Urteil des LSG Bayern vom 27.07.2007

LSG Bayern: anrechenbares einkommen, fahrtkosten, gehalt, freibetrag, wohnung, form, beitrag, sozialversicherung, haftpflichtversicherung, erwerbstätigkeit

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 27.07.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 16 AS 428/06
Bayerisches Landessozialgericht L 7 AS 323/06
I. Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 23.10.2006 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form von Arbeitslosengeld (Alg) II für November 2005 streitig.
Die 1985 geborene Klägerin zu 1. und der 1983 geborene Kläger zu 2. beantragten bei der Beklagten Alg II und gaben
an, seit 2003 in eheähnlicher Gemeinschaft zu leben. Der Kläger zu 2. bezog bis 01.05.2005 Alg I und übte
anschließend bis einschließlich Oktober 2005 eine Beschäftigung in einem Malerbetrieb aus; er erzielte ein
monatliches Bruttoentgelt von 1.920,- EUR, das zuletzt im November 2005 ausbezahlt wurde. Am 02.11.2005 trat er
seinen Zivildienst bei den Behindertenwerkstätten O.-GmbH an und erhielt am 15.11.2005 401,21 EUR ausbezahlt.
Die Klägerin zu 1. nahm am 21.11.2005 eine Vollzeitbeschäftigung bei der Firma A. auf.
Mit Bescheid vom 13.12.2005 lehnte die Beklagte den am 16.11.2005 eingereichten Antrag auf Alg II mit der
Begründung ab, die Kläger seien nicht hilfebedürftig. In ihrer Berechnung stellte sie dem Gesamtbedarf von 1.039,-
EUR ein anzurechnendes Einkommen von 1.357,61 EUR gegenüber.
Mit ihrem Widerspruch machten die Kläger geltend, das Einkommen des Klägers zu 2. sei nicht richtig berechnet
worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Das
Einkommen übersteige den Gesamtbedarf um 318,61 EUR. Selbst bei einer Verminderung des anrechenbaren
Einkommens würde sich nichts an der Ablehnungsentscheidung ändern.
Mit ihrer zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhobenen Klage haben die Kläger sich dagegen gewandt, dass das für
den Oktober 2005 gezahlte Gehalt im November berücksichtigt worden sei. Heranzuziehen sei lediglich das Entgelt
aus der Tätigkeit als Zivildienstleistender. Der Kläger zu 2. habe außerdem für beide Tätigkeiten eine einfache
Fahrstrecke von jeweils 25 km zu bewältigen gehabt. Zudem seien die Beiträge zur Renten-, Haftpflicht-,
Rechtsschutz- und Unfallversicherung von insgesamt 113,93 EUR nicht berücksichtigt worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.10.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach der sog. Zuflusstheorie seien die
beiden im November 2005 zugeflossenen Gehälter in diesem Monat als Einkommen zugrundezulegen. Abzuziehen
seien die Steuern von 272,72 EUR, die Sozialversicherungsbeiträge von 410,88 EUR, die Beiträge zur Kfz-
Versicherung von 40,- EUR, ein pauschalierter Betrag für Versicherungen von 30,- EUR sowie die Fahrtkosten im
Zusammenhang mit der Zivildienststelle von 210,- EUR. Das zu berücksichtigende Einkommen von 1.357,61 EUR
übersteige nach wie vor den Bedarf von 1.039,- EUR um 318,61 EUR; selbst wenn man - was aber nicht möglich sei -
die weiteren Versicherungsbeiträge abziehen würde, würde sich kein Anspruch auf Alg II ergeben.
Mit ihrer Berufung wenden sich die Kläger weiter dagegen, dass das für den Monat Oktober 2005 ausgezahlte Gehalt
berücksichtigt werde. Zudem habe das SG die von der Beklagten zugrunde gelegten Freibeträge nicht berücksichtigt.
Außerdem müssten die zusätzlich geltend gemachten Versicherungen abgezogen werden.
Die Kläger beantragen sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 23.10.2206 sowie den
Bescheid der Beklagten vom 13.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2006 aufzuheben und
die Beklagte zu verpflichten, für den Monat November 2005 Alg II zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Auch bei zusätzlicher Berücksichtigung eines Freibetrages von 280,- EUR ergebe sich ein anrechenbares Einkommen
von 1.062,28 EUR, das den Gesamtbedarf von 1.039,- EUR übersteige.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen und den Verfahrensakten
beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein
Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor. Der Beschwerdewert von 500,- EUR ist überschritten, da die
Kläger geltend machen, das für Oktober 2005 ausbezahlte Gehalt dürfe nicht berücksichtigt werden, weshalb sich
eine Leistung von mehr als 500,- EUR errechnen würde.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als nicht begründet. Den Klägern steht Alg II für den Monat November
2005 nicht zu.
Die Kläger sind nicht hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs.1 Satz 1 Nr.3 SGB II, da das vom Kläger zu 2. erzielte
Einkommen gemäß § 9 Abs.2 Satz 1 SGB II auf den für beide bestehenden Bedarf anzurechnen ist; unstreitig bilden
sie gemäß § 7 Abs.3 Nr.3b SGB II in der bis 31.07.2006 geltenden Fassung eine Bedarfsgemeinschaft, da sie in einer
eheähnlichen Gemeischaft lebten.
Bei den im November 2005 zugeflossenen Gehältern aus der Beschäftigung in dem Malerbetrieb und der Tätigkeit als
Zivildienstleistender handelt es sich um Einkommen, das nach § 11 Abs.1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen ist.
Gemäß § 2 Abs.2 Satz 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von
Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) vom 20.10.2004 (BGBl.I S.2622) in der
Fassung der Änderungsanordnung vom 22.08.2005 (BGBl.I S.2499) sind laufende Einnahmen für den Monat zu
berücksichtigen, in dem sie zufließen. Sowohl bei dem für November 2005 gezahlten Gehalt als auch bei der für die
Ausübung der Zivildiensttätigkeit gezahlten Entschädigung handelt es sich um laufende Einnahmen. Hierbei kommt
es grundsätzlich nicht darauf an, wann diese Einnahmen erarbeitet wurden, vielmehr sind sie nach dem klaren
Wortlaut der zitierten Regelung für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie "zufließen". Beide Entgelte sind im
November 2005 zugeflossen.
Somit hat der Kläger zu 2. ein Bruttoentgelt von 2.321,21 EUR erzielt. Gemäß § 11 Abs.2 Satz 1 Nr.1 SGB II sind die
entrichteten Steuern von 272,72 EUR, gemäß § 11 Abs.2 Satz 1 Nr.2 SGB II die Pflichtbeiträge zur
Sozialversicherung in Höhe von 410,88 EUR abzuziehen, so dass sich eine Zwischensumme von 1.637,61 EUR
ergibt.
Gemäß § 11 Abs.2 Satz 1 Nr.3 SGB II sind Beiträge zu öffentlichen und privaten Versicherungen oder ähnlichen
Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind,
abzusetzen. Hierbei hat die Beklagte einen Beitrag zur Kfz-Haftpflichtversicherung von monatlich 40,- EUR
berücksichtigt. Weiterhin sind nach § 11 Abs.2 Satz 1 Nr.5 SGB II die mit der Erzielung des Einkommens
verbundenen notwendigen Ausgaben abzusetzen. Hierbei hat die Beklagte Fahrtkosten in Höhe von monatlich 210,-
EUR im Ergebnis zu Recht berücksichtigt. Es kann dahinstehen, ob sowohl für die im Oktober 2005 als auch für die
Zivildiensttätigkeit im November 2005 Fahrtkosten für die jeweils 25 km entfernte Arbeits- bzw. Dienststelle
abzusetzen sind. Denn gemäß § 3 Abs.1 Nr.3b Alg II-V in der ab 01.10.2005 geltenden Fassung sind bei Benutzung
eines Kfz für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zur Ausübung der Erwerbstätigkeit 0,20 EUR für jeden
Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung abzusetzen. Entfernungskilometer bedeutet, dass nur die
einfache Strecke von Wohnung und Arbeitsstätte mit 0,20 EUR pro km zu berücksichtigen ist, so dass für jede der
beiden ausgeübten Tätigkeiten pro Tag nur jeweils eine Strecke von 25 km in der Weise zu berücksichtigen ist, dass
diese Kilometerzahl mit dem Pauschalbetrag von 0,20 EUR zu multiplizieren ist. Im Ergebnis ergibt sich auch bei
Berücksichtigung der Fahrtkosten für beide Tätigkeiten kein höherer monatlicher Betrag als die von der Beklagten und
dem SG ohnehin herangezogenen 210,- EUR.
Gemäß § 11 Abs.2 Satz 1 Nr.6 SGB II ist für Erwerbstätige zusätzlich der Betrag nach § 30 SGB II abzusetzen.
Gemäß § 30 SGB II in der ab 01.10.2005 geltenden Fassung des Gesetzes vom 14.08.2005 (BGBl.I S.2407) beläuft
sich nach Satz 2 der Freibetrag für den Teil des monatlichen Einkommens, das 100,- EUR übersteigt und nicht mehr
als 800,- EUR beträgt, 20 v.H., und für den Teil des monatlichen Einkommens, das 800,- EUR übersteigt und nicht
mehr als 1.200,- EUR beträgt, 10 v.H. Insgesamt ergibt sich somit ein Freibetrag von 180,- EUR, so dass sich als
weitere Zwischensumme ein anzurechnendes Einkommen von 1.207,61 EUR ergibt.
Die Beklagte hat in ihrer Berechnung einen weiteren Freibetrag von 100,- EUR, offensichtlich in Anwendung von § 11
Abs.2 Satz 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 14.08.2005, abgesetzt. Danach ist bei erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, anstelle der Beträge nach Satz 1 Nr.3 bis 5 ein Betrag von insgesamt 100,-
EUR monatlich abzusetzen. Dies gilt nach Satz 3 dieser Vorschrift nicht, wenn das monatliche Einkommen mehr als
400,- EUR beträgt und der erwerbsfähige Hilfebedürftige nachweist, dass die Summe der Beträge nach Satz 1 Nr.3 bis
5 den Betrag von 100,- EUR übersteigt. Soweit die Kläger geltend machen, die zusätzlich von ihnen entrichteten
Versicherungen in Höhe von insgesamt monatlich 113,93 EUR müssten zusätzlich abgezogen werden,
berücksichtigen sie nicht, dass diese Ausgaben - sollten sie überhaupt berücksichtigungsfähig sein - von der
Beklagten bereits mit der Pauschale von 100,- EUR in dieser Höhe abgegolten sind. Darüber hinaus hat die Beklagte
noch die Versicherungspauschale von 30,- EUR und eine Werbungskostenpauschale von 15,33 EUR abgezogen,
obwohl insoweit keine tatsächlichen Aufwendungen, die durch die Pauschale von 100,- EUR nicht abgegolten wären,
im Sinne des § 11 Abs.2 Satz 3 SGB II nachgewiesen sind. Bei Absetzung der Versicherungsbeiträge von 113,93
EUR würde sich immer noch ein anzurechnendes Einkommen von 1.093,68 EUR ergeben, das selbst bei
Hinzurechnung - was nicht möglich ist - der Versicherungs- und Werbungskostenpauschale den Bedarf von 1.039,-
EUR immer noch übersteigen würde.
Der Bedarf ist mit 1.039,- EUR zutreffend berechnet. Den Klägern stehen gemäß § 20 Abs.3 Satz 1 SGB II
Regelleistungen von je 311,- EUR zu; die Kosten der Unterkunft und Heizung betragen 417,- EUR.
Somit war die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 23.10.2006
zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.