Urteil des LSG Bayern vom 23.04.2008

LSG Bayern: altersrente, teilrente, wartezeit, erfüllung, gestaltung, vollrente, amtshandlung, meinung, gesetzesänderung, verwaltungshandeln

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 23.04.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 41 RA 1123/97
Bayerisches Landessozialgericht L 13 R 9/08
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. Juni 2000 aufgehoben und die
Klage gegen den Bescheid vom 28. Januar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 1997
abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf höhere Altersrente unter Anwendung der Vorschriften des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung.
Die im Dezember 1931 geborene Klägerin war von 1966 bis 1992 als Sachbearbeiterin bei den US-Streitkräften
beschäftigt und in dieser Beschäftigung nicht versicherungspflichtig in der deutschen Rentenversicherung.
Anschließend übte sie bis 1996 eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung als Sachbearbeiterin beim D. M.
aus.
Die Beklagte erteilte der Klägerin einen Vormerkungsbescheid und eine Rentenauskunft vom 13. Dezember 1995 und
teilte ihr darin u.a. mit, unter Berücksichtigung ihrer (auf der Beschäftigung bei den US-Streitkräften beruhenden)
amerikanischen Versicherungszeiten seien die persönlichen, wartezeitrechtlichen und besonderen
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Altersrente für langjährig Versicherte seit 9. Dezember 1994
erfüllt. Die Altersrente würde nach dem bis zum 30. Juni 1996 maßgebenden aktuellen Rentenwert 413,94 DM
monatlich betragen.
Am 30. August 1996 stellte die Klägerin bei dem Versichertenältesten J. den Antrag, ihr Regelaltersrente als Vollrente
zu zahlen. Sie stimmte am 12. Dezember 1996 der Einholung einer Entgeltvorausbescheinigung zu und teilte der
Beklagten am 9. Januar 1997 mit, ihr Arbeitsverhältnis sei am 31. Dezember 1996 beendet worden.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin daraufhin Regelaltersrente ab 1. Januar 1997 in Höhe von 355,86 DM monatlich
(Bescheid vom 28. Januar 1997) und teilte ihr mit, die Anspruchsvoraussetzungen seien seit 9. Dezember 1996
erfüllt.
Die Klägerin legte dagegen Widerspruch ein und beantragte ohne nähere Begründung die Umdeutung ihres
Rentenantrags vom 30. August 1996 in einen Antrag auf Teilrente ab 1. Dezember 1996 und Vollrente ab 1. Januar
1997. Die Beklagte teilte ihr daraufhin mit, eine Antragserweiterung auf Bewilligung einer Teilrente vor Vollendung des
65. Lebensjahres sei grundsätzlich möglich, doch habe die Klägerin im Dezember 1996 die Hinzuverdienstgrenzen für
eine solche Teilrente überschritten, so dass kein Anspruch auf Teilrente bestehe.
Die Klägerin gab nunmehr zur Begründung ihres Widerspruchs an, der Versichertenälteste habe sie bei der
Antragstellung nicht über bevorstehende Rechtsänderungen zum 1. Januar 1997 beraten, sonst hätte sie ihre
Beschäftigung früher aufgegeben beziehungsweise reduziert.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 14. August 1997). Für die Berechnung der
Regelaltersrente sei das SGB VI in der Fassung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG)
vom 25. September 1996 (BGBl. I 1996 S. 1461) anzuwenden. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Beratung am 30.
August 1996 lägen nicht vor. Im Rentenantrag habe die Klägerin eindeutig und unzweifelhaft erkennen lassen, dass
sie lediglich Regelaltersrente ab Vollendung des 65. Lebensjahres begehre. Der Versichertenälteste habe sie nur auf
Basis ihrer eigenen Angaben beraten können. Wie aus dem Rentenantrag hervorgehe, habe sie jedoch angegeben,
keine ausländi-schen Versicherungszeiten zurückgelegt zu haben. Der Versichertenälteste habe deshalb
Rentenansprüche nur aufgrund des deutschen Versicherungsverlaufs prüfen können. Danach seien die
Voraussetzungen für eine Altersrente für Frauen oder für eine Altersrente für langjährig Versicherte nicht erfüllt
gewesen. Aus dem Rentenantrag sei auch für die Beklagte selbst nicht zu erkennen gewesen, dass Klärungsbedarf
für Anspruchszeiträume vor dem 1. Januar 1997 bestehe. Der Beklagten habe der amerikanische
Versicherungsverlauf bereits bei Eingang des Rentenantrags vorgelegen und die Klägerin sei von der Beklagten mit
Erteilung der Rentenauskunft vom 13. Dezember 1995 darüber informiert worden, dass sowohl die Wartezeit von 35
Jahren als auch die Voraussetzung der überwiegend ausgeübten versicherten Beschäftigung in der Zeit nach
Vollendung des 40. Lebensjahres erfüllt seien, eine Rentenleistung vor Vollendung des 65. Lebensjahres aber
voraussetze, dass die versicherte Beschäftigung aufgegeben werde oder sich im Rahmen des zulässigen
Hinzuverdienstes halte. Aufgrund der eindeutigen Rentenantragstellung (Regelaltersrente) habe danach kein Anlass
bestanden, die Klägerin (nochmals) über die Möglichkeit einer Inanspruchnahme von Rentenleistungen vor dem 1.
Januar 1997 zu informieren. Zudem sei das WFG (erst) am 27. September 1996 verkündet worden. Der
Versichertenälteste habe daher am 30. August 1996 die Klägerin noch nicht über die neuen gesetzlichen Regelungen
informieren können. Für die Beklagte selbst sei ein (späterer) Aufklärung- und Beratungsbedarf nicht erkennbar
gewesen. Aufgrund vielfältiger Informationen in Presse, Rundfunk und Fernsehen seien die mit dem WFG
verabschiedeten Änderungen des Rentenrechts zum Ende des Kalenderjahres 1996 auch bekannt geworden. Es habe
daher im Verantwortungsbereich der Klägerin gelegen, sich mit der Bitte um Beratung an die Beklagte zu wenden.
Dies sei nicht erfolgt.
Mit der am 29. September 1997 (Eingang bei Gericht) beim Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage hat die
Klägerin zunächst die Bewilligung einer Altersrente für langjährig Versicherte als Teilrente in Höhe von 1/3 der
Vollrente ab 1. August 1996 sowie einer Regelaltersrente nach den bis zum 31. Dezember 1996 geltenden
Rechtsvorschriften (ab 1. Januar 1997) begehrt.
Auf Anfrage des Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat die Beklagte zu den für die Klägerin maßgebenden
Änderungen des WFG ausgeführt, dass die pauschale Anhebung der Entgeltpunkte für die ersten 48 Kalendermonate
mit Pflichtbeitragszeiten und für Zeiten einer nachgewiesenen Berufsausbildung zum 1. Januar 1997 aufgehoben
worden seien. Stattdessen seien ab diesem Zeitpunkt Zeiten der beruflichen Ausbildung auch als Anrechnungszeiten
zu bewerten, mit der Folge, dass für diese beitragsgeminderten Zeiten gegebenenfalls Zuschläge an Entgeltpunkten
zu berechnen seien. Die ersten 36 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten für Zeiten einer versicherten
Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit würden dabei als Zeiten der beruflichen Ausbildung gelten.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat daraufhin zur Begründung der Klage insbesondere vorgetragen, die
Klägerin habe es nur deshalb unterlassen, vor dem 1. Januar 1997 Rentenleis-tungen in Anspruch zu nehmen, weil sie
bei der Antragstellung am 30. August 1996 durch den Versichertenältesten unzureichend beraten worden sei. Sie habe
dem Versichertenältesten die Rentenauskunft vom 13. Dezember 1995 vorgelegt. Aus dieser habe er die Erfüllung der
besonderen Voraussetzungen für eine Rente für langjährig Versicherte ersehen können und die Klägerin im Hinblick
auf die bevorstehenden Änderungen durch das WFG entsprechend beraten müssen. Die Beklagte sei nach § 115 Abs.
6 SGB VI auch selbst verpflichtet gewesen, die Klägerin auf die Veränderung der Höhe der Regelaltersrente durch das
WFG hinzuweisen, damit sie durch einen Antrag auf vorzeitige Altersrente und entsprechende Begrenzung ihres
Hinzuverdienstes die Höhe der ab 1. Januar 1997 einsetzenden Regelaltersrente günstiger gestalten konnte. Der
Rentenversicherungsträger müsse nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (Urteile vom 22.
Oktober 1998, Az.: B 5 RJ 62/97 R und vom 13. Mai 1997, Az.: B 8 KN 15/97 R) nämlich auch dann, wenn er
erkennen könne, dass ein Versicherter einen Rentenantrag aus Unwissenheit nicht oder noch nicht stelle, diese
Rentenantragstellung in der Regel aber zu einer höheren Leistung führe, den Versicherten auf die Möglichkeit der
Antragstellung hinweisen. Die Klägerin sei daher so zu stellen, als habe sie die Altersrente für langjährig Versicherte
als Teilrente bereits am 30. August 1996 beantragt und die zulässige Hinzuverdienstgrenze eingehalten.
Die Beklagte hat demgegenüber nochmals darauf hingewiesen, das WFG sei erst nach der Beratung durch den
Versichertenältesten in Kraft getreten. Daher habe bei der Rentenantragstellung keine Beratung hierzu erfolgen
können. Auch sei die Klägerin bereits in der Rentenauskunft vom 13. Dezember 1995 darüber informiert worden, dass
sie Anspruch auf eine Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres habe, wenn die laufende Beschäftigung
aufgegeben oder nur in begrenztem Umfang im Rahmen der Hinzuverdienstgrenzen ausgeübt werde. Die Klägerin
habe jedoch bei der Antragstellung keinen Hinweis darauf gegeben, dass sie unter Umständen Rentenansprüche vor
Vollendung des 65. Le-bensjahres verwirklichen wolle. Aufgrund der öffentlichen Berichterstattung über die mit dem
WFG in Kraft tretenden Rechtsänderungen habe die Klägerin die Möglichkeit gehabt, sich von der Beklagten hierzu
beraten zu lassen.
In einem Erörterungstermin am 6. April 2000 hat die Klägerin zum Anlass für die Beratung erklärt, sie habe auf jeden
Fall aufhören wollen zu arbeiten und sich Sicherheit im Hinblick auf die anstehende Gesetzesänderung verschaffen
wollen. Sie habe dem Versichertenältesten am 30. August 1996 die Rentenauskunft vom 13. Dezember 1995
vorgelegt. Er habe jedoch nur gesagt, die Auskunft sei unbrauchbar. Eine weitere Beratung habe nicht stattgefunden
und sie habe auch keine Fragen gestellt.
In der mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2000 hat die Klägerin weiter angegeben, sie habe den
Versichertenältesten auch auf ihre Versicherungszeiten in Amerika hingewiesen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in diesem Termin nur noch beantragt, der Klägerin Regelaltersrente ab 1.
Januar 1997 nach dem zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Recht zu zahlen.
Das SG hat die Beklagte verpflichtet, die Rente der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 28. Januar 1997
in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. August 1997 nach der zum Zeitpunkt des Antrags geltenden
Rechtslage (30. August 1996) festzustellen und der Klägerin ab 1. Januar 1997 zu gewähren (Urteil vom 28. Juni
2000, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 26. September 2000). Der Klägerin sei im Wege eines
sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs Rente auf der Grundlage des bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Rechts
zu gewähren. Aufgrund eines fehlenden Hinweises und einer unzureichenden Beratung habe sie ihre
(rentenschädliche) Beschäftigung verspätet aufgegeben und ihren Rentenantrag verspätet gestellt, mit der Folge, dass
ihre Rente nach dem durch das WFG zum 31. Dezember 1996 geänderten Recht niedriger ausfalle. Sie sei daher so
zu stellen, wie sie bei ordnungsgemäßem Handeln der Beklagten gestanden hätte. Es liege ein Beratungsmangel vor.
Zwar habe die Klägerin den Versichertenältesten nicht um eine Beratung im Hinblick auf eine vorzeitige Altersrente
gebeten, denn sie habe gewusst, dass sie die Voraussetzungen hierfür bereits erfüllte und dennoch eine
Regelaltersrente beantragt. Aufgrund der Verpflichtung zur verständnisvollen Förderung der Versicherten sei jedoch
ein Hinweis des Versichertenältesten auf die bevorstehenden Rechtsänderungen erforderlich gewesen, die vom
Bundestag bereits am 9. Juli 1996 beschlossen und bezüglich der die Klägerin betreffenden Regelungen im
Vermittlungsverfahren nicht mehr wesentlich geändert worden seien. Der Versichertenälteste habe der Klägerin
zumindest eine Beratung durch die Beklagte selbst nahe legen müssen. Der fehlende Hinweis hierauf sei ursächlich
dafür gewesen, dass die Klägerin einen Antrag mit Rentenbeginn (erst) am 1. Januar 1997 gestellt habe und ihre
Rente auf der Grundlage neuen Rechts niedriger ausfalle, als bei einem früheren Rentenbeginn. Dass die
Voraussetzungen für den (früheren) Bezug einer vorzeitigen Altersrente vorlagen, habe der Versichertenälteste aus
der ihm vorgelegten Rentenauskunft ersehen können. Auch die Beklagte selbst habe ihre Beratungspflicht verletzt.
Aufgrund des zwischen Antragstellung und Rentenbeginn erfolgten Inkrafttretens des WFG und der damit
verbundenen Änderungen der Rentenberechnung gegenüber der erteilten Rentenauskunft, vor allem aber wegen der in
der Rentenauskunft festgestellten Möglichkeit zur Inanspruchnahme vorzeitiger Altersrente, habe ein konkreter Anlass
für eine weitere Beratung der Klägerin bestanden. Zudem liege eine Verletzung des § 115 Abs. 6 SGB VI vor. Die
Beklagte habe die relativ kleine Gruppe der Versicherten, die vor dem Inkrafttreten des WFG eine Altersrente
beantragt hatten, deren Rente nach dem 1. Januar 1997 beginnen sollte und die nach einer aufgrund des bis zum 31.
Dezember 1996 geltenden Rechts erteilten Rentenauskunft eine Rente vor dem 1. Januar 1997 in Anspruch nehmen
konnten, auf die Möglichkeit eines früheren Rentenbeginns oder auf die eingetretenen Gesetzesänderungen hinweisen
müssen. Nachdem die Klägerin bis 31. Dezember 1996 beschäftigt gewesen sei, komme ein Rentenbeginn vor dem 1.
Januar 1997 hier nicht in Betracht. Die Gewährung einer Rente ohne Aufgabe der Beschäftigung widerspreche den
gesetzlichen Vorgaben. Eine Teilrente könne wegen der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen vor dem 1. Januar
1997 ebenfalls nicht gewährt werden. Ein Ausgleich des durch den Beratungsfehler der Beklagten entstehenden
Schadens könne nur dadurch erfolgen, dass auf die Regelaltersrente der Klägerin das bis zum 31. Dezember 1996
geltende Recht angewandt werde.
Dagegen hat die Beklagte am 26. Oktober 2000 (Eingang bei Gericht) Berufung eingelegt, mit der Begründung, auf die
Regelaltersrente der Klägerin sei gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI das SGB in der Fassung des WFG anzuwenden, da die
Anspruchsvoraussetzungen zwar seit 9. Dezember 1996 erfüllt seien, die Rente gemäß § 99 Abs. 1 S. 1 SGB VI aber
erst am 1. Januar 1997 begonnen habe. Ein Anspruch auf vorzeitige Altersrente habe wegen der bis zum 31.
Dezember 1996 ausgeübten Beschäftigung der Klägerin nicht bestanden, da auch die Hinzuverdienstgrenzen für eine
Teilrente überschritten worden seien. Der gegenüber der Rentenauskunft vom 13. Dezember 1995 niedrigere
Rentenbetrag ergebe sich vor allem durch den Wegfall des § 70 Abs. 3 i.V.m. § 256 Abs. 1 SGB VI a.F. Im Hinblick
auf eine Vorlage des BSG an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Verfassungsmäßigkeit dieser
Rechtsänderung werde das Ruhen des Verfahrens angeregt. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für einen
sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht vor. Zwar sei die Beklagte verpflichtet, auf bevorstehende
Rechtsänderungen hinzuweisen, soweit deren konkrete Ausgestaltung im Zeitpunkt der Beratung abzusehen sei.
Gleiches gelte für die Möglichkeit einer vorzeitigen Altersrente, die damit verbundenen Voraussetzungen und die
Hinzuverdienstgrenzen für eine Teilrente. Da die Klägerin von Anfang an deutlich gemacht habe, dass sie ihre
Beschäftigung Ende 1996 aufgeben werde, habe dazu aber kein Anlass bestanden. Deshalb könne ein fehlender
Hinweis auf die mit dem WFG verbundenen Rechtsänderungen auch nicht ursächlich für den bei der Klägerin
entstandenen Nachteil sein. Nach Ansicht des SG habe die Beklagte der Klägerin nahe legen sollen, ihr
Arbeitsverhältnis aufzulösen oder umzugestalten. Dies zähle jedoch nicht zu den Gestaltungsmöglichkeiten, auf die
die Beklagte hinzuweisen habe. Es sei für sie gar nicht übersehbar, welche Rechte und Pflichten des Versicherten
außerhalb des Rentenversicherungsverhältnisses davon betroffen sein könnten. Da der Klägerin bekannt gewesen sei,
dass sie vorzeitige Altersrente bean-spruchen könne, fehle es auch am Schutzzweckzusammenhang. Es sei nicht
Aufgabe der Beklagten, Versicherte darüber zu beraten, wie sie mit zukünftigen Rechtsänderungen verbundene
Nachteile zu Lasten der Solidargemeinschaft umgehen könnten. Deshalb könne sich auch aus § 115 Abs. 6 SGB VI
keine entsprechende Beratungspflicht ergeben. Zudem habe das SG die Beklagte zu einer unzulässigen
Amtshandlung verpflichtet, denn eine am 1. Januar 1997 beginnende Rente könne nur unter Anwendung des ab 1.
Januar 1997 geltenden Rechts bewilligt werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. Juni 2000 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 28.
Januar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 1997 abzuweisen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er halte die Entscheidung des SG für zutreffend. Bei pflichtgemäßer Beratung hätte die Klägerin ihr
Beschäftigungsverhältnis früher beenden und vorzeitige Altersrente beziehen können. Das SGB VI in der vor
Inkrafttreten des WFG geltenden Fassung anzuwenden sei auch eine gesetzlich zulässige Amtshandlung. Es würden
nur die Rechtsvorschriften zur Anwendung kommen, die bei ordnungsgemäßer Beratung anzuwenden gewesen wären.
Auf Antrag der Beklagten hat der Senat die vorläufige Voll-streckung aus dem angefochtenen Urteil ausgesetzt
(Beschluss vom 12. März 2001) und im Hinblick auf das Vorlageverfahren 1 BvL 10/00 das Ruhen des Verfahrens
angeordnet (Beschluss vom 18. Juli 2001).
Nachdem das BVerfG mit Beschluss vom 27. Februar 2007, Az.: 1 BvL 10/00, entschieden hat, dass die durch das
WFG eingeführten Änderungen in der rentenrechtlichen Bewertung der ersten Berufsjahre verfassungsgemäß sind,
wurde das Verfahren fortgesetzt.
Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt
der beigezogenen Akten und der Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht
begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 28. Januar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
14. August 1997, soweit es die Beklagte darin abgelehnt hat, der Klägerin höhere Regelaltersrente unter
Zugrundelegung der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften des SGB VI zu zahlen. Das SG hat der
dagegen erhobenen Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere monatliche
Regelaltersrente.
Der Anspruch der Klägerin, die erst im Dezember 1996 das 65. Lebensjahr vollendet hat, richtet sich grundsätzlich
nach den Vorschriften des SGB VI in der ab 1. Januar 1997 geltenden Fassung durch das WFG (n.F.).
Gemäß § 35 SGB VI (in der am 1. Januar 1997 geltenden Fassung), der durch das WFG keine Veränderung erfahren
hat, haben Versicherte Anspruch auf Regelaltersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine
Wartezeit erfüllt haben. Die Rente wird nach dem durch das WFG ebenfalls nicht veränderten § 99 Abs. 1 S. 1 SGB
VI von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind,
wenn die Rente - wie hier - bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem
die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Nach diesem Zeitpunkt, zu dem der Versicherte erstmals Leistungen aus
dem Stammrecht auf Regelaltersrente verlangen kann, richtet sich das zur Berechnung des monatlichen Werts der
Rente anzuwendende Recht.
Nach der Grundregel des (durch das WFG nicht veränderten) § 300 Abs. 1 SGB VI sind, soweit die nachfolgenden
Vorschriften nicht etwas anderes bestimmen, die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres (jeweiligen)
Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der
Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Abweichend davon bestimmt § 300 Abs. 2 SGB VI, dass aufgehobene
Vorschriften des SGB VI und durch das SGB VI ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch
auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden sind, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei
Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Nach § 40 Abs. 1 SGB I entstehen An-sprüche auf
Sozialleistungen, sobald ihre gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Der Begriff des "Anspruchs" ist im SGB nicht
definiert. Seine jeweilige Bedeutung ist aus dem konkreten Regelungszusammenhang zu ermitteln (vgl. BSG SozR 3-
2600 § 311 Nr. 1). Anspruch im Sinne des § 300 Abs. 2 SGB VI ist dabei nicht das sog. Stammrecht, sondern der
fällige Anspruch auf Zahlung der Rente, denn die Übergangsregelung des § 300 SGB VI stellt nach herrschender
Meinung für das auf einen Rentenanspruch anzuwendende Recht auf den Rentenbeginn im Sinne des
Leistungsbeginns ab (vgl. hierzu ausführlich BSG SozR 3-2600 § 300 Nr. 14 m.w.N.). Für eine erst mit Eintritt der
Rechtsänderung am 1. Januar 1997 beginnende Rente gilt gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI somit das SGB VI in der
Fassung des WFG.
Die frühestens am 1. Januar 1997 beginnende Regelaltersrente der Klägerin wäre aber auch dann ausschließlich nach
dem SGB VI in der Fassung des WFG zu bewilligen, wenn die Klägerin, wie von ihr am 18. Februar 1997 in
Abänderung des Antrags vom 30. August 1996 beantragt, im Dezember 1996 bereits eine Altersrente vor Vollendung
des 65. Lebensjahres (vorzeitige Altersrente) bezogen hätte. Gemäß § 89 SGB VI sind die Ansprüche auf
Regelaltersrente und auf eine vorzeitige Altersrente - hier eine Altersrente für Frauen - eigenständige, bei Erfüllung der
jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen nebeneinander bestehende Rentenansprüche (Stammrechte), wobei ein
Leistungsanspruch nur für die jeweils höchste Rente, bei gleich hohen Renten für die nach Maßgabe des § 89 Abs. 1
S. 2 SGB VI höherrangige Rente, besteht. Der Bezug einer vorzeitigen Altersrente hat keinen Einfluss auf den für die
Bestimmung des anzuwendenden Rechts maßgebenden Beginn einer daran anschließenden Regelaltersrente.
Allerdings bestimmt § 88 Abs. 1 S. 1 SGB VI, das bei Versicherten, die eine Rente wegen Alters bezogen haben, für
eine spätere Rente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zu Grunde gelegt werden. Damit wird
sichergestellt, dass Rechtsänderungen, die nach dem Beginn der vorzeitigen Altersrente eintreten, bei Bewilligung
einer Anschlussaltersrente nicht zu einer Herabsetzung des monatlichen Rentenzahlbetrages (brutto) führen. Die
Umsetzung erfolgt technisch in der Weise, dass zunächst die Entgeltpunkte für die Anschlussaltersrente nach den für
diese Rente maßgebenden (geänderten) Rechtsvorschriften berechnet und die Summe dieser Entgeltpunkte mit der
Summe der Entgeltpunkte verglichen wird, die der bisher bezogenen Altersrente zu Grunde liegen. Der weiteren
Berechnung des monatlichen Werts der Anschlussaltersrente (Summe der Entgeltpunkte x Zugangsfaktor x
Rentenartfaktor x monatlicher Rentenwert) ist die höhere Summe der Entgeltpunkte zugrunde zu legen.
Der Gesetzgeber hat damit gerade für die Fälle, in denen zwischen dem Bezug einer vorzeitigen Altersrente und einer
Anschlussaltersrente Rechtsänderungen eingetreten sind, die den tatsächlichen monatlichen Wert der
Anschlussaltersrente gegenüber dem vor Rechtsänderung bestehenden (fiktiven) Wert mindern, eine den (in der
Summe der Entgeltpunkte ausgedrückten) Wert der bis zum Beginn der früheren Altersrente erworbenen
Rentenanwartschaften sichernde Regelung zum Ausgleich der durch § 300 Abs. 1 SGB VI gegebenenfalls
eintretenden Wertminderungen geschaffen. Hieran sind die Rentenversicherungsträger gebun-den. Sie sind dagegen
nicht ermächtigt, der Bewilligung einer Rente eine andere als die nach § 300 SGB VI für diese Rente anzuwendende
Fassung des SGB VI zugrunde zu legen. Die vom SG ausgesprochene Verpflichtung der Beklagten, die wegen
erstmaliger Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen im Dezember 1996 erst am 1. Januar 1997 beginnende und
damit gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI zwingend nach den Vorschriften des SGB VI in der Fassung des WFG zu
bewilligende Regelaltersrente nach den am 30. August 1996 oder am 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften des
SGB VI festzustellen, verpflichtet die Beklagte daher zu einem rechtswidrigen Verwaltungshandeln.
Die Anwendung anderen als des nach § 300 Abs. 1 SGB VI anzuwen-denden Rechts könnte zwar eine ihrer Art nach
zulässige Amtshandlung sein (vgl. BSG SozR 1200 § 14 Nr. 24, wo dies für die Erstattung unwirtschaftlicher Beiträge
bejaht wurde, da das SGB für verschiedene Fallgestaltungen die Erstattung von Beiträgen vorsieht; anders der 11.
Senat in SozR 1200 § 14 Nr. 21), denn das SGB sieht bereits in § 300 SGB VI selbst Ausnahmefälle vor, in denen
abweichend vom Grundsatz des § 300 Abs. 1 SGB VI aufgehobene oder ersetzte Vorschriften des SGB VI auch nach
dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung Anwendung finden. Vorliegend kommt ein Anspruch der Klägerin auf Anwendung des
SGB VI in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung aber deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin
hierdurch besser gestellt würde, als sie im Falle des Bezugs einer vorzeitigen Altersrente im Dezember 1996 stehen
würde, denn der Berechnung der Regelaltersrente liegt u.a. das für den Bezug einer vorzeitigen Altersrente
rentenschädliche Einkommen des Monats Dezember 1996 zu Grunde, das bei der Berechnung der Summe der
Entgeltpunkte für die vorzeitige Altersrente nicht zu berücksichtigen wäre. Ein Ausgleich des rentenrechtlichen
Nachteils könnte deshalb nur erfolgen, indem der Bezug einer vorzeitigen Altersrente fingiert, die dieser fiktiven
Altersrente zugrunde zu legenden Entgeltpunkte ermittelt, die Summe dieser Entgeltpunkte in Anwendung des § 88
Abs. 1 S. 1 SGB VI der für die Regelaltersrente unter Anwendung der Vorschriften des SGB VI in der Fassung des
WFG ermittelten Summe der Entgeltpunkte gegenübergestellt und der höhere Wert der Berechnung des monatlichen
Werts der Regelaltersrente zugrunde gelegt wird. Für Fälle, in denen lediglich mangels rechtzeitiger Antragstellung
keine vorzeitige Altersrente zu zahlen ist, bestehen dem Grunde nach keine Bedenken, denn diese Vorgehensweise
entspricht gerade dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Verfahren zum Schutz erworbener Rentenanwartschaften vor
wertmindernden Rechtsänderungen. Vorliegend scheitert ein Anspruch der Klägerin auf vorzeitige Altersrente jedoch
nicht an einer fehlenden Antragstellung, sondern an der tatsächlichen Erwerbstätigkeit der Klägerin bis zum 31.
Dezember 1996, die nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs beseitigt (als nicht erfolgt fingiert)
werden kann.
Das SG hat ausgeführt, die Klägerin sei aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, wie sie
stehen würde, wenn sie von der Beklagten auf die Möglichkeit hingewiesen worden wäre, für Dezember 1996 eine
vorzeitige Altersrente zu beantragen, mit der Folge, dass ihr ab 1. Januar 1997 höhere Regelaltersrente zu zahlen
wäre. Es ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass ein Anspruch der Klägerin auf vorzeitige Altersrente vor dem
1. Januar 1997 nicht bestanden hat. Zwar hat die Klägerin nach den Ausführungen der Beklagten in der Ren-
tenauskunft vom 13. Dezember 1995 seit 9. Dezember 1994 die altersmäßigen und versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen für den Bezug einer vorzeitigen Altersrente erfüllt, doch bestand im Dezember 1996 kein Anspruch
auf vorzeitige Altersrente als Voll- oder Teilrente, da die Klägerin - was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist
- aufgrund der bis Ende Dezember 1996 ausgeübten Vollzeitbeschäftigung und des dabei erzielten Entgeltes die
Hinzuverdienstgrenzen für eine solche Rente überschritten hat. Da die tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung
und das tatsächlich erzielte Entgelt keiner (Um)Gestaltung durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln der Beklagten
zugänglich ist, kann die Klägerin auch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht so gestellt werden,
als hätte sie im Dezember 1996 alle Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch auf vorzeitige Altersrente erfüllt.
Damit kommt aber eine Anwendung des § 88 Abs. 1 S. 1 SGB VI auf die von der Klägerin ab 1. Januar 1997
bezogene Altersrente mangels des tatsächlichen Bezugs einer vorzeitigen Altersrente im Dezember 1996 nicht in
Betracht. Insoweit stellt sich der rentenrechtliche Nachteil, den die Klägerin hinsichtlich der Höhe ihrer
Regelaltersrente durch Nichtanwendbarkeit des § 88 Abs.1 S. 1 SGB VI erlitten hat, auch nur als mittelbare Folge des
durch eine mögliche fehlerhafte Beratung unmittelbar eingetretenen rentenrechtlichen Nachteils (fehlender Bezug einer
vorzeitigen Altersrente) dar. Im Übrigen bestehen erhebliche Zweifel daran, ob die weiteren Voraussetzungen für einen
sozialrechtlichen Herstellungsanspruch hier erfüllt wären.
Dagegen sprechen bereits die von der Klägerin vorgetragenen Umstände der am 30. August 1996 erfolgten Beratung
durch den Versichertenältesten. Nach ihren Angaben beim SG hat sie die Beratung u.a. in Anspruch genommen, um
sich Sicherheit im Hinblick auf die anstehenden Gesetzesänderungen zu verschaffen. Danach war der Klägerin am
30. August 1996 bereits positiv bekannt, dass Rechtsänderungen beabsichtigt waren, die sich nach ihrer Meinung
möglicherweise wertmindernd auf ihre Rentenanwartschaften auswirken würden. Die Klägerin hat weiter angegeben,
der Versichertenälteste habe sich zu diesen Rechtsänderungen nicht geäußert und sie habe selbst keine Fragen
gestellt. Dass die Klägerin dem Versichertenältesten den bestehenden Beratungs-wunsch hinsichtlich der
beabsichtigten Rechtsänderungen nicht mitgeteilt und sein Schweigen hierzu hingenommen hat, erscheint nicht
überzeugend. Es liegt näher, dass die Klägerin am 30. August 1996 tatsächlich nur eine Beratung wegen der
beabsichtigten Inanspruchnahme der Regelaltersrente ab 1. Januar 1997 begehrt und in Anspruch genommen hat. Die
Kenntnis der Klägerin von vorgesehenen Rechtsänderungen im Zusammenhang mit der Tatsache, dass sie die von ihr
gewünschte und im Gespräch mit dem Versichertenältesten grundsätzlich ohne Weiteres realisierbare Beratung von
sich aus nicht in Anspruch genommen hat, würde zudem eine Kausalität zwischen der fehlenden Beratung durch den
Versichertenältesten und die Beklagte einerseits und dem eingetretenen rentenrechtlichen Nachteil (niedrigere
Regelaltersrente) andererseits ausschließen (vgl. BSG SozR 4-2600 § 115 Nr. 1). Die Klägerin hätte bei Kenntnis von
bevorstehenden Rechtsänderungen und einem diesbezüglich bestehenden Beratungswunsch auch nach dem Termin
vom 30. August 1996 jederzeit eine Beratung durch die Beklagte in Anspruch nehmen können und durch die fehlende
Inanspruchnahme selbst eine wesentliche Mitursache für den Schadenseintritt gesetzt.
Auch die weiteren Angaben der Klägerin gegenüber dem SG, wonach sie den Versichertenältesten auf ihre
Versicherungszeiten in der US-amerikanischen Rentenversicherung hingewiesen und ihm die Rentenauskunft vom 13.
Dezember 1995 vorgelegt habe, die dieser als unbrauchbar bezeichnet haben soll, erscheinen zweifelhaft. In dem am
30. August 1996 von der Klägerin unterschriebenen Rentenantrag wurde die Frage, ob Beiträge zu einem
ausländischen Versicherungsträger gezahlt worden seien, zunächst bejaht, schließlich aber verneint. Warum der
Versichertenälteste aber einen ausdrücklichen Hinweis der Klägerin auf ihre ausländischen Versicherungszeiten
einfach ignoriert haben sollte, ist nicht nachvollziehbar. Für die Beurteilung der Frage, ob die Klägerin die allgemeine
Wartezeit als einzige versicherungsrechtliche Voraussetzung für eine Regelaltersrente erfüllt, hätte es einer
Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten andererseits nicht bedurft, da die Klägerin schon aufgrund der
von ihr im Rentenantrag angegebenen freiwilligen Beitragszeiten von Januar bis Mai 1955 sowie Januar 1957 bis
Dezember 1972 diese Wartezeit ohne Weiteres erfüllt hatte. Hierüber müsste ein zeitnaher Versicherungsverlauf bei
der Antragstellung vorgelegen haben, denn die Klägerin hat im Rentenantrag weiter angegeben, sie habe keine
Beitrags- oder Beschäftigungszeiten zurückgelegt, die im Versicherungsverlauf nicht aufgeführt seien. Dieser Angabe
könnte daher tatsächlich der ihrer Rentenauskunft beigefügte Versicherungsverlauf vom 29. November 1995 zu
Grunde liegen, der aber lediglich die in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegten
rentenrechtlichen Zeiten enthält. Ein Hinweis auf das Bestehen ausländischer Versicherungszeiten ergibt sich erst
aus Anlage 10 der Rentenauskunft, die für die Beurteilung der Wartezeiterfüllung für eine Regelaltersrente nicht von
Bedeutung war. Danach wäre es durchaus nachvollziehbar, dass der Versichertenälteste der Rentenauskunft keine
weitere Bedeutung zugemessen hat, wenn am 30. August 1996 auch seitens der Klägerin lediglich die begehrte
Regelaltersrente ab 1. Januar 1997 Gegenstand der Beratung war.
Der Versichertenälteste musste die Klägerin unter diesen Umständen nicht von sich aus auf die bereits am 9. Juli
1996 beschlossenen Rechtsänderungen und deren mögliche Auswirkungen auf ihre Regelaltersrente hinweisen. Selbst
wenn am 30. August 1996 noch kein endgültiger Gesetzesbeschluss vorlag, waren zwar wertmindernd Eingriffe in die
Rentenanwartschaft der Klägerin zu erwarten. Gegebenenfalls hätte der Versichertenälteste die Klägerin auch auf die
Möglichkeit hinweisen können, nach Verkündung des endgültigen Gesetzestextes nochmals eine Beratung der
Beklagten in Anspruch zu nehmen. Eine Beratung über die anstehenden Rechtsänderungen und die Möglichkeit,
Altersrente bereits ab 1. Dezember 1996 in Anspruch zu nehmen, hätte die Klägerin möglicherweise dazu veranlassen
können, anstelle einer Regelaltersrente eine (höhere) vorzeitige Altersrente zu beantragen. Der Versichertenälteste
war aber - ebenso wie die Beklagte selbst - nicht verpflichtet, die Klägerin auf die Möglichkeit und die letztlich den
Wert der vor Dezember 1996 erworbenen Rentenanwartschaften erhaltende Wirkung der Inanspruchnahme einer
vorzeitigen Altersrente als Strategie zur Vermeidung der wertmindernden Folgen der durch das WFG eintretenden
Rechtsänderungen hinzuweisen. Die Sozialleistungsträger sind selbst in laufenden Antragsverfahren nicht verpflichtet,
Versicherte darüber zu belehren, dass sie mit bevorstehenden Rechtsänderungen verbundene Nachteile durch ein
Handeln zwischen Verkündung und Inkrafttreten der Gesetzesänderung vermeiden können. Dazu gehören nicht nur
Fälle rechtsmissbräuchlicher Gestaltung, sondern auch Fälle einer rechtlich zulässigen, jedoch von Versicherten nicht
ohne Weiteres zu erwartenden (weil nicht evident vorteilhaften) Gestaltung (vgl. BSG SozR 1200 § 13 Nr. 2 zur
Inanspruchnahme flexiblen Altersruhegeldes anstelle eines beantragten Altersruhegeldes nach Vollendung des 65.
Lebensjahres wegen einer bevorstehenden Änderung in der Bewertung von Ausbildungsausfallzeiten). Ein solcher Fall
liegt hier vor, den die begehrte Beratung hätte - wie die Klägerin selbst mehrfach ausdrücklich ausgeführt hat - dazu
dienen sollen, auf dem Umweg eines von ihr lebensplanerisch nicht beabsichtigten vorzeitigen Ausscheidens aus dem
Erwerbs-leben durch den Bezug einer vorzeitigen Altersrente die Anwendung des bis zum 31. Dezember geltenden
Rechts, richtig des § 88 Abs. 1 S. 1 SGB VI, auf die erst 1997 beginnende Regelaltersrente zu ermöglichen, um die
vom Gesetzgeber beabsichtigte Minderung des Werts ihrer Rentenanwartschaften zu vermeiden.
Hierzu war die Beklagte auch nach § 115 Abs. 6 S. 1 SGB VI nicht verpflichtet. Nach dieser Vorschrift sollen die
Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung
erhalten können, wenn sie diese beantragen. Die Rentenversicherungsträger sind deshalb nach der Rechtsprechung
des BSG verpflichtet, den Versicherten schon vor Vollendung seines 60. Lebensjahres auf die verschiedenen
Möglichkeiten des Übergangs in ein Vollrecht auf Altersrente, auf die damit jeweils unter Umständen verbundenen
Vor- und Nachteile, auf die mit einer verspäteten Antragstellung verbundenen Rechtsnachteile sowie darauf
hinzuweisen, dass er allein anhand der gespeicherten Daten die im Einzelfall angemessene Lösung nicht erkennen
kann und müssen dem Versicherten eine Beratung hierzu anbieten (vgl. BSG SozR 4-2600 § 115 Nr. 1). Dieser
Hinweispflicht ist die Beklagte mit der Rentenauskunft vom 13. Dezember 1995 jedenfalls insoweit nachgekommen,
als der Klägerin ab diesem Zeitpunkt positiv bekannt war, dass sie seit 9. Dezember 1994 die Voraussetzungen für
eine vorzeitige Altersrente erfüllt und ihr diese bei Aufgabe oder hinreichender Einschränkung der von ihr ausgeübten
Beschäftigung auf Antrag zu leisten wäre. Die weitere Möglichkeit, eine Regelaltersrente ab 1. Januar 1997 zu
beantragen, war der Klägerin bei der Beratung am 30. September 1996 bereits bekannt und ist von ihr mit der
Antragstellung selben Datums wahrgenommen worden. Eine Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin über die
werterhaltende Wirkung eines vorherigen Bezuges vorzeitiger Altersrente zu informieren, ist § 115 Abs. 6 S. 1 SGB VI
dagegen nicht zu entnehmen. Die Rechtsprechung des BSG hat sich in diesem Zusammenhang mit Fällen befasst, in
denen der Rentenversicherungsträger aus seinem Datenbestand heraus erkennen konnte, dass der Versicherte die
Voraussetzungen für die erstmalige Inanspruchnahme einer Rente oder für die Inanspruchnahme einer höheren als der
bisher bezogenen Rente erfüllte. Im vorliegenden Fall hätte die Beklagte jedoch nur im Wege einer Einzelfallprüfung
durch Ermittlung der für eine vorzeitige Altersrente (nach altem Recht) und eine Regelaltersrente (nach neuem Recht)
sich ergebenden Summe an Entgeltpunkten feststellen können, ob im Falle der Klägerin der kurzzeitige Bezug einer
vorzeitigen Altersrente eine für sie wirtschaftlich günstige Gestaltungsmöglichkeit wäre.
Da die Berufung im Ergebnis Erfolg hat, hat die Beklagte der Klägerin keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten (§
193 SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor. Zur Frage der Verletzung von
Beratungspflichten und der zulässigen Rechtsfolgen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs liegt bereits eine
umfangreiche Rechtsprechung des BSG vor, der sich der Senat im Ergebnis anschließt.