Urteil des LSG Bayern vom 10.12.2009

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Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 10.12.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 7 KR 221/06
Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 103/07
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 31. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf EUR 636,19 festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist zuletzt noch streitig, ob die Klägerin einen Vergütungsanspruch gegenüber der Beklagten
für erbrachte Leistungen für Frau M. S. in der Zeit vom 07.03. bis 19.03.2001 in Höhe von 593,69 EUR hat.
Die Klägerin, die einen privaten Pflegedienst betreibt, erbringt für die Beklagte Leistungen der häuslichen
Krankenpflege auf der Grundlage des Vertrages vom 25.01.1996. Das Mitglied der Beklagten, Frau M. S., befand sich
wegen Implantation einer Hüftgelenksendoprothese vom 01.01. bis 01.02.2001 in stationärer Krankenhausbehandlung.
Vom 01.02. bis 05.03.2001 wurde eine Anschlussheilbehandlung durchgeführt. Ab 05.03.2001 befand sich das
Mitglied der Beklagten im privaten Seniorenwohnheim der Klägerin. Nachdem die Pflegekasse der Beklagten die am
08.03.2001 beantragte Urlaubsverhinderungspflege abgelehnt hatte, weil Pflegebedürftigkeit nicht seit mindestens
zwölf Monaten bestand, verordnete der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. am 09.03.2001 für die Versicherte für die Zeit
vom 07.03. bis 31.03.2001 häusliche Krankenpflege (Behandlungspflege und Grundpflege). Der von der Beklagten
eingeschaltete MDK stellte am 27.04.2001 fest, dass Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung an sich nötig
seien, jedoch ein Krankenhausaufenthalt dadurch nicht vermieden werde.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.05.2001 die Kostenübernahme für Grundpflege und
hauswirtschaftliche Versorgung ab. Sowohl das Widerspruchsverfahren der Versicherten als auch das Klageverfahren
vor dem Sozialgericht Nürnberg (SG) - Az.: S 7 KR 160/02 - blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 11.04.2002
bzw. Urteil des SG vom 18.11.2004). Die Berufung der Versicherten gegen das Urteil des SG vom 18.11.2004 wies
der erkennende Senat (Az.: L 4 KR 38/05) mit Urteil vom 18.05.2006 zurück.
Die Beklagte sei nicht verpflichtet, die Versicherte von den ihr von der (jetzigen Klägerin) in Rechnung gestellten
Kosten in Höhe von 593,69 EUR freizustellen. Die Voraussetzungen des § 13 Abs.3 SGB V lägen nicht vor. Auch
lasse sich ein Anspruch aus § 37 Abs.1 Satz 2 SGB V nicht begründen, ebenso wenig, wie einer aus Nr.29 der
Richtlinien über häusliche Krankenpflege. Dabei handle es sich um die Regelung einer vorläufigen Zahlung, nicht um
eine zusätzliche Anspruchsgrundlage der Versicherten neben § 37 SGB V. Unter keinem Aspekt habe die Versicherte
einen Anspruch auf Kostenerstattung bzw. Freistellung von Kosten.
Am 12.06.2006 hat die Klägerin die allgemeine Leistungsklage zum SG Nürnberg erhoben und die Auffassung
vertreten, dass im Bescheid der Beklagten vom 17.05.2001 gegenüber der Versicherten eine Rechnungskürzung ihr
gegenüber zu sehen sei. Daneben sei die Beklagte gemäß Abschnitt V Nr.23 der Richtlinien des Bundesausschusses
der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege verpflichtet, bis zur Entscheidung
über die Genehmigung die Kosten für die vom Vertragsarzt verordneten und vom ihrem Pflegedienst erbrachten
Leistungen zu übernehmen, wenn die Verordnung spätestens am zweiten der Ausstellung folgenden Arbeitstag der
Krankenkasse vorgelegt werde, was hier der Fall sei. Die Ablehnung der Leistung durch die Beklagte sei aber erst
nach der Leistungserbringung erfolgt. Des Weiteren hat die Klägerin einen Verzugsschaden geltend gemacht.
Mit Urteil vom 31.01.2007 hat das SG die Klage abgewiesen und am 7.02.2007 den Streitwert auf 636,19 EUR
festgesetzt.
Gegen das Urteil des SG vom 31.01.2007 richtet sich die Berufung der Klägerin. Nach wie vor vertritt sie die
Auffassung, dass sie aus § 132 SGB V für Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V i.V.m. Nr.23
der alten Fassung der Richtlinien einen Vergütungsanspruch habe. Darüber hinaus habe das SG den zwischen ihr und
der Versicherten geschlossenen ambulanten Pflegevertrag bei der Entscheidung nicht berücksichtigt. Denn dort habe
sie sich (die Klägerin) unter Ziffer 6.2 die Ansprüche der Versicherten aus den Rechnungen betreffend SGB V und
SGB XI gegenüber der Beklagten abgetreten lassen. Im Übrigen müssten auch bereicherungsrechtliche Grundsätze
der §§ 812 ff. BGB herangezogen werden.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 31.01.2007 aufzuheben und die Beklagte zu
verpflichten, an sie 593,69 EUR zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil des SG für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der beigezogenen Akten sowie der
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 151, 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), erweist
sich aber in der Sache als unbegründet. Die Klage der Klägerin ist als echte Leistungsklage nach § 54 Abs.4 und 5
SGG zulässig, ein Vorverfahren musste nicht durchgeführt werden, eine Klagefrist war nicht zu beachten (Kommentar
zum SGG Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, § 54 SGG Rdnr.41).
Die Klägerin hat keinen Vergütungsanspruch gegenüber der Beklagten für erbrachte Leistungen für die Versicherte M.
S. in der Zeit vom 07.03. bis 19.03.2001 in Höhe von 593,69 EUR. Denn es gibt keine tragfähige Anspruchsgrundlage
für die von der Klägerin geltend gemachte Forderung. Dies folgt bereits daraus, dass die Versicherte selbst keinen
Anspruch gegenüber der Beklagten hatte. Das wurde mit Urteil des erkennenden Senats vom 18.05.2006 rechtskräftig
festgestellt. Dies ist von der Klägerin hinzunehmen.
Ein Anspruch der Klägerin scheitert insbesondere auch daran, dass der Beklagten keine ordnungsgemäße
Abrechnung vorliegt. Insoweit liegt lediglich die Rechnung der Klägerin an die Versicherte Frau M. S. vor. Daraus lässt
sich aber nicht ein Anspruch für die Klägerin begründen. Offensichtlich sind die Voraussetzungen des § 23 in der
Fassung vom 16.02.2000 i.V.m. § 9 des seinerzeitigen Rahmenvertrages nicht erfüllt.
Nr.23 der Krankenpflege-Richtlinien bestimmte in der Zeit der für die Leistung geltenden Fassung: "Die Krankenkasse
übernimmt bis zur Entscheidung über die Genehmigung die Kosten für die vom Vertragsarzt verordneten und vom
Pflegedienst erbrachten Leistungen entsprechend der Vereinbarkeitsvergütung nach § 132a Abs.2 SGB V, wenn die
Verordnung spätestens am zweiten der Ausstellung folgenden Arbeitstag der Krankenkasse vorgelegt wird. Das
Nähere regeln die Partner der Rahmenempfehlungen nach § 132a Abs.1 SGB V."
Ob die genannte Frist hier eingehalten wurde, kann dahinstehen, da die Beteiligten in der Richtlinie Nr.23
übereinstimmend eine Schutzvorschrift für die Zeit zwischen Verordnung und Genehmigung durch die Krankenkasse
sehen. Ob nur der Versicherte oder auch der Leistungserbringer geschützt werden soll, ist dabei streitig. Aus der
Richtlinie selbst kann keine Anspruchsgrundlage, die über § 37 i.V.m. § 132a SGB V hinausgeht, abgeleitet werden.
Diese könnte lediglich im Vertrauensschutz, der in der Richtlinie beinhaltet ist, gesehen werden. Daraus folgt, dass
der Versicherte und auch der Leistungserbringer in der Zeit zwischen der vollständigen und zeitgerechten
Antragstellung bis zur Entscheidung durch die Krankenkasse darauf vertrauen können, dass die in dieser Zeit
erforderlichen und erbrachten Leistungen von der Krankenkasse übernommen werden. Dies bedeutet aber auch, dass
sich dieser Vertrauensschutz nur auf die Leistungen erstrecken kann, die vom Vertragsarzt verordnet und bei der
Kasse beantragt wurden. Hier ist jedoch festzuhalten, dass die streitgegenständlichen Leistungen nicht bei der
Beklagten beantragt wurden, so dass sich die Klägerin diesbezüglich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen kann.
Ein Vergütungsanspruch der Klägerin scheitert schließlich an § 9 Abs.3 des Rahmenvertrages gemäß § 132a Abs.2
SGB V für den Bereich häuslicher Krankenpflege. Dort ist geregelt, dass die Bezahlung der Rechnungen spätestens
innerhalb von 21 Kalendertagen nach Eingang der Abrechnung bei der zuständigen Krankenkasse oder der von ihr
benannten Abrechnungsstelle erfolgt. Wie bereits eingangs ausdrücklich darauf hingewiesen, ist aber bei der
Beklagten eine Rechnung, die den genannten Formvorschriften entspricht, gerade nicht eingegangen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich auch kein Anspruch aus den Vorschriften der ungerechtfertigten
Bereicherung nach §§ 812 ff. BGB. Denn die Beklagte ist nicht durch die von der Klägerin erbrachte Leistung
bereichert, da sie, da die Voraussetzungen für die häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs.1 SGB V objektiv nicht
vorlagen, gegenüber der Versicherten keine Leistung zu erbringen hatte. Aus dem gleichen Grund muss auch der
Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag scheitern, so dass es keiner näheren Diskussion über die
grundsätzliche Frage bedarf, ob die zivilrechtlichen Vorschriften im Sozialrecht und insbesondere zwischen dem
Leistungserbringer und der Beklagten Anwendung finden können.
Soweit die Klägerin vorträgt, die Versicherte habe ihr eine Forderung gegen die Beklagte abgetreten, scheitert ein
Anspruch bereits daran, dass gegenüber der Versicherten gerade rechtsverbindlich (s.o.) festgestellt wurde, dass
diese keinen Anspruch auf weitere Leistungen der Beklagten hat, insbesondere keine Ansprüche der Grundpflege und
hauswirtschaftlichen Versorgung. Wenn aber die Versicherte selbst bereits keinen Anspruch hat, kann sie einen
solchen auch nicht abtreten.
Nachdem sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Anspruchsgrundlage für den Vergütungsanspruch der
Klägerin ergibt, ist ihre Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs.1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach
trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung bezüglich des Streitwerts beruht auf § 47 Abs.2 Gerichtskostengesetz (GKG). Danach ist der
Streitwert durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Die Begrenzung durch den Wert
der Vorinstanz gilt nur dann ausnahmsweise nicht, soweit der Streitgegenstand im Rechtsmittelverfahren eine
Erweiterung erfährt, was hier nicht der Fall ist.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegen nicht vor.