Urteil des LSG Bayern vom 04.03.2009

LSG Bayern: wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten., besondere härte, familie, bayern, behinderung, substitution, behinderter, gesellschaft, rechtsverordnung

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 04.03.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 35 SB 1523/08 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 15 SB 26/09 B ER
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 04.02.2009 gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom
19.01.2009 - S 35 SB 1523/08 ER - wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Die Antragstellerin und hiesige Beschwerdeführerin begehrt die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft im
Sinne von §§ 2 Abs.2, 69 Abs.1 des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB
IX) im Wege eines einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 86b Abs.2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Der Antragsgegner hat mit Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region Oberbayern vom 20.05.2008
den Grad der Behinderung (GdB) mit 40 festgestellt und hierbei folgende Gesundheitsstörungen berücksichtigt:
Hautveränderungen nach massiver Gewichtsreduktion mit Ulzerationen (Einzel-GdB 30); seelische Störung (Einzel-
GdB 20); Verwachsungsbeschwerden nach multiplen Bauchoperationen, Teilverlust des Magens (Einzel-GdB 20);
Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung (Einzel-GdB 10).
Der Widerspruch vom 28.05.2008 gegen den Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region Oberbayern
vom 20.05.2008 ist mit Widerspruchsbescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 10.12.2008
zurückgewiesen worden. Die Schwerbehinderteneigenschaft (GdB mindestens 50) sei nicht begründbar.
Am 29.12.2008 hat die Antragstellerin und hiesige Beschwerdeführerin beim Sozialgericht München den Antrag
eingereicht, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, bei ihr einen GdB von
mindestens 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft festzustellen.
Das Sozialgericht München hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 19.01.2009 -
S 35 SB 1523/08 ER - abgelehnt. Die Angelegenheit sei nicht eilbedürftig im Sinne von § 86b Abs.2 SGG. Die
Antragstellerin könne den Ausgang eines möglichen Klageverfahrens abwarten. Im Übrigen sei davon auszugehen,
dass der Bescheid vom 20.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2008 bestandskräftig
geworden sei, weil die Antragstellerin nicht entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides
binnen Monatsfrist Klage erhoben habe.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde vom 04.02.2009 ging am selben Tag beim Sozialgericht München ein. Die
Angelegenheit sei sehr wohl eilbedürftig. Derzeit beziehe die Beschwerdeführerin Leistungen zum Lebensunterhalt
nach dem SGB II. Aus medizinischen Gründen sei sie unbedingt auf ein KFZ angewiesen, was bereits durch das
staatliche Gesundheitsamt R. festgestellt worden sei. Bislang sei dies jedoch von der zuständigen ARGE nicht
anerkannt worden, da diese zunächst gefordert habe, dass unter anderem gerade diese gesundheitliche
Einschränkung durch das zuständige Versorgungsamt im Rahmen ihres Antrages auf Schwerbehinderung anerkannt
werde. Kurzfristig würde dies den Verlust ihres Fahrzeugs bedeuten, weil sie dessen Unterhalt kaum länger aus den
HARTZ IV-Leistungen bestreiten könne. Dies würde wiederum bedeuten, dass sie in keinster Weise mehr mobil wäre
und nicht einmal mehr Einkäufe bzw. Arztbesuche erledigen könnte. Ein weiterer Punkt sei die notwendige
lebenslange Substitution. Auch diese sei bislang nicht ausreichend von der ARGE anerkannt worden, was wiederum
zu weiteren gesundheitlichen Einschränkungen führe. Aus diesen Gründen sei die Eilbedürftigkeit dringend gegeben.
Das Sozialgericht München hat dem Begehren der Antragstellerin und hiesigen Beschwerdeführerin nicht abgeholfen
und den Vorgang dem Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) zur Entscheidung vorgelegt.
Von Seiten des BayLSG wurde der Antragsgegner mit Nachricht vom 13.02.2009 entsprechend in Kenntnis gesetzt.
Dieser hat mit Schriftsatz vom 20.02.2009 beantragt, die Beschwerde der Beschwerdeführerin zurückzuweisen. Eine
Rückfrage des BayLSG vom 20.02.2009 bei der Registratur des Sozialgerichts München hat ergeben, dass die
Beschwerdeführerin in ihrer Schwerbehindertenangelegenheit bislang unverändert keine Klage eingereicht hat.
II.
Gemäß § 86b Abs.2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den
Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die
Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige
Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Vorliegend geht es zu Lasten der Beschwerdeführerin, dass diese den Bescheid des Zentrums Bayern Familie und
Soziales Region Oberbayern vom 20.05.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Zentrums Bayern Familie
und Soziales vom 10.12.2008 hat bestandskräftig werden lassen. Sie hat innerhalb der gesetzlich normierten
Klagefrist von einem Monat (§ 87 Abs.1 SGG) keine Klage zum Sozialgericht München erhoben. Im Rahmen des
einstweiligen Rechtsschutzes kann jedoch nur eine vorläufige Regelung in Bezug auf den Streitgegenstand bzw. eine
Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen
werden (§ 86b Abs.2 Satz 1 und 2 SGG). Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ersetzen jedoch nicht das
notwendige Hauptsacheverfahren.
Unabhängig davon hat die Antragstellerin weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund im Sinne
des § 86b Abs.2 SGG ausreichend glaubhaft gemacht. Denn die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft im
Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes ist grundsätzlich ausgeschlossen. Antragsteller sind auf das
Hauptsacheverfahren zu verweisen (Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11.07.2006 - L 13 B
71/06 SB ER - und Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht mit Beschluss vom 18.02.2008 - L 2 B 315/08 SB
ER -).
Nur in engen begrenzten Ausnahmefällen kann ein Anordnungsgrund in Verfahren nach dem SGB IX angenommen
werden. Dann muss eine besondere Härte vorliegen. Eine solche ist hier nicht erkennbar. Denn im Rahmen von
Feststellungsverfahren nach dem SGB IX hat der Beschwerdegegner gemäß § 69 Abs.1 SGB IX das Vorliegen einer
Behinderung und den Grad der Behinderung (GdB) festzustellen. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der
Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des
Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der auf Grund des § 30 Abs.17 BVG erlassenen Rechtsverordnung gelten
entsprechend. Mit anderen Worten: Der Beschwerdegegner hat im Rahmen des Feststellungsverfahrens nach dem
SGB IX nicht zu berücksichtigen, ob die Beschwerdeführerin aus medizinischen Gründen dringend auf ein KFZ
angewiesen ist oder nicht. Auch die vorgetragene lebenslange Substitution kann als solche nicht berücksichtigt
werden, sondern nur eine etwaig hieraus resultierende Funktionsbeeinträchtigung oder -störung.
Nach alledem ist die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 04.02.2009 zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist endgültig (§§ 177, 183, 193 SGG).