Urteil des LSG Bayern vom 21.08.2008

LSG Bayern: erlass, hauptsache, behandlungskosten, form, vorverfahren, gefahr, zivilprozessordnung, verwaltungsverfahren, rechtsschutz, diagnose

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 21.08.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 43 KR 1/08 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 5 B 461/08 KR ER
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts A-Stadt vom 15. April 2008 wird
zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin (Ast) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der Behandlungskosten
in Höhe von 29.521,99 EUR für die am I. in M. durchgeführte Behandlung vom 16.11.2006 bis 18.11.2006.
Die 1945 geborene Ast ist bei der Antragsgegnerin (Ag) gegen Krankheit versichert. Sie legte, soweit erkennbar, am
14.11.2006 bei der Ag Unterlagen über die bei ihr diagnostizierte Mammakarzinomerkrankung vor und beantragte die
Übernahme von Behandlungskosten im I. in M ... Die Behandlung sollte am 16.11.2006 beginnen. Vorgesehen war
eine chirurgische Tumorentfernung und die intraoperative Strahlentherapie (JOERT) mit einem mobilen
Linearbeschleuniger. Die Ag legte die Unterlagen dem MDK vor, der mitteilte, die Behandlung könne auch in
Deutschland durchgeführt werden und die Kasse übernehme die Kosten für die Behandlung in der nächstgeeigneten
Einrichtung. Mit Bescheid vom 05.12.2006 lehnte die Ag die Übernahme der Kosten für die Auslandsbehandlung ab,
da kein zwingender Grund bestanden habe, die Behandlung des Mammakarzinoms im Ausland durchführen zu lassen.
Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2007 zurück,
dagegen ist ein Hauptsacheverfahren (S 43 KR 1023/07) beim Sozialgericht München anhängig. Gleichzeitig mit der
Klage in der Hauptsache stellte die Ast den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung, sie
habe nach Bekanntwerden ihrer Erkrankung unverzüglich sich über alle medizinischen Behandlungsformen informiert
und nach Abwägung der Risiken und Nebenwirkung die in Italien anerkannte Behandlungsmethode gewählt. Dabei
habe sie davon ausgehen dürfen, dass die Ag die für die Operation und Behandlung anfallenden Kosten erstatten
würde, zumal die Ast dadurch mehrere gesundheitsgefährdende Zusatz- und Nebenbehandlungen vermieden habe und
der Versichertengemeinschaft im Endefekt erhebliche Kosten erspart habe. Die Ast nahm dabei auch darauf Bezug,
dass vor Erteilung des Widerspruchsbescheids die Ag einmal einen Erstattungsbetrag in Höhe von 7.580,00 EUR
bzw. 2.047,52 EUR angeboten hatte, diese Angebote aber widerrufen wurden. Im Wege des einstweiligen
Rechtsschutzes begehrt die Antragstellerin, die Kosten, die eine in Deutschland durchgeführte Behandlung erfordert
hätte, im Wege der einstweiligen Anordnung zu erstatten, hilfsweise aber zumindest die Beträge, die die
Antragsgegnerin bereits angeboten hatte. Der Bevollmächtigte hat vorgetragen, die Ast habe einen Kredit aufnehmen
müssen. Derzeit unterziehe sich die Ast einer Rehabilitation in den USA.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 15.04.2008 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
zurückgewiesen mit der Begründung, es fehle an einem Anordnungsgrund für die geforderte einstweilige Anordnung,
da wesentliche Nachteile für die Ast nicht ersichtlich sind und somit grundsätzlich die Entscheidung in der
Hauptsache nicht vorweg genommen werden könne. Es sei für das Gericht nicht ersichtlich, inwieweit der Ast das
Abwarten der Hauptsacheentscheidung nicht zugemutet werden könne, daran ändere auch der Umstand nichts, dass
die Ag Teilzahlungen im Verwaltungsverfahren angeboten habe. Vorübergehende finanzielle Verluste seien kein
unzumutbarer Schaden, der den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen könnte.
Dagegen hat die Ast Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, die wesentlichen Nachteile der Ast lägen darin,
dass sie die Operationskosten in Höhe von mehr als 25.000,00 EUR habe finanzieren müssen und ein derartig hoher
Betrag für einen gesetzlich Krankenversicherten einen wesentlichen Nachteil per se darstelle. Im Übrigen habe die Ag
im Vorverfahren mit falschen Begründungen Zahlungen angeboten und wieder zurückgezogen, so dass eine
besondere Schutzbedürftigkeit der Ast bestehe. Die Ag beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, da keine
neuen Gesichtspunkte vorgetragen wurden und der Beschluss des Sozialgerichts München zutreffend sei.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 173, 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), erweist
sich jedoch als unbegründet. Die Ag kann unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt im Wege des einstweiligen
Rechtsschutzes verpflichtet werden, der Ast die Kosten der bereits durchgeführten Behandlung in M. zu erstatten.
Gemäß § 86b Abs.2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den
Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die
Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte
(Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands im Bezug auf
ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass ein Anordnungsanspruch und ein
Anordnungsgrund gegeben sind. Beide sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs.2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920
Abs.2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen
summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt sich kein Anordnungsgrund, da die Eilbedürftigkeit einer
Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr erkennbar ist. Die Ast hat zwar unmittelbar nach der Diagnose bei
der Ag vorgesprochen und die Übernahme der Behandlungskosten beantragt, war zu diesem Zeitpunkt aber bereits
entschlossen, die Behandlung in Italien durchführen zu lassen und hat diese noch bevor die Ag in der Lage war, eine
Entscheidung zu treffen, bereits durchgeführt. Das Sozialgericht hat dazu zutreffend ausgeführt, dass weder
vorgetragen wurde noch erkennbar ist, worin der nicht wieder auszugleichende Schaden der Klägerin besteht, wenn
die Entscheidung in der Hauptsache abgewartet werden muss. Die Ast hat dazu auch keine detaillierten glaubhaften
Ausführungen in der Beschwerdebegründung gemacht. Allein die Aufnahme eines Kredits zur Finanzierung der
streitigen Leistung stellt keinen nicht ausgleichbaren Nachteil dar, der eine Übernahme der Kosten im vorläufigen
Rechtsschutz rechtfertigen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.