Urteil des LSG Bayern vom 15.03.2007

LSG Bayern: hauptsache, erlass, obsiegen, anforderung, zivilprozessordnung, ergänzung, form, rechtsgrundlage, akte

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 15.03.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 19 AS 14/07 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 11 B 113/07 AS ER
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 09.02.2007 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II -) nach
dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab Oktober 2006.
Am 06.11.2006 beantragte der Antragsteller (Ast) Alg II. Die Antragsgegnerin (Ag) forderte ihn auf, verschiedene
Unterlagen einzusenden und wies ihn auf die Folgen mangelnder Mitwirkung hin. Nach Ablauf der gesetzten Frist
lehnte die Ag mit Bescheid vom 28.11.2006 die Gewährung von Alg II aufgrund fehlender Mitwirkung ab. Hiergegen
legte der Ast mit Schreiben vom 05.12.2006 Widerspruch ein und stellte erneut den Antrag auf Bewilligung von Alg II.
Nach erneuter Aufforderung zur Vorlage entsprechender Unterlagen und Hinweis auf die Folgen mangelnder
Mitwirkung lehnte die Ag mit Bescheid vom 22.12.2006 wiederum die Gewährung von Alg II aufgrund mangelnder
Mitwirkung ab. Auch hiergegen legte der Ast mit Schreiben vom 05.01.2007 - gerichtet an das Sozialgericht Nürnberg
(SG) - die gesetzlichen Rechtsmittel ein.
Zugleich hat der Ast die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim SG beantragt. Für die Monate ab Oktober
2006 seien bis auf Weiteres je 345,- EUR zu bezahlen. Hierzu legte hat er eine Zusammenstellung aus verschiedenen
Unterlagen vorgelegt, die größtenteils keine Beziehung zu dem Antrag Alg II haben. Mit Beschluss vom 05.02.2007
hat das SG den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch sei nicht
glaubhaft gemacht. Der Ast habe nicht nachgewiesen, dass er hilfebedürftig sei. Er habe die von der Ag geforderten
Unterlagen und Nachweise nicht beigebracht.
Hiergegen hat der Ast Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter
Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig. Das SG
hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Das Rechtsmittel erweist sich jedoch nicht als begründet.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug
auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtstreit § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar.
Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa
dann der Fall, wenn dem Ast ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare
Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so
BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74, vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003,
1236; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. RdNr 643).
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und
das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den er sein Begehren
stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der Ast glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs
2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8.Aufl, § 86b RdNr 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des
Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und
Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803) = NVwZ 2005,
927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der
Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden
Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der
Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen
in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu
beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen
Belange des Ast zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD
2005, 59 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 - 1 BvR 2971/06 -). 22.11.2002 aaO).
Vorliegend erscheint der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht als notwendig, um wesentliche Nachteile
abzuwenden. Unabhängig davon, ob die Aufforderungen zur Vorlage konkret genannter Nachweise in vollem Umfang
durch § 60 SGB II, § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) gedeckt ist, kann der Kläger allein durch Vorlage
entsprechender Unterlagen und Angabe der geforderten Tatsachen bzw. Infragestellung der Anforderung
entsprechender Unterlagen seinen Mitwirkungspflichten nachkommen. Die Ag wird dann bereit sein, über die
geforderten Leistungen ab Antragstellung zu entscheiden. Es liegt somit allein in der Hand des Ast, ob eine
ordnungsgemäße Prüfung der Leistungspflicht durch die Ag erfolgen kann und ob von dieser dann auch ggfs.
Leistungen zu bewilligen sind.
Nach alledem besteht keine Notwendigkeit zum Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Beschwerde ist deshalb
zurückzuweisen. Die durch den Ast gegebene Begründung der Beschwerde ist nicht nachvollziehbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf den entsprechenden Anwendungen des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).