Urteil des LSG Bayern vom 17.04.2007

LSG Bayern: berufskrankheit, berufliche tätigkeit, innere medizin, nikotinabusus, wahrscheinlichkeit, ärztliche behandlung, asbest, anerkennung, belastung, halle

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 17.04.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 5 U 401/02
Bayerisches Landessozialgericht L 3 U 237/04
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22.06.2004 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung und Entschädigung einer Atemwegserkrankung als Berufskrankheit
nach den Nrn. 4103 und 4302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1951 geborene Kläger war vom 01.07.1996 bis zum 31.01.2002 bei der metallverarbeitenden Firma F.
Lamellenringe (Beratung, Entwicklung und Produktion) beschäftigt.
Mit Schreiben vom 29.02.2002 meldete die AOK Bayern bei der Beklagten den Verdacht auf eine Berufskrankheit.
Beigefügt war ein Schreiben des Klägers, in dem dieser anlässlich seiner Erkrankung ab dem 10.01.2002 angibt, bei
seiner beruflichen Tätigkeit mit hochgradig giftigen Stoffen in Kontakt gekommen zu sein, die lungenschädlich seien.
Gefährdende Tätigkeiten seien gewesen: Arbeiten in einer Beizerei, das Schneiden einer Hecke mit einer alten, nicht
gewarteten Heckenschere (2-Takt-Motor), Aufräumarbeiten im Dachboden einer Halle und das Entfernen des
Fußbodenbelages dort.
Zur Aufklärung des Sachverhalts holte die Beklagte weitere Auskünfte des Klägers vom 11.02.2002, ein
Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Bayern, eine Stellungnahme des Arbeitgebers vom 27.02.2002, Befundberichte
von Dr.B. , Arzt für Allgemeinmedizin, vom 21.02.2002 und von Dr.H. , Internist, Lungen- und Bronchialheilkunde,
Allergologe, vom 12.03.2002, Stellungnahmen des Präventionsdienstes (PD) vom 05.04.2002 / 24.05.2002 mit einer
Analyse einer Materialprobe vom Messtechnischen Dienst vom 08.05.2002 sowie eine Stellungnahme von Dr. B. ,
Internistin, Arbeitsmedizinerin, Gewerbeärztlicher Dienst des Gewerbeaufsichtsamts A. , vom 15.05.2002 ein.
Der PD der Beklagten führte beim ehemaligen Arbeitgeber des Klägers am 27.03.2002 Ermittlungen durch und kam zu
dem Ergebnis, dass in der Beizerei die Chlorwasserstoffkonzentration unterhalb der analytischen Nachweisgrenze
gelegen habe. Erfahrungsgemäß würden an solchen Arbeitsplätzen die Luftgrenzwerte, als Schichtmittelwert
betrachtet, auch für Fluorwasserstoff und Stickoxide unterschritten, wenn die Teile, wie im Betrieb des ehemaligen
Arbeitgebers des Klägers, nach dem Beizen zuerst getaucht und danach erst mittels Hochdruckreiniger gespült
würden. Für Phosphorsäure existiere kein Luftgrenzwert. Bezüglich der Kohlenwasserstoffgemische sei unter
lüftungstechnisch ungünstigen Verhältnissen in den relativ kleinen Räumen erfahrungsgemäß der Grenzwert als
Schichtmittelwert erreicht. Die Exposition gegenüber Abgasen vom 2-Takt-Motor der Heckenschere erscheine aus
chemisch-technischer Sicht auch aufgrund der geringen Expositionszeit relativ gering. Hinsichtlich einer möglichen
Asbestexposition habe eine Analyse der vom Kläger zur Verfügung gestellten Staubprobe aus der Halle, in der der
Kläger die vermeintlich asbesthaltigen Fußbodenplatten entfernt hatte, keinerlei Hinweise auf Asbest ergeben.
Dr.B. teilte mit, dass ein toxisches Geschehen bzw. eine Verursachung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen
durch die beruflichen Gefahrstoffe nicht festzustellen sei. Die Anerkennung einer Berufskrankheit könne nicht
befürwortet werden. Hinsichtlich der beim Kläger vorliegenden chronischen obstruktiven Lungenwegserkrankung sei
als Ursache der Nikotinabusus zu berücksichtigen.
Mit Bescheid vom 25.06.2002 lehnte die Beklagte Entschädigungsansprüche aus Anlass einer Atemwegserkrankung
ab. Eine Berufskrankheit nach den Nrn. 4103 und 4302 der Anlage zur BKV liege nicht vor. Sie stützte sich dabei auf
die Ermittlungen des PD.
Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er sehr wohl schädlichen Stoffen
ausgesetzt gewesen sei. Er habe rund 10 Tage lang Asbestplatten entsorgen müssen. Er habe 6,5 Stunden täglich
mit toxischen Materialien gearbeitet. Arbeitsschutzvorrichtungen hätten nicht zur Verfügung gestanden.
Die Beklagte holte daraufhin eine ergänzende Stellungnahme des PD vom 07.08.2002 ein und forderte vom
Arbeitgeber den Arbeitsvertrag an. Der PD führte aus, dass sich aus chemisch-technischer Sicht keine neuen
Erkenntnisse ergeben würden und damit eine Änderung der Gefährdungsanalyse nicht veranlasst sei. Bei den
Angaben zur Expositionshöhe seien Schichtmittelwerte herangezogen worden, die eine Exposition von acht Stunden
pro Schicht zugrunde legen. Eine verkürzte Expositionszeit des Klägers sei bis jetzt nicht berücksichtigt worden. Es
handele sich um Messwerte vom Arbeitsplatz des Versicherten oder von vergleichbaren Arbeitsplätzen. Inwieweit
Atemschutz zur Verfügung stand, getragen wurde, bzw. die Filter geeignet und in Ordnung waren, sei insoweit nicht
maßgebend. Die Probennahme erfolge in keinem Fall hinter der Atemschutzmaske, sondern bei personenbezogener
Probennahme im Atembereich des Versicherten, bei stationärer Probennahme unmittelbar an den Behandlungsbädern.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ein rechtlich
wesentlicher Zusammenhang zwischen der bestehenden Atemwegserkrankung und der verrichteten beruflichen
Tätigkeiten sei nicht hinreichend wahrscheinlich. Hinsichtlich der Berufskrankheit Nr.4103 seien die
arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt, da die Analyse einer Materialprobe kein Asbest ergeben habe. Eine
Berufskrankheit nach der Nr.4302 läge nicht vor, da der Kläger inhalativen Reiz- oder Schadstoffen nicht derart
ausgesetzt gewesen sei, dass chemisch-irritativ oder toxisch bedingte, obstruktive Atemwegserkrankungen entstehen
konnten.
Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid
vom 25.06. 2002 sowie den Widerspruchsbescheid vom 30.10.2002 aufzuheben und eine Berufskrankheit nach Nrn.
4103 und 4302 samt Rentengewährung anzuerkennen.
Mit Urteil vom 22.06.2004 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Anerkennung
einer Berufskrankheit Nr.4103 der Anlage zur BKV deshalb nicht in Betracht komme, weil eine Belastung durch
Asbeststaub nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sei. Nach den vom PD der
Beklagten analysierten Staubproben aus der Halle, hätten sich keine Hinweise auf Asbest im abgelagerten Staub
ergeben. Weitergehende Ermittlungen zur Frage der Asbesthaltigkeit seien nicht möglich gewesen, da
Originalsubstanzen wie Fußbodenplatten und ausgehärteter Kleber nicht mehr vorlägen. Es sei daher nicht mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen, dass bei den streitgegenständlichen Arbeiten Asbeststaub
freigesetzt worden sei. Bei der in Frage stehenden Berufskrankheit nach Nr.4302 der Anlage zur BKV handele es sich
um durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen. Auch hier
könne nicht der erforderliche Nachweis erbracht werden, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegeben seien. Der PD der Beklagten habe bei seiner Gefährdungsanalyse
eine tägliche Arbeitszeit von acht Stunden zugrunde gelegt. Tatsächlich habe der Kläger aber täglich im Durchschnitt
nur etwas mehr als sechs Stunden gearbeitet. Die erforderliche Belastung sei daher keinesfalls erreicht.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Er macht weiterhin erhebliche Belastungen als Beizer geltend
sowie eine Exposition gegenüber Asbest.
Der Senat hat eine Auskunft des Gewerbeaufsichtsamtes vom 24.01.2005 eingeholt, die Akten des Versorgungsamts
A. und der Agentur für Arbeit, ein Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Bayern, Befundberichte von Dr.S. , Facharzt
für Innere Medizin, vom 04.02.2005, von Dr.B. , Arzt für Allgemeinmedizin, vom 23.01.2005, von Dr.S. , Internist,
Lungen- und Bronchialheilkunde, vom 19.01.2005, von Prof.Dr.Dr.E. , Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin, vom
10.02.2005 beigezogen und ein Gutachten nach Aktenlage von Dr. L. , Internistin, Lungen- und Bronchialheilkunde,
Öffentliches Gesundheitswesen, vom 08.05.2006 und auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
ein Gutachten von Dr. K. , Innere Medizin, Pneumologie, vom 23.10.2006 eingeholt.
Dr. L. hat ausgeführt, dass die medizinischen Voraussetzungen für eine Berufserkrankung nach der Nr.4103 nicht
erfüllt seien. Eine durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Lunge oder der Pleura könne ausgeschlossen
werden. Es seien weder lungenfunktionsanalytisch noch röntgenologisch asbestosetypische Veränderungen
nachweisbar. Hinsichtlich der Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach der Nr.4301 sei festzustellen, dass beim
Kläger eine chronisch-obstruktive Bronchitis vorliege. Eine inhalative Belastung durch chemisch-irritative Stoffe in
sehr niedriger Dosierung am früheren Arbeitsplatz sei anzunehmen. Die berufliche Tätigkeit des Klägers sei daher in
einem sehr geringen Ausmaß dazu geeignet gewesen, eine obstruktive Atemwegserkrankung verursachen zu können.
Sie habe jedoch diese nicht verursacht im Sinne einer wesentlichen Bedingung und die Tätigkeit habe auch zu keiner
richtunggebenden Verschlimmerung der Erkrankung geführt. Dies werde bestätigt durch die Tatsache, dass auch nach
jahrelanger Karenz der beruflichen Stoffe keine richtunggebende Änderung in der Lungenfunktion eingetreten sei trotz
einer zumindest vorübergehenden intensiv durchgeführten medikamentösen Therapie. Auch die Arbeitsaufgabe sei
wegen der chronisch-obstruktiven Bronchitis nicht zwingend notwendig gewesen und auch tatsächlich nicht wegen der
Krankheit erfolgt. Als primäre Ursache der nachweislichen chronisch-obstruktiven Bronchitis sei der jahrzehntelange
Nikotinabusus zu sehen.
Dr. K. hat dargelegt, dass es sich bei der Erkrankung des Klägers nicht um eine Berufskrankheit handele,
insbesondere nicht um eine solche nach den Nrn.4103 und 4302. Die außerberuflichen Ursachen, insbesondere das
über Jahrzehnte anhaltende Zigarettenrauchen, sei für die Entstehung der obstruktiven Atemwegserkrankung beim
Kläger verantwortlich zu machen.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 22.06.2004 und des
Bescheides vom 25.06.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2002 zu verurteilen, bei ihm
eine Berufskrankheit nach Nrn.4103 bzw. 4302 der Anlage zur BKV anzuerkennen und zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22.06.2004
zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den
Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Akten des Sozialgerichts Augsburg und des Bayer.
Landessozialgerichts, der Akten des Versorgungsamts A. und der Agentur für Arbeit sowie auf den Inhalt der
vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu
Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach
den Nrn. 4103 und 4302 der Anlage zur BKV und damit auch keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen.
Anzuwenden sind die Vorschriften des Sozialgesetzbuches, Siebtes Buch (SGB VII), die für alle nach seinem
Inkrafttreten am 01.01.1997 eingetretenen Versicherungsfälle gelten (§ 212 SGB VII). Der Kläger hat anlässlich seiner
Erkrankung ab dem 10.01.2002 die Feststellung der Berufskrankheit geltend gemacht. Eine rückwirkende Feststellung
für die Zeit vor dem 01.01.1997 ist von ihm nicht begehrt worden. Er hat vielmehr im Rahmen der Befragung durch die
Beklagte angegeben, dass sich erstmals im Jahr 2001 die Erkrankung bemerkbar gemacht habe.
Nach Eintritt eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit gewährt der Träger der Unfallversicherung
Entschädigungsleistungen (§§ 26 ff. SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, welche die Bundesregierung
durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter infolge einer den
Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs.1 Satz 1 SGB VII).
Erfasst werden (1) Erkrankungen durch Asbeststaub, insbesondere eine Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose)
oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura (Nr.4103 der Anlage zur BKV). Auch gehören hierzu (2)
durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, sofern diese
Erkrankungen zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder
das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (Nr.4302 der Anlage 1 zur BKV).
Mit der Aufnahme einer Krankheit in die Liste der Berufskrankheiten wird indes nur die mögliche Ursächlichkeit einer
beruflichen Schädigung generell anerkannt und die Erkrankung als solche für entschädigungswürdig befunden. Im
Einzelfall ist für das Vorliegen des Tatbestands der Berufskrankheit ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der
versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen
der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei
müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich
deren Art und Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit,
nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht
grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreicht (vgl. BSG, Urteil
vom 27.06.2000, B 2 U 29/99 R, RegNr. 1295). Nach dem in der Unfallversicherung geltenden Prinzip der
wesentlichen Mitverursachung ist nur diejenige Bedingung als ursächlich für eine Berufskrankheit anzusehen, die im
Verhältnis zu anderen Umständen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg und dessen Eintritt wesentlich
mitgewirkt hat. Die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs ist gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung
aller Umstände die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die
Entscheidung gestützt werden kann. Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach
geltender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste
Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden. Die für den Kausalzusammenhang sprechenden
Umstände müssen die gegenteiligen dabei deutlich überwiegen (vgl Bereiter-Hahn/Mehrtens, § 8 SGB VII Anm.10.1
m.w.N.).
(1) Beim Kläger liegt keine Berufskrankheit nach der Nr.4103 der Anlage zur BKV vor. Eine Erkrankung durch
Asbeststaub, insbesondere eine Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte
Erkrankung der Pleura liegt nicht vor.
Unter Berücksichtigung der oben dargelegten Grundsätze sind nach den Ermittlungen im Verwaltungs- und
Gerichtsverfahren sowohl die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung einer
Berufskrankheit nach Nr.4103 der Anlage zur BKV als auch eine für diese Berufskrankheit charakteristische
Erkrankung nicht gegeben.
Die arbeitstechnischen Voraussetzungen müssen im Vollbeweis dargetan sein, d.h. es muss erwiesen sein, dass der
Versicherte im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der Berufskrankheit
ausgesetzt gewesen ist, die nach Ausmaß und Intensität geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden
zu bewirken.
Soweit der Kläger geltend macht, dass er ohne Schutzvorrichtung über zehn Tage lang Asbestplatten aus dem
Dachboden einer Halle habe entfernen müssen, ist dies nicht nachgewiesen. Im abgelagerten Staub konnte kein
Asbest festgestellt werden. Die vom PD der Beklagten analysierten Staubproben, die vom Kläger zur Verfügung
gestellt worden waren, ergaben, dass sich kein Asbest im abgelagerten Staub aus der Halle befand. Weitergehende
Ermittlungen zur Frage der Asbesthaltigkeit waren nicht möglich, da Originalsubstanzen wie Fußbodenplatten und
ausgehärteter Kleber nicht mehr vorlagen. Dies geht aufgrund der gegeben Beweis-lastverteilung zu Lasten des
Klägers. Eine Asbeststaubexposition und damit die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit
gem. BK-Nr.4103 sind daher nicht nachgewiesen.
Für die Bejahung der tatbestandlichen Voraussetzungen müsste zudem die umschriebene Listenkrankheit, d.h.
vorliegend die Erkrankung durch Asbeststaub, nachgewiesen sein. Auch dies ist nicht gegeben. Der Senat stützt sich
insoweit auf die überzeugenden Ausführungen von Dr. L ... Bei der Asbestose handelt es sich um Erkrankungen an
der Lunge oder der Pleura durch Einatmen von Staub, der in unterschiedlichen Anteilen Asbest anhält. Der
Krankheitsverlauf hängt vom Grad der Staubexposition ab. Die Asbeststaublungenerkrankung verläuft meist chronisch
progredient. Nach einer Latenzzeit von etwa 15 bis 20 Jahren kommt es zur klinischen Manifestation. Nach den
Angaben des Klägers wäre eine vermutete Asbeststaubbelastung im Zeitraum zwischen Juli 1996 und Dezember
2001 erfolgt. Die erforderliche Latenzzeit von etwa 15 bis 20 Jahren wäre damit nicht erfüllt. Dr. L. hat zudem
überzeugend darauf hingewiesen, dass im Bereich beider Lungen sich keine Hinweise für frische Infiltrate ergaben,
auch keine Hinweise für eine retrikuläre oder fibröse Zeichnungsvermehrung, wie sie typisch ist für eine Asbestose
der Lunge. Auch die röntgenologischen Untersuchungen zeigten keine asbestosetypischen Veränderungen im Bereich
der Lungen und des Rippenfelles. Im Jahr 2001 wurde eine Bronchoskopie durchgeführt. Es fand sich histologisch
eine unspezifische bronchitische Entzündung. Asbestkörperchen wurden nicht nachgewiesen.
Lungenfunktionsanalytisch war zu diesem Zeitpunkt keine restriktive Ventilationsstörung gegeben, ebensowenig eine
Einschränkung der Diffusionskapazität. Auch in den späteren Kontrollen im Jahr 2002 und 2003 war keine restriktive
Ventilationsstörung nachweisbar. Es bestanden daher weder lungenfunktionsanalytisch noch röntgenologisch
asbestosetypische Veränderungen. Eine durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Lungen oder der Pleura liegt
somit nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. L. nicht vor. Dies bestätigt auch Dr. K. , der ebenfalls darauf
hinweist, dass beim Kläger keine für eine asbestbedingte Schädigung von Lunge und Rippenfell typische Veränderung
vorliegt.
Bei nicht nachgewiesenen arbeitstechnischen Voraussetzungen und nicht nachgewiesener
Asbeststaublungenerkrankung ist somit keine der Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach der
Nr.4103 der Anlage zur BKV erfüllt.
(2) Auch die Voraussetzungen für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als Berufskrankheit nach
Nr.4302 der Anlage 1 zur BKV sind nicht gegeben. (a) Der Senat geht zwar zugunsten des Klägers davon aus, dass
der Kläger in geringem Umfang chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen ausgesetzt war. (b) Auch liegt eine
obstruktive Atemwegserkrankung vor. (c) Die obstruktive Atemwegserkrankung ist indessen nicht ursächlich auf die
schädigenden Einwirkungen im Sinne der maßgebenden Berufskrankheit zurückzuführen.
(a) Der Kläger war im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit in geringem Ausmaß verschiedenen chemisch-irritativen
und toxischen Stoffen ausgesetzt. Bei den vom PD durchgeführten Messungen lag die Konzentration für
Chlorwasserstoff unterhalb der analytischen Nachweisgrenze. Erfahrungsgemäß ist nach den Ausführungen des PD
anzunehmen, dass auch die Luftgrenzwerte, als Schichtmittelwert betrachtet, für Fluorwasserstoff und Stickoxide
unterschritten werden, wenn die Teile, wie im Betrieb des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers, nach dem Beizen
zuerst getaucht und danach erst mittels Hochdruckreiniger gespült werden. Für Kohlenwasserstoffgemische ist davon
auszugehen, dass in den relativ kleinen Räumen der Grenzwert als Schichtmittelwert von 200 mg pro Kubikmeter
erreicht wurde. Bei den Angaben zur Expositionshöhe hat der PD Schichtmittelwerte, die eine Exposition von acht
Stunden pro Schicht zugrunde legen, herangezogen. Der Kläger war hingegen nach seinen eigenen Angaben lediglich
ca. 6,5 Stunden täglich in der Beizerei tätig. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände geht der Senat daher von
einer geringen Belastung aus.
(b) Beim Kläger liegt nach dem überzeugenden Gutachten von Dr. L. eine chronisch-obstruktive Bronchitis vor. Er war
erstmals im Februar 2000 wegen einer Atemwegserkrankung in Behandlung beim Hausarzt Dr.B ... Am 11.07.2001
erfolgte eine lungenärztliche Untersuchung durch Dr.S ... Es wurde eine leichtgradige obstruktive Ventilationsstörung
festgestellt, die sich nach einmaliger Gabe eines bronchuserweiternden Medikamentes normalisierte. Von Dr.S. wurde
am 15.01.2002 als Diagnose eine chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung bei Nikotinabusus gestellt. Auch im
Befundbericht des Klinikums A. vom 22.11.2002 wird die Diagnose einer chronisch-obstruktiven Bronchitis gestellt.
Lungenfunktionsanalytisch wurde zu diesem Zeitpunkt eine mittelgradige Obstruktion angenommen.
(c) Die chronisch obstruktive Bronchitis ist jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die berufliche Tätigkeit
des Klägers zurückzuführen.
Dies ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen im Gutachten von Dr. L ... Gegen einen Kausalzusammenhang
spricht das fehlende zeitliche Zusammentreffen der Tätigkeit mit der Erkrankung. Beim Kläger waren seit Beginn der
beruflichen Tätigkeit im Jahr 1996 bei gleichbleibender Arbeitsplatzsituation bis zum 15.02.2002 niemals
Atembeschwerden am Arbeitsplatz aufgetreten, auch nicht bei erschwerend hinzukommendem, zusätzlichem
Nikotinabusus am Arbeitsplatz. Es wurde dementsprechend auch keine ärztliche Behandlung erforderlich. Die
Erkrankung im Februar 2000 war ein akuter Infekt. Ein Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit kann nicht hergestellt
werden. Bei der weiteren Behandlung am 27.06.2001 wurde eine chronisch-obstruktive Bronchitis festgestellt. Als
primäre Ursache wurde vom behandelnden Arzt der Nikotinabusus gesehen. Ein Zusammenhang zur beruflichen
Tätigkeit wurde nicht hergestellt und auch von ärztlicher Seite nicht zu einer Berufsaufgabe geraten. Es erging zu
diesem Zeitpunkt auch keine Meldung an die Berufsgenossenschaft in Bezug auf eine Berufskrankheit.
Die inhalative Belastung durch chemisch-irritative Stoffe in sehr niedriger Dosierung hat auch zu keiner
richtunggebenden Verschlimmerung der bestehenden Erkrankung geführt. Dr. L. hat zwar darauf hingewiesen, dass
sich eine chronisch obstruktive Bronchitis auf dem Boden eines chronischen Nikotinabusus durch die Einatmung
chemisch-irritativer Stoffe auch in niedrigster Dosierung verschlechtert. Es handelt sich insoweit aber um
vorübergehende Erscheinungen. Eine bleibende Verschlechterung ergibt sich daraus nicht. Dies wird bestätigt durch
die Tatsache, dass auch nach jahrelanger Karenz der beruflichen Stoffe keine richtunggebende Änderung in der
Lungenfunktion eingetreten ist trotz zumindest vorübergehend intensiv durchgeführter medikamentöser Therapie.
Auch die Arbeitsaufgabe war wegen der chronisch-obstruktiven Bronchitis nicht zwingend notwendig und erfolgte auch
tatsächlich nicht wegen der Erkrankung. Der Kläger hat die berufliche Tätigkeit vielmehr wegen einer fristlosen
Kündigung von Seiten des Arbeitgebers aufgegeben. Erst als die Kündigung ausgesprochen war, erfolgte die
Verdachtsmeldung einer Berufskrankheit durch die AOK, nachdem Dr. S. in seinem Befund vom 15.01.2002 auf den
Umgang mit toxisch-reizenden Stoffen am Arbeitsplatz hingewiesen hatte. Nach der Arbeitsaufgabe wurde vom Kläger
zwar eine subjektive Besserung der Atembeschwerden berichtet bei gleichzeitiger belastungsabhängiger Atemnot und
weiterhin anhaltendem trockenem Husten bei Nikotinabusus. Das Wegfallen der chemisch-irritativen Komponente
könnte zwar nach den Ausführungen von Dr. L. eine leichte Besserung bringen. Entscheidend ist aber, dass der
Kläger nach dem Verlust des Arbeitsplatzes ab Februar 2002 eine antientzündliche bronchuserweiternde Therapie
durchführte, was als primäre Ursache der subjektiven Besserung zu sehen ist. Dr. L. wies zudem darauf hin, dass
entgegen den subjektiven Angaben des Klägers hinsichtlich einer Besserung im pneumologischen Befundbericht von
Dr.S. vom 11.11.2002 berichtet wird, dass der Kläger nach wie vor Atembeschwerden gehabt habe in
unterschiedlicher Ausprägung. Auch der Verlauf der Lungenfunktionsanalysen zeigt nach ihren Ausführungen einen
weitgehend gleich bleibenden Befund mit der für den chronischen Nikotinabusus typisch langsam abnehmenden Ein-
Sekunden-Kapazität.
Der Krankheitsverlauf insgesamt ist nach den überzeugenden Ausführungen von Dr.L. nach medizinischer Erfahrung
typisch für eine durch einen chronischen Nikotinabusus verursachte chronisch-obstruktive Bronchitis. Als Ursache für
die chronisch-obstruktive Bronchitis ist daher der jahrzehntelange Nikotinabusus anzusehen. Der Kläger hat bis zum
Sommer 2001 nach eigenen Angaben 20 Zigaretten pro Tag geraucht, danach zehn Zigaretten pro Tag.
Dr. K. hat die Ausführungen von Frau Dr.L. vollumfänglich bestätigt. Die beruflichen Einwirkungen waren nach seinen
Ausführungen nicht wesentlich ursächlich für das Auftreten der Erkrankung. Auch Dr. K. geht vielmehr davon aus,
dass die außerberuflichen Ursachen, insbesondere das über Jahrzehnte anhaltende Zigarettenrauchen mit kumulativ
40 Packungsjahren, für die Entstehung der obstruktiven Atemwegserkrankung maßgebend sind.
Es sind somit weder die Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach der Nr.4103 noch nach der Nr.4302 der
Anlage zur BKV erfüllt. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22.06.2004 war
somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gem. § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.