Urteil des LSG Bayern vom 17.02.2004

LSG Bayern: wiedereinsetzung in den vorigen stand, zumutbare tätigkeit, diabetes mellitus, berufsunfähigkeit, erwerbsunfähigkeit, kellner, erwerbsfähigkeit, verdacht, psychiatrie, psychotherapie

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 17.02.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 14 RJ 1589/98 A
Bayerisches Landessozialgericht L 6 RJ 580/00
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 5. April 2000 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, hilfsweise - ab 01.01.2001
- auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1943 geborene Kläger ist Staatsangehöriger der Republik Slowenien. Er ist in der Bundesrepublik Deutschland
vom 19.02.1971 bis 16.07.1983 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen; anschließend hat er vom 12.09.1983 bis
14.07.1984 Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit wegen Arbeitslosigkeit bezogen. In Slowenien hat er zuletzt vom
01.09.1984 bis 29.09. 1995 Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt. Seit 30.09.1995 bezieht er nach seinen Angaben eine
Rente aus der slowenischen Renten- und Invalidenversicherung.
Einen ersten auf Zahlung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit gerichteten Antrag des Klägers vom
31.05.1995 hat die Beklagte mit Bescheid vom 15.04.1996 abgelehnt. Den erneuten Antrag vom 21.04.1997 lehnte sie
mit Bescheid vom 19.06. 1998 und Widerspruchsbescheid vom 12.11.1998 ab, weil der Kläger leichte Arbeiten noch
vollschichtig verrichten könne und als ungelernter Arbeiter auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei.
Mit der am 18.11.1998 zum Sozialgericht Landshut (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger seinen Rentenanspruch
weiter. Er gab an, in seiner Heimat den Beruf eines Kellners erlernt und am 13.09.1963 die entsprechende Prüfung
abgelegt zu haben. Er sei in Deutschland immer bei H. A. im U-Bahnhof S.straße in B. beschäftigt gewesen.
Zunächst habe er vier Jahre als Kellner gearbeitet, dann sei er noch etwa acht Jahre Schichtführer und Vorgesetzter
von etwa zehn Mitarbeitern gewesen. Zum Nachweis legte er ein (Arbeits-)Zeugnis vom 16.03.1984 vor, wonach er als
Imbißverkäufer und Kellner beschäftigt worden sei. Aufgrund seiner Verlässlichkeit habe er als Schichtführer
eingesetzt werden können. Auch habe er gute Kochkenntnisse gehabt, so dass er durch Zubereitung spezieller
Gerichte den Kundenstamm habe vergrößern können. Auch im Fast-food-Bereich sei er erfolgreich eingesetzt worden.
Er habe sich in die Computerbedienung eingearbeitet und die tägliche Kassenabrechnung erstellt.
Nachdem die Begutachtung durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. R. , den Arzt für
Orthopädie/Rheumatologie Dr. S. und den Internisten, Lungen- und Bronchialheilkunde, Sozialmedizin,
Umweltmedizin, Öffentliches Gesundheitswesen Dr. P. ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten
ergeben hatte, wies das SG die Klage mit Urteil vom 05.04.2000 ab.
Am 13.10.2000 ging die Berufung des Klägers gegen dieses ihm im Inland am 05.04.2000 zugestellte Urteil beim
Bayer. Landessozialgericht ein. Unter Vorlage medizinischer Unterlagen wies er auf seinen schlechten
Gesundheitszustand insbesondere auf nervenärztlichem Fachgebiet hin; er könne keine Erwerbstätigkeit mehr
ausüben.
Der Senat zog die Klageakten des SG Landshut sowie die Verwaltungsakten der Beklagten bei und gewährte dem
Kläger mit Beschluss vom 21.03.2001 hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand.
Sodann erholte der Senat zur Feststellung des Gesundheitszustands und des beruflichen Leistungsvermögens des
Klägers medizinische Sachverständigengutachten von dem Arzt für Orthopädie Dr. F. (Gutachten vom 23.01.2002),
von dem Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M. (Gutachten vom 08.08.2002), und von dem
Internisten Dr. E. (Gutachten vom 20.09.2002).
Dr. F. stellte auf orthopädischem Fachgebiet folgende Gesundheitsstörungen fest:
- Initiale Spondylochondrose C4 bis C5, Spondylochondrose C6 bis C7, Spondylarthrose, geringe
Uncovertebralarthrose, Fehlhaltung und ausgeprägte Spondylose der Halswirbelsäule.
- Leichte osteochondrotische Veränderungen der mittleren Brustwirbelsäule nach Morbus Scheuermann, Spondylose
der Brustwirbelsäule, Costotransversalarthrose.
- Spondylochondrose L2 bis L5, lumbosakrale Assimlationsstörung, leichte Retropositio L4.
- Beginnende Coxarthrose rechts mehr als links.
- Fersensporn links mehr als rechts, degenerative Veränderungen beider Großzehengrundgelenke und des rechten
Großzehenendgelenks bei mäßigen Sichelfüßen.
- Omarthrose rechts mehr als links.
- Nebendiagnosen: Übergewichtigkeit, venöse Blutumlaufstörungen.
Dr. M. erhob beim Kläger nervenärztlicherseits folgende Diagnosen:
- Somatisierungsstörung
- Angst- und depressive Störung, gemischt.
- Lumbago ohne funktionelle Defizite.
- Chronischer Spannungskopfschmerz.
- Verdacht auf leichte, vorwiegend sensible Polyneuropathie im Bereich der unteren Extremitäten.
Aus internistischer Sicht diagnostizierte Dr. E.:
- Diabetes mellitus Typ IIb, derzeit unzureichend eingestellt mit folgenden Organkomplikationen: a) Polyneuropathie,
b) Mediasklerose.
- Arterieller Hypertonus, derzeit ohne Organkomplikationen.
- Gefäßrisikofaktoren: Adipositas Grad I, Hypercholesterinäme, grenzwertige Hyperuricämie.
- Zustand nach helicobacterassoziierter Gastrits und Eradikationstherapie, Verdacht auf Refluxkrankheit.
- Nebenbefundlich: Fettleber, Zustand nach Hepatitis A.
Dr. E. führte zusammenfassend aus, der Kläger könne seit dem Zeitpunkt des Rentenantrags vom April 1997 unter
den üblichen Bedingungen eines Beschäftigungsverhältnisses leichte Arbeiten überwiegend in geschlossenen
Räumen und mit der Möglichkeit zum Wechsel der Ausgangslage noch vollschichtig (acht Stunden am Tag)
verrichten. Zu vermeiden sei der Einfluß von Kälte, Nässe oder Zugluft, das Heben oder Tragen von schweren Lasten,
Tätigkeiten in Nachtschicht, in Wechselschicht oder im Akkord, Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, Tätigkeiten, bei
denen dauerhaft Schutzkleidung (z.B. Gummistiefel) getragen werden müssten, Tätigkeiten, die ein erhöhtes
Konzentrationsvermögen erforderten, dauerhaft stehende oder gehende Tätigkeiten, Tätigkeiten mit häufigem Bücken
oder Zwangshaltungen, außerdem Überkopfarbeiten. Der Kläger könne viermal am Tag Wegstrecken von deutlich
mehr als 500 Metern in angemessener Geschwindigkeit zu Fuß zurücklegen. Die Umstellungsfähigkeit auf eine
andere Berufstätigkeit sei nicht eingeschränkt.
Zum Nachweis seiner Berufsausbildung legte der Kläger sein Prüfungszeugnis vor, in dem es heißt, er habe die
Prüfung zum Hilfskellner am 13.03.1963 bestanden. Außerdem übersandte der Kläger Bilder, die ihn an seiner
früheren Arbeitsstelle zeigen.
Die ehemalige Arbeitgeberin H. A. gab die Auskunft, der Kläger sei anfangs am Tresen, dann als Kellner und später in
der Imbißwirtschaft beschäftigt worden. Als Kellner habe der Kläger etwa zwei Jahre gearbeitet. In diesem Berufsbild
habe er Facharbeiterqualifikation gehabt. Während der letzten Beschäftigung des Klägers in der Imbißwirtschaft habe
es folgendes Speisenangebot gegeben: 1/2 Hähnchen, Currywurst, Bockwurst, Pommes frites, Brötchen, Kaffee,
Getränke, Bier. Der Kläger sei zu keiner Zeit Schichtführer oder Geschäftsführer gewesen, er habe nie
Vorgesetztenfunktion gehabt.
Auf Anfrage gemäß § 377 Abs. 3 ZPO erklärte der Zeuge M. W. , er sei 1983 als Geschäftsführer eingestellt worden.
Ihm habe das gesamte Personal von ca. 30 Personen unterstanden. An den Kläger könne er sich nach so langer Zeit
kaum mehr erinnern. Welche Position der Kläger vor der Einstellung des Zeugen bekleidet habe, wisse er nicht.
Während seiner Zeit als Geschäftsführer sei der Kläger jedenfalls ein ihm untergeordneter Arbeitnehmer gewesen mit
ausschließlicher Verkaufstätigkeit im Imbißbereich.
Der in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende und auch nicht vertretene Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 05.04.2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19.06.1998 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aufgrund
seines Antrags vom 21.04.1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise - ab
01.01.2001 - eine Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den
Inhalt der beigezogenen Akten und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden
Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG Landshut vom 05.04.2000 ist nicht zu beanstanden, weil
der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und - ab 01.01.2001
- auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist wegen der Antragstellung
vor dem 31.03.2001 an den Vorschriften des SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) zu messen, da
geltend gemacht ist, dass dieser Anspruch bereits seit einem Zeitpunkt vor dem 01.01.2001 besteht, vgl. § 300 Abs.
2 SGB VI. Für den Anspruch des Klägers sind aber auch die Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden
Fassung (n.F.) maßgebend, soweit sinngemäß auch (hilfsweise) vorgetragen ist, dass jedenfalls ein Anspruch auf
Rente wegen Erwerbsminderung seit einem Zeitpunkt nach dem 31.12.2000 gegeben sei, vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI a.F., weil er ab dem
Zeitpunkt des Rentenantrags vom 21.04.1997 bis jetzt nicht im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift
berufsunfähig ist. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. sind nämlich nur solche Versicherte berufsunfähig, deren
Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit
ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (Satz 1). Der Kreis der
Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst hierbei alle Tätigkeiten, die
ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer
Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit
zugemutet werden können (Satz 2). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann;
dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4). Die hier genannten Tatbestandsmerkmale
der Berufsunfähigkeit liegen beim Kläger nicht vor.
Das nach Satz 1 dieser Vorschrift zunächst festzustellende berufliche Leistungsvermögen des Klägers ist bereits
eingeschränkt. Er kann aber seit dem Zeitpunkt des Rentenantrags vom April 1997 unter den üblichen Bedingungen
eines Beschäftigungsverhältnisses leichte Arbeiten überwiegend in geschlossenen Räumen und mit der Möglichkeit
zum Wechsel der Ausgangslage noch vollschichtig (acht Stunden am Tag) verrichten. Zu vermeiden ist der Einfluss
von Kälte, Nässe oder Zugluft, das Heben oder Tragen von schweren Lasten, Tätigkeiten in Nachtschicht, in
Wechselschicht oder im Akkord, Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, Tätigkeiten, bei denen dauerhaft Schutzkleidung
(z.B. Gummistiefel) getragen werden muss, Tätigkeiten, die ein erhöhtes Konzentrationsvermögen erfordern,
dauerhaft stehende oder gehende Tätigkeiten, Tätigkeiten mit häufigem Bücken oder Zwangshaltungen, außerdem
Überkopfarbeiten. Beschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte liegen nicht vor, weil der Kläger die
durchschnittlich erforderlichen Fußwege zurücklegen kann (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr. 10).
Dieses berufliche Leistungsvermögen des Klägers ergibt sich vor allem aus den im Berufungsverfahren eingeholten
Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. F. , des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M.
und des Internisten Dr. E. , denen sich der Senat anschließt.
Beim Kläger liegen folgende Gesundheitsstörungen vor:
- Initiale Spondylochondrose C4 bis C5, Spondylochondrose C6 bis C7, Spondylarthrose, geringe
Uncovertebralarthrose, Fehlhaltung und ausgeprägte Spondylose der Halswirbelsäule.
- Leichte osteochondrotische Veränderungen der mittleren Brustwirbelsäule nach Morbus Scheuermann, Spondylose
der Brustwirbelsäule, Costotransversalarthrose.
- Spondylochondrose L2 bis L5, lumbosakrale Assimlationsstörung, leichte Retropositio L4.
- Beginnende Coxarthrose rechts mehr als links.
- Fersensporn links mehr als rechts, degenerative Veränderungen beider Großzehengrundgelenke und des rechten
Großzehenendgelenks bei mäßigen Sichelfüßen.
- Omarthrose rechts mehr als links.
- Somatisierungsstörung.
- Angst- und depressive Störung, gemischt.
- Lumbago ohne funktionelle Defizite.
- Chronischer Spannungskopfschmerz.
- Verdacht auf leichte, vorwiegend sensible Polyneuropathiem Bereich der unteren Extremitäten.
- Diabetes mellitus Typ IIb, derzeit unzureichend eingestellt mit folgenden Organkomplikationen: a) Polyneuropathie,
b) Mediasklerose.
- Arterieller Hypertonus, derzeit ohne Organkomplikationen.
- Gefäßrisikofaktoren: Adipositas Grad I, Hypercholesterinäme, grenzwertige Hyperuricämie.
- Zustand nach helicobacterassoziierter Gastrits und Eradikationstherapie, Verdacht auf Refluxkrankheit.
- Nebenbefundlich: Fettleber, Zustand nach Hepatitis A, venöse Blutumlaufstörung.
Im Rahmen der fachorthopädischen Untersuchung finden sich degenerative Veränderungen vor allem am rechten
Schultergelenk und im Bereich der Wirbelsäule. Hier sind entsprechend funktionelle Einschränkungen nachzuweisen.
Diagnostiziert werden neben den degenerativen Veränderungen Bandscheibenschädigungen im HWS- und LWS-
Bereich, sowie ein Zustand nach Morbus Scheuermann im BWS-Bereich. Daneben ergeben sich degenerative
Gelenkveränderungen an der Schulter und an der Hüfte, sowie an den Großzehengrundgelenken. Hierdurch sind
qualitative Leistungseinschränkungen zu berücksichtigen.
Eine psychiatrische Erkrankung und ein hirnorganisches Psychosyndrom können aufgrund der durch Dr. M.
durchgeführten Untersuchung nicht nachgewiesen werden. Die vom Kläger gemachten Angaben sind eher im Rahmen
von Befindlichkeitsstörungen zu sehen, wobei die körperlichen Beschwerden mit einer depressiv reaktiven
Verarbeitung als Somatisierungsstörungen zu qualifizieren sind. Im neurologischen Bereich ist eine mittelgradig
ausgeprägte Polyneuropathie der unteren Extremitäten zu diagnstizieren, jedoch ohne Atrophien oder Paresen.
Defizite, die auf ein Wurzelkompressionssyndrom hindeuten würden, sind nicht festzustellen. Die geklagten
Kopfschmerzen sind als Spannungskopfschmerz chronischer Form anzusehen und entsprechend therapierbar.
Insgesamt ist unter Berücksichtigung der Vorbefunde keine Verschlechterung des nervenärztlichen
Gesundheitszustandes nachzuweisen.
Auf internistischem Fachgebiet wird das Leistungsvermögen des Klägers vor allem durch eine Zuckererkrankung und
ein Hochdruckleiden beeinträchtigt. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass die Leistungseinschränkungen durch die
unzureichende Behandlung der Erkrankung bedingt sind. Unter einer konsequenten Therapie mit regelmäßigen
Kontrollen ist sowohl eine Verbesserung der Zuckerstoffwechsellage als auch des Hochdrucks zu erreichen. Derzeit
ist durchaus davon auszugehen, dass es immer wieder einmal kurzzeitig zu quantitativen Leistungseinschränkungen
kommen kann. Eine längerfristige quantitative Leistungseinschränkung ist jedoch nicht zu erkennen, da eine rasche
Besserung innerhalb von vier bis sechs Wochen unter entsprechender Therapiemodifikation zu erwarten ist. Wichtig
ist auch, dass nur durch eine konsequente Therapie des Diabetes ein weiteres rasches Fortschreiten der
Organkomplikationen - sowohl die neuropathische Schädigung als auch die Gefäßschädigung - zu verhindern ist.
Insgesamt besteht aus internistischer Sicht zum jetzigen Zeitpunkt eine Leistungsfähigkeit für leichte körperliche
Tätigkeiten, wie in den Belastungstests nachzuweisen war. Von Seiten der Magen- und Speiseröhrenerkrankung sind
qualitative Leistungseinschränkungen zu berücksichtigen.
Die festgestellten Gesundheitsstörungen lassen noch eine Berufstätigkeit unter Beachtung der oben aufgeführten
qualitativen Einschränkung vollschichtig zu.
Nach dem beruflichen Leistungsvermögen ist weiterer Ausgangspunkt für die Feststellung der Berufsunfähigkeit der
Hauptberuf des Versicherten. Bei dessen Bestimmung ist grundsätzlich von der zuletzt in der Bundesrepublik
Deutschland ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit auszugehen (vgl. KassKomm-Niesel §
240 SGB VI Rdnr. 14 mit weiteren Nachweisen). Maßgeblicher Hauptberuf ist vorliegend der eines Imbißverkäufers,
wie ihn der Kläger zuletzt ausgeübt hat. Dass dies tatsächlich seine letzte Berufstätigkeit bei H. A. gewesen ist,
ergibt sich aus den diesbezüglich übereinstimmenden Angaben der früheren Arbeitgeberin und des Zeugen M. W ...
Damit steht das Arbeitszeugnis vom 16.03.1984 nicht in einem unerklärlichen Widerspruch; denn es ist gut möglich,
dass der Kläger zeitweise die dort angegebenen qualifizierteren Tätigkeiten ausgeübt hat. Zuletzt jedenfalls ist er
ausschließlich im Imbißverkauf eingesetzt gewesen. Nach den vorliegenden qualitativen Einschränkungen ist davon
auszugehen, dass der Kläger diese Berufstätigkeit nicht mehr ausüben kann, da bei einer Verkaufstätigkeit ein
erhöhtes Konzentrationsvermögen erforderlich ist und kaum die Möglichkeit besteht, das ständige Stehen und Gehen
durch Sitzen zu unterbrechen.
Obwohl der Kläger seinen maßgeblichen Beruf nicht mehr ausüben kann, ist er aber dennoch nicht berufsunfähig. Für
die Annahme von Berufsunfähigkeit reicht es nämlich nicht aus, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf nicht mehr
ausüben können; vielmehr sind - wie sich aus § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. ergibt - Versicherte nur dann
berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder
sozial nicht mehr zumutbar ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u.a. SozR 2200 1246 Nr. 138).
Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Wertigkeit des bisherigen Berufs.
Um diese zu beurteilen, hat das BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind
ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet
worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw.
des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer
Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer
Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG SozR 2200 §
1246 Nr. 138 und 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht
auschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr
allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für
den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten
Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen
Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 27 und 33). Grundsätzlich darf der
Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG
SozR 2200 § 1246 Nr. 143 m.w.N.; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 5).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Kläger der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters, und zwar
des unteren Bereichs (Ausbildungs- oder Anlernzeit von drei Monaten bis zu einem Jahr, vgl. BSG-Urteil vom
29.03.1994 - 13 RJ 35/93 = SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45), zuzuordnen. Dies ergibt sich aus den für den Senat im
Gegensatz zu den Behauptungen des Klägers maßgeblichen Angaben der Arbeitgeberin und des Zeugen über den
Inhalt der letzten Berufstätigkeit. Dass der Kläger als angelernter Arbeiter des oberen Bereichs oder gar als
Facharbeiter zu qualifizieren wäre, ist im Sinn der objektiven Beweislast nicht nachweisbar.
Als angelerntem Arbeiter des unteren Bereichs ist dem Kläger die Verweisung auf praktisch alle - auch ungelernten -
Berufstätigkeiten sozial zumutbar, denen er körperlich, geistig und seelisch gewachsen ist. Der Benennung eines
konkreten Verweisungsberufs bedarf es grundsätzlich nicht. Auch liegt beim Kläger weder eine Summierung
ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die
ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit auch bei einem Versicherten erforderlich
machen würde, der der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters des unteren Bereichs zuzuordnen ist. Ob
dem Kläger ein Arbeitsplatz auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich vermittelt werden könnte, ist
rechtlich unerheblich, da bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt als offen anzusehen ist und
das Risiko der Arbeitsvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen
Rentenversicherung zu tragen ist; dementsprechend bestimmt § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI, dass nicht berufsunfähig
ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, und dass hierbei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu
berücksichtigen ist (vgl. zum Vorstehenden zusammenfassend den Beschluss des Großen Senats des BSG vom
19.12.1996 - GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).
Der Kläger, der keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit hat, hat erst recht keinen Anspruch auf Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß der Vorschrift des bis 31.12.2000 in Kraft befindlichen § 44 Abs. 1 SGB VI, weil er
die noch strengeren Voraussetzungen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des zweiten Absatzes dieser
Bestimmung nicht erfüllt. Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI sind solche Versicherte nicht erwerbsunfähig, die -
wie der Kläger - (irgend)eine Berufstätigkeit noch vollschichtig ausüben können; dabei ist die jeweilige
Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach den §§ 43, 240 SGB VI n.F. hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, da
hiernach - wie bisher - ein Rentenanspruch jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn ein Versicherter - wie der Kläger
- einen zumutbaren anderen Beruf als den bisherigen (sogar noch) vollschichtig ausüben kann.
Dass der Kläger nach dem Recht seines Herkunftslandes Anspruch auf Rente hat, führt nicht zwingend dazu, dass er
auch in der Bundesrepublik Deutschland Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Rente wegen
Erwerbsminderung beanspruchen könnte. Der Anspruch auf eine deutsche Rente wegen Erwerbs- oder
Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung ist nämlich unabhängig davon allein nach den deutschen
Rechtsvorschriften und entsprechend den hiesigen sozialmedizinischen Grundsätzen festzustellen. Etwas anderes
ergibt sich auch nicht aus dem zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Landshut vom 05.04.2000 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.