Urteil des LSG Bayern vom 14.12.2000

LSG Bayern: zumutbare tätigkeit, firma, rente, berufsunfähigkeit, erwerbsunfähigkeit, verdacht, taxifahrer, neurologie, periarthritis, erwerbsfähigkeit

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 14.12.2000 (rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 4 RJ 1546/96
Bayerisches Landessozialgericht L 6 RJ 94/99
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 8. Oktober 1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit.
Der am ...1947 geborene, aus der früheren DDR stammende Kläger hat von 1962 bis 1965 den Beruf eines Malers
erlernt. Nach seinen Angaben hat er dann bis zu der 1984 erfolgten Übersiedelung in die Bundesrepublik Deutschland
nach jeweiligem Ablegen der entsprechenden Prüfungen als Busfahrer, Fahrer von Lastkraftwagen mit Hänger,
Bagger- und Kranfahrer gearbeitet. In seinem (DDR-)Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung wird seine damalige
Berufstätigkeit ganz überwiegend als die eines Kraftfahrers angegeben.
Der Kläger ist zuletzt (ab 01.04.1986) wie folgt beschäftigt gewesen:
- 01.04.1986 bis 20.06.1986: Firma ..., Metalle, Straubing. Der Kläger ist dem früheren Arbeitgeber nicht mehr
bekannt. Der Kläger selbst gibt an, er habe an einer Presse nasse Stoffe zusammengepreßt und dann abtransportiert.
- 15.09.1986 bis 06.03.1987: Firma ... Gebäude- und Industrie-Dienste GmbH, Haar. Es ist durch den Arbeitgeber nur
noch feststellbar, daß der Stundenlohn 10 DM betragen hat. Der Kläger trägt vor, er sei für Maler- und
Reinigungsarbeiten eingesetzt worden.
- 21.03.1987 bis 07.05.1987: Firma ... AG & Co. Fahrzeugwerke KG, Straubing. Unterlagen über das
Beschäftigungsverhältnis sind nicht mehr vorhanden, auch kann sich niemand mehr an den Kläger erinnern. Der
Kläger gibt an, als Autolackierer gearbeitet zu haben.
- 18.05.1987 bis 14.10.1987: Firma ... GmbH Personaldienstleistungen, Montagen, Hengersberg. Der Kläger hat hier
als Maler und Lackierer gearbeitet.
- 02.05.1988 bis 11.07.1988: ..., Autolackiererei, Straubing. Der Arbeitgeber besitzt über den Kläger keine Unterlagen
mehr; er kann aus der Erinnerung nur noch mitteilen, daß der Kläger mangels eines Lackierer-Gesellenbriefs als
Hilfsarbeiter beschäftigt worden ist. Der Kläger gibt an, als gelernter Autolackierer beschäftigt worden zu sein.
- 01.01.1989 bis 31.08.1989: Firma ... Mietwagenunternehmen, Straubing. Der Kläger ist als Taxifahrer beschäftigt
gewesen.
- 01.09.1989 bis 31.10.1989: Firma ... GBR, Straubing. Der Kläger ist als Taxifahrer beschäftigt gewesen.
- 17.11.1989 bis 22.12.1989: Firma ... Taximietwagen, Salching. Es sind keine Unterlagen mehr vorhanden. Nach
seinen Angaben ist der Kläger als Taxifahrer beschäftigt gewesen.
- 08.10.1990 bis 28.01.1993: Firma ... Transportunternehmen, Steinach. Der Kläger ist als Kraftfahrer mit
Fahrerlaubnis Klasse II beschäftigt gewesen: Transport von Stückgut im Nahverkehr einschließlich Be- und Entladen
des ihm zugewiesenen Fahrzeugs über 7,5 Tonnen. Erforderlich hierfür sind nur die Fahrerlaubnis Klasse II und eine
etwa zweiwöchige Einarbeitungszeit gewesen. Eine tarifliche Entlohnung ist nicht erfolgt.
- 07.08.1992 bis 17.08.1992 und 05.08.1993 bis 06.09.1993: Firma ... Bierzeltbetrieb, Straubing. Es existieren keine
Personalunterlagen mehr; nach der Erinnerung der Inhaberin hat der Kläger nur einige Tage aushilfsweise gearbeitet.
- 01.07.1994 bis 14.12.1994: Stadt Straubing, Städtischer Bauhof. Der Kläger ist im Rahmen einer
Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Hilfsarbeiten verwendet und demgemäß als Hilfsarbeiter tariflich eingestuft worden
(Lohngruppe 1 Nr. 2.11 des Bezirkstarifvertrags zum BMT-G II).
Den Antrag des Klägers auf Zahlung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit vom 23.05.1996 lehnte die
Beklagte mit Bescheid vom 18.07.1996 und Widerspruchsbescheid vom 04.11.1996 ab. Der Kläger sei nach den im
Verwaltungsverfahren zu seinem Gesundheitszustand und beruflichen Leistungsvermögen sowie zu seinem
beruflichen Werdegang getroffenen Feststellungen nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch
Sechstes Buch (SGB VI) und damit erst recht nicht erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB VI.
Gesundheitszustand und berufliches Leistungsvermögen entnahm die Beklagte Behandlungsunterlagen des Klägers
und im wesentlichen dem Entlassungsbericht vom 11.06.1996 betreffend ein stationäres Heilverfahren, dem sich der
Kläger vom 06.03.1996 bis 08.05.1996 im Orthopädisch-Neurologischen Rehabilitationszentrum Klinik Bavaria wegen
eines am 24.02.1995 erlittenen gedeckten Schädel-Hirn-Traumas und Polytraumas unterzogen hatte. Der Kläger war
für leichte Arbeiten vollschichtig leistungsfähig entlassen worden. Bezüglich des beruflichen Werdegangs des Klägers
stützte sich die Beklagte auf die Angaben des Klägers, aus denen sie entnahm, der Kläger sei als ungelernter Arbeiter
zu beurteilen.
Am 04.12.1996 erhob der Klage zum Sozialgericht (SG) Landshut mit dem Begehren, die Beklagte ab 01.06.1996 zur
Zahlung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit zu verpflichten.
Das SG zog die Verwaltungsakten der Beklagten, die Schwerbehindertenakten des Amtes für Versorgung und
Familienförderung (AVF) Landshut sowie die Klageakte in dem beim SG Landshut anhängigen Rechtsstreit aus dem
Schwerbehindertenrecht Az. S 3 SB 349/97 bei (beim Kläger ist ein Grad der Behinderung - GdB - von 40 anerkannt);
es holte eine Auskunft von der Stadt Straubing über das Beschäftigungsverhältnis des Klägers ein sowie
Befundberichte und medizinische Unterlagen von den behandelnden Ärzten des Klägers (Facharzt für Neurologie und
Psychiatrie, Psychotherapie Dr.M ... als Praxisnachfolger des Nervenarztes Dr.K ..., Schreiben vom 03.12.1997;
Klinikum St. Elisabeth Straubing GmbH, Schreiben vom 03.12.1997; Gemeinschaftspraxis Chirurgen Dres. Z ...,
Befundbericht vom 08.12.1997; Internist-Sportmedizin Dr.W ..., Befundbericht vom 11.12.1997; Bezirkskrankenhaus
Mainkofen, Arztbrief vom 11.04.1995; Gemeinschaftspraxis Orthopäden u.a. Dres. E ..., Befundbericht vom
16.02.1998).
Sodann holte das SG ein medizinisches Sachverständigengutachten ein von dem Chefarzt der Orthopädischen Klinik
Schwarzach Dr.D ... (Gutachten vom 26.05.1998).
Dieser stellte beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Schultereckgelenksarthrose links bei Zustand nach
in Fehlstellung verheilter lateraler Schlüsselbeinfraktur. 2. Posttraumatisches Subacromialsyndrom an der linken
Schulter mit Verdacht auf Rotatorenmanschettenteilruptur. 3. Pseudoradiculäres Cervicalsyndrom. 4.
Pseudoradiculäres Lumbalsyndrom bei lumbosacraler Spondylose und Spondylarthrose. 5. Mäßiggradige medial
betonte Gonarthrosen beidseits mit Chondrocalcinose rechts.
Dr.D ... hielt den Kläger für fähig, leichte Arbeiten mit der Möglichkeit zum Wechsel der Ausgangslage (Sitzen,
Stehen, Gehen) vollschichtig zu verrichten; hierbei seien dem Kläger Tätigkeiten in gebückter oder halbgebückter
Körperhaltung ebensowenig zumutbar wie Heben oder Tragen von Lasten über fünf Kilogramm, längere
Zwangshaltungen der Wirbelsäule, die Einwirkung von Nässe, Kälte oder Zugluft, belastende Tätigkeiten für die
Schultergelenke (insbesondere solche, die das Anheben der Arme über die Horizontale erforderlich machten), Arbeiten
mit zu großer physischer Anspannung sowie Akkordarbeit. Die Anmarschwege zum Arbeitsplatz sollten drei Kilometer
nicht überschreiten; auch am Arbeitsplatz sollten nur kurze Wege erforderlich sein. Der Kläger könne sich noch auf
eine neue Berufstätigkeit umstellen. Weitere Gutachten auf anderen medizinischen Fachgebieten seien nicht
erforderlich; dies gelte insbesondere für ein nervenärztliches Gutachten. Für eine Berufstätigkeit als Pförter, Kleber,
Sortierer oder Verpacker von Kleinteilen sei der Kläger noch geeignet.
Mit Urteil vom 08.10.1998 wies das SG die Klage ab. Es führte aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente, da
er nicht wenigstens berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI sei. Er könne nämlich nach dem Ergebnis der
durchgeführten medizinischen Ermittlungen noch vollschichtig arbeiten, sei aufgrund seines letzten
Arbeitsverhältnisses im Rahmen der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als ungelernter Arbeiter zu beurteilen und somit
auf alle Berufstätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Insbesondere sei er noch für eine
Berufstätigkeit als Sortierer kleiner Gegenstände geeignet. Da der Kläger noch vollschichtig arbeiten könne, sei er
auch nicht erwerbsunfähig im Sinne der des § 44 Abs. 2 SGB VI.
Am 23.02.1999 ging die Berufung des Klägers gegen dieses an ihn (erst) am 26.03.1999 mit eingeschriebenem Brief
zur Post gegebene Urteil beim Bayer. Landessozialgericht ein.
Der Senat zog die Verwaltungsakten der Beklagten, die Klageakten des SG Landshut (Az. S 3 SB 349/97 und - das
vorliegende Verfahren betreffend - S 4 RJ 1546/96) und die Schwerbehindertenakten des Amtes für Versorgung und
Familienförderung (AVF) Landshut bei; er erholte Auskünfte von den letzten Arbeitgebern des Klägers und holte zu
Gesundheitszustand und beruflichem Leistungsvermögen des Klägers medizinische Sachverständigengutachten ein
von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.K ... (Gutachten vom 14.12.1999), von dem Arzt für Chirurgie und
Unfallchirurgie Dr.L ... (Gutachten vom 15.12.1999) und von dem Internisten Dr.E ... (Gutachten vom 14.01.2000).
Dr.K ... stellte beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Zustand nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma,
noch mit leichten psychoorganischen Einschränkungen. 2. Vegetativ-funktionelle Beschwerden als Folge des
Schädel-Hirn-Traumas. 3. Chronischer Alkoholabusus. 4. Leichte hirnorganische Wesensänderung.
Dr.L ... diagnostizierte beim Kläger: 1. Allenfalls leicht- bis mittelgradiges Halswirbelsäulen-, Schulter-Arm- und
Lendenwirbelsäulensyndrom mit sich daraus ergebender Funktionseinschränkung ohne Zeichen eines peripher-
neurogenen Defektes. 2. Periarthritis humeroscapularis links mit mäßiggradiger Funktionsminderung. 3. Beginnende
Gon- und Femoropatellararthrose beidseits ohne gravierende Geh- oder Stehminderung. 4. Leichtgradige Vena-
saphena-parva-Varizen ohne Ulkusleiden der Haut. 5. Kleiner Nabelbruch.
Dr.E ... erhob folgende Diagnosen: 1. Nutritiv-toxischer Leberschaden, Verdacht auf Alkoholkrankheit. 2. Arterieller
Hypertonus ohne Organkomplikationen; allgemeine Gefäßsklerose (Koronarien, Aorta). 3. Hyperurikämie, Zustand
nach Gichtarthritis. 4. Verdacht auf Magenleiden. 5. Diskrete obstruktive Ventilationsstörung bei langjähriger
Raucheranamnese.
Zusammenfassend führte Dr.E ... zum beruflichen Leistungsvermögen aus, der Kläger könne unter den üblichen
Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses körperlich leichte und geistig einfache Arbeiten mit der Möglichkeit zum
Wechsel der Ausgangslage (Sitzen, Stehen, Gehen) vollschichtig verrichten; häufige Überkopfarbeiten seien dabei
ebensowenig zumutbar wie häufiges Bücken, Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten, Tätigkeiten an gefährdenden
Arbeitsplätzen (z. B. an laufenden Maschinen), Akkord- oder Schichtarbeit sowie Tätigkeiten, die mit vermehrtem
Staubanfall oder der Inhalation von reizenden oder toxischen Substanzen verbunden seien. Der Kläger könne
Fußwege von mehr als 500 Meter an einem Stück in angemessener Geschwindigkeit (höchstens 15 Minuten für 500
Meter) zurücklegen, um die Entfernungen zwischen Wohnung, öffentlichem Verkehrsmittel und Arbeitsplatz vor
Arbeitsbeginn und nach Arbeitsende zu überwinden. Als Pförtner, Sortierer oder Einleger sei der Kläger noch geeignet.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 18.08.2000, die der Senat aufgrund von neuen medizinischen Unterlagen,
die vom Kläger übersandt worden waren, eingeholt hat, äußerte Dr.L ... im wesentlichen, daß aufgrund des
Gichtleidens eine überwiegend sitzende Berufstätigkeit für den Kläger erforderlich sei.
Der Senat gab den Beteiligten den Lohntarifvertrag Nr. 15 vom 02.06.1992 für die gewerblichen Arbeitnehmer des
Speditions- und Transportgewerbes in Bayern in der ab 01.04.1992 geltenden Fassung (Tarifvertrag) zur Kenntnis. Er
wies den Kläger darauf hin, daß für ihn eine Berufstätigkeit als (einfacher) "Pförtner an a) verkehrsreichen Eingängen
oder b) mit einfachem Fernsprechvermittlungsdienst" (Lohngruppe 2 a Nr. 6.11 des Manteltarifvertrags für die Arbeiter
der Länder - MTL II -) nach seinem körperlich-geistig-seelischen Leistungsvermögen in Betracht komme.
das Urteil des SG Landshut vom 08.10.1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18.07.1996 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 04.11.1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.05.1996 Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im übrigen auf den
Inhalt der beigezogenen Akten und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden
Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG Landshut vom 08.10.1998 ist nicht zu beanstanden, weil
der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit hat.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI, weil er ab dem
Zeitpunkt des Rentenantrags vom 23.05.1996 bis jetzt nicht im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift
berufsunfähig ist. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI sind nämlich nur solche Versicherte berufsunfähig, deren
Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit
ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (Satz 1). Der Kreis der
Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt hierbei alle Tätigkeiten, die
ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer
Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit
zugemutet werden können (Satz 2). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann;
dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4). Die hier genannten Tatbestandsmerkmale
der Berufsunfähigkeit liegen beim Kläger bislang nicht vor.
Das nach Satz 1 dieser Vorschrift zunächst festzustellende berufliche Leistungsvermögen des Klägers ist bereits
eingeschränkt. Er kann aber unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses körperlich leichte und geistig
einfache Arbeiten überwiegend im Sitzen noch vollschichtig verrichten; häufige Überkopfarbeiten sind dabei
ebensowenig zumutbar wie häufiges Bücken, Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten, Tätigkeiten an gefährdenden
Arbeitsplätzen (z. B. an laufenden Maschinen), Akkord- oder Schichtarbeit sowie Tätigkeiten, die mit vermehrtem
Staubanfall oder der Inhalation von reizenden oder toxischen Substanzen verbunden sind. Beschränkungen des
Anmarschweges zur Arbeitsstätte liegen nicht vor, weil der Kläger die durchschnittlich erforderlichen Fußwege
zurücklegen kann (vgl. hierzu Urteil des Bundessozialgerichts BSG vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 = SozR 3-2200 §
1247 RVO Nr. 10).
Dieses berufliche Leistungsvermögen des Klägers ergibt sich vor allem aus den im Berufungsverfahren eingeholten
Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.K ..., des Arztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr.L ... und
des Internisten Dr.E ... Der Senat schließt sich den Aussagen dieser schlüssigen und überzeugenden Gutachten an.
Durch sie ist im übrigen das im erstinstanzlichen Verfahren erholte Gutachten des Orthopäden Dr.D ... in seinen
wesentlichen Ergebnissen bestätigt worden.
Beim Kläger liegen folgende wesentliche Gesundheitsstörungen vor: 1. Zustand nach schwerem Schädel-Hirn-
Trauma, noch mit leichten psychoorganischen Einschränkungen. 2. Vegetativ-funktionelle Beschwerden als Folge des
Schädel-Hirn-Traumas. 3. Chronischer Alkoholabusus. 4. Leichte hirnorganische Wesensänderung. 5. Allenfalls leicht-
bis mittelgradiges Halswirbelsäulen-, Schulter-Arm- und Lendenwirbelsäulensyndrom mit sich daraus ergebender
Funktionseinschränkung ohne Zeichen eines peripher-neurogenen Defektes. 6. Periarthritis humeroscapularis links mit
mäßiggradiger Funktionsminderung. 7. Beginnende Gon- und Femoropatellararthrose beidseits ohne gravierende Geh-
oder Stehminderung; Gicht. 8. Leichtgradige Vena-saphena-parva-Varizen ohne Ulkusleiden der Haut. 9. Kleiner
Nabelbruch. 10. Nutritiv-toxischer Leberschaden, Verdacht auf Alkoholkrankheit. 11. Arterieller Hypertonus ohne
Organkomplikationen; allgemeine Gefäßsklerose (Koronarien, Aorta). 12. Hyperurikämie, Zustand nach Gichtarthritis.
13. Verdacht auf Magenleiden. 14. Diskrete obstruktive Ventilationsstörung bei langjähriger Raucheranamnese.
Auf orthopädischem Fachgebiet wird die Leistungsfähigkeit des Klägers im wesentlichen durch ein leicht- bis
mittelgradiges Halswirbelsäulen-, Schulter-Arm- und Lendenwirbelsäulensyndrom sowie eine Periarthritis
humeroscapularis links beeinträchtigt. Die degenerativen Veränderungen am Kniegelenk sind nur geringgradig
ausgeprägt; von größerer Bedeutung ist hier das Gichtleiden. Die Funktionsminderung im Bereich der linken Schulter
ist nicht so erheblich wie dies von dem behandelnden Internisten Dr.W ... dargestellt worden ist. Auf internistischem
Fachgebiet liegt vor allem ein Hochdruckleiden vor, das bereits 1998 diagnostiziert, bis jetzt aber nicht therapiert
worden ist. Subjektiv werden hierdurch keine Beschwerden empfunden. Die vom Kläger geklagte
Beschwerdesymptomatik mit morgendlichem Erbrechen, Schlafstörungen und vegetativen Erscheinungen ist im
wesentlichen auf die bestehende Alkoholkrankheit zurückzuführen. Zwar ließ sich im Rahmen der Untersuchung durch
Dr.E ... bereits eine allgemeine Gefäßsklerose feststellen, eine sozialmedizinisch relevante Organschädigung, z. B.
des Herzens (koronare Herzkrankheit) läßt sich jedoch nicht nachweisen. Die vom Kläger angegebenen
Atembeschwerden beruhen auf einer geringgradigen Atemfunktionsstörung, die das Leistungsvermögen nur
unwesentlich beeinträchtigt. Die darüber hinaus auf internistischem Fachgebiet festgestellten Gesundheitsstörungen
haben in der sozialmedizinischen Bewertung nur eine untergeordnete Bedeutung. Von nervenärztlicher Seite wird die
aufgrund der internistischen Symptomatik vermutete Alkoholkrankheit bestätigt. Eine direkte organische Schädigung
im Sinne einer Polyneuropathie kann nicht nachgewiesen werden. Es findet sich jedoch ein leichtes hirnorganisches
Psychosyndrom mit geringfügigen hirnorganischen Wesensveränderungen. Durch die psychiatrischen
Gesundheitsstörungen werden qualitative Leistungseinschränkungen bedingt.
Aus den Feststellungen zum beruflichen Leistungsvermögen (vgl. oben) folgt, daß die Erwerbsfähigkeit des Klägers
bezogen auf seinen maßgeblichen Beruf als Kraftfahrer, wie er ihn zuletzt bei der Firma ... Transportunternehmen
(Fa.S ...) ausgeübt hat, auf weniger als die Hälfte derjenigen vergleichbarer gesunder Versicherter gesunken ist. Der
Kläger kann nämlich diesen Beruf nicht mehr ausüben, weil es sich hierbei um einen gefahrgeneigten Arbeitsplatz
handelt.
Von dem Beruf als Kraftfahrer ist (zugunsten des Klägers) deshalb auszugehen, weil es sich bei dem späteren
Arbeitsverhältnis bei der Firma ... Bierzeltbetrieb nur um eine kurze, von Anfang an nicht auf Dauer angelegte
Aushilfstätigkeit gehandelt hat; ebensowenig ist die Hilfsarbeit im Rahmen der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM)
bei der Stadt Straubing im Städtischen Bauhof zugrunde zu legen, da es sich bei einer ABM ihrer Natur nach um
vorübergehende Arbeiten handelt, so daß sie eine Änderung des Berufsbildes - anders als das SG meint - nicht
begründen kann (vgl. hierzu KassKomm-Niesel § 43 SGB VI Rdnr. 33 mit weiteren Nachweisen). Nicht mehr
maßgeblich ist auch (zu Lasten des Klägers) der Ausbildungsberuf als Maler, da sich der Kläger anderen
Berufstätigkeiten zugewandt hat, ohne daß dafür gesundheitliche Gründe ausschlaggebend gewesen wären (vgl.
KassKomm-Niesel § 43 SGB VI Rdnr. 32 und 34).
Obwohl der Kläger seinen maßgeblichen Beruf nicht mehr ausüben kann, ist er dennoch nicht berufsunfähig. Für die
Annahme von Berufsunfähigkeit reicht es nämlich nicht aus, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf nicht mehr
ausüben können; vielmehr sind - wie sich aus § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ergibt - Versicherte nur dann berufsunfähig,
wenn ihnen auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder sozial nicht mehr
zumutbar ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u.a. SozR 2200 1246 RVO Nr.138).
Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Wertigkeit des bisherigen Berufs.
Um diese zu beurteilen, hat das BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind
ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet
worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw.
des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer
Ausbildungszeit von mehr als 2 Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer
Regelausbildungszeit von bis zu 2 Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG SozR 2200 § 1246
RVO Nr. 138 und 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht
ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr
allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für
den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten
Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen
Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. z.B. BSG SozR 3- 2200 § 1246 RVO Nr.27 und 33). Grundsätzlich darf der
Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG
SozR 2200 § 1246 RVO Nr.143 m.w.N.; SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr.5).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Kläger der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters, und zwar
höchstens des oberen Bereichs (Ausbildungs- bzw. Anlernzeit von mehr als einem bis zu 2 Jahren, vgl. BSG-Urteil
vom 29.03.1994 13 RJ 35/93 = SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 45), zuzuordnen. Aus dem hypothetisch
anzuwendenden Tarifvertrag folgt, daß die Tätigkeit als Kraftfahrer allenfalls der oberen Anlernebene zuzuordnen ist.
Dies ergibt sich daraus, daß der Kläger höchstens der Lohngruppe 5/Güternahverkehr des Tarifvertrags zuzuordnen
wäre, sollte er wirklich einem Berufskraftfahrer mit bestandener IHK-Prüfung gleichzusetzen sein, was dahinstehen
kann. Die Lohngruppe 5 liegt in der Lohnhöhe (Monatslohn 2520 DM) deutlich unter Lohngruppe 7 Buchst.
c/Güternahverkehr, die für den Betriebshandwerker ab dem zweiten Berufsjahr gilt (Monatslohn 2935 DM); hierdurch
wird klar, daß der Berufskraftfahrer in seinem beruflichen Ansehen nicht einem Handwerker mit Gesellenprüfung
gleichsteht, sondern eine Stufe tiefer einzuordnen ist.
Als angelernter Arbeiter des oberen Bereichs ist der Kläger auch auf ungelernte Berufstätigkeiten verweisbar, sofern
diese nicht einfachster Art sind (vgl. KassKomm-Niesel 3 43 SGB VI Rdnr. 109 mit weiteren Nachweisen). Die
Berufstätigkeit eines (einfachen) "Pförtners an a) verkehrsreichen Eingängen oder b) mit einfachem
Fernsprechvermittlungsdienst" (Lohngruppe 2 a Nr. 6.11 des Manteltarifvertrags für die Arbeiter der Länder - MTL II)
ist ein für den Kläger gesundheitlich und sozial zumutbarer Verweisungsberuf. Insbesondere die geistig-seelische
Belastbarkeit des Klägers reicht nach den Feststellungen von Dr.K ... dafür noch aus. Dr.K ... konnte dies auch
zutreffend beurteilen, da das Berufsbild eines Pförtners in einer Pförtnerloge allgemein bekannt ist. Diese
Berufstätigkeit ist geistig einfach und für den Kläger besonders gut geeignet, weil er aufgrund seiner früher
ausgeübten Berufstätigkeiten als Taxifahrer zwangsläufig ein hohes Maß an Erfahrung und Gewandtheit im Umgang
mit Menschen aller Art besitzt. Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz tatsächlich vermittelt werden könnte - maßgeblich ist
hierbei das Gesamtgebiet der Bundesrepublik Deutschland -, ist rechtlich unerheblich, da bei tariflich erfaßten
Berufstätigkeiten der Arbeitsmarkt als offen anzusehen ist und das Risiko der Arbeitsvermittlung von der gesetzlichen
Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen ist; dementsprechend
bestimmt § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI, daß nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben
kann, und daß hierbei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (vgl. zum Vorstehenden
zusammenfassend den Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 SGB
VI Nr. 8).
Der Kläger, der keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit hat, weil er in einem anderen als dem bisherigen
Beruf noch vollschichtig arbeiten kann, hat erst recht keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß §
44 Abs. 1 SGB VI, weil er die noch strengeren Voraussetzungen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des
zweiten Absatzes dieser Vorschrift nicht erfüllt. Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI sind solche Versicherte nicht
erwerbsunfähig, die wie der Kläger eine Tätigkeit vollschichtig ausüben können; dabei ist die jeweilige
Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Landshut vom 08.10.1998 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.