Urteil des LSG Bayern vom 13.05.2009

LSG Bayern: anspruch auf rechtliches gehör, verwertung, rüge, form, verminderung, hauptsache, zukunft, grundrecht, verfassungsbeschwerde, rechtsschutz

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 13.05.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Würzburg S 8 AS 1006/08 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 11 AS 242/09 B ER RG
Die Anhörungsrüge sowie die Gegenvorstellung des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats vom 25.03.2009
werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Der Antragsteller (ASt) wendet sich gegen einen Beschluss des Senats vom 25.03.2009 im Beschwerdeverfahren L
11 AS 31/09 B ER. Mit diesem Beschluss wurde die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg
(SG) vom 16.12.2008 Ziff. I und III zurückgewiesen. Streitig zwischen den Beteiligten war die Gewährung von
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch -SGB II- ab 01.12.2008.
Am 03.11.2008 hatte der ASt die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beantragt, was die
Antragsgegnerin (Ag) mit Bescheid vom 03.11.2008 ablehnte. Am 20.11.2008 hat der ASt im Rahmen einer
einstweiligen Anordnung beantragt, die Ag zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab
01.12.2008 zu verpflichten, was das SG mit Beschluss vom 16.12.2008 ablehnte. Hiergegen hat der ASt am
15.01.2009 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Mit Bescheid vom 12.01.2009 hat die Ag dem ASt
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 15.01.2009 bis 31.07.2009
bewilligt. Mit Schreiben vom 15.01.2009 und 20.01.2009 hat der ASt mitgeteilt, er sei nunmehr gezwungen gewesen,
sein nicht verwertbares Vermögen auf dem Sparkonto zu dezimieren, da es aufgrund des Herausfallens aus der
gesetzlichen Krankenversicherung zu einer Beitragserhebung gekommen sei. Darüber hinaus seien weitere Kosten
wegen eines Kühlschranks und der Lebensführung angefallen. Mit Beschluss vom 25.03.2009 hat der Senat die
Beschwerde gegen den Beschluss des SG in Ziffer I und III zurückgewiesen. Die Beschwerde erweise sich insoweit
als unzulässig, soweit damit Leistungen ab dem 15.01.2009 geltend gemacht würden, da mit Bescheid vom
12.01.2009 die Ag dem ASt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bewilligt habe. Für den Zeitraum vom
01.12.2008 bis 14.01.2008 ergab sich nach Auffassung des Senats kein Anordnungsgrund, da vorläufige Leistungen
für Leistungsansprüche, die abgelaufene Zeiträume betreffen, regelmäßig nicht mehr nötig seien, um wesentliche
Nachteile abzuwenden. Hier seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, die ein Abweichen geboten erscheinen
ließen. Eine Dezimierung des Schonvermögens und ein fehlender Krankenversicherungs- und
Pflegeversicherungsschutz für die Vergangenheit reichten für die Bejahung eines Anordnungsgrundes nicht. Dem ASt
sei es zumutbar, für diesen Zeitraum, soweit er dies begehre, gerichtliche Klärung durch ein Klageverfahren
herbeizuführen. Hiergegen hat der ASt am 15.04.2009 Anhörungsrüge sowie Gegenvorstellung erhoben. Er habe form-
und fristgemäß am 19.02.2009 Klage zum SG erhoben. Damit bestünde durchaus noch Raum für die Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes, da der Widerspruchsbescheid noch nicht bestandskräftig sei. Der Vortrag in den
Schriftsätzen vom 15.01.2009 und 20.01.2009 sei nicht ausreichend gewürdigt, da durch die Vorgehensweise der Ag
eine zwangsweise Verwertung des Schonvermögens eine in die Zukunft hineinwirkende Verminderung desselben
verursache, wozu der ASt laut Gesetzeslage aber nicht verpflichtet gewesen sei. Durch die Leistungsverweigerung in
der Vergangenheit und die hierdurch erfolgte zwangsweise Dezimierung des Schonvermögens auf den Girokonten
seien dem ASt noch bis zum heutigen Tage wirkende gegenwärtige, schwere, irreparable und unzumutbare Nachteile
entstanden, denn sein Schonvermögen auf dem Girokonto und auf dem Sparbuch wäre bei Leistungsgewährung heute
größer. Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die gerichtlichen Akten Bezug genommen.
II. Die Anhörungsrüge des ASt ist nach § 178a Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, insbesondere ist sie innerhalb
einer Frist von zwei Wochen ab Kenntnisnahme des Beschlusses und damit fristgerecht erhoben worden, § 178a Abs
2 Satz 1 SGG. Ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung des BayLSG vom 25.03.2009
ist nicht gegeben, § 178a Abs 1 Nr 1 SGG. Der ASt behauptet, er habe form- und fristgemäß am 19.02.2009 Klage
zum SG erhoben, damit bestünde noch Raum für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, da der
Widerspruchsbescheid noch nicht bestandskräftig geworden sei. Der Senat habe die Schriftsätze vom 15.01. und
20.01.2009 nicht ausreichend gewürdigt, da die durch die Vorgehensweise der Ag veranlasste Verwertung des
Schonvermögens eine in die Zukunft hineinwirkende Verminderung desselben verursacht habe. Dieses Vorbringen
genügt den Anforderungen, die an die Erhebung einer Anhörungsrüge zu stellen sind (vgl. zum Darlegungserfordernis
als Zulässigkeitsvoraussetzung: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl, § 178a Rdnr 6a).
Die Rüge ist jedoch unbegründet, weil das rechtliche Gehör des ASt nicht verletzt worden ist. Ob eine Verletzung des
Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliegt, ist zunächst nach den Maßstäben des Artikel 103 Abs 1 Grundgesetz (GG)
zu beurteilen, da unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte die Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf
rechtliches Gehör die Rüge eröffnen soll (vgl Leitherer aaO § 178a Rdnr 5). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs
besagt, dass der Beteiligte zum jeweiligen Verfahren herangezogen werden und Gelegenheit haben muss, sich vor
Erlass der Entscheidung zum Prozessstoff zu äußern und gehört zu werden (vgl Keller aaO § 62 Rdnr 2), sowie dass
das Vorbringen der Beteiligten in die Erwägung des Gerichts einbezogen wird (vgl BSG SozR 4-1500 § 178a Rdnr 5).
Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen war der Anspruch auf rechtliches Gehör des ASt gewahrt. Insbesondere
ist das Vorbringen des ASt beachtet worden, er sei zur zwangsweisen Verwertung seines Schonvermögens
verpflichtet worden. Dieses Vorbringen hatte der ASt bereits in den Schriftsätzen vom 15.01. und 20.01.2009 zum
Ausdruck gebracht. In den Gründen des Beschlusses des Senats vom 25.03.2009 wird das Schreiben des ASt vom
20.01.2009 ausdrücklich aufgeführt, im Schreiben vom 15.01.2009 finden sich im Wesentlichen inhaltsgleiche
Ausführungen. Auf diese Ausführungen ist der Senat auch eingegangen. Nach Seite 5 des Beschlusses ist es
ständige Rechtsprechung des Senats, dass vorläufige Leistungen für Leistungsansprüche die abgelaufene Zeiträume
betreffen, regelmäßig nicht mehr nötig sind, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Nach den Gründen des
Beschlusses reicht eine Dezimierung des Schonvermögens und ein fehlender Krankenversicherungs- und
Pflegeversicherungsschutz für die Vergangenheit für die Bejahung eines Anordnungsgrundes nicht. Nach dem
Beschluss ist es dem ASt zumutbar, für diesen Zeitraum, soweit er dies begehrt, gerichtliche Klärung durch ein
Klageverfahren herbeizuführen. Lediglich ergänzend hierzu ist auszuführen, dass beim ASt - unter Berücksichtigung
der genannten Schuldverpflichtungen - in jedem Fall ein Unterschreiten des Höchstbetrags des Schonvermögens
eingetreten wäre. Die Gewährung von Leistungen für den Zeitraum vom 1.12.2008 bis 14.01.2009 hätte die Lage des
ASt - unter Berücksichtigung des Prüfungsumfangs des Beschwerdeverfahrens - nicht wesentlich verbessert. Weitere
konkretere Ausführungen hierzu waren nicht geboten. Es muss in der Entscheidung nicht auf jegliches
Beteiligtenvorbringen und jeden denkbaren Gesichtspunkt eingegangen werden, weil sich aus dem Beschluss
zweifelsfrei ergab, dass das Vorbringen auch ohne ausdrückliche Erwähnung für nicht entscheidungserheblich
gehalten wurde (vgl insoweit BSG 12.Senat vom 23.12.2008 Az: B 12 KR 2/08 C). Die Tatsache, dass und ob der
Kläger Klage zum SG erhoben hat, war nach dem Beschluss des Senats vom 25.03.2009 unbeachtlich. Nach
Aktenlage war zum damaligen Zeitpunkt eine Klageerhebung nicht festzustellen. Nach den Gründen des Beschlusses
kam es hierauf entscheidungserheblich auch nicht an. Lediglich ergänzend wurde in den Entscheidungsgründen
aufgeführt, dass auch soweit der Widerspruchsbescheid vom 21.01.2009 bestandskräftig geworden sein sollte,
grundsätzlich kein Raum mehr für die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz besteht. Entscheidungserheblich für
die Zurückweisung der Beschwerde war allerdings das fehlende Rechtsschutzbedürfnis für die Zeit ab
Leistungsgewährung, sowie das Fehlen eines Anordnungsgrundes für den Zeitraum vom 01.12.2008 bis 14.01.2009
wegen zurückliegender Zeiträume.
Das Grundrecht auf rechtliches Gehör gemäß Artikel 103 GG verbürgt keine Gewährleistung dafür, dass das
Vorbringen eines Verfahrensbeteiligten in dessen Sinne vom Gericht auch zustimmend zur Kenntnis genommen wird,
der Kläger hat - lediglich - einen Anspruch auf die Möglichkeit der Äußerung und Würdigung durch das Gericht. (vgl
BSG 12. Senat vom 23.12.2008, Az. B 12 KR 2/08 C).
Neben der Anhörungsrüge ist auch die Gegenvorstellung des Klägers statthaft. Die Erhebung von Gegenvorstellungen
wegen der Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte oder des Willkürverbots bleibt nach dem Willen des
Gesetzgebers (BTDrucks 15/3706 S 14, Teil A II 4) neben der Anhörungsrüge grundsätzlich möglich (vgl. BSG
13.Senat, Beschluss vom 28.07.2005, Az: B 13 RJ 178/05 B).
Die Gegenvorstellung soll vorrangig die Möglichkeit eröffnen, einen an sich unanfechtbaren Beschluss zu ändern,
wenn die getroffene Entscheidung in offensichtlichem Widerspruch zum Gesetz steht und insbesondere unter
Verletzung von Grundrechten ergangen ist, so dass sie sonst nur im Wege der Verfassungsbeschwerde angegriffen
werden könnte, oder wenn die Entscheidung zu einem groben prozessualen oder sozialen Unrecht führen würde (vgl
BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 3). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Verletzung entsprechender
Positionen des ASt scheitert im übrigen bereits daran, dass - wie der ASt vorträgt - nunmehr in der Hauptsache Klage
zum SG erhoben worden ist. Im Hauptsachverfahren werden die Einwendungen des ASt geprüft und beurteilt werden.
Unter Berücksichtigung der Gründe des Beschlusses des Senats vom 25.03.2009 ist dem ASt ein Abwarten dieser
Hauptsache zumutbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf eine entsprechende Anwendung des § 193 SGG. Der Beschluss ist unanfechtbar,
§ 178a Abs 4 Satz 3 SGG.