Urteil des LSG Bayern vom 19.05.2009

LSG Bayern: anrechenbares einkommen, sparkasse, beleihung, zivilprozessordnung, vertrauensschutz, einkünfte, verfügung, berechtigung, vertretung, vermietung

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 19.05.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 9 R 234/07
Bayerisches Landessozialgericht L 13 R 349/09 B PKH
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 2. April 2009 aufgehoben und der
Beschwerdeführerin mit Wirkung ab 24. April 2007 für den Rechtsstreit Az.: S 9 R 234/07 Prozesskostenhilfe bewilligt
und Rechtsanwalt B., B-Stadt, beigeordnet.
Die Beschwerdeführerin hat Raten im Sinn von § 73 a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 115 Abs. 2 der
Zivilprozessordnung in Höhe von 250 EUR monatlich zu entrichten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten wegen einer Erstattungsforderung der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Bg.) gegen die
Klägerin und Beschwerdeführerin (Bf.) wegen zu Unrecht geleisteter Hinterbliebenenrente. Konkret geht es um die
Frage, ob der Bf. für das Verfahren vor dem Sozialgericht Regensburg mit dem Az.: S 9 R 234/07 Prozesskostenhilfe
(PKH) zu bewilligen und ihr ein Prozessbevollmächtigter beizuordnen ist.
Die Bf. ist Eigentümerin des Anwesens F.Weg in N ... Das Haus ist in zwei Wohnungen unterteilt. Von 1984 an hatte
sie eine Einzimmerwohnung im ersten Stock dieses Hauses an F.W. vermietet. Nach Lage der Akten hatte F.W.
durch Täuschung von der Bg. Rentenleistungen erwirkt (insgesamt fast 100.000 EUR). Es handelte sich um eine
Witwenrente für die Mutter des F.W ... Diese war aber bereits im Januar 1978 verstorben. Diesen Umstand hatte
weder F.W. der Bg. mitgeteilt noch erfuhr diese davon auf andere Weise. F.W. gab während der folgenden Jahrzehnte
vor, seine Mutter würde immer noch leben. Das "inszenierte" er zum Teil so perfekt, dass der wahre Sachverhalt erst
Anfang 2006 aufgedeckt wurde. Insbesondere führte er bis 25.01.2006 ein auf den Namen seiner Mutter lautendes
Konto bei der Sparkasse N. weiter und spiegelte durch Fälschung von Unterschriften vor, die vermeintliche
Kontoinhaberin sei am Leben. Die Rentenzahlung wurde erst zum 31.01.2006 eingestellt.
Die Mietzahlungen für die oben genannte Wohnung erfolgte durch Dauerauftrag zu Lasten des auf den Namen der
Mutter geführten Kontos.
Die Bg. erließ gegen die Bf. einen auf den 28.11.2007 datierten und auf § 118 Abs. 4 des Sozialgesetzbuchs
Sechstes Buch (SGB VI) gestützten Rückforderungsbescheid über einen Betrag von 19.623,42 EUR. In dem
Bescheid teilte die Bg. mit, weitere Rückforderungen für die Zeit vor 1996 behalte sie sich vor. Den dagegen
eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2007 als unbegründet zurück. Zur
Begründung führte sie aus, monatlich seien der Bf. durch Dauerauftrag Zahlungen von dem Konto - zuletzt in Höhe
von monatlich 173,84 EUR - zugeflossen. Von Januar 1996 an ergebe dies den im Rückforderungsbescheid
ausgewiesenen Betrag von 19.623,42 EUR. Vom zuständigen Geldinstitut habe dieser Betrag wegen des
Dauerauftrags nicht mehr an die Bg. zurückgezahlt werden können. Der Bg. stehe kein Ermessen zu, ob sie die
Beträge von der Bf. zurückfordern wolle. Der Anspruch der Bg. nach § 118 Abs. 4 SGB VI sei auch nicht verjährt.
Dagegen hat die Bf. Klage beim Sozialgericht Regensburg erhoben und die Bewilligung von PKH und Beiordnung ihres
Prozessbevollmächtigten beantragt. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 02.04.2009 den Antrag abgelehnt. Dies
hat es einerseits damit begründet, die Vertretung durch einen Rechtsanwalt sei nicht erforderlich. Denn im
sozialgerichtlichen Verfahren gelte der Grundsatz der Amtsermittlung. Zudem vertrete die Bg. nicht egoistisch ihre
eigenen Interessen, sondern habe auch Gesichtspunkte zu Gunsten der Bf. zu berücksichtigen. Zudem hat das
Sozialgericht die Ablehnung sinngemäß auch auf § 115 Abs. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) gestützt.
Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 15.04.2009 eingelegte Beschwerde (Eingang beim Sozialgericht am
20.04.2009).
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Bewilligung von PKH und
Beiordnung des Prozessbevollmächtigten der Bf. abgelehnt.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 Abs. 1 ZPO (auch alle im
Folgenden genannten Vorschriften der Zivilprozessordnung gelten aufgrund der Verweisung des § 73 a Abs. 1 Satz 1
SGG) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der
Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die subjektiven Voraussetzungen für die Gewährung von PKH liegen vor. Die Bf. ist im prozesskostenhilferechtlichen
Sinn bedürftig, jedoch hat sie Raten gemäß § 115 Abs. 2 ZPO zu entrichten (vgl. § 120 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die
Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Bf. dürfen in diesem Beschluss genannt werden,
weil eine Zustimmung hierfür im Sinn von § 127 Abs. 1 Satz 3 ZPO vorliegt. Denn die anwaltlich vertretene Bf. selbst
hat ihre Einkünfte und ihr relevantes Vermögen in der Bg. zuzustellenden Schriftsätzen geoffenbart (vgl.
Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Auflage 2005, RdNr. 157).
Für die Beurteilung der Bedürftigkeit sind die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse der Bf. (zum Zeitpunkt der
Entscheidung des Senats) maßgebend. Die Bf. hat glaubhaft gemacht, dass sie monatliche Einnahmen aus einer
Altersrente in Höhe von 309,33 EUR und aus einer Witwenrente in Höhe von 313,77 EUR bezieht. Auf Nachfrage des
Senats hat sie glaubhaft mitgeteilt, aus der Vermietung des Erdgeschosses des Gebäudes F.Weg , N., erziele sie
positiv einen Ertrag von monatlich 200 EUR; dabei handelt es sich um die Nettoeinnahmen nach Abzug der
"Werbungskosten".
Im Sinn des Ansatzes von "fiktivem" Einkommen legt der Senat Nettomieteinnahmen in Höhe von 399 EUR zu
Grunde, wie es die Bf. gegenüber dem Sozialgericht angegeben hatte. Diese Handhabung erscheint angebracht, weil
die Bf. sich offenbar dazu entschlossen hat, den ersten Stock des Hauses, den bis 31.03.2008 F.W. bewohnt hatte,
leer stehen zu lassen (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O. RdNr. 248). Es ist nicht ersichtlich, dass einer
erneuten Vermietung zwingende Gründe entgegen stehen; offenbar hat sich die Bf. nur halbherzig oder gar nicht
bemüht, für die Wohnung einen Mieter zu finden.
Der Ansatz von fiktivem Einkommen bezieht seine Berechtigung auch aus dem Gesichtspunkt der
Vermögensverwertung. Nach § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO hat die Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies
zumutbar ist. Satz 2 ergänzt, dass § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) entsprechend gilt. Das
Haus wäre rechtlich und tatsächlich verwertbar im Sinn von § 90 Abs. 1 SGB XII. "Schonvermögen" im Sinn von § 90
Abs. 2 SGB XII liegt nicht vor. § 90 Abs. 3 SGB XII in Zusammenschau mit § 115 Abs 3 Satz 1 ZPO ("soweit dies
zumutbar ist") führt dazu, dass bei der Frage, ob im Rahmen der prozesskostenhilferechtlichen Bedürftigkeitsprüfung
Vermögen einzusetzen ist, Zumutbarkeitsgesichtspunkten besonderer Stellenwert beizumessen ist. Eine
Gesamtabwägung unter dem Aspekt der Zumutbarkeit führt zu dem Ergebnis, dass die Bf. das Grundstück F.Weg ,
N., nicht im Sinn einer Veräußerung oder Beleihung einsetzen muss. Eine Veräußerung scheidet schon deswegen
aus, weil die Bf. das Gebäude zur Erzielung von Mieteinnahmen verwendet und sogar noch intensiver dazu
verwenden kann. Damit wird ihr Lebensunterhalt im Alter mit abgesichert. Zudem scheint der Verkehrswert des
Hauses aufgrund seiner Lage und Ausstattung eher niedrig zu sein.
Auch eine Beleihung hält der Senat für unzumutbar. Denn rechnerisch müsste die Bf. nur einen Kleinkredit
aufnehmen, um die Prozesskosten bestreiten zu können. Es bestehen ernsthafte Zweifel, ob die mit einer Beleihung -
die vermutlich mit der Eintragung einer Grundschuld einher gehen würde - verbundenen Kosten dazu in einem
angemessenen Verhältnis stehen (vgl. nur OLG Brandenburg OLGReport 2000, S. 111; Kalthoener/Bütt- ner/Wrobel-
Sachs, a.a.O., RdNr. 350). Von entscheidender Bedeutung ist weiter, dass der Ansatz fiktiver Mieteinnahmen bei
"natürlicher" Betrachtung für sich bereits eine Art der Vermögensverwertung darstellt, die sowohl den Interessen der
Staatskasse als auch der Bf. am besten gerecht wird.
Die Bf. hat bereits die nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchstabe a ZPO bereinigten Einkünfte mitgeteilt. Gemäß §
115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Buchstabe a ZPO ist ein "Selbstbehalt" von 386 EUR anzusetzen. Absetzbeträge gemäß §
115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 und 4 ZPO sind nicht vorhanden. Insgesamt bleibt somit ein anrechenbares Einkommen von
monatlich 636,10 EUR. Nach der Tabelle zu § 115 Abs. 2 ZPO ergibt sich daraus eine monatliche Rate von 250 EUR.
Die Raten sind mit der Bewilligung von PKH festzusetzen (§ 120 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts scheitert die Bewilligung von PKH nicht an § 115 Abs. 4 ZPO. Nach dieser
Vorschrift wird PKH nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem
Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen. Jedoch liegen die Kosten der
Prozessführung höher als die Summe aus vier Monatsraten. Wie der Prozessbevollmächtigte der Bf. in seinem
Schriftsatz vom 04.05.2009 zutreffend ausgeführt hat, werden seine Gebühren nicht als Betragsrahmengebühren
bemessen. Die Bf. tritt in dem Rechtsstreit nicht als Versicherte oder Leistungsempfängerin auf. Weder sie noch die
Bg. gehört zu den in § 183 SGG genannten Personen, was zur Folge hat, dass Kosten nach den Vorschriften des
Gerichtskostengesetzes erhoben werden (§ 197 a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG). Die Anwaltsgebühren berechnen
sich nach dem Gegenstandswert (vgl. § 3 Abs. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes). Der Gegenstandswert
beläuft sich hier auf 19.623,42 EUR. Aus der Anlage 2 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ergibt sich, dass allein
die zu erwartenden zwei Rechtsanwaltsgebühren (Verfahrensgebühr, Terminsgebühren) zzgl. Auslagenpauschale und
Mehrwertsteuer deutlich über vier Raten, also 1.000 EUR, liegen. Darüber hinaus sind auch die Gerichtskosten zu
berücksichtigen (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., RdNr. 304; die Bf. ist unabhängig vom Ausgang des
Verfahrens Kostenschuldnerin gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 1 Nr. 4 des Gerichtskostengesetzes).
Auch eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinn von § 114 Satz 1 ZPO liegt vor. Als Maßstab ist insoweit zu
berücksichtigen, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen das Verfahren in der Hauptsache nicht in nennenswertem
Umfang in das PKH-Verfahren verlagert werden darf. Die Klärung schwieriger Rechtsfragen (vgl. BVerfG NJW 2000,
S. 1936; BVerfG NJW 2003, S. 1857) sowie Beweiserhebungen haben dort im Prinzip keinen Platz. Die Gewährung
von PKH soll den Rechtsschutz ermöglichen, ihn aber nicht vorwegnehmen.
Betrachtet man den Fall aus dem Blickwinkel des unbefangenen, vernünftigen Bürgers, erscheint zum einen der sich
über fast drei Jahrzehnte erstreckende Geschehnisablauf grotesk, zum anderen das Ergebnis aus der Sicht der Bf.
überaus hart. Geht man davon aus, dass die Bf. von den kriminellen Machenschaften des F.W. nichts wusste, dürfte
es ihr schwer fallen einzusehen, warum die ihr zugeflossenen Mietzahlungen, die sie natürlich verbraucht hat, über
einen sehr langen Zeitraum hinweg "bemakelt" sein sollen. Die Bf. ist nur als lautere und redliche Vermieterin in
Erscheinung getreten, die nicht im Ansatz ahnte, auf welche Weise sich F.W. seinen Lebensunterhalt sicherte. Man
ist geneigt zu fragen, wieso ausgerechnet sie das Risiko tragen soll, dass offenbar von F.W. selbst nichts "zu holen"
ist. Diese "unjuristische" Perspektive ist allerdings für die Entscheidung, ob eine hinreichende Erfolgsaussicht
vorliegt, nicht maßgebend.
Aber auch bei spezifisch juristischer Betrachtungsweise erscheint das Opfer, das die Bg. der Bf. abverlangt,
bedenklich. Der Senat sieht davon ab, sich an dieser Stelle mit den einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des §
118 Abs. 4 SGB VI zu befassen. Denn eine hinreichende Erfolgsaussicht im prozesskostenhilferechtlichen Sinn ergibt
sich schon daraus, dass vor der Inanspruchnahme der Bf. zu prüfen ist, ob nicht die Sparkasse N. in größerem
Umfang gemäß § 118 Abs. 3 SGB VI haftet, als es die Bg. bislang angenommen hat (1.046,79 EUR für Zinsen und
Bankgebühren). Der zu beachtende Vorrang einer Inanspruchnahme der Bank verlangt, dass das Sozialgericht prüft,
inwieweit die Sparkasse gegen das so genannte Befriedigungsverbot des § 118 Abs. 3 Satz 4 SGB VI verstoßen hat
und insoweit erstattungspflichtig ist. Dass die Bg. diese Prüfung im Verwaltungsverfahren offenbar bereits
durchgeführt hat, macht entsprechende Ermittlungen im Klageverfahren nicht entbehrlich. Daher kann diesbezüglich
von einer gewissen Offenheit des Falls gesprochen werden.
Weiter erscheint nicht restlos geklärt, ob die Bf. tatsächlich dem in § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI genannten
Personenkreis angehört. Denn Restzweifel werden durch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 20.12.2001 - B 4
RA 53/01 R (NZS 2002, S. 545) genährt. Dieses hat sich dahin geäußert (a.a.O., S. 545 ), in den Kreis der
Erstattungsverpflichteten würden auch solche Personen einbezogen, bei denen die Vermögensverschiebung darauf
zurückzuführen sei, dass ihnen durch berechtigte Verfügung zu Lasten des Kontos des verstorbenen Versicherten
mittelbar Geldleistungen zugewandt worden seien. Dies sei jedenfalls dann unzweifelhaft, wenn der verstorbene
Rentner die in Frage stehende Verfügung noch selbst vorgenommen habe. Der hier vorliegende Fall wirft vor dem
Hintergrund dieser Rechtsprechung die Frage auf, ob die Bf. die Zahlungen aufgrund "berechtigter" Verfügungen zu
Lasten des auf den Namen der Mutter des F.W. geführten Kontos erhalten hat. Bei enger bankrechtlicher Betrachtung
dürfte das wohl zu bejahen sein. Wenn man aber mit in die Überlegung einbezieht, dass das Konto nur zu dem Zweck
aufrecht erhalten worden war, um einen groß angelegten und nachhaltigen Betrug zu ermöglichen, so könnte man dies
doch in Frage stellen. Wie dieses Problem letztlich zu lösen ist, kann hier dahin stehen; jedenfalls genügen die
Zweifel, um eine hinreichende Erfolgsaussicht zu begründen.
Vor allem aber hegt der Senat verfassungsrechtliche Bedenken, wenn es bei der von der Bg. getroffenen Regelung
bliebe. Die Bf. wird ohne tragfähigen Zurechnungszusammenhang in einem Ausmaß für einen Schaden verantwortlich
gemacht, dass bei summarischer Prüfung nicht mehr akzeptabel erscheint. Daran vermag nichts zu ändern, dass die
Erstattungsregelung des § 118 Abs. 4 SGB VI in der Rechtsprechung bislang wiederholt als verfassungsgemäß
angesehen wurde. Denn soweit ersichtlich, hielt sich die Inanspruchnahme der Begünstigten in den entschiedenen
Fällen in einem vergleichsweise bescheidenen Umfang. Der hier vorliegende Fall verkörpert eine andere "Dimension".
Denn die Erstattungsforderung gefährdet die Existenz der Bf ... Es sei darauf verwiesen, dass es sozial- und auch
zivilrechtlich völlig systemfremd ist, für derartige Ersatzansprüche jeglichen Vertrauensschutz auszuschließen. Man
denke nur an die zivilrechtlichen Vorschriften des Bereicherungsrechts und zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. Nach
§ 118 Abs. 3 SGB VI kann sich sogar die Bank auf eine Art "Wegfall der Bereicherung" berufen, für den
Leistungsempfänger selbst existieren ohnehin differenzierte Regelungen, die den Vertrauensschutz gewährleisten (vgl.
§§ 45, 50 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch). Woraus sich dann die Berechtigung ergeben soll, den
mittelbar begünstigten redlichen Zahlungsempfänger mit einer Rückforderung ohne jeglichen Vertrauensschutz, ohne
Möglichkeit zu einer Interessenabwägung und in unbegrenzter Höhe zu überziehen, vermag der Senat jedenfalls nach
summarischer Prüfung nicht zu erkennen.
Es mag sein, dass man verfassungswidrige Ergebnisse durch einen Erlass vermeiden kann. Aber auch das spricht
nicht gegen eine hinreichende Erfolgsaussicht, sondern dafür. Zwar liegt einer Erlassentscheidung ein gesondertes
Verfahren nach gesondertem Antrag zu Grunde. Es erscheint aber diskutabel, ob nicht konkludent schon ein
Erlassantrag gestellt worden und das Vorliegen der Erlassvoraussetzungen hier nicht ausnahmsweise als
rechtsvernichtende Einwendung im Prozess zu berücksichtigen ist.
Darüber hinaus ist im Hinblick auf den existenzgefährdenden Charakter der Rückforderung und die Dramatik des
Geschehensablaufs auch die Durchführung eines Mediationsverfahrens in Betracht zu ziehen.
Die Anwaltsbeiordnung beruht auf § 121 Abs. 2 ZPO. Die Ansicht des Sozialgerichts, eine Vertretung durch einen
Rechtsanwalt sei nicht erforderlich, trifft nicht zu. Zur Begründung genügt der Hinweis auf den Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 22.07.2007 - 1 BvR 681/07.
Eine Entscheidung zur Tragung der außergerichtlichen Kosten unterbleibt wegen § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §
127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).