Urteil des LSG Bayern vom 19.10.2004

LSG Bayern: wahrscheinlichkeit, zyste, arbeitsunfähigkeit, einwirkung, distorsion, befund, unfallfolgen, glatteis, gesundheitsschädigung, kernspintomographie

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 19.10.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 2 U 259/98
Bayerisches Landessozialgericht L 17 U 93/00
Bundessozialgericht B 2 U 1/05 B
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 25.01.2000 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Feststellung von Folgen des Arbeitsunfalles vom 26.01.1996 und die Gewährung einer Verletztenrente.
Der 1946 geborene Kläger ist als Metzger selbständig mit einem eigenen Betrieb. Am 26.01.1996 gegen 7.30 Uhr
rutschte er beim Salzstreuen wegen Glatteis vor seiner eigenen Metzgerei mit seinen neuen orthopädischen Schuhen
mit glatter Sohle am Rand eines ca. 8 cm hohen Bordsteins aus und verdrehte sich nach seinen Angaben dabei das
rechte Kniegelenk. Ein direkter Sturz auf das rechte Kniegelenk erfolgte nicht. Wegen eines Unfalls vom 16.01.1995
mit Verletzung des linken Sprunggelenkes bestand zum Zeitpunkt des Unfalls am 26.01.1996 Arbeitsunfähigkeit. Am
01.02.1996 suchte der Kläger die Chirurgin E. auf. Diese röntgte das rechte Kniegelenk und stellte als Unfalldiagnose
"Distorsion rechtes Kniegelenk mit Außenbandlockerung" und als vom Unfall unabhängige krankhafte Veränderungen
"Varikosis und Arthrose linkes Sprunggelenk" fest. Die Chirurgin E. veranlasste des Weiteren eine
Kernspinuntersuchung des rechten Kniegelenkes am 06.02.1996 bei dem Radiologen Dr.S ... Dieser stellte eine
deutliche Außenmeniskusdegeneration mit fremdkörperartigen Verkalkungen und Teilläsion des vorderen Kreuzbandes
sowie eine Baker-Zyste fest.
Nach weiterer konservativer Behandlung bei der Chirurgin E. erfolgte bei anhaltenden Beschwerden am 25.03.1996
durch den Chirurgen Dr.K. eine Arthroskopie des rechten Kniegelenkes. Bei dieser Kniegelenksspiegelung entleerten
sich 40 ml bernsteinfarbenes Sekret. Der Innenmeniskus war im Hinterhornbereich eingerissen. Dies hatte zu einem
drittgradigen Knorpelschaden medial geführt. Reaktiv lagen eine Begleitsynovialitis II.Grades vor. Zusätzlich fanden
sich mehrere freie Gelenkkörper. Das vordere Kreuzband zeigte eine Teilruptur proximal, es schien dem Bein aber
noch genügend Stabilität zu geben. Nach Ausheilung der arthroskopischen Operation führte Dr.K. am 07.05.1996
wegen einer "Ruptur ant. Kreuzband rechts" eine Kreuzbandoperation durch.
Am 04.07.1997 ließ die Beklagte den Kläger durch Dr.B. chirurgisch begutachten. Dieser vertrat die Auffassung, dass
die Arbeitsunfähigkeit des Klägers auf unfallfremde Veränderungen im Bereich des rechten Kniegelenkes
zurückzuführen sei. Das Unfallereignis vom 26.01.1996 habe zu einer Distorsion des rechten Kniegelenkes bei bereits
vorher deutlich degenerativen Veränderungen im Bereich des rechten Kniegelenkes geführt. Es lägen keine
unfallbedingten Krankheitsveränderungen vor. Es sei nur von einer durch den Unfall bedingten Arbeitsunfähigkeit von
6 Wochen auszugehen.
Der Orthopäde Dr.T. schloss sich in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 29.01.1998 der Auffassung des
Dr.B. an. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.05.1998 die Gewährung einer Rente und Verletztengeld
sowie eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit über den 21.02.1996 hinaus mit der
Begründung ab, der Unfall vom 26.01.1996 habe lediglich zu einer Zerrung (bzw Prellung) des rechten Kniegelenkes
geführt, welche spätestens bis zum 21.02.1996 folgenlos ausgeheilt sei.
Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger ein Schreiben der Chirurgin E. vom 01.06.1998 mit ärztlichen Berichten
aus dem Jahr 1995 vor, worin mitgeteilt wird, dass der Kläger bis zum 26.01.1996 zu keiner Zeit über Beschwerden im
Bereich der Kniegelenke geklagt habe. Begutachtungen der unteren Extremität im Jahre 1995 hätten keinen
krankhaften Befund des rechten Kniegelenkes erbracht. Das Distorsionstrauma sei durchaus geeignet, eine
Kreuzbandläsion des rechten Kniegelenkes herbeizuführen.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.1998 mit der Begründung zurückgewiesen, bereits der
beschriebene Hergang sei nicht geeignet gewesen, schädigend auf die Strukturen des vorderen Kreuzbandes
einzuwirken. Auch der fehlende blutige Gelenkserguss spreche gegen die Annahme, dass es zu einer frischen
traumatischen Schädigung des vorderen Kreuzbandes gekommen sei. Das vordere Kreuzband sei noch in der Lage
gewesen, dem Bein ausreichend Stabilität zu geben, was die Symptomlosigkeit sowohl vor als auch nach dem
26.01.1996 in Bezug auf das vordere Kreuzband erkläre. Der Befund einer teilweisen Schädigung des vorderen
Kreuzbandes anlässlich der am 25.03.1996 durchgeführten Operation sei nur ein Zufallsbefund gewesen, stehe aber
nicht im Zusammenhang mit dem Ereignis vom 26.01.1996.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg (SG) hat der Kläger unter Vorlage eines Attestes
des Chirurgen Dr.E. vom 26.01.1999 beantragt, die Schädigung des Kreuzbandes als Folge des Arbeitsunfalles vom
26.01.1996 anzuerkennen und die entsprechenden gesetzlichen Leistungen zu gewähren. Das SG hat von Amts
wegen ein Gutachten der Chirurgin Dr.H. vom 03.03.1999 eingeholt. Diese hat das Unfallereignis nicht für geeignet
gehalten, bei einem gesunden Menschen eine frische vordere Kreuzbandruptur zu verursachen. Unfallbedingte Folgen
und wirtschaftlich messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit über die 13. Woche hinaus hat sie nicht festgestellt. Der
Erstbefund habe nur einen leichten nicht punktionswürdigen Kniegelenkserguss rechts dokumentiert. Das
Kernspintomogramm vom 06.02.1996 und der Operationsbericht vom 25.03.1996 hätten erhebliche degenerative
Veränderungen am Kniescheibenknorpel und dem Außen- und Innenmeniskus gezeigt. Es hätten klinische Zeichen
einer Kreuzbandinstabilität bestanden. Das bei der Kniegelenksspiegelung gewonnene 40 ml bernsteinfarbene Sekret
spräche eher für einen chronischen Reizzustand, als für ein frisches Trauma. Bei der beim Kläger vorliegenden X-
Achsabweichung der Beinachse sei das Bein Belastungen ausgesetzt gewesen, die zu einem vorzeitigen Verschleiss
des gelenkknorpelschützenden Innenmeniskus und der dazu korrespondierenden knorpeligen Gelenkfläche von
Schienbein und Oberschenkelrolle geführt hätten.
Auf Antrag des Klägers hat das SG von Dr.E. ein chirurgisches Gutachten vom 10.08.1999/09.09.1999 eingeholt.
Dr.E. ist davon ausgegangen, dass das Ereignis vom 26.01.1996 zu einem Verdrehtrauma eventuell mit
Überstreckung des Kniegelenkes geführt habe. Dadurch sei es zu einem Riss des vorderen Kreuzbandes gekommen
mit konsekutiver Instabilität des Kniegelenkes. Diese Instabilität habe im Zusammenhang mit der
Innenmeniskusentfernung zu einer erheblichen, richtungweisenden Änderung eines altersentsprechenden
Vorschadens geführt. Als Unfallfolgen am Knie seien somit anzuerkennen: "Vorderer Kreuzbandriss,
Innenmeniskusriss, Zunahme der Knorpelschäden bei der durch den Unfall entstandenen Instabilität des
Kniegelenkes" bei einer derzeitigen MdE von 30 vH, wobei durch weiteren Muskelaufbau mit einer Minderung dieser
MdE zu rechnen sei.
Die Beklagte ist dem Gutachten des Dr.E. nicht gefolgt (Stellungnahme vom 30.08.1999). Das SG hat daraufhin ein
Gutachten von Amts wegen von Dr.E. vom 11.11.1999 eingeholt. Dieser ist davon ausgegangen, dass sich der Kläger
bei dem Ausrutschen auf dem Glatteis das Kniegelenk zwar verdreht habe, der Einriss am Innenmeniskushinterhorn
jedoch nicht unfallbedingt sei, da nach herrschender Auffassung eine Hinterhornverletzung des Meniskus nur bei
extrem gebeugtem Kniegelenk erfolgen könne. Auch die begleitende Knorpelschädigung sei somit unfallunabhängig.
Der kernspintomographische Nachweis einer Baker-Zyste am 06.02.1996 weise auf eine anlagebedingte
Vorschädigung der Kniegelenksbinnenstrukturen hin. Die Arthroskopie im März 1996 habe allenfalls eine fraglich als
ereignisbedingt zu bewertende Faserverletzung des vorderen Kreuzbandes ergeben bei stabilem Restkreuzband und
klinisch nachgewiesener axialer Stabilität. Die unfallbedingte Zerrung des rechten Kniegelenkes sei nach dem
Zeitraum von 13 Wochen als folgenlos abgeklungen zu bezeichnen.
Das SG hat mit Urteil vom 25.01.2000 die Klage abgewiesen und ist den Gutachtern der Beklagten und den von Amts
wegen gehörten Sachverständigen gefolgt. Es hat das Ereignis vom 26.01.1996 nicht für geeignet gehalten, eine über
eine Zerrung hinausgehende Gesundheitsschädigung hervorzurufen. Nach der ersten Diagnoseerstellung durch die
Chirurgin E. könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein gravierender Gesundheitsschaden eingetreten sei.
Dies werde auch durch das Kernspintomogramm vom 06.02.1996 belegt, aus dem sich nur degenerative
Veränderungen des Außenmeniskus und der Patellaknorpel sowie in geringem Umfang der Innenmenisci ergäben. Die
anlagebedingte Vorschädigung der Kniegelenksbinnenstrukturen ergebe sich auch aus der kernspintomographisch
nachgewiesenen Baker-Zyste. Der Einriss an der Innenmeniskushinterwand sei ebenfalls nicht ereignisbedingt, da
eine Hinterhornverletzung des Meniskus nur bei extrem gebeugten Kniegelenk erfolgen könne. Damit sei auch die
begleitende Knorpelschädigung ereignisunabhängig. Dr.E. gehe zu Unrecht von einem histologisch gesicherten
Befund einer frischen Kreuzbandruptur aus.
Der Senat hat von dem Orthopäden Dr.F. ein Gutachten vom 20.11.2001 eingeholt. Dieser hat eine unfallbedingte
Zerrverletzung mit Reizerguss eines bereits erheblich vorgeschädigten Kniegelenkes angenommen. Eine
unfallbedingte MdE messbaren Grades lasse sich nicht begründen. Dr.E. sei nicht zu folgen. Eine Fixierung des
Fußes habe bei dem Unfall nicht stattgefunden, verletzungsbedingte Strukturveränderungen am vorderen Kreuzband
des Klägers hätten nicht nachgewiesen werden können. Auf die im Operationsprotokoll beschriebenen degenerativen
Veränderungen, die keine Hinweise auf eine frischere Kreuzbandverletzung ergäben und für einen degenerativen
Vorschaden sprächen, sei Dr.E. nicht eingegangen.
Auf Antrag des Klägers hat der Senat ein Gutachten des Orthopäden und Chirurgen Prof. Dr.A. vom 15.03.2004
eingeholt. Prof. A. ist davon ausgegangen, dass sich der Kläger bei dem Unfall vom 26.01.1996 eine
Kniebinnenverletzung zugezogen habe, bei der es zu einem Teilriss im Bereich des vorderen Kreuzbandes gekommen
sei. Die unfallbedingte MdE hat er mit 50 angegeben. Die vorbestehenden degenerativen Schäden, die bis dahin den
Kläger subjektiv nicht eingeschränkt hätten, seien durch das Unfallereignis richtunggebend verschlimmert worden.
Verdrehtraumen mit und ohne fixiertem Fuß, wie auch Überstreckungen könnten zum Einreißen des vorderen
Kreuzbandes führen, wobei manchmal sogar die Zugkraft des Kniestreckers in gebeugter Stellung einen Teileinriss
auslösen könne. Selbst bei einem unglücklichen Stolpern könnten Kräfte auf das vordere Kreuzband einwirken, die an
dessen Belastungsgrenze reichten. Auch ein nicht sofortiges Aufsuchen eines Arztes spreche nicht gegen die
signifikante Gesundheitsschädigung. Manchmal finde sich eine alte Schädigung im Kreuzbandbereich erst bei einer
Jahre später durchgeführten Arthroskopie oder Kernspintomographie. Damit stünden alle bis hin zu den Operationen
nach Kniegelenksersatz durchgeführten Eingriffe in direkter Folge zur Verletzung vom 26.01.1996.
Die Beklagte hat sich mit Schreiben vom 03.08.2004 gegen das Gutachten des Prof. Dr.A. gewandt.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Nürnberg vom 25.01.2000 und des
Bescheides vom 12.05.1998 idF des Widerspruchsbescheides vom 10.08.1998 zu verurteilen, als Unfallfolgen
"vorderer Kreuzbandriss, Innenmeniskusriss, Zunahme der Knorpelschäden, Instabilität des Kniegelenkes,
Totalendoprothese des Kniegelenkes" anzuerkennen und die entsprechenden gesetzlichen Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 25.01.2000 zurückzuweisen.
Ergänzend wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Senat ist in Übereinstimmung mit den gehörten Sachverständigen Dr.H. , Dr.E. und Dr.F. der Überzeugung, dass
die operativ festgestellten Veränderungen des rechten Kniegelenkes nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom
26.01.1996, sondern auf die bereits vorbestehenden Verschleißerscheinungen zurückzuführen sind.
Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Anerkennung eines "vorderen Kreuzbandrisses, Innenmeniskusrisses,
Zunahme der Knorpelschäden, Instabilität des Kniegelenkes, totale Endoprothese des Kniegelenkes" als Folge des
Unfalles vom 26.01.1996. Der Unfall hat lediglich zu einer Zerrung des rechten Kniegelenkes geführt, die spätestens
ab der 13. Woche ausgeheilt war.
Der Anspruch des Klägers ist noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu beurteilen, da
das Ereignis vom 26.01.1996 noch vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am
01.01.1997 eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII).
Arbeitsunfall ist nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und
543 bis 545 RVO genannten versicherten Tätigkeit erleidet. Unfall ist ein körperlich schädigendes, zeitlich begrenztes
Ereignis. Wesentlich für den Begriff des Unfalls sind somit ein äußeres Ereignis als Ursache und eine
Körperschädigung als Wirkung (BSG SozR 2200 § 548 Nr 56). Das äußere Ereignis verlangt einen von außen auf den
Körper einwirkenden Vorgang, wobei auch körpereigene Bewegungen wie Heben, Schieben, Laufen äußere Vorgänge
in diesem Sinne sind, selbst wenn sie gewohnt und üblich sind (BSG SozR Nr 1 zu § 838 RVO). Der ursächliche
Zusammenhang zwischen einem Ereignis, das von außen auf den Körper des Versicherten eingewirkt hat und einer
Gesundheitsstörung besteht nach der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Lehre von der rechtlich
wesentlichen Ursache dann, wenn das Ereignis mit Wahrscheinlichkeit wesentlich die Entstehung oder
Verschlimmerung eines Gesundheitsschadens bewirkt hat (BSGE 1, 72, 76; 12, 242, 245; 38, 127).
"Wahrscheinlichkeit" bedeutet, dass beim vernünftigen Abwägen aller Umstände, die auf die berufliche Verursachung
deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann (BSG SozR Nr 20 zu §
542 RVO aF; SozR 2200 § 548 Nr 38). Daran fehlt es, wenn neben dem äußeren Ereignis bereits bestehende
Schadensanlagen mitwirken, die rechtlich die allein wesentliche Ursache des neuen Schadens sind, wenn also die
persönliche Risikosphäre allein rechtlich wesentlich ist.
Von diesen Bewertungskriterien ausgehend lässt sich nicht wahrscheinlich machen, dass das Ereignis vom
26.01.1996 wesentliche Bedeutung für die Entstehung eines vorderen Kreuzbandrisses, Innenmeniskusrisses und der
beim Kläger vorliegenden Folgeschäden hat.
Der vom Kläger geschilderte Unfallhergang (Ausrutschen und Verdrehung des rechten Kniegelenkes) lässt keine
größere Gewalteinwirkung erkennen. Eine solche Einwirkung auf ein gesundes Kniegelenk wäre aber erforderlich, um
einen unfallbedingten Kreuzbandriss annehmen zu können. Eine direkte Einwirkung (Sturz auf das Knie) wird nicht
geltend gemacht. Bei einer indirekten Einwirkung ist eine plötzliche kraftvolle Überstreckung bei Einwärtsdrehung des
Unterschenkels bei hoher kinetischer Energie oder eine plötzliche passive Überstreckung des Kniegelenks erforderlich
(Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7.Aufl S 684). Hiervon ausgehend hat ein
Sachverständiger bei seiner Beurteilung besonderen Wert auf den vom Kläger geschilderten Unfallhergang zu legen.
Bei der Untersuchung durch Dr.F. hat der Kläger geschildert, dass er im Knie nach außen eingeknickt und nach vorne
rechts gefallen sei. Er habe sich noch mit dem rechten Arm abstützen können. Da keine äußeren Verletzungen am
Knie aufgetreten sind, ist somit nicht von einer Anprallverletzung auszugehen.
Bei der Arthroskopie vom 25.03.1996 wurde festgestellt, dass das rechte Innenmeniskushorn und teilweise das
vordere Kreuzband gerissen waren. Bei gleichzeitiger stabiler Führung der Seitenbänder und Ausschluss einer
Kreuzbandschwäche, wäre eine größere Krafteinwirkung als die vom Kläger geschilderte Voraussetzung für die
festgestellten Schäden gewesen (vgl Schönberger aaO, S 685). Der Senat vermag deshalb der Auffassung von Prof.
Dr.A. nicht zu folgen, dass selbst ein unglückliches Stolpern zum Einreißen eines gesunden Kreuzbandes führen
könne. Die von der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung geforderte Krafteinwirkung lag nach der
Unfallschilderung nicht vor. Auch von einer Fixierung des rechten Fußes oder des rechten Knies ist nicht auszugehen.
Denn bei den neuen, mit glatten Ledersohlen versehenen Schuhen, die der Kläger trug, ist eine Fixierung des rechten
Fußes bei gleichzeitig auftretender übermäßiger Rotation und gebeugtem Kniegelenk nicht wahrscheinlich. Falls
tatsächlich bei diesem Ausrutschen Kreuzbandrisse aufgetreten wären, wären die bei dem MRT und der Arthroskopie
festgestellten degenerativen Veränderungen allein wesentliche Ursache der nachfolgenden Verletzung; das
Ausrutschen wäre lediglich als Anlass oder letzter Anstoß zu sehen.
Gegen einen ursächlichen Zusammenhang des bestehenden Schadens mit dem Unfall vom 26.01.1996 spricht auch
der von der Chirurgin E. beschriebene Erstbefund eines leichten Kniegelenksergusses rechts, ohne Meniskuszeichen
und mit intakten Kreuzbändern. Frau E. ging deshalb lediglich von einer unfallbedingten Distorsion im rechten
Kniegelenk mit Außenbandlockerung aus. Eine Außenbandinstabilität bestätigte sich intraoperativ nicht. Die
vorgefundene leichte Schwellung wäre nur dann ein Hinweis auf eine wesentliche frische Binnenverletzung des
Kniegelenkes gewesen, wenn es sich um einen blutigen Erguss gehandelt hätte. Am 25.03.1996 wurde zwar ein
Erguss vorgefunden, Ursache dafür war aber ein bernsteinfarbenes Sekret, das mehr für einen arthrotischen
Reizzustand, als für ein Unfallereignis sprach.
Die intraoperativ und auch kernspintomographisch erhobenen Befunde zeigten bereits erhebliche Knorpelschäden bis
zum Stadium III in der Umgebung des Innenmeniskus. Die Gelenkinnenhaut war entzündet und es waren mehrere
freie Gelenkkörper vorhanden. Die dort beschriebenen degenerativen Veränderungen bestätigten sich auch in den
histologischen Befunden, in denen keine Einblutung und insoweit kein Hinweis auf ein frischeres Trauma gefunden
wurde. Die aufgefaserten und degenerierten Meniskusanteile wiesen auf erhebliche Verschleißerscheinungen hin. Die
bereits im März 1996 vorliegenden erheblichen Knorpelschäden bis zum Grad III und die freien Gelenkkörper geben
einen deutlichen Hinweis auf erhebliche Vorschäden, da sich freie Gelenkkörper in Verbindung mit einer
Kniegelenksarthrose nur im Laufe mehrerer Monate und Jahre entwickeln. Im Zuge einer solchen Entwicklung lassen
sich auch die faserigen Strukturveränderungen und Teilläsionen am Kreuzbandapparat erklären. Hinzu kommt, dass
auch das nicht verletzte linke Kniegelenk des Klägers erhebliche Verschleißerscheinungen aufweist. Auch im
vorderen Kreuzband fand sich keine Einblutung.
Die vom Kläger angegebene Schmerzfreiheit vor dem Ereignis vom 26.01.1996 macht noch nicht wahrscheinlich,
dass das Ausrutschen am 26.01.1996 wesentliche Ursache für den Kniegelenkschaden ist. Denn diese lässt sich
durchaus mit einer klinisch stummen Entwicklung in Einklang bringen. Selbst bei isolierten Kreuzbandverletzungen
finden sich auch nach Aussage des Sachverständigen Prof. A. manchmal alte Schädigungen, die erst bei einer Jahre
später durchgeführten Arthroskopie oder Kernspintomographie - zufällig - festgestellt werden. Im Übrigen kann sich
durchaus durch die Zerrung und den damit verbundenen Reizerguss die bis dahin klinisch stumm entstandene
Schadensanlage bemerkbar gemacht haben.
Angesichts der festgestellten erheblichen degenerativen Veränderungen im rechten Knie ist anzunehmen, dass die
nach dem Unfall festgestellten Kreuzbandrisse durch eine alltägliche Belastung aufgetreten sind und es nicht eines
unersetzlichen äußeren Ereignisses bedurfte. Damit liegt auch die von Prof. A. angenommene richtunggebende
Verschlimmerung von vorbestehenden degenerativen Schäden durch den Unfall nicht vor. Gegen eine solche
Annahme spricht auch die bestehende Baker-Zyste (Hinweis auf eine anlagebedingte Vorschädigung der
Kniegelenksbinnenstrukturen). Die degenerativen Veränderungen lassen sich durch das erhebliche Übergewicht des
Klägers und die ausgeprägten X-Beine erklären. Diese wirkten sich negativ auf die Entwicklung der
Verschleißerscheinungen der beiden Kniegelenke aus.
Dem Sachverständen Dr.E. vermag der Senat schon deshalb nicht zu folgen, weil dieser sich in seinem Gutachten
nicht mit dem Unfallhergang beschäftigt hat und nur allgemeine Ausführungen über Entstehungsmechanismen der
Unfallfolgen gemacht hat. Damit bleibt Dr.E. eine nachvollziehbare Begründung schuldig, weshalb die nun
vorliegenden Veränderungen mit Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 26.01.1996 zurückzuführen sind.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision iS des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich. -
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+GER++ LSG Bayern
+DAT++ 19.10.2004
+AZ+++ L 17 U 93/00
+NOR++
+SCH++
+KT+++
+SPR++ 17. Senat
+TYP++ Urteil
+FUN++
+VOR++ SG Nürnberg; 25.01.2000; S 2 U 259/98
+ZIT++
+SAC++ U
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