die erstmals nach dem 31. Dezember 1983 einen Anspruch auf
Rentenzahlung erworben haben, hat er unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit keinen Anspruch auf Gewährung
eines Kinderzuschusses zu seiner Rente.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.