Urteil des LSG Bayern vom 30.08.2010

LSG Bayern: gewöhnlicher aufenthalt, darstellung des sachverhaltes, aufenthalt im ausland, philippinen, gesetzlicher vertreter, vollmacht, hauptsache, vertretung, prozessfähigkeit, eltern

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 30.08.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 5 AS 883/10 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 11 AS 474/10 B ER
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Nürnberg vom 15.06.2010 (S 5 AS 883/10 ER) wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für
das Beschwerdeverfahren L 11 AS 474/10 B ER wird abgelehnt. IV. Die Bestellung eines besonderen Vertreters für
das Beschwerdeverfahren L 11 AS 474/10 B ER wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller (ASt) begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach
dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab dem 01.03.2010.
Am 22.08.2009 beantragten die Eltern (; geb. 1962 und J. A.; geb. 1936) sowie der Bruder (P.; geb. 1992) des 1991
geborenen ASt die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach
dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der ASt sei ebenfalls Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, halte sich
aber seit April 2005 auf den Philippinen auf. Er sei nach einer Nierentransplantation dort auf eine regelmäßige
Dialysebehandlung angewiesen. Zudem leide er an Asthma. Durch seine Behandlung auf den Philippinen seien
Kosten in Höhe von über 50.000,00 EUR entstanden, die er vor seiner Ausreise begleichen müsse, da er ansonsten
das Land nicht verlassen dürfe. Der Mutter und dem Bruder des ASt bewilligte die Antragsgegnerin (Ag) mit Bescheid
vom 11.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2010 laufende Leistungen nach dem SGB II
für den Zeitraum vom 22.08.2009 bis 28.02.2010. Der ASt habe keinen Anspruch, weil dieser seinen gewöhnlichen
Aufenthalt nicht in Deutschland habe. Einen Folgeantrag vom 27.01.2010 lehnte die Ag mit Bescheid vom 09.03.2010
ab. Über den hiergegen erhobenen Widerspruch ist bislang nicht entschieden.
Am 30.04.2010 haben der ASt sowie dessen Mutter und Bruder beim Sozialgericht Ulm beantragt, die Ag im Wege
einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig laufende Leistungen nach dem SGB II zu erbringen (S 5 AS
1568/10 ER). Das Sozialgericht Ulm hat wegen des ausländischen Wohnsitzes des ASt die ihn betreffenden
Ansprüche mit Beschluss vom 26.05.2010 abgetrennt und an das Sozialgericht Nürnberg (SG) verwiesen (S 5 AS
883/10 ER).
Das SG hat mit Beschluss vom 15.06.2010 den Antrag abgelehnt. Schon die Zulässigkeit des Eilantrages sei fraglich,
nachdem bereits laufende Leistungen nach dem SGB II auch für die Zukunft abgelehnt worden seien. Insoweit habe
der ASt sein Begehren im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gegen den Beschluss des SG im Verfahren S 13 AS
481/10 ER weiter zu verfolgen. Ohne Änderung des zugrunde liegenden Sachverhaltes sei die Einleitung eines
erneuten Eilverfahrens unzulässig. Auch in der Sache sei der Antrag unbegründet, denn dem ASt seien aufgrund
seines gewöhnlichen Aufenthaltes im Ausland Leistungen nach dem SGB II nicht zu bewilligen.
Am 25.06.2010 hat der ASt unter Bezugnahme auf das gerichtliche Aktenzeichen S 5 AS 883/10 ER beim
Bayerischen Landessozialgericht Beschwerde gegen den Beschluss vom "16.06.2010" eingelegt. Die Mutter des ASt
hat unter Vorlage einer Vollmacht vom 16.05.2009, die zur uneingeschränkten Vertretung des ASt vor deutschen
Gerichten befugt, geltend gemacht, sowohl Prozesskostenhilfe als auch die Bestellung eines besondern Vertreters sei
zu Unrecht verweigert worden. Eine Entscheidung hierzu habe das SG nicht getroffen. Zudem habe das SG die
beantragten Leistungen zu Unrecht verweigert, denn er habe keinen gewöhnlichen Aufenthalt auf den Philippinen,
sondern lediglich einen "dreifachen" Zwangsaufenthalt. Er habe Anspruch auf die Bestellung eines besonderen
Vertreters und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren. Sowohl er als auch seine
Mutter seien wissens- und kenntnislos sowie prozessunfähig. Soweit Zweifel bestünden sei ein Gutachten der Uni-
Klinik in A-Stadt/Philippinen einzuholen.
Der Senat hat den ASt darauf hingewiesen, dass sich die Beschwerde gegen den Beschluss des SG im Verfahren S
5 AS 883/10 ER allein gegen einen Beschluss vom 15.06.2010 richten könne, denn ein Beschluss vom 16.06.2010
sei nach Lage der Akten im dortigen Verfahren nicht ergangen. Gegebenenfalls sei ein Abdruck des angefochtenen
Beschlusses zu übersenden. Zudem seien die Voraussetzung für die Bewilligung von PKH oder die Bestellung eines
besonderen Vertreters nicht zu erkennen.
Der ASt hat - vertreten durch seine Mutter - ergänzend vorgetragen, sowohl er als auch seine anämiekranke Mutter
seien prozessunfähig und nicht in der Lage die gerichtlichen Anfragen zu beantworten. Die Fragen könne nur ein
besonderer Vertreter, der zu bestellen sei, beantworten. Weitere Angaben werde er nicht mehr machen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der Ag sowie die Gerichtsakten erster und
zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des ASt ist zulässig (§§ 172, 173 SGG), insbesondere gibt es keine
Zweifel bezüglich der Prozessfähigkeit des ASt oder seiner Mutter, der bevollmächtigten Vertreterin.
Ein Beteiligter ist prozessfähig, soweit er sich durch Verträge verpflichten kann (§ 71 Abs 1 SGG). Unbeschränkt
prozessfähig ist daher eine volljährige Person (§ 2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB), die in dem Rechtsstreit nicht
durch einen Betreuer oder Pfleger vertreten wird (§ 71 Abs 6 SGG iVm § 53 Zivilprozessordnung - ZPO).
Ein Betreuer ist für den volljährigen ASt nicht bestellt und von Geschäfts- und damit Prozessunfähigkeit wäre nur
auszugehen, wenn sich der ASt in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung
der Geistestätigkeit befinden würde, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender wäre (§ 104 Nr. 2
BGB).
Ein solcher (Dauer-)Zustand des ASt lässt sich nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht ansatzweise
belegen und wird von diesem bzw. den für ihn handelnden Personen auch nicht behauptet. Es wurde in diesem
Zusammenhang lediglich unsubstantiiert vorgebracht, der ASt liege für längere Phasen im Delirium, wobei es sich
selbst nach diesen nicht belegten Angaben um keinen Dauerzustand handelt.
Unabhängig davon ist der derzeitige Gesundheitszustand des ASt für die Frage der Prozessfähigkeit auch nicht
entscheidend, denn der ASt hat seiner Mutter bereits am 16.05.2009 eine Vollmacht erteilt, die auch zur
uneingeschränkten Vertretung vor deutschen Gerichten befugt. Soweit der ASt nach Erteilung der Vollmacht
geschäftsunfähig geworden sein sollte und der Zustand noch andauern würde, stünde eine fehlende Prozessfähigkeit
des ASt der Wirksamkeit der prozessualen Handlungen seiner Bevollmächtigen nicht entgegen.
Hat eine nicht prozessfähige Partei, die eine volljährige natürliche Person ist, wirksam eine andere natürliche Person
schriftlich mit ihrer gerichtlichen Vertretung bevollmächtigt, so steht diese Person einem gesetzlichen Vertreter gleich,
wenn die Bevollmächtigung geeignet ist, gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die
Erforderlichkeit einer Betreuung entfallen zu lassen (§ 51 Abs 3 ZPO).
In diesem Zusammenhang wurde nichts dazu vorgetragen, dass der ASt am Tag der Vollmachterteilung - einen Tag
nach Vollendung seines 18. Lebensjahres - geschäftsunfähig gewesen sein könnte. Anhaltspunkte hierfür sind nach
Lage der Akten ebenfalls nicht ersichtlich. Insofern bestehen keine Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmacht, denn
auch bei einem späteren Eintritt der Geschäftunfähigkeit des Vollmachtgebers erlischt die Vollmacht nicht (vgl.
Heinrichs in Palandt, BGB, 69. Aufl., § 168 Rn. 4) und der Umfang der Bevollmächtigung ist geeignet, von der
Bestellung eines Betreuers abzusehen. Die Bevollmächtigte des ASt wäre daher - auch im Falle seiner
Prozessunfähigkeit - berechtigt, wie ein gesetzlicher Vertreter zu handeln.
Weitergehend wird zwar auch geltend gemacht, die Bevollmächtigte des ASt sei prozessunfähig. Jedoch gibt es auch
hierfür keinerlei medizinisch nachvollziehbare Anhaltspunkte. Nach den aktuellsten in der Akte der Ag vorliegender
Unterlagen leidet die Bevollmächtigte des ASt an Depressionen, starker Vergesslichkeit, Konzentrationsstörungen
und Anämie (Attest vom 24.09.2009 der Dres. K. und K.). Hieraus lässt sich jedoch kein die freie Willensbestimmung
ausschließender Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit ableiten, so dass auch eine Geschäftunfähigkeit
der Bevollmächtigten des ASt nicht zu erkennen ist. Hiergegen spricht auch der Umstand, dass die Bevollmächtigte
des ASt - nach Lage der Akten - noch im Oktober 2009 für ihren Ehemann als Betreuerin gegen die
Krankenversicherung in Erscheinung getreten ist. Soweit in diesem Zusammenhang geltend gemacht wird, die
Bevollmächtigte sei kenntnis- und wissenslos, steht nach dem gesamten schriftlichen Vortrag zwar außer Frage, dass
der ASt nicht sachgerecht vertreten wird. Es ist jedoch dessen Risikosphäre zuzuordnen, einem Dritten eine
Vollmacht zu erteilen Prozesshandlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, deren Zusammenhänge der
Bevollmächtigte nicht erkennt. Allein hieraus ist vorliegend jedoch nicht der Schluss zu ziehen, die Bevollmächtigte
des ASt sei geschäfts- und damit prozessunfähig.
Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren des ASt, Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.03.2010
zu erhalten, so dass er sein Begehren in der Hauptsache im Wege einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu
verfolgen hat. Somit stellt § 86b Abs 2 Satz 2 SGG die Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis im
vorliegenden Rechtsstreit dar.
Eine einstweilige Regelung ist zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa
dann der Fall, wenn der ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare
Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so
BVerfG vom 25.10.1998 BVerfGE 79, 69 (74); vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166 (179), vom 22.11.2002 NJW 2003,
1236 und vom 25.02.2009 NZS 2009, 674; Niesel/Herold-Tews , Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl. Rn. 652)
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und
das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der ASt sein
Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der Ast glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG
i.V.m. § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller aaO § 86b Rn. 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des
Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und
Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927,
NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache
erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der
Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem
Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu.
Unter Beachtung dieser Kriterien ist dem ASt einstweiliger Rechtsschutz nicht zu gewähren. Entgegen der Auffassung
des SG steht die Zulässigkeit des Eilantrages nicht in Frage, denn vorliegend sind allein laufende Leistungen nach
dem SGB II für die Zeit ab dem 01.03.2010 streitig. Gegenstand des Eilverfahrens S 13 AS 481/10 ER waren - neben
den geltend gemachten einmaligen Leistungen der Kostenübernahme eines Krankenrücktransportes - allein laufende
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit bis 28.02.2010, über die die Ag mit Bescheid vom
11.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2010 entschieden hat. Soweit die Ag nach dem
Folgeantrag vom 27.01.2010 mit Bescheid vom 09.03.2010 abgelehnt hat, Leistungen an die Mutter und den Bruder
des ASt für die Zeit ab dem 01.03.2010 zu erbringen, kann dahinstehen, ob mit diesem Bescheid, der den ASt nicht
ausdrücklich erwähnt, Leistungen auch diesem gegenüber abgelehnt worden sind. Nach dessen Antrag vom
27.01.2010 hat die Ag jedenfalls eine erneute Verwaltungsentscheidung in Bezug das Leistungsbegehren des ASt für
die Zeit ab dem 01.03.2010 zu treffen, die Grundlage des hier anhängigen Eilverfahrens ist. Insoweit kann offen
bleiben, ob die Ag diese Entscheidung ihm Rahmen des gegen den Bescheid vom 09.03.2010 geführten
Widerspruchsverfahrens berücksichtigt, soweit geltend gemacht wird, auch der ASt sei Mitglied der
Bedarfsgemeinschaft, oder ob die Ag eine gesondert anfechtbare Entscheidung in Bezug auf den ASt trifft.
In der Sache ist der Eilantrag jedoch unbegründet, denn ein Anordnungsanspruch, d.h. die materielle Berechtigung
eines Leistungsanspruches ist nicht glaubhaft gemacht. Der ASt hat mangels eines gewöhnlichen Aufenthaltes in
Deutschland keinen Anspruch auf laufende Leistungen nach dem SGB II.
Leistungen nach dem SGB II erhalten Personen, die u.a. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland haben (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Ein gewöhnlicher Aufenthalt des ASt in Deutschland ist nach
Lage der Akten jedoch nicht zu belegen. Nach § 30 Abs 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ist ein
gewöhnlicher Aufenthalt definiert als ein Ort oder ein Gebiet, von dem nach den Umständen des Aufenthaltes
auszugehen ist, dass sich der Betroffene nicht nur vorübergehend dort aufhalten will. Die Rechtsprechung interpretiert
diesen Begriff in aller Regel stark orientiert am Regelungszweck, so dass es im Rahmen des SGB II im wesentlichen
darauf ankommen wird, einen Leistungsexport steuerfinanzierter Leistungen auszuschließen. (vgl. Spellbrink in
Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2 Aufl., § 7 Rn. 10).
Vorliegend lebt der ASt seit nahezu fünf Jahren auf den Philippinen, wobei die Eltern des ASt im Rahmen der
Antragsberatung am 30.09.2009 angegeben haben, der ASt habe Streit mit dem Vater gehabt und sei deshalb auf die
Philippinen verzogen. Erst dort sei er erkrankt. Diese Angaben lassen allein den Schluss zu, der ASt habe sich 2005 -
als damals noch Minderjähriger wohl mit Einverständnis seiner Eltern - freiwillig entschieden, das Land zu verlassen,
um seinen dauerhaften Aufenthalt auf den Philippinen bei der Familie seiner Mutter zu nehmen. Ein gewöhnlicher
Aufenthalt im Inland wird jedoch nur durch einen absehbar vorübergehenden und überschaubaren Aufenthalt im
Ausland unterbrochen (vgl. BSG, Urteil vom 28.07.1967 - Az. 4 RJ 411/66 - BSGE 27, 88, 89). Ein solche kurzfristig
und überschaubare Unterbrechung des Inlandsaufenthaltes, die eine Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthaltes in
Deutschland ausschließen würde, liegt im Falle des Klägers gerade nicht vor, so dass sich der gewöhnliche
Aufenthalt des ASt bereits vor Jahren auf die Philippinen verlagert hat. Aus welchen Gründen er dieses Land heute
nicht mehr verlassen kann, ist für die Frage des gewöhnlichen Aufenthaltes im vorliegenden Fall damit ohne
Bedeutung. Das gesamte Anliegen des ASt zielt lediglich darauf ab, den gewöhnlichen Aufenthalt wieder in der
Bundesrepublik Deutschland zu begründen. Anspruchsvoraussetzung für Leistungen nach dem SGB II ist jedoch,
dass dieser gewöhnliche Aufenthalt bereits besteht.
Ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ist daher nicht zu erkennen, so dass die Beschwerde mangels eines
glaubhaft gemachten Anordnungsanspruches erfolglos bleibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und ergibt sich aus dem
Unterliegen des ASt.
Der Antrag auf Bestellung eines besonderen Vertreters war ebenfalls abzulehnen.
Für einen nicht prozessfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter kann der Vorsitzende bis zum Eintritt eines
Vormundes, Betreuers oder Pflegers für das Verfahren einen besonderen Vertreter bestellen, dem alle Rechte, außer
dem Empfang von Zahlungen, zustehen (§ 72 Abs 1 SGG).
Anhaltspunkte dafür, dass der ASt prozessunfähig sein könnte, sind nicht zu erkennen (vgl. hierzu bereits oben) und -
auch Prozessunfähigkeit des ASt unterstellt - lägen die Voraussetzungen für eine Bestellung nicht vor, denn dann
wäre der ASt gemäß § 51 Abs 3 ZPO aufgrund der Vollmacht vom 16.05.2009 durch seine Mutter wie durch eine
gesetzliche Vertreterin vertreten (vgl. hierzu bereits oben).
Es bestand auch kein Anlass für den ASt einen besonderen Vertreter nach § 72 Abs 2 SGG zu bestellen, auch wenn
der Aufenthaltsort des ASt vom Sitz des Gerichts weit entfernt ist. Die Entscheidung nach § 72 Abs 2 SGG, steht im
Ermessen des Gerichtes (vgl. Littmann in Lüdtke, SGG, 3. Aufl. § 72 Rn.7; Zeihe, SGG, Stand 11/09, § 72 Anm.
19a), insbesondere wenn - wie vorliegend - die kostenfreie Bestellung eines besonderen Vertreters beantragt ist.
Hierbei sind im Rahmen der Abwägung die Erfolgsaussichten des Rechtsstreites zu berücksichtigen, denn dem
Gericht obliegt die Wahl einen Rechtsanwalt beizuordnen (§ 73a SGG iVm § 121 ZPO) oder einen besonderen
Vertreter zu bestellen und Prozesskostenhilfe zu bewilligen (vgl. Leitherer aaO § 72 Rn.8). Die Bestellung eines
besonderen Vertreters ist daher am Maßstab des § 114 Satz 1 ZPO zu messen, denn die Bestellung führt zu einem
Kostenerstattungsanspruch des Vertreters, der im Unterliegensfall allein gegen den Vertretenen durchzusetzen wäre
und für diesen eine nicht unerhebliche Belastung bedeuten kann. Eine Partei, die nach ihren persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann,
erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 Satz 1 ZPO). Aus verfassungsrechtlichen Gründen
dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht zwar nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der
Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (BSG vom 17.02.98 - B 13 RJ
83/97 R). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit (vgl. Leitherer aaO § 73a Rn.7, 7a) ist in aller Regel dann anzunehmen,
wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten
Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des
Obsiegens des PKH- Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen. Erfolgsaussichten in diesem
Sinne sind jedoch wegen des fehlenden gewöhnlichen Aufenthaltes des ASt in Deutschland nicht gegeben, so dass
nicht nur die Bestellung eines besonderen Vertreters nach Abwägung der Umstände abzulehnen war, sondern auch
die Bewilligung von PKH versagt werden muss.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.