Urteil des LSG Bayern vom 06.09.2007
LSG Bayern: vormerkung, bestätigung, krankenkasse, rentenanspruch, leistungsklage, anfechtungsklage, anerkennung, form, nettolohn, wartezeit
Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 06.09.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 11 R 965/06 A
Bayerisches Landessozialgericht L 14 R 363/07
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 8. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
II. Die Klage auf Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung wird abgewiesen. III. Außergerichtliche Kosten sind
nicht zu erstatten. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Feststellung weiterer rentenrechtlicher Zeiten und die Zahlung einer
Erwerbsminderungsrente.
Die 1949 geborene, in Kroatien lebende Klägerin wendet sich mit der Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom
08.02.2007, mit dem das Sozialgericht (SG) die auf Anerkennung weiterer Beitragszeiten in der deutschen
Rentenversicherung gerichtete Klage gegen den Vormerkungsbescheid vom 27.01.2006 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 06.06.2006 abgewiesen hat.
Die Klägerin hat nach den vorliegenden Versicherungsunterlagen in Deutschland zwischen Juli 1980 und April 1986
rentenrechtlich relevante Zeiten in der deutschen Rentenversicherung erworben, überwiegend aufgrund
versicherungspflichtiger Beschäftigung (68 Monate) als Reinigungskraft. In ihrer Heimat hat sie laut Bestätigung des
kroatischen Versicherungsträgers siebeneinhalb Beitragsmonate in den Jahren 1974 und 1987 zurückgelegt.
Nach mehrfachen erfolglosen Rentenanträgen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (ablehnender Rentenbescheid
vom 17.03.1992/ Widerspruchsbescheid vom 12.11.1992, Rücknahme der anschließenden Klage nach Begutachtung
durch Dr. T. am 08.02.1995; ablehnender Bescheid vom 06.12.1996; ablehnender Bescheid vom
20.04.2000/Widerspruchsbescheid vom 05.06.2000, Klagerücknahme am 26.09.2001; ablehnender Bescheid vom
17.06. 2003 sowie erneut vom 05.10.2005 wegen Nichtvorliegens der besonderen versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen bei Eintritt des Leistungsfalls der teilweisen Erwerbsminderung auf Dauer und der vollen
Erwerbsminderung auf Zeit am 30.07.2002) hatte die Klägerin gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom
27.01.2006 über die Vormerkung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten Widerspruch erhoben und neben
dem Begehren einer Invalidenrente vorgebracht, in Deutschland insgesamt neun Jahre statt sechs Jahre
versicherungspflichtig beschäftigt gewesen zu sein. Die Beklagte hatte den Widerspruch nach Rückfragen bei der
Innungskrankenkasse Nordrhein zurückgewiesen und ausgeführt, diese für den seinerzeitigen Beitragseinzug
zuständige Krankenkasse habe nur Versicherungszeiten ab 01.07.1980 feststellen können; die von der Klägerin selbst
vorgelegten Unterlagen beträfen sämtlich den Zeitraum, der bereits im Versicherungsverlauf enthalten sei. Weitere
Beitragszeiten seien damit weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht (Widerspruchsbescheid vom 06.06. 2006).
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) hat die Klägerin das Fehlen von drei
Versicherungsjahren bemängelt und verschiedene medizinische und sonstige Unterlagen vorgelegt, u.a. ein von ihr
am 12.05.1980 mit Handzeichen unterzeichnetes Formular der N. Gebäudereinigung GmbH & Co.KG über ihre
Einstellung als Reinigungskraft ab 12.05.1980 für zwei Stunden täglich an fünf Tagen pro Woche zu einem
Nettostundenlohn von 6,90 DM. Die Beklagte wies dazu daraufhin, dass es sich hinsichtlich Mai und Juni 1980 um
eine geringfügige Beschäftigung gemäß § 8 Sozialgesetzbuch Teil IV - SGB IV - (Beschäftigung von regelmäßig
weniger als 15 Stunden in der Woche und Arbeitsentgelt von regelmäßig bis zu 390,00 DM im Monat) gehandelt habe,
die nach § 1228 Abs. 1 Nr. 4 Reichsversicherungsordnung - RVO - versicherungsfrei gewesen sei.
Auf Anregung des SG sah die Beklagte den vorangegangenen Widerspruch vom 28.03.2006 auch als
Überprüfungsantrag hinsichtlich des zuletzt mit Bescheid vom 05.10.2005 abgelehnten Rentenantrags wegen
Erwerbsminderung an. Mit Bescheid vom 04.12.2006, der nicht Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens wurde,
lehnte die Beklagte den Antrag auf Rücknahme des ablehnenden Rentenbescheides vom 05.10.2005 nach § 44
Sozialgesetzbuch Teil X - SGB X - ab, da sich keine Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des Bescheides ergäben.
Auch sei seit Erlass des Bescheides in den rechtlichen Verhältnissen keine wesentliche Änderung eingetreten, so
dass eine Aufhebung auch nach § 48 Abs 1 SGB X nicht möglich sei. Ein Rechtsbehelf (Widerspruch) wurde gegen
diesen Bescheid innerhalb der Widerspruchsfrist nicht eingelegt.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.02.2007 wies das SG die auf Vormerkung weiterer Versicherungszeiten gerichtete Klage
ab und führte aus, eine Vormerkung weiterer Beitragszeiten komme nicht in Betracht. Der Nachweis für weitere
versicherungspflichtige Beschäftigungen, insbesondere vor dem 01.07.1980, sei nicht erbracht worden, diese könnten
nicht einmal als glaubhaft gemacht angesehen werden (§ 203 Sozialgesetzbuch Teil VI - SGB VI -). Die von der
Klägerin vorgelegten Unterlagen bezögen sich im Wesentlichen auf den Zeitraum, in dem von der Beklagten bereits
Beitragszeiten anerkannt worden seien. Insbesondere die vorgelegten Kopien der Versicherungskarten und die
Angaben der zuständigen Krankenkasse deckten sich exakt mit den bereits festgestellten rentenrechtlichen Zeiten.
Allein die Tatsache, dass die Klägerin sich möglicherweise bereits seit 1976 in Deutschland aufgehalten und auch laut
einer von ihr vorgelegten Bescheinigung des Oberkreisdirektors des Kreises W. ausländerrechtlich erfasst gewesen
sei, begründe noch keine Beitragszeiten zur gesetzlichen Rentenversicherung. Einzig die Bestätigung über eine
Einstellung der Klägerin ab 12.05.1980 lasse den Schluss auf eine Beschäftigung vor dem 01.07.1980 zu; insoweit
verweise jedoch die Beklagte zu Recht darauf, dass diese Beschäftigung nach den damals geltenden
Rechtsvorschriften (§ 1228 Abs. 1 Nr. 4 RVO i.V.m. § 8 SGB IV) als geringfügige Beschäftigung versicherungsfrei
gewesen sei.
Mit der Berufung bringt die Klägerin unter Beifügung aktueller ärztlicher Unterlagen gegen diese Entscheidung vor, sie
sei schwer invalide und benötige irgendeine Art von Hilfe; sie wünsche sich einen Bevollmächtigten für Sozialfälle als
Beistand.
Der Senat hat die Klägerin mit Schreiben vom 18.06.2007 darauf hingewiesen, dass der angefochtene
Gerichtsbescheid betreffend die Ablehnung weiterer Versicherungszeiten sachlich nicht zu beanstanden sei. Die
Klägerin hat daraufhin mit Schreiben vom 22.07.2007 mitgeteilt, sie fordere, mit 60 Jahren in Rente gesetzt zu
werden, und zwar unter Berücksichtigung ihrer sämtlichen Beschäftigungen in Deutschland ab 1976. Sie wisse genau,
dass sie seit dieser Zeit gearbeitet habe, und zwar bei einer Firma in K. , für die sie im Krankenhaus K. und in den
Büros von B. tätig gewesen sei; nur ein Jahr habe sie nicht gearbeitet; arbeitsunfähig sei sie nicht gewesen.
Mit Beschluss vom 03.08.2004 hat der Senat den Antrag der Klägerin, ihr für das Berufungsverfahren
Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Bevollmächtigten beizuordnen, wegen mangelnder Erfolgsaussicht des
Verfahrens abgelehnt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid vom 08.02.2007 aufzuheben und die Beklagte unter
Abänderung des Bescheides vom 27.01.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2006 zu
verpflichten, ihr unter Anerkennung weiterer Versicherungszeiten eine Rente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen und die Klage wegen Rentengewährung als unzulässig
abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass mit der Berufung keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen würden, die die angefochtene
Entscheidung in Frage stellten, und widerspricht im übrigen der Klageerweiterung.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge, die
Versichertenakten der Beklagten sowie auf die Akten S 2 Ar 5168/93 Ju und S 7 RJ 703/00 A des SG Landshut
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143 151 SGG) ist zulässig, erweist sich aber als nicht
begründet.
Zutreffend hat das SG entschieden, dass die Vormerkung weiterer Beitragszeiten nicht erfolgen kann, da
Beitragszeiten vor dem 01.07.1980 weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden sind. Die von der Klägerin
dazu vorgelegten Unterlagen beziehen sich entweder auf die in ihrem Versicherungsverlauf bereits festgestellten
Zeiten ab Juli 1980 oder sind - soweit sie sich auf die vorangegangene Zeit beziehen, wie die Bescheinigung des
Oberkreisdirektors des Kreises W. vom 11.05.1987 über die ausländerbehördliche Erfassung der Klägerin seit
16.10.1976 - nicht geeignet, eine versicherungspflichtige Beschäftigung bzw. sonstige rentenrechtliche relevante
Zeiten zu belegen. Dies gilt auch für die vorgelegte Bestätigung ihrer Einstellung ab 12.05.1980 bei einer
Gebäudereinigungsfirma mit einer Arbeitszeit von täglich zwei Stunden zu einem Nettolohn von 6,90 DM. Diese
bezieht sich - wie vom Erstgericht und der Beklagten bereits ausführlich dargestellt - auf eine geringfügige und damit
gerade nicht versicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne der damaligen Fassung des § 1228 Abs. 1 Nr. 4 RVO
i.V.m. § 8 SGB IV. Versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung wurde die Klägerin dagegen erst im
Juli 1980, vermutlich wegen Ausweitung ihrer Tätigkeit auf mindestens 15 Wochenstunden. Sofern die Klägerin
darüberhinaus entsprechend ihrem Vorbringen tatsächlich auch vor Mai 1980 Beschäftigungen in Deutschland
verrichtet hat, ist nach allem am ehestens davon auszugehen, dass es sich ebenfalls um lediglich geringfügige, nicht
versicherungspflichtige Beschäftigungen gehandelt hat. Neue Gesichtspunkte haben sich im Berufungsverfahren dazu
nicht ergeben.
Bei dieser Sachlage konnte ein auf Feststellung von Versicherungszeiten bereits ab 1976 im Umfang von insgesamt
neun Jahren gerichtetes Begehren keinen Erfolg haben.
Die Berufung ist insoweit mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Die von der Klägerin weiterhin mit der Berufung eingelegte allgemeine Leistungsklage auf Zahlung einer Rente wegen
Erwerbsminderung kann ebenfalls keinen Erfolg haben. Diese Klage ist unzulässig. Die bescheidmäßige Zuerkennung
einer solchen Rente, deren Zahlung dann mit der allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) begehrt werde
könnte, wurde zuletzt mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 04.12.2006 abgelehnt. Die erneute
Geltendmachung dieses Anspruchs im Klagewege setzt prozessual voraus, dass die Beklagte zunächst einen
entsprechenden Antrag der Klägerin neu verbescheidet, außerdem bedarf es anschließend der Durchführung eines
Widerspruchsverfahrens, bevor die Klägerin den geltend gemachten Rentenanspruch mit der Anfechtungsklage (§ 54
Abs. 1 Satz 1 Fall 1 SGG) verfolgen könnte.
Sofern die Kägerin sich mit ihrem erneut vorgebrachten Rentenbegehren sinngemäß gegen den zuletzt ergangenen
Bescheid vom 04.12.2006 wenden will, liegt eine Anfechtungsklage vor, die ebenfalls unzulässig ist. Der Bescheid
vom 04.12.2006 ist nach Ablauf der darin genannten Widerspruchsfrist von drei Monaten bestandskräftig geworden.
An die Klägerin ergeht der Hinweis, dass ihr bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage ein Rentenanspruch erst mit
Vollendung des 65. Lebensjahres (Regelaltersrente) zusteht. Für eine vorzeitige Altersrente etwa ab dem 60.
Lebensjahr fehlt es an den besonderen Voraussetzungen der §§ 36 f., 236 ff. SGB VI, insbesondere an der Wartezeit
von 15 bzw. 35 Jahren mit dafür rentenrechtlich relevanten Zeiten.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.