Urteil des LSG Bayern vom 12.06.2006

LSG Bayern: aufschiebende wirkung, gesellschaft mit beschränkter haftung, überwiegendes interesse, insolvenz, hauptsache, rechtsschutz, anforderung, ermessen, interessenabwägung, vollziehung

Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 12.06.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 14 R 11/06 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 5 B 315/06 KR ER
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 20.03.2006 wird
zurückgewiesen. II. Die Antragstellerin trägt die Kosten auch des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert wird auf
EUR 3.700,00 festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt, die aufschiebende Wirkung eines Klageverfahrens gegen einen
Beitragsnachforderungsbescheid herzustellen.
Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung in O. , deren Geschäftsgegenstand nach
handelsregisterlichem Eintrag die Herstellung, Vertrieb und Versand von Waren, insbesondere von Putzmitteln
verschiedener Art, Putzgerätschaften, Mineralkosmetik, Werbeartikel und Modeschmuck ist. Der geschäftliche
Schwerpunkt liegt im Betrieb des S.-Hotels am Kurpark in O ...
Die Antragsgegnerin forderte auf Grund einer Betriebsprüfung mit Bescheiden vom
27.06.2001/29.08.2001/Widerspruchsbescheid vom 08.10.2002 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von
zuletzt EUR 11.046,75 zuzüglich Säumniszuschläge von EUR 1.976,14 nach. Während des Prüfzeitraums 01.01.1997
bis 31.12.2000 sei die Antragstellerin Arbeitgeberin der Beschäftigten C. , H. , R. , S. , S. sowie W. gewesen und
nicht die S. KG, welche seit 1997 ohne Buchhaltung geführt worden sei, offiziell Mitte 1999 den Betrieb eingestellt
habe und über die ein Insolvenverfahren gemäß Beschluss vom 05.09.2000 mangels Masse nicht durchgeführt
worden sei. Tatsächlich sei die Antragstellerin seit Abschluss des Pachtvertrags vom 01.09.1998 mit einer
Pachtvorauszahlung in Höhe von 1,3 Mio. DM Arbeitgeberin der Beschäftigten gewesen, welche die entsprechenden
Sozialversicherungsbeiträge abzuführen habe.
Dagegen hat die Antragstellerin Klage vor dem Sozialgericht Augsburg erhoben, welche mit Urteil vom 20.04.2006
abgewiesen worden ist, sowie Herstellung der aufschiebenden Wirkung beantragt.
Mit Beschluss vom 20.03.2006 hat das Sozialgericht Augsburg die aufschiebende Wirkung der Klage bis zum
12.04.2006 angeordnet mit der Maßgabe, dass die aufschiebende Wirkung bei Vorlage einer Bankbürgschaft bis
07.04.2006 verlängert werde. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass nach
summarischer Prüfung des Sachverhalts nicht nachvollziehbar sei, wie die später insolvente S. KG trotz einer
umfassenden Verpachtung der gesamten Geschäftsräumlichkeiten Arbeitgeber der Beschäftigten hätte sein sollen,
deren Tätigkeit als Bademeister, Zimmermädchen etc. auf den Betrieb eines Kurhotels zugeschnitten gewesen sei.
Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und der Angabe, bei Einzug der Beiträge drohe Insolvenz werde in Wahrung des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Stellung einer Bürgschaft gewährt.
Dagegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt, diese jedoch trotz gerichtlicher Aufforderung nicht begründet.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 20.03.2006 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage
gegen die Bescheide vom 27.06.2001 und 29.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.10.2002
anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 20.03.2006
zurückzuweisen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (26.04.2006).
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat, ist zulässig (§§ 172, 173, 174
Sozialgerichtsgesetz - SGG), aber nicht begründet.
Gemäß § 86b SGB kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag vorläufigen Rechtsschutz gewähren und bei
Anfechtungssachen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn - wie vorliegend bei einem
Beitrags-Nachforderungsbescheid - Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung besitzen (§ 86a Abs.2 Nr.1
SGG). Die Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes steht im Ermessen des Gerichtes (" ... kann ...") und erfordert
eine Interessenabwägung der relevanten öffentlichen und privaten Belange sowie eine Abschätzung der
Erfolgsaussichten der Hauptsache. Durchzuführen ist insoweit eine summarische Überprüfung der tatsächlichen und
darauf aufbauend eine Prüfung der rechtlichen Verhältnisse. Ein überwiegendes Interesse an der sofortigen
Vollziehung ist anzunehmen, wenn sich ohne weiteres und in einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Weise
erkennen läßt, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und die Rechtsverfolgung des Bürgers keinen Erfolg
verspricht (Bundestagsdrucksache 14/5943 unter Bezug auf Bundesverwaltungsgericht NJW 1997, S.1294/1295).
Diese Grundsätze hat das Sozialgericht zutreffend angewandt, so dass der Senat auf die Begründung der
angefochtenen Entscheidung Bezug nehmen kann. Ergänzend ist aufzuführen, dass neben der familienhaften
Verwebung der in Insolvenz geratenen S. KG und der Antragstellerin besonders ein Auseinanderfallen zwischen der
handelsregisterlichen Eintragung des Geschäftszweckes und der tatsächlich ausgeübten Geschäftstätigkeit besteht.
Da die Antragstellerin trotz gerichtlicher Anforderung die Beschwerde nicht begründet hat, sind auch im Übrigen keine
Anhaltspunkte ersichtlich, die eine Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens erwarten ließen. Dem Gesichtspunkt
der Verhältnismäßigkeit hat die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts Augsburg entsprochen; wenn die
Antragstellerin von der eingeräumten Möglichkeit der Bürgschaftsstellung keinen Gebrauch gemacht hat, kann dies
nicht zu einem Erfolg der Beschwerde führen.
Die Antragstellerin hat somit keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, so dass ihre
Beschwerde zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs.1 SGG i.V.m. § 154 Abs.1 VwGO.
Der Streitwert entspricht dem vom Sozialgericht festgesetzten (§ 197a SGG i.V.m. §§ 52, 53, 72 Nr.1 GKG).
Dieser Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht weiter angreifbar (§ 177 SGG).